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I. THEORETISCHE BASIS (Kreuzer/Ruppitsch)

2. Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze zur Bewältigung der alten und

2.6 Gruppenarbeit - Stärkung der Einzelnen durch die Gruppe (Kreuzer)

2.6.1 Gruppenpädagogik und gruppendynamische Prozesse

Die Gruppenpädagogik/ -arbeit wird als eine der drei Hauptmethoden8 der Sozialen Arbeit gesehen und ist in der sozialpädagogischen Praxis mit mehreren Menschen erforderlich.

Praktische Regeln, welche lehr- und lernbar sind, sollen als Orientierungshilfe dienen und das Zusammenleben in einer Gruppe erleichtern. Ziel der Gruppenpädagogik ist es, ge-meinsam als Gruppe, erlebte Erfahrungen zu sammeln und somit die Gemeinschaft zu stär-ken, was zugleich auch zur Vertrauensbildung beitragen soll. Wichtig dabei ist es, dass

8 Die drei Hauptmethoden bzw. eher Sozialformen, welche im zweiten Schritt Methoden zugeordnet werden können, sind die Soziale Einzel(fall)hilfe, die soziale Gruppenarbeit und die Gemeinwesenarbeit (vgl. Buchholz-Graf 2007, o.S.).

jedes Gruppenmitglied als Individuum gesehen wird und die individuellen Ansprüche be-rücksichtigt werden (vgl. Seidelmann 1975, S. 75 f.). In jeder Gruppe treffen Menschen aufeinander, welche verschiedenste Persönlichkeitsmerkmale, Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten oder sogar gegensätzliche Verhaltensweisen mit sich bringen. Um aber das Funktionieren einer Gruppe zu gewährleisten, sind genau diese jedoch unerlässlich. Unter-schiedliche Interessen, Einstellungen, Vorlieben, Werthaltungen und Abneigungen sind eine Bereicherung, da andere Sichtweisen aufkommen und somit die Kommunikation in der Gruppe gefördert wird. Um Konflikten oder sogar Gewaltübergriffen entgegenzuwirken, sind klare Regeln von Anfang an unbedingt notwendig (vgl. Redlich 1997, S. 106).

Nach Stahl 2002 werden fünf Phasen beschrieben, welche die Mitglieder bei einem Grup-penprozess durchlaufen müssen. Er entwickelte diese basierend auf dem Tuckman-Modell, welches die Entwicklungsschritte bei Gruppen näher betrachtet.

Phase 1 – Forming

Der Begriff stammt aus dem Englischen und meint so viel wie die Gründungsphase einer Gruppe. Es werden dabei die ersten Kontakte und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe hergestellt. Die einzelnen Mitglieder lernen sich dabei kennen und versuchen sich gegenseitig einzuschätzen und einzuordnen. In dieser ersten Phase herrscht noch viel Un-sicherheit und Ungewissheit (vgl. Stahl 2002, S. 51).

„Was wir innerhalb der Gruppe als Dynamik bezeichnen, geschieht auf zwei Ebenen: die erkennbare Dynamik des Verhaltens der einzelnen Gruppenmit-glieder zueinander […], ist die zunächst an der Oberfläche spürbare Seite. Die unausgesprochenen Erwartungen, Befürchtungen und Hoffnungen, die das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder unbewusst determinieren, stellen die zweite Ebene dar, […]“ (Brocher 2015, S. 37).

Durch bestimmte Regeln wird eine erste gewisse Ordnung in die Gruppe gebracht (vgl.

Stahl 2002, S.51). Auch in den Unterbringungseinrichtungen stellt sich die Phase des For-mings als eine Herausforderung für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge heraus.

Durch die pädagogische Arbeit der BetreuerInnen soll den Jugendlichen das Hineinfinden in die Gruppe allerdings erleichtert werden.

Phase 2 – Storming

Die Phase 2 erweist sich als die Streitphase, denn in ihr filtern sich verschiedene Zielvor-stellungen heraus oder treffen sogar konfrontativ aufeinander. Die Hauptthemen dieser Phase sind Konkurrenz und Konflikte. Jedes Mitglied der Gruppe möchte sich selbst ver-treten, sich zeigen und mit anderen auseinandersetzen. Es ergeben sich vermehrt Mei-nungsverschiedenheiten, welche automatisch das Spannungsfeld erhöhen. Die

individuel-len Ziele differenzieren sich nicht nur von jenen der anderen, sondern sie stehen in Kon-kurrenz zueinander (vgl. Stahl 2002, S. 52). Diese nun bestehenden Unterschiede müssen gemeinsam mit den UMFs und den pädagogischen BetreuerInnen erläutert und erarbeitet werden, um weitere Entscheidungen zu diskutieren und zu treffen.

