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und technologischen Rahmenbedingungen.“85 Merkmale der Transaktionsatmosphäre können einerseits Vertrauen, Harmonie und gegenseitige Hochachtung sein, andererseits aber auch Misstrauen, Widerstände und Konflikte. Es gelten bestimmte Normen und Wertvorstellungen, welche die Verhaltensannahmen der Transaktionspartner beeinflussen.

Da es sich bei einem Unternehmenszusammenschluss häufig um eine Transaktion han-delt, die einen einmaligen Charakter für die Vertragspartner besitzt, kommt der Transaktions-atmosphäre eine zentrale Bedeutung für den Erfolg bzw. Misserfolg einer solch bedeutenden Transaktion zu. Misstrauen und Konflikte können die Transaktion verzögern, dabei die Ein-schaltung von Anwälten und Beratern notwendig machen und somit die Transaktionskosten erhöhen. Williamson empfiehlt eine Organisationsform der Integration von Transaktionen, wenn Humankapital und Sachkapital zunehmend für eine bestimmte Verwendung speziali-siert werden, weil zunehmend die Gefahr für Opportunismus besteht.86 In den Fällen der Fu-sionen wird in dieser Arbeit herausgearbeitet, inwieweit die Atmosphäre der jeweiligen Zu-sammenführung einen positiven oder negativen Einfluss auf die Realisierung der Maßnahmen hatte.

Von Bedeutung sind hierbei ebenfalls Faktoren, die sich auf die Unternehmenskultur bzw.

das Produktionsregime wie z.B. einen „historisch gewachsenen, Vertrauen stiftenden institu-tionellen Rahmen“87 beziehen können. Aber auch „ungeschriebene Gesetze“ oder Gewohn-heiten, die in Branchen unterschiedlich ausgeprägt sein können, sind Dimensionen der Trans-aktionsatmosphäre.88 Sie können sowohl zur Verringerung der Unsicherheit bei Verhandlun-gen führen als auch bestimmte Vertragsabschlüsse aufgrund des Kündigungsschutz- und Ver-tragsrechts erschweren. Darüber hinaus beschreibt die Transaktionsatmosphäre für die Koor-dination der Leistungsbeziehungen alle relevanten sozialen (z.B. Werthaltungen) und techno-logischen (z.B. Infrastruktur) Rahmenbedingungen.

der Zukunftsfähigkeit dieses Modells gestellt, dem während der „Wirtschaftswunderphase“

eines ungebremsten Wachstumspfads überwiegend positive Effizienzwirkungen zugesprochen wurde. Die „Eigenheiten des deutschen sozialen Produktionssystems“ seien nicht geeignet, den Herausforderungen der Globalisierung und der Verwissenschaftlichung der Produktion angemessen zu begegnen.89

In dieser Untersuchung wird der Frage nachgegangen, ob und auf welche Weise sich die Integrationsprozesse nach den Unternehmenszusammenschlüssen auf das Produktionsregime ausgewirkt haben. Eine qualitative Untersuchung zur Unternehmensgeschichte in Form einer Fallstudie ist vor allem dann hilfreich, wenn – wie im vorliegenden Fall – detaillierte empiri-sche Befunde fehlen. Im Folgenden sollen daher theoretiempiri-sche Befunde angeführt werden, die den Zusammenhang von Durchsetzung der Property Rights, Agency-Probleme, Transaktions-kosten und der Anpassung der Produktionsregime im Fusionsprozess erklären.

Bei Produktionsregimen handelt es sich um jene Regeln und Institutionen, die charakte-ristisch für Unternehmen im nationalen Kontext sind. Im Vergleich zum amerikanischen Pro-duktionsregime zeichnet sich das deutsche ProPro-duktionsregime durch ein hohes Beharrungs-vermögen aus.90 Dieser Zusammenhang ist für die vorliegende Untersuchung von zentraler Bedeutung, da bei den in dieser Fallstudie untersuchten Unternehmenszusammenschlüssen deutsche und amerikanische Produktionsregime in ein neues Unternehmen zu integrieren wa-ren. Die Unterschiede beziehen sich

