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1.4. Das Lernen organisierter Sozialsysteme

1.4.1 Theorien organisationalen Lernens – ein Überblick

Eine Vielzahl deskriptiv-analytischer wie konzeptualisierter Ansätze der Personalentwicklung und des Organisationslernens basieren (implizit) in ihrer Argumentationslogik auf der Struk-turationstheorie Giddens', die den Bereich individuellen Handelns wie die Analyse formaler Organisationsstrukturen gleichermaßen in den Blick nimmt57.

Giddens (1992) erkennt ein dialektisches Verhältnis zwischen individuellen Interaktionspro-zessen und formaler Strukturbildung. Strukturen, verstanden als Systeme generativer Regeln und Ressourcen, konstituieren sich durch Handeln von Individuen; deren Handlungsmöglich-keiten sind wiederum von den strukturellen Bedingungen abhängig. Handlungen und Syste-me konstituieren sich somit wechselseitig.

Diese, auf eine Erklärung der Konstruktion von Gesellschaft angelegte Theorie, kann auch als Interpretationsmuster für die Konstituierung von Organisationen herangezogen werden.

Das Phänomen Organisation erscheint dabei als Resultat interdependenter Aktionen, die zu Strukturen gerinnen und als solche wiederum die Orientierungsmarken für neue Aktivitäten setzen. Der Prozeß der Strukturbildung erscheint somit als Bedingung, wie auch als Folge der organisationalen Produktion von Interaktionen.

Vor diesem Kontext muß Lernen in Organisationen als Prozeß aufgefaßt werden, der sich unter den Prämissen (handlungs-)bedingter und (handlungs-)bedingender Strukturen voll-zieht. Diese dialektische Perspektive bildet einen konsistenten Ansatz, mittels dessen erklärt werden kann, warum es Sinn macht, vom Lernen überindividueller Systeme zu sprechen:

durch Lernhandlungen bedingte organisationale Strukturen stellen selbst wiederum den Be-zugsrahmen dar, innerhalb dessen Lernen vollzogen wird. Die Qualität des Lernens hängt entsprechend davon ab, wieweit diese Strukturen förderliche formale Bedingungen darstel-len.

Der Rekurs auf die Strukturationstheorie leistet die Verbindung zweier heterogener organisa-tionstheoretischer Perspektiven: Konzepte der Kulturentwicklung (Schein 1995, Hofstede 1997) und Strategien der Mikropolitik (Neuberger 1995, Felsch 1998). Der Ansatz der Unter-nehmenskulturentwicklung nimmt die strukturellen Bedingungen einer Organisation – über-geordnete Zielsetzungen, formaler und interaktionaler Organisationsaufbau, elementare Machtstrukturen, zu Symbolen verfestigte Konventionen usw. – umfassend in den Blick. Die Perspektive der individuellen Akteure wird vom Ansatz der Mikropolitik aufgenommen, der Interessenskonflikte, Machtkonstellationen und Interaktionsprozesse innerhalb der vorgefun-denen handlungsleitenden Kultur interpretierbar macht.

Faulstich (1998) vertritt die Auffassung, die Weiterentwicklung eines solchermaßen integrati-ven, "kultur-politischen Ansatzes" (aaO, 9) würde weitere fruchtbare

57 etwa Hanft 1995; oder, unter der Perspektive der "Mikropolitik", Küpper/Ortmann 1992, Neuberger 1995

sche Impulse setzen. Allerdings könne die Aufhebung der abstrakten Gegenüberstellung von Handlung und Struktur auch innerhalb strukturationstheoretischer Ansätze latent fortbeste-hen und sich als lediglich formelhaft überspielt erweisen (aaO, 8f.). Im Gegenzug dazu wird plädiert, auf das in dieser Hinsicht konsistentere Habituskonzept Bourdieus (1989) zurückzu-greifen, das grundlegend die Einheit von Milieu, Lebensstil und Person in seinen Denkbewe-gungen voraussetzt. Im wissenschaftlichen Diskurs um Personalentwicklung und Organisati-onslernen wird dieser Ansatz allerdings nicht weiter rezipiert.

