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4 HAG AG und General Foods bis 1989

4.3 General Foods

4.3.3 General Foods Deutschland

4.3.3.3 General Foods von 1970 bis 1976

und mussten als Misserfolge angesehen werden. Außerdem wurde die Werbung für Maxwell Express zu Gunsten von Maxwell Exquisit eingestellt, so dass die Nachfrage und der Markt-anteil des Stammprodukts weiter rückläufig waren.

Obwohl die amerikanische und die europäische Zentrale erheblich in den Ablauf des deutschen Geschäfts eingegriffen hatten, trug die deutsche Geschäftsleitung die alleinige Ver-antwortung. Die misslungene Markteinführung belastete das Vertrauensverhältnis zwischen den übergeordneten Zentralen und dem deutschen Management erheblich.

Als weiteres Problem im deutschen Markt kam hinzu, ab Herbst 1969 die erhöhte Produk-tionskapazität durch Exportlieferungen auszulasten. Die beiden Schwestergesellschaften in England und in Frankreich nahmen zunächst die für sie eingeplanten Mengen nicht ab. Das Ergebnis war, dass General Foods Elmshorn in 1969 in die Verlustzone geriet. Es ist nicht mehr zu klären, ob das deutsche Management die alleinige Verantwortung für die Verlustsitu-ation zu tragen hatte oder ob externe Einflüsse eine wesentliche Rolle gespielt hatten im Sinn von hidden action. Die lange Jahre wirkende Führungsmannschaft besaß anschließend nicht mehr das Vertrauen der Vorgesetzten.

General Manager B. Kränz

Controller J.H. Close

Operations Manager G. Wehrmann

Marketing Manager G. Maak

Manager ANG W. Reisse

Personal Manager B. Gaserow

Abbildung 15: Führungskräfte-Organigramm von General Foods Elmshorn im August 1969

Die Konsequenz aus der unbefriedigenden Geschäftsentwicklung war ein Management-wechsel. Der langjährige Hauptgeschäftsführer Berthold Kränz, der auch erhebliche gesund-heitliche Probleme hatte, wurde wenige Monate nach der Einführung von Maxwell Exquisit im September 1969 von seiner Führungsposition abberufen und verließ das Unternehmen.

• Die Geschäftsführer Günter Maak, Günter Wehrmann und Claus-Jürgen Paulsen ver-ließen das Unternehmen.

• Bodo Gaserow verließ das Unternehmen Ende 1970 und wurde durch Heinz Siefke er-setzt, der aus der Finanzabteilung in das Personalressort wechselte.

• Neuer Finanzdirektor wurde Nicholas Lu-Choglokoff, der aus der amerikanischen Zentrale kam.

• Die Marketingverantwortung übernahm Hinkes zunächst selbst, bevor der Deutsche Alois Spengler Ende 1970 folgte. Er kam aus einer internationalen Funktion von Ge-neral Foods.

• Den Bereich New Business Development übernahm der US-Amerikaner Hank Giudi-ce, der seit 1967 bei General Foods in Elmshorn im Marketing tätig gewesen war.

• Der Engländer Arthur Brian Whiteley war nun für den Produktionsbereich verantwort-lich.

• Zusätzlich in das Führungsteam für den Bereich Forschung und Entwicklung wurde der bisherige Laborleiter Hans Garloff berufen. Hinkes wollte mit dieser personellen Besetzung deutlich machen, dass der Entwicklung von Produkten speziell für den deutschen Markt in Zukunft ein größeres Gewicht gegeben werden sollte.

Damit bestand das Führungsteam aus drei Amerikanern, einem Engländer und vier Deut-schen.188 Nur drei von den acht Managern waren länger als vier Jahre in Elmshorn.

General Manager S.T. Hinkes

Financial Director N. Lu Choglokoff

Manufacturing Manager H. Uphoff

Operations Director A. B. Whiteley

R & D Director H. Garloff

New Business Manager H. Giudice

Personnel Director H. Siefke

Marketing Director A. Spengler

Abbildung 16: Führungskräfte-Organigramm von General Foods Elmshorn im Januar 1972

Hinkes hatte damit eine Führungsorganisation aufgebaut, die es ihm erlaubte, das Unter-nehmen auch im Führungsstil international auszurichten. Er führte das Führungssystem „Ma-nagement by Objectives“ ein. Alle außertariflichen Mitarbeiter wurden über jährliche Zielver-einbarungen mit ihren Vorgesetzten geführt und die Zielerreichungen am Jahresende über-prüft.

