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4 TEIL IV

4.2 Ergebnisse des 2. Stranges: Akademisierung und ihre Auswirkungen

4.2.3 Bewertung des Studiums

4.2.3.1 positive Kritik

4.2.3.1.4 NovizInnen – Studiengang: „Ausland“

Die Studierenden in diesem Studiengang, der grundständig vierjährig nach dem holländischen Modell organisiert ist und größtenteils in Deutschland durchgeführt wird, absolvieren von vornherein ein Studium, ohne gleichzeitig an einer Ausbildung zur PhysiotherapeutIn nach deutschen Ausbildungsreglementierungen teilzunehmen. Sie machen ihre Begeisterung für den Studiengang vor allen Dingen an den „kompetenten holländischen Dozenten“ und den Rahmenbedingungen wie beispielsweise einer gut ausgestatteten Bibliothek, Internetzugang etc. fest und beziehen sich in ihren detaillierten Ausführungen primär auf ihre zweiwöchige Vorlesungszeit in Holland, die sie während ihres Studium „genossen“ haben. (Anmerkung am Rande: als interessant hervorzuheben ist der Sprachgebrauch, den die Studierenden verwen-den, sie sprechen explizit von „den Holländern“ und nicht von „den Holländerinnen“. Aber nicht nur diese Studierenden sondern eine weitere, sehr berufserfahrenen Kollegin des

Stu-dienganges „Ergänzung“ spricht von den männlichen Holländern, die sie besonders in ihrer Art zu denken und zu therapieren geprägt haben. Die Studierenden stellen einen sehr starken Bezug zwischen Wissen und Geschlecht her. Sie sprechen ihre Begeisterung darüber aus, dass einige der Dozenten sogar ihren Doktortitel haben. Dieses kann darauf hinweisen, dass Wis-sen in der physiotherapeutischen Betrachtungsweise als männlich assoziiert wird, und die klassische Rollenaufteilung und Hierarchisierung im (deutschen) medizinischen System aber auch im Wissenschaftssystem generell widerspiegelt. Gleichzeitig heben sie die Selbstver-ständlichkeit und Natürlichkeit des kollegialen Umganges der Holländer untereinander und mit den Studierenden hervor). Eine der Studierenden geht sogar so weit, dass sie berichtet, die Ausbildung ausschließlich in den Niederlanden absolviert zu haben, wenn sie im Vorfeld über die Qualität des Studiums dort informiert gewesen wäre. Sie nimmt hier eine deutliche Differenzierung vor, die sich auf ihre therapeutische Identität als „in Holland ausgebildete Physiotherapeutin“ in Abgrenzung zu ihren in Deutschland ausgebildeten KollegInnen be-zieht.

Der zweite entscheidende Punkt, der von den Studierenden als besonders positiv beurteilt wird und auch noch an anderer Stelle der Auswertung wiederkehren wird, da er zum Selbst-bild der PhysiotherapeutInnen gehört, ist die Aufhebung des „Schubladendenkens“, der Vermittlung grundständigen, konzeptunabhängigen Wissens, welches sie zu eigenständigem Denken und Handeln, zur Reflexion ausbildet. Dieses wiederum erinnert an die Aussagen der Studierenden des Studienganges „Vertiefung“, die sich in ganz ähnlicher Weise äußern. Auch hier grenzen sie sich deutlich gegenüber ihren zumeist nicht studierenden KollegInnen aus Deutschland ab. Darüber hinaus unterstreichen sie die Lernformen der Kleingruppenarbeit, die, zusammen mit der Tatsache, sich die meiste Zeit „nur halb bekleidet“ gesehen zu haben, zu einem persönlichen Kontakt und Zusammenhalt geführt hat. Aber nicht nur die zwi-schenmenschliche, kreative Basis wird von ihnen betont, sondern auch die medizinischen In-halte, angefangen mit der Anatomie, Anatomie in vivo, das Spüren und Erfühlen von Struk-turen sowie die manualtherapeutische Ausrichtung, die Forschungsinhalte und Wahlmöglich-keiten. Schlussendlich heben sie die Lehrmethoden, die auf die Studierenden zentrierte Sichtweise sowie das pädagogische Geschick der „holländischen“ Dozenten, hervor.

Text: B\G, Position: 48 – 57, Code: Studium\Positives

„Die zwei Wochen in Holland. die waren echt genial. Also, was die Holländer für Möglichkeit ha-ben, wie sie arbeiten, hab ich auch gedacht, naja, hätt ich das früher gewusst, wär ich vielleicht doch direkt nach Holland gegangen und nicht nach Deutschland. Also, das hat mich wirklich völlig be-geistert.