Den zahlreichen Ansätzen liegen implizite theoretische Annahmen von – zunächst subjekt-gebundenen – Lernprozessen zu Grunde. Sucht man diese zu systematisieren, lassen sich, in Analogie zur Ausdifferenzierung der Lernpsychologie, die unterschiedlichen Konzepte ent-sprechenden Richtungen zuordnen:58

Behavioristische Ansätze fokussieren eine Verhaltensänderung des sozialen Systems. Sie gehen von einem Lernmodell aus, das Lernprozesse sich entlang unterschiedlicher Stimu-lusbedingungen der Umwelt vollziehend begreift (z.B. Hedberg 1981).

Kognitive Theorien zielen auf den Erkenntnisgewinn des soziales Systems; Lernprozesse verstehen sie ausgehend von kognitiven Tiefenstrukturen, in denen neues Wissen generiert wird. Organisationen werden analog zu Individuen als lernfähige Systeme beschrieben (etwa Duncan/Weiss 1979, Argyris/Schön 1978).

Persönlichkeitstheoretische Ansätze betonen hinsichtlich Veränderungsprozessen die Domi-nanz (charismatischer) Persönlichkeiten an der Spitze der Organisationshierarchie und die damit verbundene weitgehende Einflußlosigkeit des Systems auf Entscheidungen der Füh-rungsebene.

Interaktionistisch-systemische Modelle suchen eine Verbindung zwischen behavioristischen und kognitiven Ansätzen, indem sie Lernprozesse als zirkuläre Vorgänge zwischen Tiefen- und Oberflächenstruktur auffassen. Grundlegende kognitive Denkmuster werden gekoppelt mit den sichtbaren Handlungsprozessen einer Organisation aufgefaßt (z.B. Gomez/ Zim-mermann 1993).

Eine andere Kategorisierung unternehmen Klimecki/Thomae (1997), die erfahrungsorientier-te, informationsorientiererfahrungsorientier-te, wissensorientierte und interpretative Ansätze unterscheiden.

Bemerkenswert ist, daß die für die Erwachsenenbildung sich als fruchtbar erweisenden Imp-likationen des Konstruktivismusdiskurses noch wenig Eingang in eine Theorie des organisa-tionalen Lernens gefunden haben. Eine Ausnahme bilden Ansätze, die sich explizit auf die neuere Systemtheorie beziehen59.

58 vgl. hierzu die Systematisierung von Schüppel (1996)

59 so bei Scherf-Braune (2000) und Laßleben (2002)

Offen bleiben die Konnotationen und der implizite Gehalt des Begriffs Lernen im Kontext des Diskurses um die lernende Organisation. Begreift man diesen Diskurs als Nachfolge der weit länger zurück reichenden und gegenwärtig in der Theorieentwicklung zum Stillstand gekom-menen Auseinandersetzung um Organisationsentwicklung, so wird zweierlei deutlich: Die Metapher der Entwicklung ist mehrdeutig; sie involviert sowohl ein Sich-Entwickeln als aktive Tätigkeit einer Organisation und ihrer sie konstituierenden Subjekte, als auch eine passive Komponente im Sinne einer in Auftrag gegebenen, von 'außen' ansetzenden Entwicklung bzw. Entwicklungsanregung. Hierbei bleibt allerdings konzeptionell unklar, wie dieses 'Au-ßen' vom 'Inneren' im Prozeß der Entwicklung abgegrenzt werden könnte. Innerhalb einer systemtheoretischen Sichtweise erscheint die Intention, Entwicklungen von 'außen' anregen zu wollen, höchst problematisch60.

Nun scheint die Substitution des Begriffs Entwicklung durch Lernen eine wissenschaftlich fundiertere Auseinandersetzung mit der Problematik zu ermöglichen, verweist doch Lernen auf eine Vielzahl elaborierter Theorietraditionen, die im neu erscheinenden Kontext der Or-ganisation anschlußfähige Konzeptionen liefern können. Andererseits werden spezifische betriebspädagogische bzw. didaktische Konzepte des (Sich-)Entwickelns und der Entwick-lungsanregung im Diskurs um Organisationslernen weder theoretisch entfaltet noch ausge-führt. Vielfach wird lediglich eine Adaption mehr oder weniger bewährter Praktiken der Per-sonal- und Organisationsentwicklung als Techniken und Strategien des Organisationslernens publiziert und – durchaus auch mit nennenswerten Effekten – praktiziert61.

