3. Zur aktuellen Finanzlage und Haushaltspolitik
3.1. Der Finanzhaushalt von 1993 bis 1996
Die folgende Tabelle gibt die kurzfristige Einnahmen- und Ausgaben
entwicklung sowie den Stand des Finanzvermögens der Jahre 1993 bis 1996 wieder (in Mio CHF):
1993 1994 1995 1996
Laufende Einnahmen 443.6 458.9 520.5 569.4
Investive Einnahmen 6.2 7.0 7.9 10.0
Gesamteinnahmen 449.8 465.9 528.4 579.4
Laufende Ausgaben 369.3 395.3 414.6 451.3
Investitionsausgaben 73.2 69.8 80.0 79.6
Gesamtausgaben 442.5 465.1 494.6 530.9
Mehreinnahmen 7.3 0.8 33.8 48.5
Abschr. Finanzvermögen 2.6 2.9 2.1 0.7
Neubewertung LLB-Aktien 63.1
Veränd. Finanzvermögen 9.9 3.7 99.0 49.2
Deckungsüberschuss 23.0 26.7 125.7 174.9
Greifbare Mittel 291.8 324.8 458.9 479.7
Fremdkapital 268.9 298.1 333.2 304.8
3.1.1. Zunehmendes Finanzpolster
Von 1993 bis 1996 ist das Netto-Finanzvermögen von etwa 23 Mio CHF auf 175 Mio CHF angestiegen. In Anbetracht der unterbewerteten Betei
ligungen an staatlichen Unternehmen, der weitgehenden Amortisation
des Verwaltungsvermögens und des fortgeschrittenen Ausbaus der öffent
lichen Infrastruktur steht Liechtenstein im internationalen Vergleich wohl beispielhaft da. Während andere Staaten erhebliche Staatsschulden auf
weisen und der Budgetspielraum durch die hohen Zinsenlasten immer mehr eingeschränkt wird, kann Liechtenstein auch für die kommenden Jahre mit Mehreinnahmen und zunehmenden Finanzreserven rechnen.
Ohne die Mehreinnahmen durch die Umstellung auf die MWSt hätte sich, wie aus dem Voranschlag für das Jahr 1996 hervorgeht, eine negative Sche
renbewegung zwischen Einnahmen und Ausgaben ergeben.
Der nominelle Aktienanteil des Landes an der Liechtensteinischen Landesbank, der über 51 Prozent hinausgeht, wird neu zum Finanzver
mögen gerechnet. Dadurch hat sich das Netto-Finanzvermögen im Jahre 1995 buchhalterisch um etwa 63 Mio CHF erhöht und der
Dek-kungsüberschuss ist zusammen mit den Mehreinnahmen dieses Jahres auf gut 125 Mio CHF angestiegen. Die in der Finanzplanung 1996 bis 2000 erstmals vorgenommene Neu- und Höherbewertung des Finanz
vermögens ist rechtlich in Frage zu stellen.206 Es handelt sich in diesem Falle um die Umwandlung von Verwaltungsvermögen in Finanzver
mögen, was meines Erachtens einen gesonderten Finanzbeschluss durch den Landtag erfordern würde, da dies die Regierung zur Veräusserung des entsprechenden Aktienkapitals autorisiert.
Im Rechenschaftsbericht für das Jahr 1996 weist die Regierung ein Finanzvermögen von 175 Mio CHF aus und kann mit diesem "Polster"
auch bei allfälligen künftigen Mehrausgaben einen Deckungsüberschuss ausweisen. Der Ausgabenrahmen wird damit erweitert und Mehraus
gaben können leichter aufgefangen werden, ohne bei knappen Finanz
reserven Gefahr zu laufen, in eine Finanzverschuldung zu geraten. Der Staat konnte in jüngster Vergangenheit durch die Einnahmenentwick
lung und die vorgenommene Neudefinition des Finanzvermögens sei
nen finanzpolitischen Spielraum erheblich erweitern.