• auf den Arbeitsmarkt und Formen der industriellen Beziehungen,

• auf die Finanzierung und Corporate Governance im Sinn von spezifischen Herr-schafts- und Verwaltungsstrukturen sowie

• auf Inter-Company- bzw. Branchensysteme.91

Abbildung 3 zeigt die Bereiche, in denen die Divergenz zwischen den Produktionsre-gimen in mikro- und makroökonomischen Bereichen besonders ausgeprägt ist.92

89 Abelshauser, Werner: Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Heraus-forderung, Berlin 2003, S. 17f.

90 Soskice, David: Globalisierung und institutionelle Divergenz: Die USA und Deutschland im Vergleich, in:

Geschichte und Gesellschaft, 25. Jg., 1999, S. 202

91 Soskice, David: Globalisierung und institutionelle Divergenz: Die USA und Deutschland im Vergleich, in:

Geschichte und Gesellschaft, 25. Jg. 1999, S. 203

92 Als Ergänzung sei an dieser Stelle hinzugefügt, dass die Abbildung für diese Untersuchung eine unterstützen-de Funktion hat und die grundsätzlichen Unterschieunterstützen-de zwischen unterstützen-dem unterstützen-deutschen und US-amerikanischen Pro-duktionsregime skizzieren soll. Die Abbildung erhebt daher auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

Wie an anderer Stelle noch zu zeigen sein wird, beziehen sich die Integrationsmaßnahmen der zusammenge-führten Unternehmen auf mikroökonomische Bereiche der Produktionsregime.

Deutschland USA Arbeitsmarkt / Qualifikation / Partizipation der Arbeitnehmer

hochqualifizierte Stammbelegschaften flexible Belegschaften

branchen- und unternehmens-spezifische Ausbildung

Vermittlung breiter Fähigkeiten außerhalb der beruflichen Bildung

deregulierte Arbeitsmärkte

Principal-Agent-Problem Finanzierung / Corporate Governance

langfristige Finanzierungshorizonte kurze Zeithorizonte, High-Risk Finance

„stakeholder-value“

Inter-Company-System

ausgeprägte Fusions- und Übernahme-Aktivitäten langfristige Kapitalbeteiligungen

keine „feindlichen“ Übernahmen historisch gewachsene regionale Verbundsysteme („cluster“) kooperative Interessenpolitik (starke Verbände)

pluralistische Interessenpolitik (schwache Verbände)

Offener Technologietransfer (Branchenstandard)

Technologie-Wettbewerb (kein Ausbildungsstandard in den Branchen)

gemäßigtes Kartellverbot Anti-Trust-Wettbewerb institutionalisiertes Bargaining

Mitbestimmung

gewachsene Industrie-Bank-Beziehungen, Universalbanken

Trennbankensystem

unterentwickelter Kapitalmarkt hochliquider Kapitalmarkt

„shareholder-value“

Cluster sind Ausnahmen (z. B. Silicon Valley)

Abbildung 3: Divergenz der Produktionsregime (Deutschland – USA): Ende des 20. Jahrhunderts93

„Unter einem Produktionsregime wird die Organisation der Produktion durch Märkte oder marktähnliche Institutionen verstanden. In seinem Mittelpunkt steht die Organisation der gegenseitigen Beziehungen der Akteure auf der Mikroebene: Unternehmer, Verbraucher, Ar-beitnehmer oder Kapitaleigner innerhalb des gegebenen Rahmens von Anreizen und Be-schränkungen.“94

Beispielsweise hat sich der Arbeitsmarkt in Deutschland durch eine weitgehend bran-chen- und unternehmensspezifische Berufsausbildung entwickelt, aus der qualifizierte Stammbelegschaften hervorgehen. In den USA werden außerhalb der beruflichen Bildung vor allem breitere Fähigkeiten vermittelt. Der amerikanische Arbeitsmarkt kennt keine

