• Keine Ergebnisse gefunden

3. Zur aktuellen Finanzlage und Haushaltspolitik

3.3. Aktuelle Haushaltspolitik und Finanzleitbild

In den folgenden Ausführungen wird vorerst auf die aktuelle finanz-und haushaltspolitische Entwicklung der Jahre von 1993 bis 1996 einge­

gangen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wieweit sich das staatliche Ausgabeverhalten nach der Regierungszeit von Hans Brun­

hart veränderte, und wieweit die neuen Rahmenbedingungen sich auf die Entwicklung der Ausgaben auswirkten. Alois Beck wies in einem Votum zur Finanzplanung im Landtag auf die Hintergründe der bis­

herigen Entwicklung des Staatshaushalts hin, indem er ausführte: "Die Aufteilung des Staatskuchens war einfach, solange der Kuchen schneller wuchs als neue Aufgaben hinzu kamen."2''3 Da genügend Geld einge­

nommen wurde, war der Staat bislang nicht genötigt, seine Aufgaben und Verpflichtungen einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen.

Durch das Wachstum der Einnahmen waren weder die Regierung noch der Landtag gefordert, Schwerpunkte zu setzen und in der Finanzpolitik einen verbindlichen Ausgabe- und Einnahmerahmen mit einer

Finanz-243 LaProt vom 14./15./16. Dezember 1994, S. 1770.

Finanzleitbild

Zielsetzung festzulegen. Die Einnahmen flössen im ausreichenden Masse, so dass ohne besondere haushälterischen und verteilungspoliti­

schen Massnahmen der Staat seinen Verpflichtungen nachkommen konnte.

Im Jahre 1993 betrugen die Einnahmen des liechtensteinischen Staates und der Gemeinden (ohne PTT-Taxenerträge) etwa 16 500 CHF pro Einwohner. Demgegenüber lagen die durchschnittlichen Gesamteinnah­

men von Bund, Kantonen und Gemeinden in der Schweiz bei 13 000 CHF. Diese Relation hat sich durch die sprunghaft angestiegenen Mehr­

einnahmen aus der MWSt weiter zugunsten Liechtensteins verändert, und die Einnahmen dürften hochgeschätzt inzwischen (1996) über 20 000 CHF pro Einwohner betragen. Im Vergleich der Jahre 1979 bis 1993 und der Jahre 1993 bis 1996 zeigen sich hinsichtlich des Staatshaus­

halts und der jährlichen Wachstumsraten folgende Entwicklungstrends:

Diese aktuellen Zahlen weisen darauf hin, dass in den vier Jahren von 1993 bis 1996, trotz der sprunghaften Erhöhung der Einnahmen durch die MWSt im Jahre 1995, keine grundlegende Veränderung der Trend­

entwicklung bei den Staatsausgaben erkennbar ist. Bei den laufenden und investiven Ausgaben hat eine geringfügige Verschiebung zugunsten der investiven Ausgaben stattgefunden. Die Abstimmung des staatlichen Ausgaberahmens auf die sich ergebende Entwicklung der Gesamtein­

nahmen ist ein besonderes Kennzeichen der liechtensteinischen Finanz-und Haushaltspolitik. So entsprach das jährliche Wachstum der Staats­

ausgaben von 1979 bis 1993 dem Wachstum der Einnahmen mit etwa 6 Prozent. Kurzfristige Scherenbewegungen wurden in den Folgejahren rasch korrigiert und ausgeglichen. Die analysierten längerfristigen Trends von 1979 bis 1993 setzen sich auch in der aktuellen kurzfristigen Entwicklung fort. So ist in weiterer Zukunft, wenn die Teuerungsrate auf dem bestehenden niedrigen Niveau verbleibt, damit zu rechnen, dass

79-93 1993 93-96 1996

(% p.a.) (Mio CHF) (% p.a.) (Mio CHF) Staatseinnahmen

Staatsausgaben Laufende Ausgaben Investive Ausgaben

6,1 449.8 8,8 579.4

6,0 442.5 6,3 530.9

7,8 369.3 6,9 451.3

0,7 73.3 2,8 79.6

die staatlichen Gesamtausgaben, je nach Entwicklung der Einnahmen, weiters zwischen 5 und 7 Prozent p.a. wachsen werden. Dies hat zur Folge, dass sich der Staatshaushalt in 10 bis 15 Jahren verdoppeln wird.

