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4 HAG AG und General Foods bis 1989

4.3 General Foods

4.3.3 General Foods Deutschland

4.3.3.2 General Foods von 1961 bis 1969

4.3.3.2.1 Führungsorganisation und Unternehmensstil

Der seit 1959 bei General Foods tätige Verkaufsleiter Berthold Kränz wurde 1961 zum Hauptgeschäftsführer ernannt und blieb bis Ende 1969 in dieser Funktion tätig. Während die-ser Aufbauphase arbeitete er mit einer über viele Jahre konstanten Führungsmannschaft, die aus folgenden Mitgliedern bestand:

• Günter Maak, ab 1958 bei General Foods tätig und ab 1963 Geschäftsführer für Mar-keting und Vertrieb

• Günter Wehrmann, ab 1961 Produktionsdirektor

• Bodo Gaserow, ab 1960 Personalleiter

• Heinz Siefke, ab 1959 bei General Foods tätig, ab 1966 Leiter der Finanzabteilung

• Claus-Jürgen Paulsen, ab 1965 Leiter des Bereichs „New Business Development.“ 175 Bis 1968 konnte das Unternehmen mit der ausschließlich deutschen Führung die Umsatz- und Gewinnentwicklung verbessern und den Expansionskurs kontinuierlich fortsetzen. Ledig-lich in 1968 gab es einen temporären Wechsel im Bereich Marketing/Vertrieb. Günter Maak hielt sich für ein Jahr für eine Trainingsmaßnahme in den USA auf und wurde während dieser Zeit durch den amerikanischen Manager Gerald Caldwell in Deutschland vertreten.

4.3.3.2.2 Produktangebot

1961 gelangte das Produkt „Taufrisch“ auf den Markt. Es war der Vorläufer von

„Cefrisch“, das in den 1970er-Jahren national eingeführt wurde. Es wurde damit begonnen, Maxwell Automatenkaffee speziell für professionelle Heißgetränkeautomaten anzubieten. Auf

174 Protokoll der Sitzung zwischen GF-Geschäftsleitung und Betriebsrat vom 20.9.1957, S. 1

175 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 36

der Basis dieses Produkts wurde im Lauf der Jahre ein vollständiges Sortiment für Automa-tengetränke aufgebaut.

Die beiden Marken Maxwell Express und Reis-Fit entwickelten sich positiv im deutschen Lebensmittelmarkt. 1958 betrug der Umsatz ca. 12 Millionen DM,176 1965 wurden bereits mehr als 100 Millionen DM erwirtschaftet.177 Die Wachstumsraten waren immer zweistellig.

Maxwell hatte am Löskaffeemarkt zu diesem Zeitpunkt einen Marktanteil von etwa 20 %,178 der Marktanteil von Reis-Fit war ebenfalls erfreulich. Zum Umsatzwachstum trug allerdings in zunehmendem Maß die Produktion und Belieferung von Handelsmarken bei. Diese Pro-dukte erreichten allerdings nur geringe Deckungsbeiträge.

Im Geschäftsjahr 1968/69 (31.3.) war allerdings nur noch ein Wachstum von 1,4 % auf 140 Millionen DM zu verzeichnen,179 was auf gesteigerte Wettbewerberaktivitäten bei Lös-kaffee zurückzuführen war. Der Marktführer Nestlé hatte 1965 zusätzlich zu dem sprühge-trockneten Löskaffee den ersten gefriergesprühge-trockneten Löskaffee unter dem Namen Nescafé Gold auf dem deutschen Markt eingeführt und gewann mit diesem Produkt kontinuierlich Marktanteile. Darüber hinaus hatte Jacobs seinen Marktanteil im Löskaffeemarkt mit der Marke Moccapress kontinuierlich verbessert und 1968 Maxwell Express im Marktanteil sogar erstmals hinter sich gelassen.180

Die Entwicklung von Nescafé Gold in Deutschland war für die Unternehmensleitung von General Foods in den USA eine ernsthafte Herausforderung, denn gefriergetrockneter Kaffee war im Prinzip eine Erfindung von General Foods. 1964 hatte das Unternehmen in den USA den ersten gefriergetrockneten Löskaffee der Welt unter dem Markennamen „Maxim“ auf den Markt gebracht und damit zunächst einen großen Erfolg erzielt.

