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2.4 Determinanten der Transaktionskosten

2.4.2 Umweltfaktoren

Unter der Voraussetzung, dass begrenzte Rationalität und Opportunismus als transakti-onsbeeinflussende Verhaltensannahmen bestehen, wird die Wahl der Organisationsform stär-ker von den Merkmalen der Transaktion beeinflusst. Zu den Merkmalen der Transaktion wer-den Faktorspezifität, Unsicherheit und Komplexität sowie Transaktionshäufigkeit gezählt.70 2.4.2.1 Faktorspezifität

Das opportunistische Verhalten steht in unmittelbarer Beziehung zu dem Grad der spezi-fischen Investitionen, die für eine Transaktion getätigt werden. Je mehr die Spezifität der Leistungsbeziehung zwischen den Teilnehmern der Transaktion zunimmt, desto größer wird die Abhängigkeit zwischen den Vertragspartnern. Aber damit steigt auch der Anreiz, sich die Quasi-Rente,71 die sich als Erlösdifferenz zur nächstbesten Verwendung der Inputfaktoren definiert, des anderen Teilnehmers anzueignen. Ein Anstieg der Spezifität führt folglich auch zu einer Erhöhung der Transaktionskosten. Die Faktorspezifität unterscheidet die Transakti-onskostentheorie deutlich von anderen Betrachtungen ökonomischer Organisationen und wird deshalb von Williamson als die wichtigste Dimension angesehen.72 Sie beschreibt, dass für die Ausführung der Transaktion spezifische Investitionen notwendig sind, die nach der Trans-aktion nicht zurückverwandelt werden können. Faktorspezifität ist deshalb von besonderer Bedeutung für die Transaktionskosten ex post.

69 Richter, Rudolf, Furubotn/ Eirik Grundtvig: Neue Institutionenökonomik, Tübingen 2003, S. 159

70 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 34, 59

71 Richter, Rudolf/ Bindseil, Ulrich: Neue Institutionenökonomik, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 24.

Jg., 1995, Heft 3, S. 137

72 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 59

Standortspezifität: Die Erstellung einer Leistung kann von einem bestimmten Stand-ort abhängig sein, der bestimmte Produktionsverfahren, qualifiziertes Personal und ei-ne direkte Anbindung an die Infrastruktur erfordert. Die Transaktionskosten ergeben sich dann aus Suchkosten, behördlichen Genehmigungsverfahren, Erschließungskos-ten, Qualifizierung der Mitarbeiter usw. Darüber hinaus kann auch eine räumliche Anordnung aufeinanderfolgender Produktionsstufen notwendig sein.73 Dieser Fall liegt z.B. vor, wenn bestimmte Produktionsverfahren wie eine Entkoffeinierungsanla-ge aufgrund von technischem Know-how von einer speziellen Niederlassung des ternehmens durchgeführt werden müssen. In diesem Zusammenhang trat in dieser Un-tersuchung die Frage auf, ob solche Problemstellungen bestanden und in welchem Umfang sich die neuen Eigentümer nach einer Unternehmensfusion für veränderte Produktionsverfahren entschieden haben. Dies galt für die vorher getrennt agierenden Unternehmen, aber in der gleichen Warengruppe auf dem Markt aktiv tätigen Unter-nehmen HAG AG und General Foods bei Löskaffee beziehungsweise HAG GF und Jacobs Suchard bei Röstkaffee und Löskaffee.

Sachkapitalspezifität: Es besteht die Möglichkeit, spezifisches Sachkapital gegen ei-ne Lizenzgebühr an eiei-nen Kunden zu verkaufen, damit die Wertschöpfung ausgeführt werden kann. Ein Kaffeeröster stellt beispielsweise einem Lizenznehmer das Verfah-ren zur Entkoffeinierung von Röstkaffee zur Verfügung, das die Wettbewerbsposition gegenüber anderen Marktteilnehmern verbessert. Das Sachkapital kann zu jeder Zeit an einen anderen Subunternehmer weitergegeben werden, wenn es zur Auflösung der Vertragsbeziehung kommt. Eine Sachkapitalspezifität ist dann gegeben, wenn Spezi-almaschinen benötigt werden, die nur einem Vertrag zugeordnet werden können.