Trotz der Fülle an Publikationen besteht also ein Defizit an einer grundlegenden Theorie des organisationalen Lernens, die über die begriffliche Fassung von Organisation und der Klä-rung des Verhältnisses von Organisationssystem und Umwelt auch das Spezifische des Or-ganisationslernens in Abgrenzung zum individuellen Lernen zu explizieren und zu begründen vermag.

Dieses Defizit sucht H. Geißler über eine systematische Rekonstruktion zentraler Ansätze abzuarbeiten, um damit zur Konstitution einer interdisziplinären Theorie des Organisations-lernens zu gelangen62. Sein Modell begreift organisationales Lernen grundsätzlich als Pro-zeß, in dem sich die Steuerungspotentiale einer Organisation im Umgang mit ihrem Kontext und mit sich selbst verändern (1994, 10f.). Die Argumentation verweist auf die zentrale Arbeit von Duncan/Weiss (1979), die die Bedeutung innerorganisatorischer Kooperation und Kom-munikation zur Entwicklung der Steuerungspotentiale im Umgang mit dem organisationalen Kontext herausstellt. Implizit wird damit auch auf die Ebene des Umgangs der Organisation

60 zu den innerhalb des systemtheoretischen Zugangs als prinzipiell möglich erscheinenden Interventionsoperati-onen vgl. Willke 1994

61 so die kritische Sicht von H. Geißler 1994

62 Geißler, H. (1994/1998/2000/2001)

mit sich selbst verwiesen. Die Gesamtheit kooperativ vermittelten Wissens wird in diesem Konzept als organisationale Wissensbasis (organisational knowledge base) bezeichnet.

Informationen über Bedingungen und Möglichkeiten der Kooperation werden im Konzept von March/Olsen (1976) als den Mitgliedern notwendig zu vermittelndes (Meta-) Wissen für or-ganisationales Lernen begriffen.

Mit Hedberg (1981) erfährt der Begriff der organisationalen Wissensbasis konnotativ eine Erweiterung: neben dem zur Aufgabenbewältigung notwendig zu vermittelnden Wissen wird auch das von den Organisationsmitgliedern gemeinsam geteilte Wissen über die Organisati-on mit in den Blick genommen. Dieses organisatiOrganisati-onskulturelle Identitätswissen stelle einen zentralen Faktor zur Entwicklung der Steuerungspotentiale einer Organisation dar. Konzepti-onelle Gemeinsamkeiten zwischen Subjekt und Organisation werden in identischen Struktu-ren der Informationsverarbeitung gesehen. Die Organisation kann sich im Wissensaufbau neben dem Zugriff auf die kognitiven Strukturen der Individuen zusätzlich auf materiale Or-ganisationsstrukturen beziehen. Diese würden jedoch nur dann wirksam, wenn sie sich in den kognitiven Strukturen der Organisationsmitglieder widerspiegelten. Diese Phänomene werden unter dem Begriff des Organisationsgedächtnisses (organizational memory) subsu-miert.

Organisationales Lernen ist innerhalb dieser Konstrukte als Veränderung des Organisations-gedächtnisses (verstanden als das geteilte Wissen über innerorganisatorische Kooperati-onsbedingungen) und der dieses Wissen determinierenden Organisationsstrukturen aufzu-fassen.

Erweitert wird das Konzept des Organisationsgedächtnisses durch Scheins (1986/1995) An-nahme, gemeinsam geteilte Vorannahmen der Organisationsmitglieder seien als verhaltens-determinierende Faktoren organisationalen Handelns zu begreifen. Diese basic assumptions bildeten, ähnlich dem Sinnmodell einer Kultur- und Glaubensgemeinschaft, den Kern einer Organisationsidentität und eines Organisationsgedächtnisses.

