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Die Zugehörigkeit der nordägäischen Insel Thasos zu Makedonien ist in der Forschung nicht ganz unbestritten905. Da die Insel aber in der frühen Kaiserzeit formal für frei erklärt und erst 46 n. Chr. zur neu gegründeten Provinz Thrakien zugerechnet wurde, soll sie hier im kulturhistorischen Rahmen Ostmakedoniens behandelt werden. Nicht zuletzt deshalb, weil in Thasos inschriftlich ein Augustustempel belegt ist.

Der Kaiserkult für Roma, Augustus und die Polis ist auf Thasos epigraphisch belegt (Kat. A 44) und wird in der Stoa ‚Édifice à Paraskénia‘906 aus der 2. Hälfte des 4 Jh. v.

Chr. an der Nordseite der Agora verortet (Abb. 108 Nr. 12).

Es handelt sich um eine p-förmige Stoa aus Marmor mit dorischen Säulen an der Frontseite, jeweils axial vier an beiden Seiten und vier zentral. Vor der Langseite der Stoa standen einst mehreren Basen für Ehrenstatuen. Auf der Innenseite an der Rückwand waren vom Ende des 4. Jhs. v. Chr. an die Archontenlisten der Stadt angebracht, wohl bis ins 3. Jh. n. Chr. hinein. Außerdem hat man dort die offzielle Korrespondenz zu Rom vom 1. Jh. v. bis ins 1. Jh. n. Chr. anhand der veröffentlichten Dokumente, z.B. Senatsbeschlüsse, nachvollziehen können. Dies verdeutlicht die

901 BCH 112, 1988, 477; Pilhofer 2009, 283-287 Nr. 226/L344; Evangelidis 2010, 264f. mit Abb. 43.

902 Pilhofer 2009, 294f. Nr. 232/L336.

903 Evangelidis 2010, 268 Abb. 42 Nr. 6.

904 Zur Curia: Evangelidis 2010, 266f. Abb. 44.

905 Zahrnt 2010, 36, 54 mit Anm: 46: dem Statthalter der Provinz Macedonia war die Insel Thasos unterstellt; Hänlein-Schäfer 1985, 155 A 19 weist Thasos der Provinz Thracia zu.

906 Grandjean – Salviat 2000, 66f. mit Bibl. Fig 26-28.

Wichtigkeit dieses politisch-öffentlichen Gebäudes mit administrativer Funktion auf der Agora, welches dann in augusteischer Zeit auch eine religiöse Rolle spielen sollte.

Die im Gebäude gefundene Inschrift (Kat. A 44) weiht einen Tempel der Göttin Roma, dem Kaiser Augustus und der Polis (Thasos). Ein gewisser Euphrillos, Sohn des Satyros, und seine Frau Hékataia werden in der Inschrift genannt, sie stifteten (oder reparierten) dem Bau marmorne Platten (Z. 3-4). In Zeile vier wird ein marmorner Tempel genannt, den man mit dem Gebäude ‚Édifice à Paraskénia‘ identifiziert, weil die Inschrift dort gefunden wurde und der Bau aus Marmor war. Euphrillos bekleidete das Priesteramt für Augustus und ist noch für weitere Wohltaten in der Stadt Thasos bekannt: so stiftete er zusammen mit seinem Bruder Mikas eine Portikus907. Aus dieser Inschrift geht außerdem hervor, dass Euphrillos und Mikas für ihre Wohltaten mit einem heroischen Kult geehrt wurden (Z. 16-22). Das Heroon von Euphrillos und Mikas soll sich an der Agora im sog. ‚Apsidensaal‘ (s.u.) befunden haben908. Euphrillos‘

Sohn Héragoras stiftete der Stadt später die Balustrade des Theaters909. Euphrillos und seine Frau Hékataia, die ebenfalls das Priesteramt bekleidete, entstammten einer Gladiatorenfamilie910. Ähnlich wie in Kalindoia war in Thasos also eine wohlhabende Familie für die Einrichtung des Kaiserkultes verantwortlich.

