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4. Institutionelle Analyse des Ausgabeverhaltens

4.1. Aufgaben und Rollen der Akteure

4.1.5. Die Regierung: zentrale Drehscheibenfunktion

Liechtenstein hat gemäss Art. 79 LV ei ne Kollegialregierung mit einem Regierungschef, einem Regierungschef-Stellvertreter und drei Regie­

rungsräten. Die Regierungsmitglieder werden auf Vorschlag des Land­

tags vom Landesfürsten ernannt. Entsprechend der Zahl der Mandate im Landtag stellte bis 1997 die Mehrheitspartei den Regierungschef und zwei Regierungsräte, die Minderheitspartei den Regierungschef-Stell­

vertreter und einen weiteren Regierungsrat. Das bisherige Regierungs­

system war durchmischt von den Wesensmerkmalen: Koalition in der Regierung und Opposition im Landtag, Kollegialitätsprinzip bei den Regierungsentscheiden und Ressortverantwortung der Regierungsmit­

glieder (Art. 83 und Art. 91 LV) sowie präsidiale Führung durch den Regierungschef (Art. 85 LV). Die Kollegialregierung ist dem Landesfür­

sten und dem Landtag gegenüber verantwortlich (Art. 78 Abs. 1 LV).292

Nach der Landesverfassung gehören zu den besonderen Aufgaben der Regierung die Erledigung der Verwaltungsstreitsachen (Art. 90 LV), der Vollzug der Gesetze und der Aufträge des Landesfürsten und Land­

tags und der Erlass der zur Durchführung der Gesetze erforderlichen Verordnungen (Art. 10 und Art. 92 LV) sowie die Personalführung der Landesverwaltung, die Überwachung der Gefängnisse und des Ge­

schäftsganges des Landgerichtes, die Verwaltung der landschaftlichen Gebäude, die Berichterstattung über die Amtstätigkeit, die Ausarbei­

tung von Regierungsvorlagen an den Landtag, die Begutachtung von

2.1 Allgäuer T., S. 117.

2.2 Zum liechtensteinischen Regierungssystem vgl. Pappermann E., Batliner G.: Lage des Parlaments, sowie Waschkuhn A.: Politisches System Liechtenstein, S. 168ff., und All­

gäuer T., S. 77f.

Rollen der Akteure

Vorlagen des Landtags und die Verfügung über dringende, im Voran­

schlage nicht vorgenommene Auslagen (Art. 93 lit. a bis lit. h LV). Ernst Pappermann verweist auf weitere Aufgaben, die der Regierung aufgrund der Verfassung und der Gesetze übertragen sind.293 Hinzuweisen ist ins­

besondere auch auf die vielfältigen Aufgaben, die sich aufgrund von Art. 78 LV ergeben. Demnach ist der Regierung die Besorgung der gesamten Landesverwaltung sowie der innen- und aussenpolitischen Führungsfunktion übertragen.

Amtsstellen im Sinne des Art. 1 des Gesetzes über die Verwaltungs­

organisation des Staates (VOG) sind die Stabstellen der Regierung und der Regierungsmitglieder sowie die Ämter und Dienststellen. Gemäss Art. 3 VOG beraten, unterstützen und entlasten die Stabstellen die Regierung und die Regierungsmitglieder. Den Stabstellen können vor allem Aufgaben aus dem Bereich der Planung, Organisation, Vorberei­

tung, Koordination und Aufsicht zugewiesen werden. Nach Art. 8 VOG erfolgt die Einrichtung der Ämter, ihre Gliederung sowie die Zu­

weisung der Geschäfte in einem von der Regierung aufzustellenden und vom Landtag zu genehmigenden Ämterplan. Im VOG ist ausdrücklich festgehalten, dass die Übertragung von Geschäften (zur selbständigen Erledigung durch die Ämter gemäss Art. 78 Abs. 2 LV) davon unberührt bleibt. Uber die besondere Funktion von Dienststellen oder ihre Unter­

scheidung zu den Ämtern wird im VOG keine Aussage getroffen.294 Im Ämterplan sind alle der Regierung unterstellten Ämter, Dienststellen und Kommissionen der Landesverwaltung aufgeführt, deren wichtige Geschäfte (Aufgaben) angeführt sowie deren Ressortzuordnung fest­

gelegt.

