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4 HAG AG und General Foods bis 1989

4.2 Das Unternehmen Kaffee HAG

4.2.3 Die Aufbaujahre bis 1958

re“ Wertschöpfungskette. In deutschen Unternehmerkreisen wurde der Name Roselius ein Begriff. Eine seiner besonderen Fähigkeiten lag darin, Marketing- und Vertriebsspezialisten für HAG zu gewinnen, die seinen Ideen Form und Gestalt gaben.52

Zu seinem 100. Geburtstag wurde er mit den Worten zitiert: „Ich kann nur einen Mann gebrauchen, der ständig für alle Prinzipien kämpft, die wir haben und auf seine eigene Weis-heit weitmöglichst verzichtet.“53 Die Führungskräfte der HAG AG hatten den „energetischen Imperativ“ verinnerlicht, den sie in seinem Sinn im Unternehmen weiter vermittelten. Er war Teil des Produktionsregimes der HAG AG.

Andere Firmengründer hätten die wirtschaftlichen Erfolge vielleicht mehr genossen, bei Ludwig Roselius schienen sie Ansporn zu sein für noch mehr Aktivität, noch mehr Engage-ment über den bisherigen Wirkungskreis hinaus. Er war Mitglied in Akademien, Ausschüs-sen, Verbänden und Gesellschaften, die alle seinen Rat und seine Mitarbeit wünschten. Er war beispielsweise Mitglied im Zentralausschuss der Reichsbank, Mitglied des Verwaltungsrats des Deutschen Auslandsinstituts, Mitarbeiter im Ausschuss für Werbefragen der deutschen Industrie und im Außenhandelsrat.54 Es handelte sich um Mitgliedschaften und Tätigkeiten, die durchaus auch als Anbahnungen von Geschäftsbeziehungen dienen konnten und im Sinn der Transaktionskostentheorie zu Kostensenkungen führten.

AG berufen. Nach dem Tod von Ludwig Roselius wurde er Aufsichtsratsvorsitzender und Mitglied des bereits erwähnten Verwaltungssenats im Unternehmen.56

Dem Verwaltungssenat des Unternehmens gehörte auch Wilhelm Nolting-Hauff an. Mit der Umgruppierung der Geschäftsverhältnisse trat er 1946 in den Vorstand der HAG AG ein und wurde verantwortlich für die Verwaltung und die Finanzabteilung. Er legte besonders durch einen auf Wachstum und durch die besonderen Umstände mutigen Finanzplan die fi-nanzielle Grundlage für das Wiederaufleben der HAG AG. Dies war nur möglich durch das Vertrauen, das der Verwaltungssenat bei den Banken besaß.57 Erleichtert wurde diese Ver-trauensbasis durch die 17-jährige nebenberufliche und ehrenamtliche Tätigkeit von Nolting-Hauff als Bremer Finanzsenator.58

Bis 1948 mussten die Fabrikanlagen wieder instand gesetzt werden. In erhaltenen Teilen der Produktion wurde Milchpulver für die Überwindung der „Berliner Blockade“ hergestellt.

1949 wurde der Bremer Hafen wieder in Betrieb genommen. Zeitgleich war auch die direkte Rohkaffeeversorgung wieder möglich. In den Fabrikanlagen, in denen während der Kriegsjah-re andeKriegsjah-re Produkte hergestellt wurden, begann ab 1950 wieder die Produktion von Kaffee und KABA. Es wurde das Ziel verfolgt, das Unternehmen HAG wieder aufzubauen und ihm die frühere Bedeutung wiederzugeben.59

Die Wettbewerbssituation hatte sich allerdings erheblich geändert. Einerseits waren dem Unternehmen die ausländischen Niederlassungen verloren gegangen. Sie waren entweder be-schlagnahmt und enteignet worden. Andererseits war der inländische Markt durch das Ab-trennen der Ostgebiete erheblich kleiner geworden. Andere Hersteller versorgten die Kunden nun ebenfalls mit entkoffeiniertem Kaffee. Die bisher wahrgenommene „Monopolstellung“

der HAG AG war ebenfalls verloren gegangen. Zusätzlich war ein weiteres Phänomen festzu-stellen: Durch den Engpass von Röstkaffee in den letzten Kriegsjahren bestand bei den Verbrauchern ein gesteigerter Wunsch nach „echtem Bohnenkaffee“.60 Deshalb stand die neue Unternehmensführung der Herausforderung gegenüber, gleich im ersten Produktionsjahr mit Onko Kaffee den ersten koffeinhaltigen Kaffee auf den Markt zu bringen und damit das Sortiment erheblich zu erweitern. Diese Entwicklung wäre zu Lebzeiten des Gründers wohl nicht möglich gewesen, denn er hatte sich vollständig auf magen- und herzschonenden Kaffee

56 Roselius, Hildegard, „Heinz Puvogel, zum goldenen Dienstjubiläum“, in: haghefte, Dezember 1959, S. 3f.

57 Nolting-Hauff, Wilhelm, „Der finanzielle Aufbau unseres Unternehmens“, in: haghefte, Dezember 1958, o. S.

58 O. V., „Senator Dr. Wilhelm Nolting-Hauff 40 Jahre bei der HAG“, in: haghefte, August 1964, S. 2f.

59 Käckenhoff, Uwe/Raithel, Helmut, „Schlecht gemischt“, in: manager magazin, 10, 1979, S. 37

60 Schwarze, Thomas: Kaffee HAG, Bremen 1906-1979, S. 40

konzentriert und jeden Koffeingenuss ausgeschlossen.61 1950 beschloss der Verwaltungssenat auch den Aufbau einer Extraktproduktion für das Unternehmen.