Phase 3 – Norming

Die Phase 3 wird auch Vertragsphase genannt. Aus den Auseinandersetzungen der Stor-ming-Phase wird ein Resümee gezogen und darauffolgend sollen Einigungen und Abma-chungen durch die Gruppenmitglieder getroffen werden. Die einzelnen sollen dabei lernen sich gegenseitig zu akzeptieren und zu respektieren. Wie der Name ‚Norming‘ schon sagt, werden klare Regeln und Normen definiert und gemeinsame Ziele ausformuliert und her-ausgefiltert (vgl. Stahl 2002, S. 52). Durch gruppendynamische Prozesse sowie Gruppen-gesprächsrunden mit den BetreuerInnen als GruppenleiterInnen können entstandene Kon-flikte aus der Phase zuvor aufgearbeitet werden. Es können dabei die vielen verschiedenen Ziele diskutiert und unterschiedliche Ansichtsweisen aufgezeigt werden.

Phase 4 – Performing

Die Phase 4 kann als die Arbeitsphase gesehen werden, denn in ihr sollen sich die einzel-nen Mitglieder sehr stark engagieren und in die Gruppe einbringen. Höchstwahrscheinlich wird es in dieser Phase erneut zu Auseinandersetzungen kommen, da für einzelne Mitglie-der die Lösungsansätze aus Mitglie-der Norming-Phase nicht akzeptiert werden wollen. Hierbei wird nun der Zusammenhalt der gesamten Gruppe getestet, was aber zeigt, dass nach einer längeren Zusammenarbeit die einzelnen Individuen zu einer Gesamtheit zusammen-wachsen und ein Team bilden. Es kommt nun zu einem Punkt, an welchem die Mitglieder voneinander abhängig werden und nur zusammen die Ziele erreicht werden können (vgl.

Stahl 2002, S. 53). Um diesen Charakter einer starken Gruppenzusammengehörigkeit er-zeugen zu können, müssen sich alle Mitglieder persönlich kennen und eine emotionale Bin-dung zueinander haben. Dies lässt dann ein so genanntes Wir-Gefühl aufkommen und eine klare Zugehörigkeit spüren (vgl. Oswald 2008, S. 322 f.).

Phase 5 – Re-Forming

In der Phase des Re-Formings orientieren sich die Gruppenmitglieder neu. Gleich wie in der Phase 1 herrscht erneut Unsicherheit vor, da sich die Frage stellt, ob die aufgestellten Regeln der Phase 4 noch gültig sind. Die Re-Forming-Phase zeichnet sich durch die Erfah-rungen im gemeinsamen Umgang aus. Es muss durch die Gruppe genau analysiert und sichtbar gemacht werden, welche Veränderungen und Unterschiede erreicht wurden. Ab-schließend soll dann noch das Vergangene bewertet, das Bestehende diskutiert und das Anstehende eingeschätzt werden (vgl. Stahl 2002, S. 53).

In folgender Tabelle werden die fünf Phasen zusammenfassend dargestellt:

Tabelle 3: 5 Phasen der Gruppenentwicklung (Stahl 2002, S. 54)

Es lässt sich also sagen, dass einer der bedeutungsvollsten Punkte in diesem Zusammen-hang der kommunikative Austausch ist, welcher die Gruppe fördert. Die Rede ist dabei von einer Kommunikation, welche auch als Austausch von Sichtweisen und Möglichkeiten ge-sehen werden kann. Es ist wichtig, dass die einzelnen Mitglieder auch die Erfahrungen der anderen hören und dabei bemerken, dass sie sich nicht alleine in dieser Situation befinden.

Diese Erkenntnis durch ein Gruppengespräch bringt eine entlastende Funktion mit sich.

Wesentlich beim Austausch in der Gruppe ist vor allem die gegenseitige Wertschätzung dafür, was Einzelne bereits geleistet, erlebt oder überstanden haben. Dies führt auch wie-derum dazu, dass die Gruppe ihre Mitglieder darin fördert, Aufgaben zu bewältigen und sich mit etwas auseinanderzusetzen.