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Die Rolle der einzelnen PhysiotherapeutIn im Professionalisierungsprozeß. 182

4 TEIL IV

4.3 Ergebnisse des 3. Stranges: Professionalisierung und Professionalität

4.3.8 Die Rolle der einzelnen PhysiotherapeutIn im Professionalisierungsprozeß. 182

Im Zusammenhang mit der dargestellten Kritik an ihren Verbänden, die Professionalisierung nicht entsprechend voranzutreiben, schreiben sich die Studierenden selber mannigfaltige Aufgaben und auch Verantwortung in diesem Prozess zu. Ihr vorrangiges Anliegen ist es, der Bevölkerung und den Ärzten zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten und welches Poten-tial der Berufsstand verfügt. Immer wieder kehren sie in ihren Ausführungen, wie dieses zu erreichen sei, auf die Dimensionen der Transparenz, des Wissens, der eigenen Persönlichkeit und der Verantwortungsübernahme zurück. Die einzelne PhysiotherapeutIn kann den positi-ven Entwicklungsprozess unterstützen, indem sie möglicherweise „forscht“, „veröffentlicht“,

„sich selber kritisch reflektiert“, „aufklärt“ und „das Gespräch sucht“. Das übergeordnete Ziel, nämlich Gemeinsamkeit und Geschlossenheit innerhalb der Berufsgruppe zu entwi-ckeln, um daraus ein gesundes Selbstbewusstsein und eine physiotherapeutische Identität zu entwickeln sowie Transparenz und Präsenz nach außen herzustellen, kann nur über eine be-wusste Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle geschehen. Dieses bedeutet, dass einigen TherapeutInnen Vorreiterrollen zugeschrieben werden und die anderen TherapeutInnen un-terstützende Rollen übernehmen (sollten). In der Gesamtheit der Ausführungen ist zwar eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung erkennbar, die auch mit den beruflichen Wünschen der

Studierenden korreliert, jedoch kann an dieser Stelle keine eindeutige Typenbildung vorge-nommen werden, da die einzelnen Aspekte zu sehr miteinander verwoben sind. Während die NovizInnen insbesondere auf den Bedarf an kritischer Reflexion des Wissens und Wissen-schaftlichkeit hinweisen, sehen die Berufserfahrenen ihre Hauptaufgabe in der Verdeutli-chung der therapeutischen Qualitäten gegenüber der ÄrztIn und der KlientIn (siehe hierzu auch Kapitel 4.3.3 „antizipiertes Fremdbild“). Die prägnantesten Aussagen werden nachfol-gend kurz zusammengefasst und wenn nötig, kommentiert.

4.3.8.1 NovizInnen

Die Physiotherapeutin sollte professionell werden bzw. sich professionell einbringen, indem sie sich kritisch selbst hinterfragt und mittels der kritischen Selbstreflexion auch die Grenzen ihres eigenen Wissens erkennt. Das Einholen von Informationen und neuesten Wissensbe-ständen ist die Aufgabe der einzelnen Berufsangehörigen. Ein Studium ist hierfür die Grund-steinlegung. Im therapeutischen Prozess ist dann auf Qualität zu achten, die mittels Doku-mentation und Evaluation garantiert wird.

Text: C\M, Position: 110 – 116, Code: Professionalisierung\Rolle der Einzelnen

„Da sollte vielleicht jeder versuchen, da professionell zu werden, in dem er versucht sich kritisch selbst zu reflektieren, und dann auch mal zugibt, dass er das eben nicht kann, trotz 15 Fortbildun-gen, die mehr oder minder gut oder schlecht sind. Also, wenn man sich selbstkritisch reflektiert, dann glaub ich, Dokumentation, und 'ne Verlaufsdokumentation, und dann auch, ja, 'ne kritische Be-wertung... Ich denk, je mehr Leute das Studium eben anfangen und die Notwendigkeit dieses Studi-ums sehen, die Notwendigkeit der Wissenschaft sehen und seine Sachen hinten anzustellen und sa-gen, gut, da ist jetzt was raus gefunden worden, das ist jetzt der aktuellste Stand des momentanen Wissens und das mach ich auch, glaub ich, wird schwierig werden, wär natürlich 'ne Idealvorstel-lung.“

