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4 TEIL IV

4.2 Ergebnisse des 2. Stranges: Akademisierung und ihre Auswirkungen

4.2.2 Karrierevorstellungen und beruliche Perspektiven

4.2.2.2.2 Typ: „Unterforderte Kritikerin“

Einen ganz deutlichen Unterschied im Antwortverhalten zeigt der eher unzufriedene Typ, der im gleichen Semester an der Fachhochschule studiert wie die Pragmatikerin. TherapeutInnen dieses Typs sind eher verunsichert und können nicht so genau einschätzen, was sie mit dem Studium machen möchten. Dieser Typ ist aber der Meinung, dass man nach dem Studium

nicht in die KlientInnenarbeit (zurück-)kehrt (wobei bis auf die Praxiseinsätze in der Ausbil-dung auch keine weiteren KlientInnenkontakte bestehen), sondern gleich eine leitende Funk-tion oder eine Praxis übernimmt. Sie betonen, dass „man es ihnen im Studium so erklärt hät-te“. Interessant ist diese Einschätzung insofern, als dass sie im krassen Gegensatz zur vorste-hend zitierten Kollegin steht, die selbstkritisch einschätzt, dass kein Physiotherapeut sie ohne Berufserfahrung ernst nähme. In den Augen des kritischen Typs scheint KlientInnenarbeit in der Physiotherapie als eher sekundärwertig betrachtet zu werden. Das folgende Zitat weist bereits auch auf die Kritik an ihrem Studiengang hin (siehe auch Kapitel 4.2.3.2 „kritische Anmerkung der Studierenden zum Studium“). Es scheint nicht transparent zu sein, welche Intention dieser Studiengang verfolgt, welcher Sinn dahintersteht und welchen Bezug zur KlientInnenarbeit er hat, darüber hinaus wurde in ihren Augen auf therapeutische Belange wenig Wert gelegt. Dieser Typ fühlt sich durch das Studium deutlich besser im Marketing ausgebildet als in ihrer eigentlichen beruflichen Disziplin. Bedingt durch ihre eigene Verunsi-cherung erhebt sie massive Vorwürfe gegenüber den für die Etablierung der Studiengänge und für die Lehre Verantwortlichen, dass sich im Vorfeld niemand Gedanken zum Verbleib der Studierenden gemacht hätte und auch nicht transparent ist, was sich letztlich hinter dem Abschluss des „Bachelor“ verbirgt. Ihre Verunsicherung sieht sie eng geknüpft an die Erfah-rungen, die die Studierenden der vorausgehenden Semester gemacht haben.

Text: C\L, Position: 121 – 121, Code: Studium\Berufsperspektive

„Also, ich glaub, mit dem Marketing fühl ich mich jetzt besser ausgebildet, als wieder an den Pati-enten zurück zu gehen mit diesem Studium. Uns wurd eigentlich eher erklärt, dass es darum geht, dass wir die leitende Position einer Abteilung oder halt unsere eigene Praxis übernehmen sollen mit diesem Studium, und eigentlich nicht an den Patienten zurück gehen sollen.... Weil, dazu wären wir ja letzten Endes zu gut qualifiziert nach diesem Studium, dass halt wirklich diese wirtschaftliche Seite, fand ich, hat sehr überwogen hier, weil halt einfach von der therapeutischen Seite nichts kam .... Und was dann noch dazu kam, war, dass, ich glaub, sehr wenig Gedanken darüber gemacht wurde, was mit den Absolventen hinterher passiert, wie die auf den Arbeitsmarkt wieder eingeglie-dert werden, wenn man sieht, oder wenn man hört, dass der Jahrgang vor uns zu 90 % an die Stel-len zurückgegangen sind, wo sie hergekommen sind, dann fragt man sich da nach dem Studium wie-der, ob das alles gewesen sein kann, weil viel ändern wird sich nicht, wenn man wieder zurück-kehrt.“

4.2.2.2.3 Typ: „Mitnehmen“

Die Studierenden dieses Typs (die im vorstehenden Kapitel betont haben, das es nicht scha-den kann, das Studium „mitzunehmen“) kann man hinsichtlich ihrer beruflichen Perspekti-ven zunächst nochmals unterteilen, wobei allen gemeinsam die ambivalente Einstellung und Verunsicherung gegenüber dem Eintritt in die Arbeitswelt ist. Unterteilen lässt sich die Gruppe in diejenigen, die nach dem Studium in die KlientInnenarbeit eintreten wollen und bereits für sich beschlossen haben, an bestimmten Fortbildungen teilzunehmen. Sie schätzen ähnlich wie der Pragmatische Typ ein, dass sie auf dem Arbeitsmarkt ohne Berufserfahrung ihre Qualifikation des „Bachelors“ ansonsten nicht werden verwenden können. Diese Studie-renden haben aber darüber hinaus auch sehr individuelle Vorstellungen und unterschiedliche mittelfristige Alternativen für sich erschlossen, da für sie durch ihre Praktika ersichtlich ist, dass die Arbeit in der Klinik sie auf die Dauer nicht befriedigen würde. Dieses sind primär die Studierenden des Studienganges „Grundständig“.