93 Abelshauser, Werner: Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 27. Jg., 2001, Heft 4, S. 518

94 Soskice, David: Globalisierung und institutionelle Divergenz: Die USA und Deutschland im Vergleich, in:

Geschichte und Gesellschaft, 25. Jg., 1999, S. 203

bare Berufsausbildung für Arbeitnehmer. Lohn- und Gehaltsvereinbarungen sowie Arbeitsbe-dingungen werden überwiegend branchenspezifisch verhandelt. Das in deutschen Unterneh-men etablierte System industrieller Beziehungen (industrial relations), dem aufgrund der weit reichenden Mitbestimmungsrechte der Ruf vorauseilt, es würde flexible Entscheidungen der Unternehmensführung verhindern,95 ist in den USA überwiegend unbekannt. Das amerikani-sche Produktionsregime ist dagegen sehr stark von einer unkoordinierten und liberalen Marktwirtschaft geprägt. Diese Unterschiede beziehen sich auf alle Ebenen der Arbeitsbezie-hungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte mit geringem Kündigungsschutz und einer eher schwachen Verhandlungsposition der Gewerk-schaften ermöglichen einen flexiblen Auf- und Abbau der BelegGewerk-schaften. Die Unternehmens-führung besitzt die uneingeschränkte Kontrolle über den Arbeitsplatz. Bei den Voraussetzun-gen des deutschen Arbeitsmarkts und der zunehmenden immateriellen Produktion des 20.

Jahrhunderts ist für Abelshauser die optimale Leistung eines über spezifisches Wissen verfü-genden Mitarbeiters weder vertraglich exakt zu fassen noch zu vertretbaren Kosten zu über-wachen und durchzusetzen. Daher ist sein Lösungsansatz für das Principal-Agent-Problem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die es in den USA in der ausgeprägten Form nicht gibt. Er geht aber sogar noch weiter: Für ihn bieten ein hoher Qualifikationsgrad und eine hohe Leis-tungsbereitschaft der Mitarbeiter für Unternehmen einen Anreiz, kapitalintensive Anlage-investitionen vorzunehmen und damit eine hohe Standortspezifität zu schaffen. Sie geben auch die Sicherheit, dass diese Investitionen voll genutzt werden können und sich damit hohe Fixkosten in niedrige Stückkosten umwandeln lassen. Deshalb kommt nach seiner Meinung zur optimalen Übereinstimmung in der Nutzenfunktion von Principal und Agent neben der Mitbestimmung auch noch die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter96 in der deutschen Wirt-schaft.

Das Finanzierungssystem der Unternehmen in den USA stützt sich auf relativ kurzfristige Zeithorizonte und High-risk Finance, so dass die Rahmenbedingungen für feindliche Über-nahmen von Aktiengesellschaften und eine risikobetonte Geschäftspolitik erleichtert werden.

Folglich orientieren sich US-Unternehmen auch stärker an dem Shareholder Value.

Die Corporate Governance drückt sich aus durch die in Deutschland üblichen Beziehun-gen zwischen Universalbanken und Industrieunternehmen mit langfristiBeziehun-gen Finanzierungs-konzepten aufgrund eines geringer entwickelten Kapitalmarkts im Vergleich zu den USA, bei denen Trennbanken und ein hoch entwickelter Kapitalmarkt zu Investitionsfinanzierungen mit kürzeren zeitlichen Perspektiven führen können. Der Erfolg dieser Investitionen wird

95 Abelshauser, Werner: Kulturkampf, Berlin 2003, S. 19

96 Abelshauser, Werner: Kulturkampf, Berlin 2003, S. 146

dings auch vornehmlich nach der kurzfristigen Verzinsung des eingesetzten Kapitals der An-teilseigner („shareholder value“) und nicht nach den Motiven der „ stakeholder“, deren Anla-gemotiv mehr der Optimierung der langfristigen Gewinnerzielung und Substanzmehrung ei-nes Unternehmens folgt. Dieses Anlagemotiv entspricht eher einer deutschen Denkweise.97

Die dritte Ebene, auf der sich Divergenzen zwischen den Produktionsregimen identifizie-ren lassen, ist das Inter-Company-System. Für Deutschland sind eher langfristige Kapitalbe-teiligungen kennzeichnend. Ausgeprägte Fusions- und (feindliche) Übernahmeaktivitäten wie in den USA sind eher die Ausnahme. Das deutsche Produktionsregime zeichnet sich daher auch durch eine gewisse Kontinuität aus: Es bestehen historisch gewachsene Verbundsysteme (Cluster) und auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite starke Verbände und Interessengrup-pen. Alle genannten Merkmale treffen in dieser umfassenden Form nicht auf die USA zu. Das Produktionsregime in den USA ist mehr oder weniger auf einen intensiven Wettbewerb aus-gerichtet. Die marktlichen Bedingungen zeigen sich auch in einem Technologiewettbewerb und einer Anti-Trust-Gesetzgebung.

