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I. THEORETISCHE BASIS (Kreuzer/Ruppitsch)

1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Jugendliche alleine auf der Flucht

1.4 Rechtliche Grundlagen

1.4.1 Internationale Abkommen

Weltweit wurde über die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge häufig dis-kutiert und es ist unabdingbar, spezielle Vereinbarungen und Gesetzestexte, in welchen deren Rechte und Pflichten festgehalten werden, zu verfassen. In diesem Kapitel soll es um jene Abkommen, welche sich für genau dies international einsetzen, gehen.

UN-Kinderrechtskonvention (KRK)

Die UN-Kinderrechtskonvention, abgekürzt auch als KRK bezeichnet, ist ein internationaler Vertrag über die Rechte des Kindes und wird wie folgt definiert:

„Die Kinderrechtskonvention ist ein internationaler Vertrag mit dem Ziel, die Le-bensbedingungen von Kindern und Jugendlichen weltweit zu verbessern. Sie erkennt Kinder und Jugendliche als TrägerInnen grundlegender Rechte an und verpflichtet Staaten, diese Rechte auch tatsächlich zu garantieren“ (Kaselitz 2011, S. 2).

Insgesamt haben 192 Staaten diesen Vertrag unterzeichnet und sich somit verpflichtet, die-sen sehr ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Inhalte auch wirklich im eigenen Staat umgesetzt werden. Beschlossen wurde die KRK im Jahr 1989 von der UNO. Öster-reich ratifizierte die Kinderrechtskonvention im Jahr 1992. Der berühmte polnische Päda-goge Janus Korczak brachte am Anfang des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck, dass Kinder und Jugendliche nicht nur Personen sind, welche besonderen Schutz benötigen, sondern vor allem Menschen sind, die die Möglichkeit haben sollen, bei der Durchsetzung ihrer Rechte mitzubestimmen und ernst genommen zu werden (vgl. ebd., S. 4).

Die KRK besteht aus 54 Artikeln, welche in drei größere Teilbereiche unterteilt werden kön-nen:

 Vorsorge: dazu zählen das Recht auf Leben, Nahrung, Bildung und Freizeit, Unter-stützung für Flüchtlingskinder und Kinder mit Behinderung sowie Rehabilitation für Opfer von Gewalt und Ausbeutung.

 Schutz: dazu zählen das Recht auf Schutz vor körperlicher oder geistiger Gewalt, Schutz vor sexueller Ausbeutung, Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung wie zum Beispiel Kinderarbeit sowie Schutz bei bewaffneten Konflikten.

 Beteiligung: dazu zählen das Recht auf Partizipation (Berücksichtigung der Meinung der Kinder und Jugendlichen), auf Informations- und Meinungsfreiheit, auf Pri-vatsphäre und auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (vgl. Kaselitz 2011, S. 5).

Von sehr großer Bedeutung ist der Artikel 22 der KRK, da dieser die Vertragsstaaten ver-pflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicher zu gehen, dass geflüchtete Kinder angemessenen Schutz und eine humanitäre Hilfe erhalten. Im Absatz 2 desselben Artikels wird festgehalten, dass die Behörden verpflichtet sind, die Kinder bei der Suche nach Eltern oder Familienangehörigen zu unterstützen. Gleichzeitig erklärt der Artikel 20, dass jene Kinder, die vorübergehend oder dauernd ohne eine familiäre Begleitung sind, einen An-spruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand haben (vgl. Theilmann 2005, S.

62).

Es lässt sich also sagen, dass bei der Kinderrechtskonvention nicht nur der Schutzgedanke im Fokus steht, sondern vor allem die kinderrechtlichen Aspekte, welche zur Förderung, zur Selbstbestimmung und zum Schutz der Kinder im Sinne der Erfüllung der kindlichen Grund-bedürfnisse beitragen (vgl. Haversiek-Vogelsang, S. 195).

Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)

Der Beginn der Genfer Flüchtlingskonvention lässt sich mit dem Ende des Zweiten Welt-krieges definieren. Schon zu dieser Zeit waren Flüchtlinge in ganz Europa unterwegs und viele von ihnen hatten keine Chance, wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren bzw. viele von ihnen wollten das auch einfach nicht. Auf dies reagierten die Vereinigten Nationen dann 1946 und gründeten die Internationale Flüchtlingsorganisation, welche heute als Vorreiter-organisation der UNHCR gilt und erarbeiteten einen völkerrechtlichen Vertrag über die Rechtsstellung von Flüchtlingen. 1950 wurde der UNHCR dann gegründet. Nach jahrelan-ger Beratung wurde am 28. Juli 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von den Staa-tenvertretern unterzeichnet (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 163). Gedacht war diese ei-gentlich für die Schutzgewährung von Flüchtlingen auf dem europäischen Kontinent und war deshalb auch beschränkt auf europäische Flüchtlinge sowie Ereignisse, die sich vor dem 1. Jänner 1951 ereignet hatten. Im Laufe der Jahre wurde aber immer mehr klar, dass