Die Möglichkeiten einer Entwicklung des Organisationsgedächtnisses im Sinne der Erweite-rung der organisationalen SteueErweite-rungspotentiale ist nach Argyris/Schön63 mittels eines über entsprechende Strukturen geförderten Informationsaustauschs zu erreichen, wozu es einer kontinuierlichen Reflexion und an der Praxis gemessenen Überprüfung des vorliegenden Wissens bedürfe.

63 Argyris/ Schön 1978/1999, vgl. Geißler, H. 1994, 1998

Abb. 9: Integration 'klassischer' Konzepte des Organisationslernens zu einer integrativen Theorie

Organisationale Lernprozesse können sich auf unterschiedlichen qualitativen Niveaus voll-ziehen64:

Single-loop learning intendiert, einen definierten Zielzustand mittels entsprechender Verän-derung unzureichender personaler und materialer Steuerungsfaktoren zu erreichen. Lernend soll erarbeitet werden, wie gegebene Ziele (effektiver und effizienter) realisiert werden kön-nen. Eine Überprüfung der für diesen Lernprozeß maßgeblichen Zielhorizonte, deren Infra-gestellen und Kritik, bleibt dabei ausgeklammert. Es handelt sich auf diesem Niveau um or-ganisationales Anpassungslernen.

Die Stufe des Double-loop learning hingegen reflektiert die dem Lernprozeß zugrunde lie-genden längerfristigen Ziele und Strategien einer Organisation. Dieses Niveau organisationa-len Lernens beinhaltet also auch unternehmensstrategisches Erschließungslernen, das zum einen die Optimierung der Suche nach geeigneten Mitteln und Verfahren zum Erreichen der Organisationsziele anstrebt, zum anderen die Suche nach den richtigen Organisationszielen selbst zu verbessern sucht.

Allerdings erschließen sich die Deutungsmuster der einzelnen Organisationsmitglieder, die unterschwellig wirksamen Glaubenssätze, die innerhalb einer spezifischen Unternehmens-kultur ihren Ausdruck finden, nur bedingt einer rationalen Bearbeitung.

64 vgl. Argyris/Schön 1978/1999 Erhöhung der Steuerungspotentiale der Organisation

- im Umgang mit dem organisationalen Kontext - im Umgang mit sich selbst

organisationale Wissensbasis

Wissen zur Bewältigung von Aufgaben

+ Wissen über die Organisation und über Prozesse der Kooperation

organisationskulturelles Identitätswissen

Zugriffsmöglichkeiten auf kognitive Strukturen des Individuums

+ Zugriffsmöglichkeiten auf materiale Strukturen der Organisation

Organisationsgedächtnis

Zunahme an Komplexität von Theorielinienorganisationalen Lernens

gemeinsam geteilte Grundannahmen Bedingungen für überindividuelle

Lernprozesse:

Medien der Realisation organisatio-nalen Lernens:

Auf einer dritten konzeptionellen Ebene, dem deutero learning, wird nun auch der für das Organisationslernen bedeutsame Faktor der Unternehmenskulturentwicklung in den Lern-prozeß mit einbezogen. Normen und Werte, die Identität einer Organisation, die unterneh-menskulturellen Vorannahmen und Glaubenssätze werden einer rationalen Überprüfung unterzogen. Dieses Niveau zielt auf Möglichkeiten von Entwicklungen, die den im double-loop learning definierten Zielen und Strategien die Dimension des Sinns vermitteln. Deutero learning, als unternehmenskulturelles Identitätslernen, verweist somit auch auf die Ebene des Lernens zu lernen.

Während die normativen Grundannahmen der ersten beiden Stufen als Zielorientierung bzw.

Überlebensorientierung bezeichnet werden können, liegt der dritten Stufe ein Sinnmodell der fortschrittsfähigen Organisation zugrunde, einer Unternehmenskulturentwicklung, die Ver-antwortung für ihre Organisationsmitglieder und ihr Umfeld übernimmt65.