Trotz dieser erheblichen Divergenzen der Produktionsregime ist die Entwicklung im ver-gangenen Jahrhundert keinesfalls so verlaufen, dass die beiden Volkswirtschaften autonom voneinander existierten. „Gerade die deutsche Wirtschaftspraxis ist ohne den stetigen Strom neuer und innovativer Methoden aus den USA kaum vorstellbar. Taylorismus, Fordismus, die Divisionsstruktur in der Unternehmensorganisation, neue Managementmethoden und Ge-schäftspraktiken wie Marktforschung, Marketing und Werbung haben unter vielen anderen

‚Importen’ aus den USA den wirtschaftlichen Alltag ebenso verändert wie umfangreiche Di-rektinvestitionen, die der ‚Amerikanisierung’ der deutschen Wirtschaft oft als Einfallstor die-nen konnten.“98

Diese Übernahme von Verhaltensmustern und Werten hat für die deutsche Wirtschaft nicht zwangsläufig einen institutionellen Wandel zur Folge gehabt. Ein institutioneller Wan-del ist dabei im Wesentlichen von den „economies of scale, Gewinnen aus der Senkung von Transaktionskosten, der Internalisierung von externen Effekten, der Verminderung von Risi-ken und der Umverteilung von Einkommen“99 abhängig. Amerikanische Werte und institutio-nelle Rahmenbedingungen werden zwar von deutschen Unternehmen geschätzt, aber es ist nicht der Fall eingetreten, dass sich das deutsche Produktionsregime an das amerikanische

97 Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 40

98 Abelshauser, Werner: Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 27. Jg. 2001, Heft 4, S. 519

99 Abelshauser, Werner: Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 27. Jg., 2001, Heft 4, S. 520

angenähert hat. Vielmehr ist das Gegenteil eingetreten: Die Produktionsregime unterscheiden sich mehr denn je voneinander.100

Man spricht in diesem Fall von der Pfadabhängigkeit, in die Unternehmen eingebettet sind und die auch den Institutionen inhärent ist. Spürbar wird die Bedeutung der Pfadabhän-gigkeit besonders in Ländern oder Branchen, die sich in einer Phase der wirtschaftlichen Transformation befinden. Je länger dieses Institutionengefüge bereits bestanden hat, desto mehr sind die Unternehmen gezwungen, die eigenen Aktivitäten an dieses Gefüge anzupas-sen. Die Folge sind institutionelle „Selbstverstärkungsmechanismen“, die eine hohe Per-sistenz des alten Produktionsregimes bewirken. Einschneidende Veränderungen der bestehen-den Struktur würbestehen-den daher zu hohen Kosten in einer Volkswirtschaft führen101 und sind an sich nur denkbar, wenn mit der Neuordnung eine ausweglose politische und wirtschaftliche Krise überwunden werden kann. Besonders in wirtschaftlichen und politischen Transformati-onsphasen führt eine Veränderung des Institutionengefüges zu Unsicherheit und Misstrauen bei den Akteuren, die sich dann nicht mehr auf vertraute Regelsysteme verlassen können. Es ist anzunehmen, dass sich diese Akteure eher einem Wandel widersetzen und an den beste-henden Strukturen festhalten möchten.102