4.3.3.2.3 Business Development

Es gelang nicht, das Sortiment und den Umsatz auf eine breitere Basis zu stellen. Der Be-reich „New Business Development“ sollte keine für den deutschen Markt geeigneten Produk-te entwickeln, sondern hatProduk-te die Aufgabe, bewährProduk-te US-ProdukProduk-te in den deutschen Markt ein-zuführen, gegebenenfalls für den deutschen Markt anzupassen.181 Eine Reihe von GF-Produkten konnten auf dem deutschen Markt nicht eingeführt werden, weil einzelne Produkt-bestandteile nach dem deutschen Lebensmittelgesetz nicht zulässig waren.182 Andere

176 O. V., „Portrait der General Foods GmbH in Deutschland“, in: GF-Express, Nr. 1, Juli 1971, S. 4f.

177 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 39

178 O. V., „General Foods wird offensiv“, in: Die Welt, 25. Juni 1969, o. S.

179 O. V., „General Foods wird offensiv“, in: Die Welt, 25. Juni 1969, o. S.

180 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 41

181 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 37

182 O. V., „In Elmshorn: 55-Millionen-Projekt gerichtet“, in: Elmshorner Nachrichten, 20. April 1968, S. 15

te wurden in Testmärkte gegeben, um die Akzeptanz im deutschen Markt zu testen. Dazu ge-hörten das Instant-Getränkepulver „Simpla“, Instant-Puddings unter dem Namen „Jell-O“ und Electricooker-Nußröster mit einem breiten Sortiment verschiedener Nüsse.183 Es gab eine

„-Fit“-Serie von Produkten, wie z.B. „Teig-Fit“, „Eis-Fit“, „Brat-Fit“ und „Erbs-Fit“. Obwohl es zu dieser Zeit bereits einen Trend zu mehr „Convenience“ gab, waren diese Produktange-bote in den Testmärkten nicht erfolgreich genug, um sie national einzuführen. Ein erfolgrei-ches Testmarktprodukt, ein Instant-Kakaopulver mit dem Namen „Posto“, wurde aufgrund fehlender Mittel für Werbeaktivitäten nicht eingeführt.

Auch eine der Kernkompetenzen, das von der Zentrale grundsätzlich professionell betrie-bene „External Development“, nämlich der Zukauf von Marken und/oder Unternehmen und deren Integration, war in Deutschland nicht erfolgreich. Eine Initiative des Elmshorner Mana-gements für den Zukauf von regionalen Röstkaffeemarken wurde nicht genehmigt. Eine Zu-sammenarbeit mit Melitta im Röstkaffeebereich auf internationaler Ebene kam wegen der gegenseitigen Majoritätsansprüche nicht zustande. Weitere Akquisitionsbemühungen im Tiernahrungsmarkt und bei Schokoladeprodukten blieben aus verschiedenen Gründen ohne Ergebnis.184 Obwohl man dem deutschen Management nicht vorwerfen konnte, inaktiv zu sein, stagnierte die Sortimentsentwicklung.

4.3.3.2.4 Die Maxwell Exquisit-Erfahrung

Dem Drängen des deutschen Managements um Berthold Kränz nach einem gefrierge-trockneten Löskaffee wurde Mitte 1967 schließlich nachgegeben. Das deutsche Management hatte eine Produktionsanlage mit einer für den deutschen Markt ausreichenden Kapazität, ei-ner Investitionssumme von etwa 20 Millionen DM und mit eiei-ner bekannten Technologie vor-geschlagen. Die Unternehmenszentrale genehmigte jedoch eine Investition von 60 Millionen DM für den Bau einer paneuropäischen Produktionsstätte für gefriergetrockneten Kaffee. Es wurde geplant, in einer zweiten Ausbaustufe die Produktionskapazität noch einmal zu erwei-tern. Die amerikanische Zentrale erwartete nämlich, dass sich die Absatzentwicklung von Instantkaffee am Gesamtkaffeemarkt, insbesondere durch die neue Technologie der Gefrier-trocknung, bis zum Ende der 1970er-Jahre auf 30 % erhöhen würde.185

Die Investition in der ersten Ausbaustufe überstieg erheblich die kurzfristig notwendigen Produktionskapazitäten für den deutschen Markt. Deshalb war die Kapazität der neuen

183 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 37

184 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 39

185 O. V., „General Foods wird offensiv“, in: Die Welt, 25. Juni 1969, o. S.

duktionsanlage zunächst zu 50 % für den Export in andere europäische Länder konzipiert worden.

Damit änderten sich die Geschäftspolitik und die Größe des Elmshorner Unternehmens erheblich. Der Export, der bisher von der Umsatzbedeutung her sehr gering war, sollte zu-künftig eine höhere Bedeutung für das Unternehmen bekommen. Von Ende 1967 bis Mitte 1969 wurde eine neue Produktionsanlage für gefriergetrockneten Kaffee gebaut. In Verbin-dung mit der Dimension der Produktionsanlage hatte die amerikanische Unternehmensfüh-rung ein neues Produktionsverfahren nach dem „Leybold-System“ vorgesehen, bei dem in einem halbkontinuierlichen Prozess die Konzentration des Kaffee-Extrakts durch Gefrierkon-zentration, d.h. durch Einfrieren des Konzentrats auf dem Band und die Trocknung in speziel-len Schaspeziel-len erfolgt.