Die Korrespondenz innerhalb des Konzerns erfolgte in englischer Sprache. Die Stellenbe-zeichnungen wurden vielfach auch in englischer Sprache abgefasst. Englischunterricht wurde

188 Organigramm General Foods GmbH, Elmshorn, 1.1.1972

im Unternehmen gefördert, sowohl über die Volkshochschule als auch in internen Semina-ren.189 Aufgrund der vielen englischsprachigen Mitarbeiter im Management wurden sogar für weibliche Mitarbeiterinnen Englischkurse in Stenografie angeboten, damit die Weiterqualifi-kation von Fremdsprachenkorrespondentinnen oder Chefsekretärinnen möglich war.190

Als eine weitere Entwicklung unter der Leitung von Sylvester Hinkes ist die Einführung der Mitarbeiterzeitschrift „GF-Express“ zu nennen. Bereits im April 1970 wurde in einer Be-triebsratssitzung von Seiten Hinkes und Gaserow von dem Aufbau eines Informationssystems in Form einer Hausmitteilung gesprochen.191 Diese Zeitschrift erschien ab 1971 im Abstand von zwei Monaten und sollte allen Mitarbeitern den Fortschritt des Unternehmens gleichzeitig und gleichrangig vermitteln.

Hinkes führte 1973 auch ein bei General Foods international angewendetes Arbeitsplatz-bewertungssystem der Unternehmensberatung Hay ein. General Foods fühlte sich in Deutsch-land wie ein amerikanisches Unternehmen auf deutschem Boden,192 es dominierte ein Produk-tionsregime amerikanischer Prägung.

Nachdem die internationalen Standards in Produktion, Verwaltung und Marketing einge-führt worden waren, leitete Hinkes ab Mitte 1973 die dritte Phase der Managemententwick-lung ein.193 Er wollte eine deutsche Unternehmensführung einsetzen. Die internationalen Füh-rungskräfte Whiteley und Lu-Choglokoff wurden Mitte des Jahres innerhalb des Konzerns befördert, verließen Emshorn wieder und wurden durch jüngere, gut ausgebildete deutsche Führungskräfte ersetzt.

• Die erste interne Neubesetzung war Manfred Sonneborn (seit 1968 bei General Foods), der nach einer kurzen Übergangszeit die Verantwortung für den Bereich

„Operations“ übernahm.

• Dazu kam Ende 1973 Wolf-Dieter Bausch, der nun die Personalabteilung leitete.

Wolf-Dieter Bausch war von der amerikanischen Unternehmensberatung Hay ge-kommen, nachdem er zuvor das Stellenbewertungsssystem bei General Foods einge-führt hatte. Bausch war wegen seiner besonderen Erfahrungen im Bereich „Manage-ment Develop„Manage-ment“ eine Führungskraft mit einer hohen Humankapitalspezifität.

• Zum neuen Finanzdirektor wurde im Februar 1974 John C. Meyer berufen, der zwar die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, aber seit mehr als 10 Jahren in Deutsch-land bei einem amerikanischen Unternehmen tätig war.

189 O. V., „GF-Nachrichtenspiegel“, in: GF-Express, Nr. 4, Dezember 1971, S. 6

190 O. V., „GF-Nachrichtenspiegel, Neuer Englischkurs“, in: GF-Express, Nr. 7, Juli 1972, S. 5

191 Protokoll zur GF-Betriebsratssitzung vom 23. April 1970, S. 2

192 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin, März 1972, S. 36

193 O. V., „GF-Nachrichtenspiegel, Beförderungen und Versetzungen“, in: GF-Express, Nr. 13, Juli 1973, S. 3

Alois Spengler, der Marketing-Vertriebsgeschäftsführer, war in der internen Wahrneh-mung dafür vorgesehen, die deutsche Nachfolge von Sylvester Hinkes anzutreten. Nach sei-nem überraschenden Weggang gab es Ende 1975 eine Aufteilung des Marketing-Vertriebsressorts. Hans Jürgen Hartzel (seit 1967 bei General Foods) übernahm die Verant-wortung für das Marketing und Hans Witzmann (seit Anfang 1973 bei General Foods) die Verantwortung für den Verkauf.

General Manager S.T. Hinkes

Financial Director J. C. Meyer

Operations Director M. Sonneborn

R & D Director H. Garloff

General Sales Manager H. Witzmann

Personnel Director W. D. Bausch Marketing

Manager J. Hartzel

Assistant General Manager

Abbildung 17: Führungskräfte-Organigramm von General Foods Elmshorn im November 1975

Damit hatte Hinkes, wenn man Hans Garloff, den von Hinkes 1970 beförderten Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung noch dazu zählt, ein qualifiziertes deutsches Füh-rungsteam gebildet. Die Geschäftsführer Sonneborn, Garloff, Bausch und Hartzel sollten noch lange im deutschen Unternehmen wirken. Nur bei der Entwicklung der Nachfolge für die ei-gene Position mit einem Deutschen hatte Hinkes keinen Erfolg.