Die Pfadabhängigkeit des Produktionsregimes schafft eine Vertrauensbeziehung zwischen den beteiligten Akteuren. Vertrauen ist eine zentrale Voraussetzung für die Gestaltung zwi-schenmenschlicher Beziehungen und unerlässlich für mikroökonomische Transformations- und Reorganisationsprozesse, wenn es um den Aufbau flexiblerer Unternehmensstrukturen geht.103 Diese Aussage gilt grundsätzlich auch für die Anbahnung, Abwicklung und Wieder-holung von Transaktionen. Der Vertrauensgeber, der gegenüber dem Vertrauensnehmer grundsätzlich schlechter gestellt ist, kann seine Situation verbessern, indem er sich auf Erfah-rungen Dritter stützt oder nur Vertragspartnern das Vertrauen schenkt, mit denen bereits posi-tive Erfahrungen gesammelt wurden.104 Diese Erfahrungen lassen sich eher in einem stabilen Produktionsregime finden, in dem die Akteure mit Institutionen, Spielregeln sowie Verhal-tens- und Denkmustern der Akteure vertraut sind. „Zu den Voraussetzungen, die das deutsche Produktionsregime und nicht zuletzt auch die deutsche Unternehmenskultur dazu mitbringen, gehören [...] in erster Linie akkumuliertes Vertrauenskapital und die Fähigkeit zur

100 Abelshauser, Werner: Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 27. Jg., 2001, Heft 4, S. 520f.

101 Erlei, Matthias/ Leschke, Martin/ Sauerland, Dirk: Neue Institutionenökonomik, Stuttgart 1999, S. 526

102 Genschel, Philipp: Variationen des Wandels: Institutionelle Evolution in der Telekommunikation und im Gesundheitssystem, in: Politische Vierteljahresschrift, 37. Jg., 1996, Heft 1, S. 58ff.

103 Picot, Arnold/ Reichwald, Ralf/ Wiegand, Rolf T.: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organi-sation und Management, 4. Auflage, Wiesbaden 2001, S. 123

104 Picot, Arnold/ Reichwald, Ralf/ Wiegand, Rolf T.: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organi-sation und Management, 4. Auflage, Wiesbaden 2001, S. 125

tät, beides Voraussetzungen für ein strukturell niedriges Transaktionskostenniveau und damit für die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten. Gerade unter Globalisierungsbe-dingungen [...] wächst die Bedeutung des Vertrauens und der sozialen Tugenden als Quelle des Wohlstandes in der Weltgesellschaft.“105 Es kann von der Annahme ausgegangen werden, dass durch eine funktionierende Vertrauensbeziehung unter Effizienzgesichtspunkten die Si-tuation der Vertragspartner verbessert wird, da die Transaktionskosten sinken. Auf der Grund-lage einer Vertrauensbeziehung besteht bei den Vertragspartnern weniger „Bedürfnis nach möglichst genauer vertraglicher ex-ante-Spezifizierung künftiger Ereignisse oder nach expli-ziten Regelungen zur Teilung der Kooperationsergebnisse“.106

Diese Aussage trifft umso mehr in Phasen struktureller Unsicherheit zu, da hier die direk-te zwischenmenschliche Beziehung als Bedingung für eine Vertrauensbeziehung nicht mehr greift. An deren Stelle treten dann häufig formelle oder informelle Institutionen, welche die getätigten Transaktionen absichern. Als Beispiel sei hier die in der westfälisch-niedersächsischen Region beheimatete Legge genannt, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert die Aufgabe hatte, die dort produzierten Leinenprodukte zu begutachten und zu zertifizieren.

Die Leggen waren in den Augen der Tuchhändler leistungsstarke und preiswerte Institutionen, die dank des Amtseids ihrer Prüfer die Transaktionskosten der Marktnutzung reduzierten, gleichzeitig aber für hohe Qualitätsstandards und internationale Anerkennung der Leinenpro-dukte sorgte. Die Leggen legten eine exakte Definition der Ware fest. Auf diese Weise gab es kein Misstrauen zwischen Webern und Händlern, die insbesondere ihre Spezifizierungs-, In-formations- und Überwachungskosten senken konnten. Der Verkauf der Ware war ohne einen Leggestempel nicht möglich. Es wurde eine vertrauensvolle Transaktionsatmosphäre geschaf-fen, die durch Hinzuziehung einer Vermittlungsinstanz erreicht wurde.107

Der Stellenwert des Vertrauens erklärt vielleicht am ehesten die Persistenz eines Produk-tionsregimes. „Der Erfolg, den das Produktionsregime der Neuen Industrien bis in die Ge-genwart der Neuen Wirtschaft aufweist, spricht eher für eine Reform und gegen den Aus-tausch des Ganzen oder auch von Teilen des sozialen Produktionsregimes gegen Bestandteile anderer, konkurrierender Produktionsregime.“108

105 Abelshauser, Werner: Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Heraus-forderung, Berlin 2003, S. 181.

106 Picot, Arnold/ Reichwald, Ralf/ Wiegand, Rolf T.: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organi-sation und Management, 4. Auflage, Wiesbaden 2001, S. 298.