3.1.2. Unterschiedliche Ausgabenentwicklungen
Die aktuelle Entwicklung der laufenden Ausgaben nach den funktionellen Ausgabenarten spiegelt sich in der folgenden Tabelle wider (in Mio CHF):
206 Vgl. Bericht der Regierung zur Finanzplanung 1996-2000, Nr. 86/1995, S. 15ff.
Finanzhaushalt von 1993 bis 1996
1993 1994 1995 1996
0 Allgemeine Verwaltung 35.1 36.6 42.0 43.1 1 Öffentliche Sicherheit 21.2 22.0 22.6 24.9
2 Bildungswesen 73.3 76.9 79.0 84.9
3 Kultur, Freizeit 13.9 13.7 14.1 14.1
4 Gesundheit 9.7 10.7 10.5 H.4
5 Soziale Wohlfahrt 66.9 75.8 75.1 82.7
6 Verkehr (PTT) 66.5 64.5 59.7 69.0
7 Umwelt, Raumordnung 2.4 2.4 7.1 2.4
8 Volkswirtschaft 12.3 12.8 13.9 17.4
9 Finanzen, Steuern 68.0 79.9 90.6 101.4
Total Ausgaben LR 369.3 395.3 414.6 451.3
Fondseinlagen 45.7 49.6 52.1 51.1
Abschreibungen 48.1 45.4 49.2 47.8
Interne Verrechnungen - - 1.0 3.4
Total Aufwand LR 463.1 490.3 517.0 553.6
Im Vergleich der Jahre 1979 bis 1993 und der Jahre 1993 bis 1996 zeigen sich bei den Wachstumsraten (% p.a.) der Ausgaben in den Verwal-tungs- beziehungsweise Funktionsbereichen folgende Veränderungen:207
79 -93 93-96
Regierung u.Verwaltung 11,1 7,1 Allgemeine Verwaltung (0) Bildungswesen 8,6 5,0 Bildungswesen (2)
Bauwesen, Unterhalt 7,0 12,3 Volkswirtschaft (8) Land- und Waldwirtschaft 6,2 1,2 Verkehr, PTT (6)
Post, Telefon 7,3 5,5 Öffentliche Sicherheit (1) Gerichtswesen, Sicherheit 8,3 5,5 Gesundheit (4)
Gesundheitswesen 6,3 7,3 Soziale Wohlfahrt (5) Sozialwesen 9,6 14,3 Finanzzuweisungen (9) Finanzzuweisungen, Zinsen 5,1 0,5 Kultur, Freizeit (3)
0,0 Umwelt, Raumordnung (7)
207 Die Zahlen in Klammern geben die Numerierung nach der neuen funktionalen Gliede
rung wieder.
Durch die Umstellung des Kontoplans und der damit erfolgten Neuzu
ordnung der Konten können die Wachstumsraten in den einzelnen Ver-waltungs- beziehungsweise Funktionsbereichen nur noch bedingt ver
glichen werden. Eine relative Vergleichbarkeit besteht noch in den Be
reichen Allgemeine Verwaltung, Öffentliche Sicherheit, Bildungswesen, Gesundheit, Soziale Wohlfahrt und Verkehr (PTT). Die laufenden Aus
gaben ergeben in bezug auf das Ausgabevolumen (Mio CHF) und das prozentuale Wachstum (Prozent p.a.) im Zeitraum von 1993 bis 1996 folgendes Bild:
Wachstum 1993-1996
15 14 13 1 2
" (% p.a.)
• 9
1 1 1 0
-•.!ä • 5
• 6
0 Verwaltung 1 Sicherheit 2 Bildung 3 Kultur 4 Gesundheit
40
Soziale Wohlfahrt Verkehr (PTT) Umwelt Volkswirtschaft Finanzen
60 80 100
Ausgaben 93 (Mio CHF)
Finanzhaushalt von 1993 bis 1996
Hinsichtlich der neuesten Zahlen ist festzustellen, dass in den Hauptaus
gabebereichen Allgemeine Verwaltung, Bildungswesen und Soziale Wohlfahrt das hohe Ausgabenwachstum gebremst werden konnte, während im Bereich Finanzen und Steuern die Ausgaben durch die Erhöhung der Finanzzuweisungen an die Gemeinden stark angestiegen sind. Hohe Wachstumsraten sind auch im Bereich Volkswirtschaft fest
zustellen, die auf die einkommensverbessernden Beitragszahlungen an die Landwirtschaft und die Abgeltung ökologischer Leistungen sowie auf den Aufbau einer eigenen Zollverwaltung zurückzuführen sind.