Die bisher vorsichtige Schätzung der Einnahmen im Rahmen der Fi­

nanzplanung und Budgetierung dürfte die bremsende Wirkung zuneh­

mend verlieren, wenn nicht verbindliche Zielsetzungen zur weiteren Ausgabenentwicklung vorgegeben werden. Denkbar wäre, das Ausga­

benwachstum an die Wachstumsraten des Sozialprodukts oder, in Er­

mangelung einer eigenen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, an das Wachstum der Wertschöpfung im Lande oder das Erwerbseinkommen zu koppeln. Die Entwicklung der Gesamtausgaben wäre damit nicht mehr eine resultierende Grösse, sondern eine Zielgrösse, die es einzu­

halten gilt. Die Kopplung der Wachstumsraten für den öffentlichen Sek­

tor an das gesamtwirtschaftliche Wachstum würde eine grundsätzliche Entscheidung und Selbstverpflichtung der politischen Entscheidungs­

träger erfordern. Ob eine solche gezielte Einschränkung des Staatshaus­

halts politisch opportun und realistisch ist, sei dahingestellt, doch erst bei Verknappung der Ressourcen findet eine wirkliche Auseinanderset­

zung über die Allokation und Redistribution der verfügbaren öffent­

lichen Güter und finanziellen Mittel statt, eine Auseinandersetzung über finanzwirtschaftliche Fragen, die in der bisherigen Haushaltspolitik Liechtensteins eigentlich fehlte.

Die Regierung hat im Mai 1997 dem Landtag einen ersten Finanzleit­

bildentwurf vorgelegt, der nach weiteren Beratungen abgeändert wurde.244 In diesem Zusammenhang kann das Finanzleitbild 2005 der Regierung als Versuch betrachtet werden, Entwicklungen und Gefahren einen gewissen Einhalt zu bieten und einen Konsens in der Finanzpoli­

tik mit der oppositionellen FBPL-Fraktion im Landtag zu finden. Die Regierungsvorlagen und Diskussionen im Landtag waren daher weniger von grundsätzlichen finanzpolitischen Überlegungen und der Ausge­

staltung eines finanzpolitischen Steuerungsinstruments, sondern von parteipolitischen Auseinandersetzungen um den Führungsanspruch in der Finanzpolitik geprägt. Positiv zu werten ist, dass im Rahmen der drei Beratungen im Landtag auf aktuelle Probleme des liechtensteini­

schen Staatshaushalts, wie zum Beispiel das Einnahmen- und

Ausgaben-2,4 Vgl. Berichte und Anträge der Regierung Nr. 12/1997, Nr. 41/1997, Nr. 70/1997 und Nr. 99/1997.

Finanzleitbild

Wachstum und die Reservenbildung, eingegangen wurde und einzelne Lösungen für anstehende Probleme, wie zum Beispiel die Auflösung der Fondsreserven, gefunden wurden.

Im ersten Entwurf zum Finanzleitbild 2005 wird darauf verwiesen, dass es durch die Genehmigung des Landtags für den Landtag wie auch für die Regierung bindend werden sollte, was jedoch vom Landtag ab­

gelehnt wurde.245 Wie weit damit eine rechtliche oder politische Ver­

pflichtung entsteht, bleibt ebenso vage wie die Verantwortung, die die Regierung als Träger und der Landtag als Adressat der Finanzplanung und Budgetierung innehaben. Nach der Genehmigung des Finanzleitbil­

des durch den Landtag soll eine Revision des FHG vorgenommen wer­

den. Was konkret von den verschiedenen allgemeinen Zielsetzungen und Eckwerten mit der Genehmigung des Finanzleitbildes in das FHG ein-fliessen soll, bleibt offen, weil die Regierung dazu noch keinen ausführ­

lichen Antrag gestellt hat. Der Landtag hat im September 1997 auf den Bericht und Antrag der Regierung zum Finanzleitbild 2005 kritisch rea­

giert und ihn zur Überarbeitung zurückgewiesen.

In der Stellungnahme der Regierung zu den bei der ersten Beratung aufgeworfenen Fragen werden als wesentliche Änderungen vorgeschla­

gen, das Verursacherprinzip in die Grundsätze des FHG aufzunehmen, den Bedeckungsvorschlag zurückzustellen, den Deckungsgrad der Ver­

bindlichkeiten von 100 auf 125 Prozent zu erhöhen, die Fondsreserven aufzulösen und diese als Unterposition dem staatlichen Reinvermögen zuzuweisen.246 Mit dem Zusatz zu Art. 2 Abs. 1 FHG "Insbesondere als Lenkungsmassnahme ist das Verursacherprinzip zu fördern" bringt es eine weitere Rechtsunsicherheit mit sich, da nicht explizit ausgesagt wird, für welche staatlichen Leistungen dieses Prinzip anzuwenden ist.