das Flüchtlingsthema die gesamte Welt betrifft und sich auch zeitlich kaum eingrenzen lässt. Somit wurde die GFK 1967 um einige Zusatzprotokolle erweitert, in welchen neu be-schlossen wurde, dass die zeitliche und räumliche Begrenzung der Konvention aufgehoben wird (vgl. Rogowicz 2009, S. 33). In der GFK wurde schriftlich festgelegt, wer zur Gruppe der Flüchtlinge gezählt werden darf und welche Rechte und Pflichten ihm/ihr im Zufluchts-land zukommen. Bis heute sind insgesamt 146 Staaten beigetreten, wodurch die GFK zum weltweit wichtigsten Instrumentarium des Flüchtlingsschutzes zählt. Österreich hat die GFK am 26. August 1954 unterzeichnet und am 30. Jänner 1955 ist die Konvention in Kraft ge-treten. Als zweitwichtigstes völkerrechtliches Dokument, aus welchem die Rechte und Pflichten der Flüchtlinge herausgelesen werden können, gilt die Europäische Menschen-rechtskonvention (EMRK), welche 1950 in Europa beschlossen wurde. Da die GFK nach dem Zweiten Weltkrieg konzipiert wurde, kann sie den heutigen Phänomenen der Flücht-lingsströme nur zum Teil gerecht werden, da eine Beschränkung auf nur fünf Verfolgungs-gründe vorgenommen wurde (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 163 f.).

Einer der wichtigsten Grundsätze in der GFK ist das Gebot des Non-Refoulement, welches im Art. 33 I GFK verschriftlicht wurde. Dieser Artikel befasst sich mit der Auslieferung, der Abschiebung und auch mit der Zurückweisung an der Grenze. Er verpflichtet die Staaten, den neu Ankommenden Zuflucht zu gewähren vor dem unmittelbaren Zugriff des Verfolger-staates. Es geht dabei aber nicht um einen subjektiven Asylanspruch bzw. um eine staatlich verbindliche Aufnahmepflicht (vgl. Rogowicz 2009, S. 34).

United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)

Wie bereits erwähnt, kann UNHCR als Nachfolgemodell der Genfer Flüchtlingskonvention gesehen werden. Bei beiden Abkommen steht der internationale Flüchtlingsschutz im Fo-kus. UNHCR setzt sich stark für die internationale Anerkennung der in der GFK festgehal-tenen Grundrechte ein und arbeitet daran, dass die Regierungen diese auch beachten.

Auch für das Respektieren der Menschenrechte der Flüchtlinge, für die Suche nach Asyl und gegen den Zwang der Rückkehr in ein Land, in welchem Verfolgung droht, setzen sie sich stark ein. Vor allem die Versorgung von Flüchtlingen mit lebenswichtigen Gütern zählt zu den Hauptaufgaben. UNHCR kümmert sich nicht nur um den internationalen Flüchtlings-schutz, sondern auch um den Schutz von Staatenlosen, Binnenvertriebenen, Asylsuchen-den und Menschen, die freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Außerdem unterstützt UNHCR die Staaten und hilft bei der Suche nach dauerhaften Lösungen (vgl. Schöffl 2016, o.S.).

Das „Separated Children in Europe Programme“ (SCEP)

Das Separated Children in Europe Programme ist vor allem in den letzten Jahren sehr ge-wachsen und hat sich weiterentwickelt. Es besteht aus einer Vielzahl von nichtstaatlichen Partnern in ganz Europa und arbeitet eng mit UNHCR zusammen. Zu Beginn galt dieses Programm als eine gemeinsame Initiative von Mitgliedern der International Save the Child-ren Alliance und des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR. Auch hier gelten die Ver-wirklichung der Rechte aller Kinder sowie die Gewährung von Schutz für Flüchtlinge und Asylsuchende, in diesem Falle vor allem Kinder, als zentrale Themen der Hauptaufgaben.

UNICEF arbeitet mit Save the Children und UNHCR stark zusammen und setzt sich für die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein und sorgt für deren Schutz. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat UNICEF damit beauftragt, dass sie mit-helfen, sich für die Grundrechte der Kinder einsetzen und die Grundbedürfnisse zu befrie-digen. Das Ziel des Separated Children in Europe Programm ist es, dass die Rechte und das Wohl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, welche in Europa bleiben möch-ten oder welche den Kontinent auch nur durchqueren, sichergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Partnerschaften mit Organisationen aufgebaut, welche in der Be-treuung von unbegleiteten Minderjährigen in europäischen Ländern aktiv sind. Die Vision, dass die geflüchteten Jugendlichen die Chance erhalten, ihr Potential voll zu entwickeln und dass sie sich aktiv an der Gestaltung politischer Strategien und politischer Maßnahmen, welche ihr Leben maßgebend betreffen, beteiligen, kann als die treibende Kraft für dieses Programm gesehen werden (vgl. Separated Children in Europe Programme Bundesfach-verband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge 2012, S. 18 f.).