Die PhysiotherapeutInnen (dieses wird insbesondere von den NoviziInnen betont) sollten ihr Wissen weitergeben (gerade an die jüngeren Kolleginnen), es nicht für sich selbst behalten oder gar mit „ins Grab nehmen“, sie sollten aktiv werden, indem sie Öffentlichkeitsarbeit betreiben und Transparenz sowohl gegenüber den KlientInnen als auch gegenüber der eige-nen Berufsgruppe schaffen. Vorschläge, um dieses zu erlangen sind u. a. das Verfassen von Artikeln und die Durchführung von Vorträgen und Informationsveranstaltungen.

Text: A\A, Position: 96 – 97, Code: Professionalisierung\Rolle der Einzelnen

„Diese Transparenz, dass man nicht sein Wissen immer speichert und speichert, speichert, speichert, wenn ich dann tot bin, dann hat da keiner was von, weitergeben, immer weitergeben. Und genau das Gleiche erwart ich, dass sie auch Patienten gegenüber eben diese Transparenz zeigen und dort eben Öffentlichkeitsarbeit, immer, immer wieder tun. Indem sie ihre Arbeit wirklich so tun, dass eben diesen Beruf leben, das ist mein Anspruch, aber den leben sicherlich nicht alle so, ich seh halt den Beruf als Berufung an Und zuhören, anderen Physiotherapeuten zuhören, tolerant sein und gucken, [..] Ich hab das auch erlebt, dass dann in der Klinik die Türen zugemacht werden, weil keiner will, dass ein Praktikant zuguckt, warum denn nicht, ich mein, keiner macht irgendwas falsch[..] halt auch so'n Zusammenknüpfen der Therapeuten, und auch Öffentlichkeitsarbeit, Angebote auch viel-leicht für Physiotherapeuten, Öffentlichkeit zu leben.“

4.3.8.2 Berufserfahrene

1. Insbesondere ist die Aufgabe darin zu sehen, der Profession der Ärzte zu verdeutlichen, welches Potential die Physiotherapie zu bieten hat. Die einzelnen PhysiotherapeutInnen soll-ten in das Gespräch mit den Ärzsoll-ten tresoll-ten, die Wirkweisen der einzelnen Behandlungsmög-lichkeiten transparent gestalten und entsprechend das Angebot dann auf die KlientIn zu-schneiden. Die hier zitierte Studierende, die nach dem Modell „Vertiefung“ ihr Studium ab-solviert, bringt einen sehr interessanten weiteren Aspekt hinzu: sie hofft, dass die Transpa-renz und das Verständnis für die Berufsgruppe von ärztlicher Seite nicht nur über die fachli-che Ebene, sondern auch über die persönlifachli-che Ebene wie beispielsweise eine Heirat zwisfachli-chen Arzt und Physiotherapeutin gefördert wird.

Text: D\R, Position: 145 – 145, Code: Professionalisierung\Rolle des einzelnen

„...auch mal fachlich zu diskutieren mit Ärzten. Und so sieht es aus, das und da können wir ma-chen, was hältst du von der Sache? Man muss hoffen, dass sich die Ärzte drauf einlassen, keine Frage, aber mittlerweile hat sich ja auch so diese Chefarzt-Generation etwas abgewechselt, das heißt, es kommen viel jüngere Ärzte, die auch relativ häufig mit Krankenschwestern und Physiotherapeu-ten verheiratet sind, ist auch so'n, ein gesellschaftliches Phänomen, also da ein bisschen mehr Be-scheid wissen, und sich auch dafür interessieren.“

2. PhysiotherapeutInnen müssen durch professionelles Auftreten und „verantwortungsvol-lem Umgang mit der Verantwortung“ auch ihren KlientInnen verdeutlichen, dass ihre Be-handlungen von hoher Qualität sind. Dafür benötigen sie ein Spezialwissen und soziale Kompetenzen, mittels derer sie diese Überzeugungsarbeit auch gegenüber anderen Berufs-gruppen – wie bereits betont insbesondere den Ärzten - leisten bzw. transportieren können.