Humankapitalspezifität: Für die Abwicklung eines Auftrags werden von den betei-ligten Mitarbeitern häufig besondere Fähigkeiten verlangt, die an ein transaktions- bzw. unternehmensspezifisches Wissen gebunden sind.74 Bei Wiederholung der spezi-fischen Arbeitsgänge ergeben sich Lerneffekte, die den Arbeitsprozess verkürzen und eine kostensenkende Wirkung haben. Dieses sogenannte idiosynkratische Wissen ist auf bestimmte Transaktionen spezialisiert und kann nur von speziell qualifizierten Mitarbeitern erbracht werden.75 Im Zusammenhang mit dieser Fallstudie ist zu unter-suchen, inwieweit bei den Fusionen oder Integrationen auf das Spezialwissen der

73 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 108

74 Picot, Arnold/ Dietl, Helmut: Transaktionskostentheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19. Jg., 1990, Heft 4, S. 179.

75 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 71

her tätigen Mitarbeiter Rücksicht genommen wurde beziehungsweise die Synergien einer Fusion höher eingeschätzt wurden als die Humankapitalspezifität.

Abnehmerspezifische Investitionen: Für die Beschaffung spezifischer Produktions-verfahren und Systemkomponenten benötigt ein Unternehmen einen Lieferanten, der über entsprechendes Know-how verfügt und bereit ist, abnehmerspezifische Investiti-onen für Maschinen, Forschung und Entwicklung, Mitarbeiterqualifikation usw. zu tä-tigen. Es entsteht ein für beide Transaktionspartner verteiltes Risiko, d.h., der Auf-traggeber erhält Versorgungssicherheit und der Auftragnehmer eine Absicherung der abnehmerspezifischen Investition. Diese Faktorspezifität wird auch als zweckgebun-dener Sachwert bezeichnet.

Ohne die Existenz spezifischer Transaktionen würde eine Wettbewerbssituation mit in-tensiver Konkurrenz vorherrschen. Es bestünden bei opportunistischem Verhalten viele Aus-weichmöglichkeiten für die Transaktionsteilnehmer, die aufgrund von Alternativen nicht von-einander abhängig wären. Opportunistisches Verhalten erweist sich aufgrund der vorhandenen Spezifität als Problem für die Akteure.

2.4.2.2 Unsicherheit und Komplexität

Eine Transaktion ist für die Akteure von Unsicherheit und Komplexität gekennzeichnet.

Diese beiden Determinanten können sowohl gemeinsam als auch getrennt voneinander den Transaktionsprozess bestimmen. Im Gegensatz zur Unsicherheit ist Komplexität zwar eine sichere, in ihren Zusammenhängen aber unüberschaubare Situation. Beispielsweise bezeich-nen Picot und Dietl ein Würfelspiel als unsicher, ein Schachspiel dagegen als komplex.76 Komplexität beschreibt im Gegensatz zur Unsicherheit eine sichere Situation, die von den Akteuren nicht in allen Details überschaubar und daher auch nicht beschreibbar ist.77 Die Komplexität einer Transaktion führt zu einer reduzierten Beschreibbarkeit.

„Im Kontext unternehmerischer Tätigkeit nimmt eine Situation umso komplexere Formen an, je mehr sie den Umgang mit anderen wichtigen Akteuren erfordert. Dazu gehören andere Unternehmen, gleichgültig ob sie als Wettbewerber oder als potentielle Verbündete auftreten.

[...] Je größer die strategischen Fähigkeiten der anderen Akteure sind, desto komplexer stellt sich die Situation dar. Dies gilt auch für internationale Transaktionen, weil dort eine größere

76 Picot, Arnold/ Dietl, Helmut: Transaktionskostentheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19.

Jg.1990, Heft 4, S. 179.

77 Picot, Arnold/ Dietl, Helmut: Transaktionskostentheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19.

Jg.1990, Heft 4, S. 179

Zahl von Akteuren involviert ist.“78 Beispielsweise ist ein Unternehmenszusammenschluss mit einer hohen Unsicherheit in Bezug auf den zu erwartenden Erfolg und mit einer hohen Komplexität in Bezug auf die zu erbringenden Integrationsmaßnahmen verbunden. Unsicher-heit resultiert aus den als gleich bleibend unsicher wahrgenommenen Umweltbedingungen.