Sowohl der Umfang dieser europäischen Investition als auch die neue Technologie führ-ten dazu, dass während der Bauphase viele amerikanische Entwicklungs- und Produktions-spezialisten von General Foods in Elmshorn arbeiteten. Der technische Leiter der Maxwell House Division, Harry T. Easton, übernahm die Verantwortung für den Anlauf der neuen Produktionsanlage.186 In der Vorbereitungsphase für die nationale Einführung in Deutschland leitete Gerald Caldwell den Marketingbereich.187 Im Juni 1969 wurde Maxwell Exquisit ein-geführt, zu einem Zeitpunkt, als die Produktion noch nicht reibungslos lief und Fremdproduk-te zugekauft werden mussFremdproduk-ten. In dieser Zeit war der VorgesetzFremdproduk-te von Berthold Kränz, der für Nordeuropa zuständige amerikanische GF-Manager Bill Rawlings, häufig in Elmshorn. Er hatte sein Büro in Hamburg und konnte aus diesem Grund leicht Einblick in die Arbeitsweise des Unternehmens nehmen.

Die Einführungswerbung war mit einem Etat von sechs Millionen DM die bisher größte Werbeinvestition des Unternehmens. Inhaltlich hatte die weltweit mit General Foods zusam-men arbeitende Werbeagentur Young & Rubicam eine Adaption einer amerikanischen Wer-bekampagne für die GF-Marke Sanka vorgenommen. Das Motiv „Kaffee im Eisblock“ sugge-rierte für den deutschen Konsumenten allerdings „kalten Kaffee“. Die Begründung für das verbesserte Geschmackserlebnis hatte eine zu technische Orientierung. Die Werbung erreichte zwar Aufmerksamkeit, erfüllte aber nicht die erwartete umsatzsteigernde Wirkung.

Als Problem kam hinzu, dass der Distributionsaufbau mehr Zeit als geplant benötigte, weil es bezüglich des Konditionssystems Diskussionen mit dem Handel gab, so dass das neue Produkt noch nicht im Lebensmitteleinzelhandel verfügbar war, als die Werbung begann. Die Ergebnisse von 0,8 % Marktanteil in 1969 und 2,5 % Marktanteil in 1970 waren enttäuschend

186 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 42

187 General Foods Führungskräfteorganigramm, 1. August 1968

und mussten als Misserfolge angesehen werden. Außerdem wurde die Werbung für Maxwell Express zu Gunsten von Maxwell Exquisit eingestellt, so dass die Nachfrage und der Markt-anteil des Stammprodukts weiter rückläufig waren.

Obwohl die amerikanische und die europäische Zentrale erheblich in den Ablauf des deutschen Geschäfts eingegriffen hatten, trug die deutsche Geschäftsleitung die alleinige Ver-antwortung. Die misslungene Markteinführung belastete das Vertrauensverhältnis zwischen den übergeordneten Zentralen und dem deutschen Management erheblich.

Als weiteres Problem im deutschen Markt kam hinzu, ab Herbst 1969 die erhöhte Produk-tionskapazität durch Exportlieferungen auszulasten. Die beiden Schwestergesellschaften in England und in Frankreich nahmen zunächst die für sie eingeplanten Mengen nicht ab. Das Ergebnis war, dass General Foods Elmshorn in 1969 in die Verlustzone geriet. Es ist nicht mehr zu klären, ob das deutsche Management die alleinige Verantwortung für die Verlustsitu-ation zu tragen hatte oder ob externe Einflüsse eine wesentliche Rolle gespielt hatten im Sinn von hidden action. Die lange Jahre wirkende Führungsmannschaft besaß anschließend nicht mehr das Vertrauen der Vorgesetzten.

General Manager B. Kränz

Controller J.H. Close

Operations Manager G. Wehrmann

Marketing Manager G. Maak

Manager ANG W. Reisse

Personal Manager B. Gaserow

Abbildung 15: Führungskräfte-Organigramm von General Foods Elmshorn im August 1969

Die Konsequenz aus der unbefriedigenden Geschäftsentwicklung war ein Management-wechsel. Der langjährige Hauptgeschäftsführer Berthold Kränz, der auch erhebliche gesund-heitliche Probleme hatte, wurde wenige Monate nach der Einführung von Maxwell Exquisit im September 1969 von seiner Führungsposition abberufen und verließ das Unternehmen.