Gemäss Staatskalender (1996) sind der Regierung 33 Ämter, 5 Dienst­

stellen und 11 Stabstellen sowie 51 Kommissionen und Beiräte unter­

stellt. Daraus resultiert eine relativ breite Kontrollspanne. In der Lan­

desverwaltung bestehen eigentlich nur zwei hierarchische Ebenen, da die Amtsstellenleiter direkt den Regierungsmitgliedern unterstellt sind.

Die flache Führungsstruktur ermöglicht es den Regierungsmitgliedern direkten Einfluss in den Verwaltungsvollzug und in einzelne

Amtsge-2,3 Vgl. Pappermann E., S. 64ff., sowie Schulamt des Fürstentums Liechtenstein (Hrsg.).

m Im Bericht und Antrag zur Abänderung des Gesetzes über die Verwaltungsorgani­

sation schlägt die Regierung vor, den Begriff der Amtsstellen künftig als Oberbegriff für die Stabstellen, Amter sowie Dienststellen der Landesverwaltung zu verwenden.

Vgl. BuA, Nr. 94/1995, S. 4f.

schäfte zu nehmen. Zu beachten ist, dass dem Regierungschef neben den Amtsstellen der unterstellten Ressorts überdurchschnittlich viele Stab-und Dienststellen zugeteilt sind. AufgrStab-und dieser Matrixstruktur kann der Regierungschef über die Stab- und Dienststellen Führungskompe­

tenzen in Ämtern anderer Ressorts, insbesondere bei rechtlichen, orga­

nisatorischen, administrativen, personellen und finanziellen Fragen, wahrnehmen und so seine präsidialen Kompetenzen in der Führung der Landesverwaltung nutzen.

Erst mit der Ergänzung des Art. 78 LV wurde es ab 1964 möglich, durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung bestimmte Ge­

schäfte einzelnen Amtspersonen, Amtsstellen oder besonderen Kom­

missionen unter Vorbehalt des Rechtszuges an die Kollegialregierung zu übertragen. Die weitgehend zentrale Entscheidungsbefugnis der Regie­

rung in Verwaltungssachen ist ein charakteristisches Merkmal der liech­

tensteinischen Verwaltung geblieben. So hatte sie sich, wie aus dem Be­

richt und Antrag zur Schaffung von Stellen für qualifizierte Mitarbeiter bei der Regierung aus dem Jahre 1994 hervorgeht, noch mit bis zu 150 Traktandenpunkten in ihren wöchentlichen Tagessitzungen zu beschäf­

tigen; eine zeitliche Belastung, die eine gründliche Bearbeitung und Ent­

scheidungsfindung in Frage stellt und nur noch ein "Reagieren aber kein Agieren" mehr zulässt.295

Staatliche Aufgabenträger im Bereich der Judikative sind die Gerichte des öffentlichen Rechts sowie die Zivil- und Strafgerichte. Die Recht­

sprechung in Zivil- und Strafsachen wird durch das Landgericht und das Obergericht sowie den Obersten Gerichtshof in letzter Instanz aus­

geübt. Im Gerichtsorganisations-Gesetz (LGB1. 1922/16) sind die Zu­

ständigkeit und die Instanzenverhältnisse der Gerichte geregelt. Die Geschäftsordnung für das Fürstliche Landgericht in Vaduz (LGBl.

1970/3) gibt Aufschluss über die Verteilung der Geschäfte beim Landge­

richt sowie den Aufbau und die Grundsätze des gerichtlichen Dienstes.

Die Richter sind wie die anderen Beamten zwar allgemeinen Dienst­

anweisungen oder der Besoldungsordnung unterstellt, doch stehen sie gemäss Art. 99 LV u nter dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, d.h. sie sind bei der Bearbeitung ihrer Fälle weder an Weisungen des Landesfürsten, der Regierung noch einer anderen Behörde gebunden.