Text: A\D, Position: 106 – 111, Code: Studium\Berufsperspektive

„Ganz normal (arbeiten), wie nach 'nem Schulabschluss, wie ich das jetzt auch machen würde, also in 'ner Praxis oder in der Klinik, das ist mir eigentlich erst mal relativ egal so, auch Fachbereich weiß ich auch noch nicht so genau... Und dann halt nach ein oder zwei Jahren, wenn ich so'n biss-chen für mich das alles so 'ne Sicherheit bekommen hab, noch mal ins Ausland gehen halt für ein, zwei Jahre, und dann mal gucken, irgendwann eventuell mal selbständig machen aber das muss dann auch alles passen.“

Eine TherapeutIn, der zu diesem Typus gehört, begründet die berufliche Vorstellung so, dass er/sie den Berufseinsteig zunächst als „normale“ TherapeutIn beginnt, weil er/sie sich pri-mär nicht von den anderen „nichtstudierten“ TherapeutInnen unterscheidet, da er die gleiche Arbeit verrichten wird und entsprechend auch den gleichen Lohn bekommen müsste. Wei-terhin schwingt in diesen Ausführungen die latente Angst mit, überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen. Er/sie verweist an dieser Stelle auf das mit dem Studium verbundene Theo-rie-Praxis-Problem (siehe Kapitel 4.2.4 „Akademisierung und ihre Problemfelder“). Auch für diese StudentIn wird nicht transparent, welche Ziele mit der Absolvierung des Studiums ver-folgt werden können. Konkrete Berufswünsche sind noch nicht entwickelt, aber es wird be-reits auf latente Forschungsabsichten verwiesen. Darüber wird hier das Problem des Selbst-verständnisses als Student versus nicht akademisiertem Physiotherapeut transparent.

Text: A\C, Position: 107 – 107, Code: Studium\Berufsperspektive

„Wenn ich den gleichen Job hab, wie jemand anders, der jetzt nur den schulischen Teil absolviert hat, wär ich ja in dem Sinne kein besserer Physio, wär ich ja nicht besser in dem Beruf, den ich gra-de mach. Wenn jetzt mein Arbeitgeber natürlich daran interessiert ist, irgendwie die bestimmte, die beste Therapieform von 10 verschiedenen zum Beispiel herauszufinden, dass man praktisch nebenbei noch das hier gelernte theoretische Wissen irgendwie in Form da noch anbringen könnte dann an seinem Arbeitsplatz, dann könnte man sich das natürlich überlegen, ob man sich das nun bezahlen lassen würde, aber so lange man die gleiche Arbeit macht? Ich glaub, die Leute, die Physiotherapeu-ten, die überhaupt 'nen Job kriegen mit dem Gehalt, können sowieso schon froh werden, von daher werden sich da wohl die wenigsten beschweren, wenn das so wär.“

Der zweite (Sub-)Typ macht deutlich, dass die hier zusammengefassten Studierenden mit dem Studium sehr konkrete Berufsziele verfolgen. Zum einen möchte er sich selbständig ma-chen, aber auch forsma-chen, weil die Studierenden da während des Studiums „total heiss drauf gemacht“ worden sind, auf der anderen Seite sieht er seine Aufgabe darin, der Öffentlichkeit und der Ärzteschaft gegenüber deutlich zu machen, dass studierte PhysiotherapeutInnen

„hochkarätig“ sind; dieses sind primär die Studierenden des Studienganges „Ausland“.

Text: B\E, Positionen: 105 - 109, 113-– 113, 155-155, Code: Studium\ Berufsperspektive

„Einfach dieses Forschen und die Physiotherapieeinsicht noch weiter voran bringen. Über eben For-schungsprojekte, einfach auch mal das untermauern, was wir da machen, wir behaupten das immer nur alle, und dann ist natürlich klar, wenn ich keinem beweisen kann, hör mal zu, wir haben die und die Studien gemacht, das wirkt, dann ist klar, dass da irgendwer ankommt, und sagt, das, was ihr macht, das ist alles noch ein bisschen unbegründet.... Wir sind ja richtig, richtig heiß drauf ge-macht worden, he, Leute, man kann forschen, guckt euch das mal an.“

Wenn wir da viel mehr an die Öffentlichkeit gehen und viel mehr so sagen, wir sind hochkarätig, wir haben hier was zu sagen, dann denk ich, es wird sich auch ganz schnell die Meinung ändern.

Oder auch auf Kongressen oder auf, es gibt ja so viele, so medizinische Tagungen und so was, das sind ja immer nur Ärzte.“