F. Können Sie mir das ein bisschen ausführen?

A. Ja, also, in Holland haben sie im Prinzip noch verstärkt, drauf geachtet, dass man, sag ich mal ganz allgemein, dass man untersucht und dementsprechend behandelt, es wurde ganz viel Wert drauf gelegt, dass man die Grundlagen kennt und auf die Grundlagen aufbaut, aber nicht, dass man einfach weiter stur was aus dem Buch auswendig lernt, sondern dass es erklärt wurde.

Was auch in Holland genial war, war die Riesen- Bibliothek, die wir hier leider nicht haben, die riesen Möglichkeiten im Internet, sämtliche Dozenten, die wirklich alle bescheid wussten, wenn man 'ne Frage gestellt hat. Aber die waren der Hammer da drüben, was die ein Wissen hatten, es war egal, was man gefragt hat, es kam wirklich zurück. Aber auch pädagogisch war das der Hammer, dass die Dozenten dann knallhart gesagt haben, o.k., jetzt machen wir 'ne Pause, so total

unerwar-tet. Manche Dozenten haben dann wirklich Witze erzählt oder 'nen Schwank aus ihrer Jugend, und plötzlich waren alle wieder da, also, total genial.“

Text: B\E, Position: 91 – 91, Code: Studium\Positives

„Da hatten wir Unterricht gehabt bei, also hochkarätigen Physiotherapeuten, die auch ihren Doktor haben und eine Menge publiziert haben und, das war klasse, weil irgendwie, man hat Artikel von denen schon gelesen und plötzlich stehen die vor einem und die sehen aus wie du und ich, und dann halt auch einfach die Kompetenz der Lehrer, man hatte zu irgendwas gefragt und, och, da hab ich doch grad 'nen Artikel, einen Moment, und dann erklärt der einem das. Man hat wirklich das Ge-fühl, also man sitzt da unter hochkarätigen Physiotherapeuten und bekommt von denen jetzt was erklärt und beigebracht.“

Text: B\E, Position: 171 – 171, Code: Studium\Positives

„Nicht dieses, nicht dieses harte, hierarchische Strukturdenken, sondern viel mehr Flexibilität und viel besseres Ansehen und einfach viel mehr Dynamik. Also, ja, ich finde, die sollten alle mal nach Holland gehen, gut, wir hatten da jetzt auch echt wirklich wahrscheinlich die Creme de la Creme da sitzen, also die haben schon gesagt, dass sie da wirklich so ihre besten Dozenten für uns hingesetzt haben, um uns natürlich auch ein bisschen zu beeindrucken.“

Text: B\H, Position: 53 – 53, Code: Studium\Positives

„Dass wir ja nun uns, ja, wenn man's mal sagen soll, mehr in Unterwäsche kannten als angezogen, ja, und dadurch muss man zusammenrücken und irgendwo sich arrangieren, und die Gruppenarbeit wurde hier sehr gefördert.“

Text: B\F, Position: 45 – 45, Code: Studium\Positives

„Also, dass wir keine vorgegebenen Wege hatten, wie wir Patienten zu behandeln hatten. Wir ha-ben zwar bestimmte Prinzipien gehabt, die für uns aber auch einleuchtend waren, also Prinzipien, nach denen wir einfach die verschiedenen Übungen ausgesucht haben, oder uns verschiedene Konzepte angeguckt haben, ja, das war das, was ich gut fand.“

Fasst man nochmals die positiven Punkte zusammen, dann zeichnet sich sehr deutlich ab, dass sich die Studierenden um so positiver zu ihrem Studium äußern, je mehr sie sich mit ih-ren DozentInnen identifizieih-ren können und je ausgeprägter sich der Praxis- und Medizinbe-zug darstellt. Dieses ist vor allen Dingen bei den eher medizinisch ausgerichteten Studiengän-gen (also Studiengang Vertiefung und Ausland) der Fall, da die Studierenden sehr klar den unmittelbaren Bezug zu ihrem Beruf erkennen und mit ihrer erklärten Absicht, (zurück) in den praxisorientierten Alltag oder aber in Leitung/Lehre/Forschung zu kehren, kombinieren.

An dieser Stelle erfolgt eine kurze vergleichende Gegenüberstellung der Kernaussagen.

Studiengang

(Berufserfahrene) Ergänzung Vertiefung

Positive Äusserungen generell die neuen Inhalte (konsumieren können),

(NovizInnen) Grundständig Ausland (an dieser Stelle muss

festgehalten werden, dass die

Positive Äusserungen generell die neuen Inhalte (konsumieren können), Bezüge bestehen oder sich die DozentInnen bemühen, einen Einblick in die PT zu gewin-nen beeindrucken auch sie

Kompetente, hochkarätige Dozenten, die:

- einen Doktortitel besitzen, - ein immenses Wissen haben, welches sie ohne vermit-telt wird und zur Reflexion beiträgt,

Themen- und problem-zentriertes Lernen in kleinen Gruppen