Durch ein thematisches Umschwenken weist die Studierende darauf hin, dass die Therapeu-tInnen auch dafür verantwortlich sind, dass Interesse an ihrem eigenen Beruf aufrechtzuer-halten, um Fließbandarbeit zu vermeiden. In einem zweiten Schritt jedoch überlegt sie dann kritisch, ob und wieviel der Einzelne wirklich für die professionelle Weiterentwicklung des Berufes tun kann und kommt zu dem Ergebnis, dass Präsenz zu zeigen und informiert zu sein die wesentlichen Aspekte in diesem Zusammenhang sein könnten; die „wirkliche Weiter-entwicklung“ des Berufes wird jedoch immer nur ein kleiner Kreis von Personen vorantrei-ben.

Text: E\S, Position: 278 - 284, 300-302, Code: Professionalisierung \ Rolle der Einzelnen

„durch professionelles Auftreten, also sprich, ich muss den, den ich in den Fingern habe, absolut ü-berzeugen, dass das, was ich mache, auch richtig und gut ist und er mit 'nem guten Gefühl raus geht und ich auch, ja gut, das ist ein eigenes Ding, aber das auch nachweisen kann, dass ich da was be-wirkt habe, was Positives, und verantwortungsvoll mit der Verantwortung umgehen auch.„...jeder einzelne find ich schwierig. ...Also ich denke, es gibt da bestimmt immer Vorreiter, die Engagement zeigen, und da wird sich kaum jeder einzelne dranhängen können [..] aber ich denke, das, was je-dem möglich sein sollte oder könnte, ist einfach, dieses „aktuell Bleiben“ auf je-dem Stand, politisch in-formiert sein und da vielleicht auch bei Gelegenheiten, wo es drauf ankommt, einfach Präsenz zeigen, und ansonsten geht's darüber hinaus dann schon weiter, was man nicht von jedem erwarten kann.“

3. Zum Wohle der PatientIn und der Weiterentwicklung des Berufes, sollte die Physiothera-peutIn offen sein, sich um einen Austausch bemühen und aufhören, ihren eigenen „Brei“ zu kochen. Als Einzelpersonen sollten sie sich zurücknehmen und integrieren können in die Gruppe, damit die Berufsgruppe nach außen hin ein geschlossenes Bild zeigt, welches in der

Kopplung mit der eigenen beruflichen Identität dazu führt, dass sie stolz auf ihren Beruf sein kann.

Text: E\T, Position: 126 – 130, Code: Professionalisierung\Rolle des einzelnen

„Das Gefühl hat ich übrigens schon immer, dass durchaus einzelne Menschen ganz, ganz viel errei-chen können zur richtigen Zeit am richtige Ort, damit die Menserrei-chen, mit denen wir Kontakt haben, damit sich daraus auch ein einigermaßen einheitliches Grundverständnis in der Gesamtbevölkerung entwickelt. Also, wenn jeder seinen eigenen, wie ich auch, Brei da veranstaltet, also mehr Gemein-samkeiten, gemeinsames Vokabular, ja, ein Verantwortungsgefühl, also, auch ein gewisser Stolz, find ich, ist wesentlich.“

Sehr eng an die einzelne Rollenzuschreibung im Professionalisierungsprozess sind die Wün-sche und Ängste der Studierenden geknüpft, die sich durch die Gesamtauswertung der Inter-views. Schlagwortartig lassen sich die Wünsche, aus denen sich in komplementärer Weise auch die Ängste ergeben, wie folgt zusammenfassen:

• Entwicklung eines gemeinsamen Selbstbildes und Selbstverständnisses

• Politische Geschlossenheit

• Präsenz und Transparenz ihres Berufes nach außen

• Die Anerkennung und Stärkung der Studierenden durch die Berufsverbände, die sich wiederum für eine höhere Vergütung ihrer therapeutischen Leistung einsetzen sollten

• Anerkennung im In- und Ausland