Unsicherheit kann auch aus dem opportunistischen Verhalten des Vertragspartners resultie-ren.79 Der Vertragspartner, der durch das opportunistische Verhalten Nachteile erleidet, kann sich nur unter Inkaufnahme hoher Kosten aus dem Vertrag lösen. Im Fall der Fusion zwischen HAG und General Foods wird untersucht, wie insbesondere die Arbeitnehmervertretungen auf das Verhalten des neuen Vorstands von HAG General Foods bezüglich der veränderten Umweltbedingungen reagiert haben.

Andererseits kann der Vertragsinhalt mit Unsicherheit behaftet sein, wenn beispielsweise aufgrund unvorhersehbarer Situationen der konkrete Leistungsumfang (z.B. bei Kooperati-onsvereinbarungen) ungewiss ist. Aber auch ökonomische Variablen (z.B. Nachfrageverhal-ten, Preisentwicklungen) können sich jeder Zeit ändern und bei den Vertragspartnern Unsi-cherheit auslösen.

Zukünftig eintretende Ereignisse lassen sich daher nur sehr ungenau von den Akteuren vorhersagen. Den Institutionen kommt in diesem Zusammenhang die Funktion zu, Transakti-onen nicht nur einmalig, sondern durch den Aufbau von Beherrschungs- und Überwachungs-mechanismen zukünftig abzusichern. Die Abwicklung zukünftiger Transaktionen führt damit zu einer vorher bestimmten Pfadabhängigkeit. Die Unsicherheit kann zustandsbedingt sein, da sich unvorhersehbare Veränderungen ergeben haben (primär) oder keine Kommunikation besteht (sekundär).80 Umweltunsicherheit kann einen erheblichen Einfluss auf den Einigungs-prozess zwischen Transaktionspartnern haben. In Wechselbeziehung zum opportunistischen Verhalten sind Informationsasymmetrien im Sinn von bewussten Informationsverzerrungen nicht auszuschließen.81 Unsicherheit kann aber auch auf die begrenzte Rationalität der Indivi-duen zurückzuführen sein, weil sich die Komplexität der Umwelt nicht mehr vollständig er-fassen lässt. Damit die Marktteilnehmer Unsicherheit bezüglich zukünftiger Ereignisse redu-zieren können, nutzen die Akteure Informations- und Kommunikationssysteme. Hierbei ist eine Kosten-Nutzen-Analyse der zusätzlichen Informationen notwendig.

Eine Informationsverkeilung liegt vor, wenn die als relevant erachteten Informationen zwischen den Vertragsparteien asymmetrisch verteilt sind. Der Akteur mit dem größten

78 Casson, Mark: Der Unternehmer. Versuch einer historisch-theoretischen Deutung, in: Geschichte und Gesell-schaft, 27. Jg., 2001, Heft 4, S. 531.

79 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 64ff.

80 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 65

81 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 66

tailwissen kann diesen Informationsvorsprung unter Anwendung opportunistischen Verhal-tens in wirtschaftliche Vorteile umsetzen (auch als Hold-up-Problem bezeichnet). Informati-onsverkeilung ist daher eine derivative Einflussgröße auf die Vertragsbeziehung, die sich aus einer Kombination von Unsicherheit und Komplexität sowie Opportunismus ableiten lässt.82

Nach der Neuen Institutionenökonomik sind der uneingeschränkten Informationsaneig-nung ohnehin Grenzen gesetzt, da eine vollständige Gleichschaltung aller Informationen über ein Transaktionsgut zwischen Marktteilnehmern selbst mit maximalem Aufwand nicht er-reicht werden kann. Die Informationsasymmetrie ist für die vorliegende Untersuchung von erheblicher Bedeutung, weil mit ihr auch organisatorische Konsequenzen im Fusionsprozess verbunden sind.