Entsprechende Stufenkonzepte organisationalen Lernens finden sich – mit unterschiedlichen Bezeichnungen, jedoch weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmungen – auch innerhalb anderer Ansätze66. So differenziert etwa Kirsch (1992) Assimilation, Akkomodation und Transzendenz als organisationale Lerntypen aufsteigenden Komplexitätsgrads und Wir-kungshorizonts. Pawlowsky (1994, 1998) unterscheidet idiosynkratische Adaption, Umwelt-adaption und Problemlöselernen; Probst/Büchel (1994) nennen Anpassungslernen, Verände-rungslernen und Prozeßlernen; Senge (1996) bezeichnet diese Prozesse als adaptive lear-ning, generative learning und deutero learning; H. Geißler (2000) als Anpassungs-, Erschlie-ßungs- und Identitätslernen.

Nach wie vor prägen die grundlegenden Arbeiten Argyris/Schöns (1978/1999) den Diskurs um Organisationslernen. Ihrem Ansatz liegt eine kognitivistische Auffassung von Organisati-on zugrunde: OrganisatiOrganisati-onen kOrganisati-onstituieren sich als Ausdruck der jeweiligen 'private images' der kognitiven Systeme ihrer Mitglieder. Damit gemeint sind individuelle Bilder, persönliche Erfahrungen, Deutungen und Interpretationen des materialen bzw. offiziell kommunizierten Selbstbildes der Organisation, der 'shared maps'. 67

Individuelles Handeln vollzieht sich auf einer kognitiven Basis, die intuitiv-vorbewußtes wie explizit-bewußtes Wissen einschließt. Vor diesem Hintergrund erscheint Organisation als reproduziertes kognitives Bild akkumulierten individuellen Handelns, das von der Gesamtheit der Mitglieder einer Organisation als organisationales Handeln wahrgenommen bzw. inter-pretiert wird – wobei sich die Deutung dieses Handelns im Kontext des jeweils eigenen men-talen Bildes der Organisation vollzieht. Dabei kommt eine Dynamik wechselseitiger

65 vgl. Kirsch 1992

66 Übersicht bei Schüppel 1996, Klimecki et al. 1998

67 "Organizational learning occurs when members of the organization act as learning agents for the organisation, responding to changes in the internal and external environments of the organization by detecting and correcting errors in organizational theories-in-use, and embedding the results of their inquiry in private images and shared maps of organization" (1978, 29)

terpretation und Adaption der private images in Gang, indem individuell vorliegende Deutun-gen durch die Interpretation der DeutunDeutun-gen anderer Organisationsmitglieder – bzw. die Wahrnehmung der darauf basierenden Handlungen – zu einer Infragestellung und Weiter-entwicklung der eigenen Deutungen führen.

Argyris/Schön sehen in dieser Reinterpretation und Revision der individuellen mentalen Mo-delle der Organisation das zentrale Agens des organisationalen Lernens.

Zentral für den qualitativen Ausprägungsgrad des Organisationslernens scheinen die Kom-munikationsbedingungen zu sein, innerhalb derer sich die Entwicklung der kognitiven Bilder und des entsprechenden, daran adaptierten Verhaltens in der Organisation vollzieht. So scheint es für die Form des Anpassungslernens (single-loop learning) ausreichend, die men-talen Modelle innerhalb eines abgeschlossenen kognitiven Prozesses einer Revision zu un-terziehen und sie weiterzuentwickeln; ihre Kommunikation innerhalb der überindividuellen Subsysteme der Organisation ist dabei nicht notwendig.

Individuelles Handeln wird auf der Basis innerorganisationaler Dependenzen aufeinander bezogen und abgestimmt, wobei veränderte kognitive Konzepte einzelner wiederum die mentalen Bilder und das darauf rekurrierende Handeln der anderen beeinflussen. Die auf diese Weise quasi-naturwüchsig in Gang kommende Dynamik eines impliziten Organisati-onslernens bedarf keiner kommunikativ abgestimmten Reflexion –es bleibt dann allerdings auf der Ebene des einschleifigen Lernens lokalisiert. Organisationales Lernen kann sich demnach als individuelles organisationales Lernen konstituieren, das auf eine metakom-munikative Distribution individueller Kognitionen, deren Revision und Entwicklung verzich-tet.

