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3. Zur aktuellen Finanzlage und Haushaltspolitik

3.2. Staatseinnahmen und Fiskalpolitik 1. Veränderungen im Steueraufkommen

3.2.2. Unsicheres Steuerparadies und Gesellschaftswesen Der Finanzdienstleistungssektor, dem die Treuhandunternehmen, Fi

nanzgesellschaften und die Banken angehören, ist zum bedeutendsten Wirtschaftszweig des Landes herangewachsen. In Liechtenstein waren nach Aussage des Regierungschefs im Jahre 1996 rund 74 000 Sitzgesell­

schaften registriert, die dem Staat etwa 80 Mio CHF an Gesellschafts­

steuern einbrachten. Der Staat erhält darüber hinaus weitere direkte und indirekte Steuereinnahmen sowie Gebühreneinnahmen aus dem Finanz­

dienstleistungssektor, die zusammen mit den Gesellschaftssteuern schät­

zungsweise über die Hälfte seiner Einnahmen ausmachen. Die künftigen Einnahmen und damit auch die Ausgaben werden in entscheidendem Masse von der weiteren Entwicklung dieses Sektors bestimmt sein.

Davon beeinflusst sind nicht nur die besondere Gesellschaftssteuer, son­

dern auch andere Steuereinnahmen, wie zum Beispiel die Stempelabga­

ben, die MWSt, die Kapital- und Ertragssteuer sowie die Erwerbs- und Vermögenssteuer.

Die künftige Entwicklung des Finanzdienstleistungssektors und der daraus resultierenden direkten und indirekten Steuereinnahmen wird

215 Vgl. ReBe 1995, S. 287.

Staatseinnahmen und Fiskalpolitik

primär von der Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität Liechtensteins als Finanz- und Bankplatz bestimmt. So sieht Cyrill Sele den Erfolg Liechtensteins im Finanzdienstleistungssektor auf zwei Pfeilern begrün­

det: dem Bankwesen und dem Gesellschafts- und Treuhandwesen, zwi­

schen denen bedeutende Synergieeffekte bestehen.216 Die Vorteile für ausländische Anleger sieht er darin, dass es keine Verrechnungssteuer gibt, ein besonderes Steuer- und Holdingprivileg besteht und das Bank­

geheimnis soweit gewahrt ist, dass liechtensteinische Behörden keine Rechtshilfe in Fiskalsachen erteilen. Die Einnahmen aus der besonderen Gesellschaftssteuer hängen somit nicht nur von der Qualität der Lei­

stungen der verschiedenen Treuhandunternehmen und Banken sowie dem entgegengebrachten Vertrauen der Kunden ab, sondern im beson­

deren Masse auch von der fiskalischen Belastung und dem gesamten Rechts- und Informationsschutz für die treuhänderisch verwalteten Gelder und Vermögenswerte.

Wie Doris Frick zur Zukunft des Gesellschafts- und Treuhandwesens ausführt, sind die niedrigen Steuern und die Anonymität auch künftig die wichtigsten liechtensteinischen Standortvorteile. Gefahren sieht sie in der wachsenden Konkurrenz mit anderen Offshore-Finanzplätzen und im Risiko, das Vertrauen der Kapitalanleger aufgrund von Skanda­

len, der (politischen) Unsicherheit des Finanzplatzes Liechtenstein, Pro­

blemen der steuerrechtlichen Anerkennung im Ausland oder durch Re­

pressalien von EU-Ländern zu verlieren.217 Die Regierung erachtete 1994 eine Erhöhung der besonderen Gesellschaftssteuer noch für trag­

bar und schlug deshalb eine Erhöhung der Mindeststeuer vor.218 Der Landtag stand einer solchen Erhöhung aufgrund der befürchteten nega­

tiven Folgen für den Finanzdienstleistungssektor jedoch kritisch ge­

genüber, und die Regierung hat dann aufgrund der Einführung der MWSt die versprochene Vorlage schubladisiert.