107 Wischermann, Clemens: Frühindustrielle Unternehmensgeschichte in institutionalistischer Perspektive, in:

Geschichte und Gesellschaft, 19. Jg., 1993, S. 453ff.; Berghoff, Hartmut: Transaktionskosten: Generalschlüs-sel zum Verständnis langfristiger Unternehmensentwicklung?, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1999, S. 166f.

108 Abelshauser, Werner: Kulturkampf, Berlin 2003, S. 181

Es lässt sich festhalten, dass ein starres Produktionsregime Gefahr läuft zu verkrusten und globale Entwicklungen quasi verschläft, wenn sich traditionelle Denk- und Verhaltensweisen nicht mehr als geeignet erweisen. Im Inneren eines Produktionsregimes mag dieser Zustand zwar vertrauensbildend und für den Zusammenhalt von Branchen oder Unternehmensnetz-werken förderlich sein, aber es ist nur eine trügerische Gewissheit. Daher unterliegen Produk-tionsregime einem gewissen Grad der Anpassung, die nicht zwangsläufig zu einer Auflösung von Institutionen und Organisationsformen geführt haben.

Ein Produktionsregime, wie es sich in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts entwi-ckelt und in seinen Grundzügen erhalten hat, führt vor allem zu einer Senkung der Transakti-onskosten und damit für Unternehmen zu Effizienzgewinnen. Ein wichtiger Aspekt ist das Vertrauen zwischen den Akteuren, das sich erst in einem stabilen Produktionsregime entfalten kann. Auch wenn das Vertrauen durch Umweltbedingungen wie wirtschaftliche Krisen, Fusi-onsprozesse, Eigentümerwechsel oder ein verändertes Wettbewerbsumfeld erschüttert werden kann, hat sich das deutsche Produktionsregime zumindest auf makroökonomischer Ebene seit dem 19. Jahrhundert eher als stabil erwiesen.

Auf der mikroökonomischen Ebene sollte immer der Einzelfall betrachtet werden, inwie-weit sich eine „Amerikanisierung“ des Produktionsregimes in deutschen Unternehmen bereits durchgesetzt hat oder nicht. Die F. Porsche AG ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein deutsches Unternehmen international wettbewerbsfähig und erfolgreich sein kann, obwohl sich der Sportwagenhersteller gerade in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld fremden Neuerungen verweigert.109 Ein anderes Beispiel ist die Fusion zwischen der Daimler Benz AG und Chrys-ler, die eigentlich eine Übernahme durch den deutschen Konzern war und 1998 nach deut-schem Recht vollzogen wurde. Auch die spätere Sanierung des Konzernanteils von Chrysler in den USA erfolgte nach den Vorstellungen des schwäbischen Autoherstellers.110

Diese beiden Unternehmensbeispiele sind ein Beleg für die Stärke des deutschen Produk-tionsregimes. Besonders bei einer Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes stellt sich die Frage, welchen Gesetzmäßigkeiten und geheimen Regeln die Stabilität bzw. Instabili-tät eines Produktionsregimes folgt:

• Ist das übernehmende Unternehmen tatsächlich in der Lage, die eigenen Interessen und damit das favorisierte Produktionsregime trotz der institutionellen und organi-sationellen Rahmenbedingungen und gegen interne Widerstände im übernomme-nen Unternehmen durchzusetzen?

109 Abelshauser, Werner: Kulturkampf, Berlin 2003, S. 180

110 Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 435

• Wenn ja, wie weit reicht die Durchsetzung dieser Interessen und hat sich der ein-geschlagene Pfad im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Verfügungsrechte (Property rights), der Überwindung der Agency-Probleme und der Senkung der Transaktionskosten als erfolgreich erwiesen?

Dies sind die zentralen Fragen, die sich nach jeder Fusion in dieser Untersuchung der Unter-nehmensgeschichte von HAG, Jacobs Suchard und Kraft immer wieder gestellt haben.