Zurückgegangen sind die Ausgaben im Bereich Verkehr infolge der neuesten Entwicklungen bei der Telekommunikation. In den vom Vo
lumen her eher unbedeutenden Bereichen Kultur und Freizeit sowie Umwelt und Raumordnung konnten die Ausgaben stabil gehalten werden.
In der Vorlage zum Voranschlag für das Jahr 1996 kommt die Regie
rung hinsichtlich weiterer Einsparungen zum Schluss, dass in den gros
sen Positionen nur noch wenig bewegt werden kann: "Es sei denn, man ziehe ernsthaft Einschnitte im sozialen Bereich, in der Landwirtschaft oder auch in der Bildung in Betracht."208 Abgesehen von einer Dämp
fung des Ausgabenwachstums im Bereich Bildung und Soziales, das ins
besondere auf Kürzungen der Beitragszahlungen für die Sozialversiche
rungen und der ALV zurückzuführen ist, ist es dem Staat bisher nicht gelungen, den gesetzlich bedingten Automatismus in den stark steigen
den Ausgabenbereichen zu durchbrechen.209 Weitreichendere Sparmass-nahmen, die verschiedene Interessengruppen direkt betreffen, dürften in den gewachsenen politischen Verhältnissen Liechtensteins schwer durchsetzbar sein. Durch die jüngste Entwicklung des Staatshaushalts besteht auch kein Zwang, Einschränkungen bei öffentlichen Aufgaben und Leistungen oder Rationalisierungen mit dem Abbau öffentlicher Stellen vorzunehmen.
Die sprunghaft angestiegenen Steuereinnahmen haben auch zu einer erheblichen Erhöhung der gesetzlichen Steueranteile der Gemeinden und des Finanzausgleichs geführt. Die gesamten Fiskaleinnahmen des Landes sind im Zeitraum von 1993 bis 1996 von 290.8 auf 405.8 Mio CHF angestiegen, was einer Wachstumsrate von 11,7 Prozent p.a.
ent-205 BuA zum Landesvoranschlag für das Jahr 1996, Nr. 71/1995, S. 49.
21» Vgl. BuA zum Voranschlag und Finanzgesetz 1998, S. 6ff.
spricht. Im gleichen Zeitraum haben sich die Zuweisungen aus den ge
setzlichen Steueranteilen und dem Finanzausgleich von 61.9 auf 96.1 Mio CHF erhöht, was ein jährliches Wachstum von 15,8 Prozent ergibt.
Die Gemeinden wurden damit an den Mehreinnahmen des Landes aus den Fiskalabgaben mitbeteiligt. Prozentual zwar stärker als das Land, doch absolut erhielten sie von den 115 Mio CHF Mehreinnahmen einen geringeren Anteil vom Kuchen, nämlich etwa 35 Mio CHF.
Im Bericht zum Voranschlag 1998 werden als Profiteure des Ausga
benwachstums die Gemeinden, die Unternehmen, die Privaten, die Ge
haltsempfänger und das Ausland angeführt.210 Mehrausgaben von 27 Mio CHF ergeben sich vor allem durch den Finanzausgleich und die Steueranteile der Gemeinden. Weiters erhalten die privaten Unterneh
men, insbesondere die Bauwirtschaft, aufgrund der Erhöhung der Inve
stitionen zusätzliche Mittel. Die privaten Haushalte profitieren indirekt vor allem von den Subventionen an die Krankenkassen und direkt von den einkommensverbessernden Beitragszahlungen an die Landwirt
schaft sowie das Verwaltungs- und Lehrpersonal von den Gehalts-vorrückungen. Schliesslich erhält das Ausland insbesondere durch die Erhöhung der Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit zusätz
liche Gelder.
3.2. Staatseinnahmen und Fiskalpolitik