4.3.3.3.2 Absatz und Gewinn

Hinkes musste 1970 die Nichtauslastung der Gefriertrocknungsproduktion und den Rück-gang im deutschen Geschäft hinnehmen. Das Unternehmen erzielte nur 132 Millionen DM Umsatz anstelle der geplanten 200 Millionen und blieb in der Verlustzone.194

Hinkes bereitete allerdings für 1971 die finanzielle Gesundung des Unternehmens vor, die er einerseits durch eine hohe Auslastung der Produktionskapazität für gefriergetrockneten Löskaffee mit Exportaufträgen erreichte. Selbst für die USA wurde Maxim Kaffee produziert.

Für konzerninterne Umsätze galten entsprechend den Unternehmensstandards geringe, aber fixe Gewinnaufschläge. Andererseits kam hinzu, dass er die nur noch kostendeckende Pro-duktion mit sprühgetrocknetem Instantkaffee für Handelsmarken erheblich reduzierte und die Produktion mit internationalen Aufträgen innerhalb des Konzerns auslastete. In seiner

194 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin März 1972, S. 41

rären Verantwortung für Marketing und Verkauf reduzierte er die Anzahl der Sonderaktionen bei Maxwell Express und setzte Kürzungen bei den Konditionen für Reis-Fit durch, eine sehr schwierige Aufgabe für den Verkaufsaußendienst gegenüber den Handelspartnern.

1971 führte er für Maxwell Express eine Qualitätsverbesserung durch und wertete die Glasverpackung auf. Aus dem bisherigen sprühgetrockneten Löskaffee wurde agglomerierter Löskaffee, eine neue Produktionstechnik von General Foods aus den USA. In einer neuen Werbekampagne wurden die Produktbestandteile als „Geschmacks-Knospen“ ausgelobt. Die Werbung für Maxwell Exquisit wurde gestoppt und das Produkt nicht weiter gefördert. Der Marktanteil von Maxwell Express konnte sich durch diese Maßnahme wieder leicht verbes-sern, während Maxwell Exquisit von dem ohnehin geringen Marktanteil von 2,5 auf 1,8 % zurückfiel.195 Bei Reis-Fit führte er die Produktvariante Spitzenlangkorn ein, die sich erfolg-reich entwickelte. Durch die Summe der erfolgerfolg-reichen Einzelmaßnahmen gelang es ihm, das Unternehmen 1971 wieder in die Gewinnzone zu führen.

Nach einem erfolgreich verlaufenen Testmarkt in Nordrhein-Westfalen wurde 1972 ein der Schlagsahne ähnliches Produkt mit dem Namen Schlag-Fit Dessertschaum national einge-führt, ein auf Pflanzenfett basierendes Produkt für kalorienbewusste Konsumenten. Dieses Produkt wurde im englischen Markt unter dem Namen „Dream Topping“ sehr erfolgreich verkauft.196 Hinkes erzielte mit diesem Produkt im Jahr der Einführung den geplanten Umsatz von mehr als zehn Millionen DM.197

1972 wurde in einem Interview mit dem Hauptgeschäftsführer Sylvester Hinkes von Ge-winnen gesprochen, die aber niedriger seien als im Jahr zuvor, weil die Kosten schneller als die Einnahmen gestiegen seien. Er gab zu diesem Zeitpunkt als Zielvorgabe bekannt, auf der einen Seite die Kosten so weit wie möglich zu senken, auf der anderen Seite pro Jahr eine neues Produkt einzuführen.198 Das Ziel einer Produktneueinführung pro Jahr dokumentierte Hinkes unter anderem mit der Einstellung von drei bei internationalen Markenartikelunter-nehmen ausgebildeten Produktmanagern199 für den Marketingbereich „New Products“.

Nach einem erfolgreichen Testmarkt wurde 1973 die Marke Cefrisch national eingeführt, ein Instant-Getränkepulver mit Orangengeschmack, das angereichert wurde mit Vitamin C.