Eine architektonische Parallele für die ‚Édifice à Paraskénia‘ wäre die Stoa des Zeus Eleutherios in Athen, wenn auch der dortige Befund für den Kaiserkult relativ vage ist911.

Mitten auf der Agora von Thasos stand ein Monument für die Familie des Augustus (Abb. 108 Nr. 30). Es handelt sich um einen rechteckigen Sockel aus Marmor (7,95 x 4,66 m). Eine der Orthostaten-Inschriften trägt eine Stiftung der Polis an Lucius Caesar als Heros912. Weitere möglich denkbare Statuen wären die des Bruders Gaius Caesar

907 EtThas V, Nr. 192.

908 Salviat – Rolley 1963, 552.

909 Grandjean – Salviat 2000, 202 (ohne Nachweis).

910 EtThas V, 98.

911 s. Kap. 3.1.3.

912 EtThas V, Nr. 178.

sowie des Augustus selbst. Ehrungen des Demos für die kaiserlichen Frauen Livia und Iulia sind nachweisbar913. Ein Porträt des Adoptivsohns Lucius Caesar wurde auf der Agora gefunden und kann mit der Statuenbasis in Verbindung gebracht werden914. Östlich der rechteckigen Basis befanden sich noch zwei weitere kleinere Basen, die sicherlich einen Bezug zur großen Statuenbasis hatten. Mit diesem Monument rückt das Kaiserhaus ins Zentrum der Agora und damit der Aufmerksamkeit. Ähnlich wie in Athen wurde die Platzmitte der Agora von Thasos erst in römischer Zeit mit Monumenten der Kaiserfamilie und anderen Statuengruppen zugesetzt915.

Im ‚cour à l’exèdre‘ auf der Nord-Westseite der Agora (Abb. 108 Nr. 6) fand sich auf einem Marmorblock verbaut in der Portikusmauer eine Dedikationsinschrift der thasischen Priesterin Komis, an Livia die Frau des Augustus916. Somit könnte auch dieser Ort als Verehrungsstätte für die Kaiserfamilie angesprochen werden. In dem Peristylhof befand sich vor der Rückwand eine halbkreisförmige Exedra, an derer linken und rechten Seite jeweils fünf Statuenbasen standen. Fünf davon, allerdings ohne erhaltene Inschriften, stehen noch vor Ort rechts der Exedra.

Ein weiterer Ort auf der Agora für den Kaiserkult, wenn auch erst in der Regierungszeit Hadrians, war der Apsidendsaal (Abb. 108 Nr. 20) an der Südwest-Seite an einem Ende der L-förmigen Portikus (sog. portique coudé et la galerie aux piliers)917.

Der Saal wurde Anfang des 2. Jh. n. Chr. mit Marmor verkleidet. Dort fanden die Ausgräber eine Panzerstatue des Kaisers Hadrian918. Apsidenräume waren beliebte Orte für die Kaiserverehrung, wie beispielsweise der Nischenbau im Nordbereich der

913 EtThas V, 62f.

914 Mus. Thasos Inv. Nr. 102; Grandjean – Salviat 2000, 267 Nr. 42 Fig. 6 (mit Bibl.).

915 Sielhorst 2012, 318.

916 Grandjean – Salviat 2000, 60 (ohne Nachweis).

917 Grandjean – Salviat 2000, 71.

918 Mus. Thasos Inv. Nr. 2346; Grandjean – Salviat 2000, 267 Nr. 43 Fig. 212 (mit Bibl.).

römischen Agora in Thessaloniki, der diese Funktion auch gegen Ende des 2. Jh. n.

Chr. erhielt919.

Die Verehrungsstätten und Kultplätze für die kaiserliche Familie in Thasos ähneln denen der bereits untersuchten Orte in den römischen Provinzen Griechenlands: es handelt sich zum einen um die Integration des Kultes in ein bereits bestehendes Gebäude (‚Édifice à Paraskénia‘), desweiteren um ein monumentales

Statuendenkmal mitten auf dem Platz und schließlich um öffentliche Räume, die an die Agora angrenzen (Apsidensaal sowie Hof mit Exedra). Auch hier setzt der Kult mit Augustus ein und erlebt eine weitere Blütezeit unter Hadrian.