Die darüber liegende Ebene des Erschließungs- bzw. Zielelernens (Double-loop learning) bedarf jedoch einer innerorganisationalen Kommunikationskultur, die möglichst hierarchiefrei konzipiert ist und ein bewußtes, absichtsvolles Explizitmachen und zur Diskussion stellen verschiedener individueller mentaler Modelle ermöglicht.

Der Begriff Organisationslernen weist qualitativ über die Kumulation individuellen Lernens hinaus und bezeichnet das Lernen eines überindividuellen, also sozialen Systems; aus einer systemtheoretisch orientierten Perspektive wird der Referenzbereich der individuellen kogni-tiven Modelle überschritten indem Kommunikationsprozesse als quasi-subjekthafte, autono-me Handlungen interpretiert werden, die Lern- und Entwicklungsaspekte implizieren.

Der handlungstheoretische Ansatz von Argyris/Schön analysiert sich verändernde organisa-tionsspezifische System-Umwelt-Relationen, die sich als (organisationale) Lernprozesse be-schreiben lassen. Das diesem Konzept zugrunde liegende Lernverständnis rekurriert auf Piagets (1991) kognitionstheoretisch-konstruktivistischem Modell, das menschliche Entwick-lung über den iterativen Prozeß der Assimilation, Akkomodation, Äquilibration und Schemati-sierung beschreibt.

Entsprechend vollziehen sich Lernprozesse im Kontext einer Organisation: ihre Mitglieder generieren kognitive Strukturen auf der Basis einer organisationsspezifischen Handlungs-theorie (die einem kognitiven Schema i. S. Piagets entspricht). Diese handlungsrelevanten Alltags- und Gebrauchstheorien ermöglichen ein auf das Einlösen der Organisationsziele gerichtetes Handeln. Folgen diesen aus Kognitionen abgeleiteten Operationen jedoch nicht die erwarteten Resultate, vollzieht sich – sofern Lernen stattfindet – eine Veränderung. Um den Systemerhalt nicht zu gefährden, ist es nun nicht mehr möglich, die wirkungslosen bzw.

schädlichen Operationen in die bestehenden Schemata zu assimilieren. Eine Veränderung, eine Akkomodation der Handlungstheorien muß sich vollziehen, wodurch auf einem neuen Niveau eine Äquilibration erreicht wird.

Ein in der betrieblichen Weiterbildungspraxis breit rezipierter Ansatz ist derjenige von Senge (1996). Sein Konzept begreift als zentrale Aufgabe einer lernenden Organisation, Bedingun-gen zu schaffen, die das einzelne Organisationsmitglied dazu anreBedingun-gen, sich seine "mentalen Modelle" der Arbeits- und Organisationsabläufe bewußt zu machen und sie in einem diskur-siven Prozeß mit anderen hinsichtlich ihrer Qualität einer Überprüfung zu unterziehen und weiterzuentwickeln. Das Konzept der mentalen Modelle kann aus der Theorietradition Argy-ris/Schöns begriffen werden (private images); es entspricht in weiten Zügen dem Konstrukt des impliziten Wissens Nonakas (1996), das wiederum H. Geißler (2000) durch die Einbe-ziehung bildungstheoretischer und lernpsychologischer Aspekte erweitert hat.

Wesentlich in Senges Ansatz erscheint die von Organisationen zu bewältigende Aufgabe, individuell vollzogene und auf konkrete operative Tätigkeiten zielende Selbstüberprüfungen der einzelnen Organisationsmitglieder um eine Reflexion der jeweiligen Selbstbilder der Or-ganisation zu ergänzen. Dieser reflexive Akt beeinflußt in der Folge individuelles Handeln intuitiv, indem er es als pessimistisches bzw. visionär-optimistisches beurteilt. Die Entwick-lung einer gemeinsam geteilten Vision ist zentrales Anliegen dieser Konzeption; sie soll mit-tels Teamlernen erreicht werden.