2.4.2.3 Transaktionshäufigkeit und Transaktionsatmosphäre

Die Transaktionshäufigkeit gibt Auskunft über die Spezifität einer Investition. Die Durch-führung einer Transaktion in kurzen zeitlichen Abständen wird tendenziell dazu führen, dass sich Unternehmen auf diese Tätigkeit spezialisieren und diese Leistung auf dem Markt anbie-ten. Je weniger eine Transaktion benötigt wird, desto weniger lohnt sich die vertragliche Ver-einbarung für spezifische Technologien oder Güter.83 Im Hinblick auf die Beurteilung der Effizienz institutioneller Arrangements hat die Transaktionshäufigkeit nur eine untergeordne-te Bedeutung. Sie verstärkt lediglich die Voruntergeordne-teile, die zur Abwicklung einer Transaktion in-nerhalb einer hierarchischen Organisationsstruktur gegenüber einer Marktstruktur führen.

Wiederholt durchgeführte Transaktionen zwischen identischen Teilnehmern bewirken Skalen- und Synergieeffekte und eine Senkung der Transaktionskosten. Die Wiederholungshäufigkeit dieser Transaktionen kann in Verbindung mit transaktionsspezifischen Investitionen zu Kos-tendegressionseffekten führen, die eindeutig günstiger sind als die Abwicklung über den Markt, sofern der Kapazitätsauslastungsgrad hoch genug ist. Es sind aber nicht nur die „Eco-nomies of Scale“, die positiv auf die Transaktionskosten wirken, sondern auch die „Econo-mies of Scope“ mit anderen Transaktionen, die Berücksichtigung finden müssen. Je mehr ein Unternehmen auf die Marktnutzung verzichtet, desto mehr Managementkosten fallen an, die ebenfalls zu den Transaktionskosten gezählt werden.84

Die Transaktionsatmosphäre bildet die Rahmenbedingungen für die Transaktionsabwick-lung und bezeichnet „alle für die Koordination einer Leistungsbeziehung relevanten sozialen

82 Picot, Arnold/ Dietl, Helmut: Transaktionskostentheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19. Jg., 1990, Heft 4, S. 180

83 Williamson, Oliver E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 69

84 Berghoff, Hartmut: Transaktionskosten: Generalschlüssel zum Verständnis langfristiger Unternehmensent-wicklung?, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1999, S. 162

und technologischen Rahmenbedingungen.“85 Merkmale der Transaktionsatmosphäre können einerseits Vertrauen, Harmonie und gegenseitige Hochachtung sein, andererseits aber auch Misstrauen, Widerstände und Konflikte. Es gelten bestimmte Normen und Wertvorstellungen, welche die Verhaltensannahmen der Transaktionspartner beeinflussen.

Da es sich bei einem Unternehmenszusammenschluss häufig um eine Transaktion han-delt, die einen einmaligen Charakter für die Vertragspartner besitzt, kommt der Transaktions-atmosphäre eine zentrale Bedeutung für den Erfolg bzw. Misserfolg einer solch bedeutenden Transaktion zu. Misstrauen und Konflikte können die Transaktion verzögern, dabei die Ein-schaltung von Anwälten und Beratern notwendig machen und somit die Transaktionskosten erhöhen. Williamson empfiehlt eine Organisationsform der Integration von Transaktionen, wenn Humankapital und Sachkapital zunehmend für eine bestimmte Verwendung speziali-siert werden, weil zunehmend die Gefahr für Opportunismus besteht.86 In den Fällen der Fu-sionen wird in dieser Arbeit herausgearbeitet, inwieweit die Atmosphäre der jeweiligen Zu-sammenführung einen positiven oder negativen Einfluss auf die Realisierung der Maßnahmen hatte.

Von Bedeutung sind hierbei ebenfalls Faktoren, die sich auf die Unternehmenskultur bzw.

das Produktionsregime wie z.B. einen „historisch gewachsenen, Vertrauen stiftenden institu-tionellen Rahmen“87 beziehen können. Aber auch „ungeschriebene Gesetze“ oder Gewohn-heiten, die in Branchen unterschiedlich ausgeprägt sein können, sind Dimensionen der Trans-aktionsatmosphäre.88 Sie können sowohl zur Verringerung der Unsicherheit bei Verhandlun-gen führen als auch bestimmte Vertragsabschlüsse aufgrund des Kündigungsschutz- und Ver-tragsrechts erschweren. Darüber hinaus beschreibt die Transaktionsatmosphäre für die Koor-dination der Leistungsbeziehungen alle relevanten sozialen (z.B. Werthaltungen) und techno-logischen (z.B. Infrastruktur) Rahmenbedingungen.