Beim Beitritt Liechtensteins zum EWR waren Steuerfragen vorerst nicht Gegenstand der Verhandlungen. Trotzdem darf nach den Aus­

führungen von Doris Frick nicht ausgeschlossen werden, dass Amtshil­

fefragen bezüglich des freien Kapitalverkehrs später eingebracht werden

216 Vgl. dazu Sele C.

217 Vgl. Frick D., S. 26f.

218 Vgl. BuA zum Landesvoranschlag für das Jahr 1996, Nr. 71/1995, S. 33.

und an Liechtenstein vermehrt Forderungen im Bereich Rechtshilfe ge­

stellt werden, die eine Aufweichung des Bankgeheimnisses sowie eine Harmonisierung der Steuersysteme zur Folge haben können. Damit be­

steht die Gefahr, dass Steuervorteile für die Sitz- und Holdinggesell­

schaften verlorengehen.219 Die aus dem Treuhandwesen fliessenden Steuereinnahmen können aus diesem Grund nicht als absolut gesicherte Einnahmequelle betrachtet werden. Wenn man die jüngsten Entwick­

lungen, wie zum Beispiel die Bestrebungen des deutschen Finanzmini­

sters zur Bekämpfung des internationalen Steuerdumpings und der Steueroasen oder die Berichterstattung des "Spiegels" über das Treu­

handwesen in Liechtenstein im Zusammenhang mit den aus einem nam­

haften Treuhandbüro entwendeten Adresslisten von Anlegern verfolgt, so gibt dies doch Anlass zur Sorge.220

Auf die Formen der Steuervermeidung, Steuerumgehung und Steuer­

hinterziehung sowie auf die Instrumentarien zur Bekämpfung der Steu­

erflucht durch den deutschen Fiskus gehen Carl und Klos ein.221 Sie kommen zum Schluss, dass das deutsche Steuerrecht für die Finanzver­

waltung ein perfektes und effektives Instrumentarium zur Bekämpfung einer vermuteten Steuerumgehung und -hinterziehung bereithält. Die Regelungen aus einer Kombination von Anzeige-, Informations- und Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen, zusammen mit den Prüfungs­

befugnissen der Steuerbehörden, verunmöglichen nach ihrer Auffassung einen legalen Weg, die Vorteile einer Steueroase zu nutzen. Wenn mit dem betreffenden Land kein Abkommen zur Doppelbesteuerung be­

steht, erwarten sie sogar Nachteile für Steuerflüchtlinge. Im EG-Amts­

hilfegesetz und dem Europäischen Ubereinkommen zur Rechtshilfe in Steuerstrafsachen sehen sie eine weitere Möglichkeit der nationalen Finanzverwaltungen, auf Steuerflüchtlinge und Steueroasen Druck aus­

zuüben.222

Liechtenstein ist allerdings weiter bemüht, den souveränen Spielraum zu nutzen und im Holding- und Gesellschaftswesen die Standortvorteile weiter auszubauen. Dies zeigt sich in den gesetzgeberischen Initiativen,

219 Vgl. Frick D., S. 170ff.

220 Vgl. "Der Spiegel" 33/1997: Fluchtburgen des Geldes, S. 22ff., und Interview mit Theo Waigel, S. 25ff., sowie "Der Spiegel" 51/1997: Stifter im Dunkeln, S. 70ff., und Inter­

view mit Herbert Batliner, S. 88ff.

22' Vgl. Carl/Klos, S. 199ff.

222 Vgl. dazu Martin H.P. und Schuhmann H., S. 9 1 ff.

Staatseinnahmen und Fiskalpolitik

zusätzliche Marktnischen und Finanzdienstleistungsmärkte für Invest­

ment- oder Versicherungsunternehmen zu' erschliessen. So können durch die Einführung eines Gesetzes über Investmentunternehmen (LGB1. 1996/89) künftig liechtensteinische Anlagefonds lanciert wer­

den. Mitte 1996 hat die Landesbank bereits ihr erstes Fondsprodukt

"LLB Liechtenstein Banken Invest" auf den Markt gebracht.223 Auf Grundlage des Versicherungsaufsichtsgesetzes (LGB1. 1996/23) wurde im Jahre 1997 die erste Versicherungsgesellschaft, "Capital-Leben", durch die LGT gegründet.224 Doch es bleibt abzuwarten, wie sich diese Geschäftszweige in weiterer Zukunft entwickeln und ob sie die stagnie­

renden Steuereinnahmen im Treuhandwesen aufbessern können.