H. Geißler (1998) entfaltet diesen Schritt durch die Konzeptualisierung eines expliziten Or-ganisationslernens theoretisch weiter; dieses Konstrukt nimmt die individuellen paradigmati-schen Vorannahmen der Organisationsmitglieder hinsichtlich ihres Denken, Wollens, Füh-lens und Glaubens mit in den Blick.

Pawlowsky (1998) erkennt in der Vielzahl divergierender Konzepte organisationalen Lernens vier übergreifende, zentrale Bausteine, die sich um einen integrativen Theorieansatz grup-pieren lassen:

• Eine erste, konzept-übergreifende Gemeinsamkeit ist die Differenzierung verschiedener Lernebenen. Die Ebene des individuellen Lernens, diejenige der Übertragung von

Wis-sen und Strukturen in Gruppen, die Ebene der Vernetzung und schließlich die Übertra-gung in die Organisation als Gesamtheit.

• Den verschiedenen Konzepten liegen unterschiedliche lerntheoretische Ansätze zugrun-de, die sich in den spezifisch intendierten Lernformen widerspiegeln:

• Kognitionstheoretische Ansätze begreifen (organisationales) Lernen als Differenzierung individueller kognitiver Strukturen und deren Vermittlung in Organisationszusammenhän-ge. In einer eher kulturorientierten Sichtweise wird eine Dominanz der kollektiven Wirk-lichkeitsinterpretation und der Sinnfrage in der Organisation unterstellt. Verhaltenstheore-tische Ansätze sehen den Schwerpunkt auf der Wechselwirkung zwischen Handlung und Erfahrungslernen.

• In den meisten Konzepten wird zwischen unterschiedlichen Ebenen der Intentionalität und Gestaltungsfähigkeit von Organisationen bzw. Systemen ausgegangen, die als Lern-typen erster, zweiter und dritter Ordnung beschrieben werden.

• In zahlreichen Ansätzen wird Organisationslernen als phasenhafter Verlauf interpretiert.

Den Beginn dieses Prozesses markiert die Identifikation relevanter Information. Es schließt sich die Phase der Verteilung der Information an (Diffusion), gefolgt von der Be-arbeitung und Integration in bestehende Wissenssysteme. Mit der Speicherung des Wis-sens kann eine Modifikation der organisationalen WisWis-sensbasis verbunden sein. Als letz-te Phase (Aktion) im Lernprozeß induziert das neu Gelernletz-te veränderletz-te Verhalletz-tensrouti- Verhaltensrouti-nen und Arbeitsabläufe.

Probst/Büchl (1994) begreifen organisationales Lernen als "Prozeß der Erhöhung und Ver-änderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, die Verbesserung der Problemlö-sungs- und Handlungskompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugsrah-mens von und für Mitglieder innerhalb der Organisation." (1994, 17). Entsprechend unter-scheiden sich die Inhalte individuellen Lernens vom organisationalen Lernen . Letzteres hebt ab auf die 'theories in use', die alltagsorientierten Gebrauchstheorien der Organisationsmit-glieder, sprich auf die Entwicklung organisationsintern geteilter Deutungen und Visionen über Routinen und Strategien im betrieblichen Alltag68.

Im Mittelpunkt stehen weniger die Förderung von Schlüsselqualifikationen oder die Entwick-lung spezialisierten Fachwissens, als vielmehr die Transformation organisationstypischer Deutungsmuster und Interpretationsweisen.

Hierbei kommt der Entwicklung individueller Kompetenzen eine zentrale Bedeutung zu.

Probst et al. (2000) beschreiben Kompetenzen als Handlungs- und Problemlösefähigkeiten, die eine handlungsrelevante Interpretation und Nutzung von Information und Wissen ermög-lichen.

Kompetenzentwicklung vollzieht sich dabei auf drei Ebenen: Auf der des Individuums, indem individuelle Kompetenzen und das persönliche Wissensmanagement gefördert werden; auf organisationaler Ebene als Aufbau organisationaler Kompetenz durch die Kombination und Koordination verschiedener Ressourcen; prinzipiell schließlich auch interorganisational durch den in der Kooperation von organisationalen Verbundsystemen möglichen Kompetenzauf-bau.

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