195 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin März 1972, S. 42

196 O. V., “Die größte GF-Tochter in Europa – General Foods Limited”, in: GF-Express, Nr. 11, März 1973, S. 12f.

197 Hoffmann, Klaus, „Die Marionetten von White Plains“ in: manager magazin März 1972, S. 42

198 O. V., „An der Entwicklung der Firma sind alle Mitarbeiter beteiligt”, in: GF-Express, Nr. 10, Dezember 1972, S. 2

199 O. V., „Im Aussendienst muss manchmal Pionierarbeit geleistet werden“, in: GF-Express, Nr. 12, Mai 1973, S. 6f.

Alle vier Marken von General Foods waren auf Convenience aufgebaut und sollten dem Kon-sumenten Erleichterungen bei der Zubereitung von Speisen und Getränken bieten.200

In 1974 führten Wechselkursänderungen dazu, dass die ausländischen Schwestergesell-schaften von General Foods die geplanten Mengenabnahmen erheblich reduzierten. Aufgrund der Besonderheiten im Produktionsablauf für Instantkaffee führte diese Situation in der Pro-duktion zu dem Entschluss, Kurzarbeit anzumelden und die ProPro-duktion für einen begrenzten Zeitraum stillzulegen.201 Insbesondere die Produktion von gefriergetrocknetem Kaffee durch die Gefriertrocknung muss kontinuierlich erfolgen, idealerweise mit voller Kapazität. Bei mittelfristig nur geringer Auslastung ist deshalb eine zwischenzeitlich vollständige Betriebs-stilllegung die bessere Alternative gegenüber einer konstant geringeren Mengenproduktion.

1974 war bei der HAG AG ebenfalls ein schwieriges Geschäftsjahr im Inland, das aller-dings durch die Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand bedingt war. Diese Verände-rung der Marktbedingungen hatte zu der bereits beschriebenen Entwicklung geführt, dass sich umsatzstarke Röstkaffeemarken zu Lockvogelprodukten für den Lebensmitteleinzelhandel entwickelt hatten. Auf Instantkaffee traf diese Entwicklung nicht zu, da die allgemeine Kauf-zurückhaltung auf den Rückgang des Wirtschaftswachstums zurückzuführen war. Personal-direktor Bausch erläuterte in einem Interview der Mitarbeiterzeitschrift GF-Express in 1975, dass die Konsumenten kostenbewusster einkaufen und mehr zu „nicht aufbereiteten Grund-nahrungsmitteln“ greifen würden. Er schloss nicht aus, dass es zu weiteren Kurzarbeitsperio-den kommen könnte und kündigte deshalb an, bei Neueinstellungen sehr restriktiv vorzuge-hen. Das Jahr endete mit erheblichen Umsatzrückgängen gegenüber dem Vorjahr, und zwar sowohl im Inlandsgeschäft als auch im Export. Trotz der Kaufzurückhaltung der Konsumen-ten blieben die Marktanteile der vier Marken Maxwell Kaffee, Reis-Fit, Schlag-Fit und Cefrisch konstant.202

Obwohl aufgrund der allgemeinen pessimistischen Konjunkturaussichten für 1976 Be-fürchtungen für eine weitere Kurzarbeit bestanden, machte der Hauptgeschäftsführer Hinkes sehr deutlich, dass er mit großer Zuversicht die weitere Entwicklung des deutschen Unter-nehmens sehen würde. Er dokumentierte dies mit dem Bau des neuen Forschungslabors, mit dem man in Zukunft in der Lage sein würde, neue Produkte für den deutschen Markt zu ent-wickeln und die vorhandenen zu verbessern.203 Als eine seiner letzten Aktivitäten wurde unter

200 O. V., „Schon wieder ein neues Produkt: Cefrisch”, in: GF-Express, Nr. 4, Dezember 1971, S. 3

201 Hinkes, Sylvester T., „ Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!” , in: GF-Express, Nr. 22, Dezember 1974, S. 2

202 O. V., „Unser Interview mit Wolf Dieter Bausch”, in: GF-Express, Nr. 23, März 1975, S. 3

203 Hinkes, Sylvester T., „Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!“, in: GF-Express, Nr. 26, Dezember 1975, S. 2

Hinkes der Reis-Fit Kurzzeitreis im Mai 1976 eingeführt, um der Marktführerrolle weiterhin gerecht zu werden.

Trotz wirtschaftlicher Probleme in den letzten beiden Jahren seiner Tätigkeit, die mehr auf die allgemeine Konjunktur zurückzuführen waren, war er bei General Foods wirtschaft-lich erfolgreich. Von seinen ehemaligen Mitarbeitern wurde er als ein vorsichtiger Manager beschrieben, der nur kalkulierbare Risiken einging und zuverlässig in der Erfüllung seiner Finanzpläne war. Seine Erfolge führten dazu, dass er schließlich für eine internationale Tätig-keit innerhalb des Konzerns berufen wurde.