Wie bereits ausgeführt wurde, müssen vorerst die Gebührenordnung systematisiert, eine transparente Kostenrechnung eingeführt und die weiteren Grundsätze beziehungsweise Ausnahmen zur sozial- und wirt­

schaftspolitischen Gebührengestaltung festgelegt werden.

Der ursprüngliche Vorschlag, einmalige und wiederkehrende Neu­

ausgaben nur dann zu bewilligen, wenn gleichzeitig entsprechende Mehreinnahmen oder Kosteneinsparungen beschlossen werden, wurde

245 ygl ßuA zum Finanzleitbild 2005, Nr. 12/1997, S. 8.

2« Vgl. Stellungnahme der Regierung zu den bei der ersten Beratung des Finanzleitbildes 2005 aufgeworfenen Fragen, Nr. 70/1997.

im Verlauf der Beratungen fallengelassen.247 Zu bedauern ist die Zurück­

stellung des Bedeckungsvorschlages, der nur noch eingebracht werden soll, wenn die festgelegten Zielgrössen des Finanzleitbildes nicht mehr eingehalten werden. Wie es in Art. 64 Abs. 4 LV auch für Gesetzesinitia­

tiven vorgesehen ist, wäre es im Sinne einer Verknüpfung von Sach- und Finanzfragen vor allem bei grösseren neuen öffentlichen Aufgaben und Projekten vorteilhaft, wenn Regierung und Landtag schon bei der Ge­

setzesvorlage die finanziellen Weichenstellungen selbstverpflichtend vornehmen würden.

Die Auflösung der Fonds zur einfacheren Liquiditätsbewirtschaftung und ertragsverbessernden Vermögensanlage ist zu begrüssen. Gemäss Vorschlag der Regierung sollen allgemeine Reserven und Reserven für Krisen und Katastrophen von je 100 Mio CHF dem Reinvermögen zu­

gewiesen werden.248 Entsprechend Art. 1 Abs. 6 des Gesetzes über die Auflösung der Fonds kann der Landtag weitere Mittel den Reserven zu­

weisen oder über den Einsatz und die Verwendung von Mitteln aus den Reserven entscheiden. Die passivseitige Bildung von Reserven unter dem Reinvermögen beziehungsweise Eigenkapital verpflichtet den Staat oder Landtag indes nicht, entsprechende Finanzreserven aktivseitig zu halten. Es ist somit möglich, wie dies auch während der Regierung von Hans Brunhart der Fall war, Fremdkapital aufzunehmen und so die Netto-Finanzreserven abzubauen und die Bürger gleichwohl im Glau­

ben zu lassen, dass der Staat über grosse Finanzreserven verfüge.

Die Regierung hat im zweiten und dritten Bericht und Antrag zum Finanzleitbild (Nr. 70/1997 und Nr. 99/1997) eine Anhebung des Dek-kungsgrads der Verbindlichkeiten von 125 beziehungsweise 133 Prozent beantragt, und der Landtag hat diesen in der Sitzung vom Dezember 1997 mit 140 Prozent festgelegt. Bei einem Fremdkapital von 305 Mio CHF und greifbaren Mitteln von 480 Mio CHF betrug der Deckungs­

grad im Jahre 1996 etwa 157 Prozent. Ein Deckungsgrad von 140 Pro­

zent ermöglicht beim gegenwärtigen Fremdkapital, dass die greifbaren Mittel auf 427 Mio CHF abgebaut und damit die Finanzreserven um zirka 50 Mio CHF reduziert werden können. In der gegebenen

staat-2,7 Vgl. BuA zum Finanzleitbild 2005, Nr. 12/1997, S. 14.

248 Vgl. BuA zum Finanzleitbild 2005 (Abänderung des Finanzhaushaltsgesetzes) und zu den Gesetzesvorlagen über die Auflösung der Fonds und die Gliederung des staat­

lichen Reinvermögens, Nr. 99/1997.

Finanzleitbild

liehen Finanzlage und Einkommenssituation stellt ein Deckungsgrad von 140 Prozent keine echte Herausforderung zur Bildung von Finanz­

reserven dar, sondern lässt den staatlichen Entscheidungsträgern einen weiten Finanzspielraum offen. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb im Finanzleitbild der Deckungsgrad der Verbindlichkeiten als Eckwert ver­

wendet wird, der in Relation zum jeweiligen Fremdkapital zu variablen Vorgaben für das Finanzvermögen führt.