Christian Fritz Müller kam 1951 aus dem Ausland zurück und trat in den Vorstand der HAG AG ein. Er übernahm die Verantwortung für den Einkauf, die Produktion und das prak-tisch nicht mehr vorhandene Auslandsgeschäft. Er war von der Produktionsseite wesentlich an der Einführung der Marken Onko und HAG-Blitz beteiligt. Ein weiteres Mitglied des Verwal-tungsrats und des Vorstands war Hermann Rickens. Er baute die Verkaufsorganisation ganz im Sinn des Gründers wieder auf und nahm auch für das Unternehmen große finanzielle Be-lastungen in Kauf, um den Außendienstmitarbeitern flächendeckend schnell wieder Arbeit zu geben. Die Außendienstorganisation wurde auf ein Reisendensystem mit Direktbelieferung des Handels ausgerichtet.

Puvogel als Aufsichtsratsvorsitzender und Nolting-Hauff, Müller und Rickens als Vor-stand bildeten in kollegialer Zusammenarbeit die Führungsmannschaft in den 1950er-Jahren.

Eine Senkung der Kaffeeverbrauchssteuer für Röstkaffee in 1953 führte zu Preissenkun-gen, die wiederum zu dauerhaft zweistelligen Konsumsteigerungen für Röstkaffee führten, wie sich aus der folgenden Tabelle62 entnehmen lässt. Da keine anderen Zahlen zur Verfü-gung stehen, ist die Entwicklung vom Deutschen Kaffeeverband am Rohkaffeeimport und umgerechnet am Pro-Kopf-Verbrauch festgemacht worden. Die HAG AG hatte an dieser po-sitiven Entwicklung einen besonderen Anteil.63

Jahr Rohkaffee-Import in Tonnen Rohkaffee pro Kopf in kg

1953 75.417 1,5

1960 191.005 3,5

Tabelle 5: Rohkaffee-Importe 1953 und 1960

Das 1951 in HAG AG umbenannte Unternehmen nahm in den Aufbaujahren nach 1950 eine günstige Entwicklung. 1956 wurde das Produkt HAG-Blitz eingeführt, ein entkoffeinier-ter Kaffee-Extrakt, 1959 mit Onko-Blitz ein koffeinhaltiger Kaffee-Extrakt. Beide Produkte trugen zur Umsatzsteigerung des Unternehmens bei, auch im Ausland.

Die Umsatzentwicklung verlief in den 1950er-Jahren sehr positiv. Da zum damaligen Zeitpunkt die HAG AG die einzige Kapitalgesellschaft im Kaffeemarkt war und Markt- und Wettbewerbszahlen nicht ohne weiteres verfügbar waren, veröffentlichte die HAG AG auch

61 Käckenhoff, Uwe/Raithel, Helmut, „Schlecht gemischt“, in: manager magazin, 10, 1979, S. 40

62 Deutscher Kaffeeverband, Jahresbericht 2004, S. 20

63 Geschäftsbericht 1953 der HAG AG, S. 1

nur lückenhaft die Jahresergebnisse, indem lediglich das Wachstum zum Vorjahr genannt wurde.64 Die Umsatzzahlen in der folgenden Tabelle sind daher Näherungswerte.

Jahr Umsatz in Mio. DM % Wachstum Mitarbeiter ca.

1955 71,5 630

1956 80,4 12,4 735

1957 91,5 13,8 867

1958 95,5 4,3 970

1959 105,5 10,0 1.070

1960 120,3 14,0 1.200

Tabelle 6: Umsatzentwicklung, Wachstum und Mitarbeiterzahl der HAG AG von 1955 bis 1960

Die Anzahl der Mitarbeiter wurde in den Geschäftsberichten auch nur sehr verkürzt oder verschlüsselt wiedergegeben, so dass diese Werte zum Teil gerundete Zahlen sein müssen.

Die günstige Geschäftsentwicklung ging einher mit einer notwendigen Anpassung der Mitar-beiterzahl. 1954 hatte das Unternehmen schon wieder eine Belegschaft von mehr als 500 Mit-arbeitern.65 Im Durchschnitt wurde die Anzahl der Mitarbeiter in diesem Zeitraum pro Jahr um ca. 100 erhöht, wie aus Tabelle 6 zu entnehmen ist.66 1958 hatte das Unternehmen knapp 1.000 Mitarbeiter.