295 Vgl. BuA, Nr. 54/1994 und Nr. 75/1994.

Rollen der Akteure

Für Verwaltungsbeschwerden sind die Regierung und die Verwaltungs­

beschwerdeinstanz (VBI) zuständig. Die Organisation der Verfahren in Verwaltungssachen, insbesondere der VBI, ist im Gesetz über die Lan­

desverwaltungspflege geregelt (LGB1. 1922/24).

Einzugehen ist auch auf die Kommissionen und Beiräte der Landes­

verwaltung. Gemäss Art. 11 VOG erfolgt die Einrichtung von Kommis­

sionen zur selbständigen Erledigung von Geschäften (Art. 78 Abs. 2 LV) sowie als ständig beratende Kommissionen (Beiräte) durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung. Zur Einsetzung nicht ständiger bera­

tender Kommissionen ist die Regierung frei. Der Geschäftsgang der Kommissionen und Beiräte untersteht dem nach der Geschäftsvertei­

lung zuständigen Regierungsmitglied (Art. 12 VOG). Die Kommissi­

onsmitglieder sind für ihre Amtsführung der Regierung verantwortlich (Art. 13). Die Besetzung der Kommissionen erfolgt durch die Regie­

rung, wobei in der Regel die Regierungs- und Parteienvertreter ihnen nahestehende Personen zur Wahl vorschlagen. Die Mitglieder der Kom­

missionen und Beiräte haben dadurch nicht nur einen gesetzlichen Lei­

stungsauftrag, sondern indirekt oft auch ein parteipolitisches Mandat.

Die über 50 Kommissionen und Beiräte übernehmen einen beacht­

lichen Aufgabenbereich der Landesverwaltung sowohl in der Vorberei­

tung als auch im Vollzug von Sach- und Finanzgeschäften. Hans Geser führt die vor allem bei kleinen Kantonsverwaltungen feststellbare Bildung von Kommissionen und die damit verbundene Tendenz für

"umweltoffene, interaktive Vollzugsstrategien" auf folgende Gründe zurück:296 Infolge der geringen Zahl von gleichen Fällen sind weniger die Anforderungen zur verwaltungsinternen Rationalisierung als zur Berücksichtigung partikulärer Aspekte gestellt. Nach Auffassung Ge-sers kann die Verwaltung, die primär zur Einhaltung von gesetzlichen Normen (konditionale Programmierung) verpflichtet ist, damit errei­

chen, dass allfällige Unzufriedenheiten entweder durch andere Institu­

tionen absorbiert oder überhaupt nicht ins politische System zurückge­

leitet werden. Weiters werden mit der Bildung von Kommissionen (fachliche und politische) Kapazitäten zur Selbstkorrektur herangezo­

gen, damit prophylaktisch unbeabsichtigte Fehlhandlungen und arbeits­

aufwendige Beschwerden vermieden werden.

2,6 Vgl. Geser H.: Staatsorganisation, S. 233ff.

Die Kommissionen der Regierung üben nicht nur materiell Einfluss auf die Entscheidungen der Regierung und den Verwaltungsvollzug aus, sondern wirken auch in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen ent­

scheidend mit. So kommt der Bankenkommission als beratendes Organ der Regierung bei der Erteilung von Konzessionen an Banken und Finanzgesellschaften und in der Wahrnehmung der Aufsicht über diese Institute eine wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Bedeutung zu.

Der Kulturbeirat und der Sportbeirat sowie die Erwachsenenbildungs­

kommission sind weichenstellende vorentscheidende Gremien der Regierung zur Ausschüttung von Förderungsmitteln. In eigener Kom­

petenz entscheiden Kommissionen zum Beispiel über die Milchkontin­

gente oder die Ausschüttung von Flächenbeiträgen für die Landwirt­

schaftsbetriebe. Die Stipendien- und Wohnbauförderungskommissio-nen verfügen mit ihren Beschlüssen über grosse Budgets.297 Welche politische Brisanz die Gewährung von Förderungsmitteln in sich birgt, zeigte der im Jahre 1996 aufgedeckte und von einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) beziehungsweise der GPK unter­

suchte Fall eines rechtswidrig ausbezahlten Wohnbaudarlehens.298