Eine künftige Beschränkung der Ausgaben hätte sich ergeben, wenn für das Wachstum der laufenden Ausgaben nicht der nominelle Zu­

wachs, sondern die prozentuale Zuwachsrate der Einnahmen herange­

zogen worden wäre. Die Regierung begründet die nominelle Festlegung damit, dass durch ein prozentual gleiches Wachstum von Einnahmen und laufenden Ausgaben der Uberschuss der Laufenden Rechnung in­

nerhalb von zehn Jahren von 100 auf 213 Mio CHF anwachsen würde und vom Staat Gelder gehortet würden, obwohl er sie nicht braucht.249

Meines Erachtens ist dies kein stichhaltiges Argument, da diese Über­

schüsse für Investitionen herangezogen werden könnten oder staatliche Finanzreserven durchaus sinnvoll für bestimmte Zwecke, wie zum Bei­

spiel die Förderung der Forschung und des Arbeitsmarktes, für Projekte im Sozialwesen und in der Entwicklungshilfe oder zur Energieversor­

gung und im Umweltschutz, angelegt werden könnten. Mit der Kopp­

lung der prozentualen Zuwachsraten von Ausgaben und Einnahmen der Laufenden Rechnung würde eine automatische Bremse eingebaut, mit der die Ausgaben einer laufenden Kontrolle im Hinblick auf Einsparun­

gen unterworfen würden und dem Druck zunehmender Ausgabener­

wartungen begegnet werden könnte.

Im Finanzleitbild 2005 ist vorgesehen, dass die laufenden Ausgaben in absoluten Zahlen nicht stärker anwachsen als die Einnahmen. Eine prozentuale Kopplung der Wachstumsraten hätte bei den um etwa 100 Mio CHF niedrigeren laufenden Ausgaben zumindest zur Folge, dass eine gewisse Dämpfung der laufenden Ausgaben erreicht würde und sich der Anteil des verfügbaren Investitionsbudgets wieder verbessern könnte.250 Nach Auffassung der Regierung müsste ein Gleichgewicht

249 Vgl. BuA zum Finanzleitbild 2005 (Abänderung des Finanzhaushaltsgesetzes) und zu den Gesetzesvorlagen über die Auflösung der Fonds und die Gliederung des staat­

lichen Reinvermögens, Nr. 99/1997, S. 6.

250 Vgl. BuA zum Finanzleitbild 2005, Nr. 12/1997, S. 7 und 18.

zwischen dem prozentualen Anstieg von Einnahmen und Ausgaben zwangsweise zu steuerlichen Mehrbelastungen führen. Sie äussert in der letzten Vorlage zum Finanzleitbild aufgrund der Reformen in der Schweiz (Effektenumsatzabgabe) Bedenken zur Entwicklung der Ein­

nahmen, schliesst aber steuerliche Mehrbelastungen aus, da dies der Aufrechterhaltung guter Rahmenbedingungen für die Wirtschaft abträg­

lich wäre.251 Ein ausreichender Spielraum besteht nach ihrer Auffassung zudem in der Prioritätenfestsetzung für Investitionen und der Festle­

gung des Selbstfinanzierungsgrads. Konzepte und Zielsetzungen für die Revision des Steuergesetzes sowie eine Anpassung der Steuer- und Gebührensätze drohen so weiter zurückgestellt zu werden.

Im Jahre 1999 ist eine Erhöhung des schweizerischen MWSt-Satzes auf 7,5 Prozent zu erwarten, und auch in fernerer Zukunft kann mit einem stufenweisen Anstieg dieser Einnahmen gerechnet werden.

Neben der MWSt haben auch die Einnahmen aus der Kapital- und Ertragssteuer deutlich zugenommen. Damit hat sich auch der Anteil der Steuereinnahmen erhöht, die auf die landesinterne volkswirtschaftliche Wertschöpfung erhoben werden. Dadurch reduziert sich auch die Abhängigkeit Liechtensteins von den unsicheren Einnahmen im Gesell­

schaftswesen. Die Verlagerung der Steuereinnahmen auf die interne Wertschöpfung und der starke Anstieg der Staatseinnahmen kann in Annahme eines weiteren gesicherten Wachstums zu einem einnahme-seitig induzierten Ausgabendruck führen. Dies vor allem deshalb, weil sich die Erwartungshaltung der Bevölkerung an staatliche Leistungen damit erhöht, die Budgetierung und Kreditbewilligung sich primär an der zu erwartenden Einnahmenentwicklung orientieren und im Finanz­

leitbild keine Zielsetzungen enthalten sind, die bei überdurchschnitt­

lichen Einnahmezuwächsen die politischen Entscheidungsträger zur Bildung von Finanzreserven oder Mehrinvestitionen verpflichten.

251 Vgl. BuA zum Finanzleitbild 2005 (Abänderung des Finanzhaushaltsgesetzes) und zu den Gesetzesvorlagen über die Auflösung der Fonds und die Gliederung des staat­

lichen Reinvermögens, Nr. 99/1997, S. 6.