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3.1 Athen in augusteischer Zeit – eine Lokalstudie zum frühen Kaiserkult

3.1.2 Das sog. ‚Agrippamonument’

Die Athener ließen für den Schwiegersohn des Augustus, M. Agrippa, der in Athen als Statthalter Roms seinen Amtssitz hatte, nach 27 v. Chr. auf der Akropolis das Pfeilermonument zu Ehren des pergamenischen Herrschers Eumenes II. vor den Propyläen umwidmen und das ehemalige bronzene Viergespann durch eine neue Statuengruppe ersetzen (Abb. 12)284. Dabei wurde die ursprüngliche Inschrift an der Vorderseite des Pfeilers durch eine neue Ehrung ersetzt, die Agrippa als ‚Wohltäter’

ehrte (Kat. A 7). Auf dem wiederverwendeten Pfeiler des 2. Jh. v. Chr., einer optisch markanten Stelle, befindet sich nun ein Porträt des Römers als Lenker des neuen Viergespanns. Auch hier agierte der Demos als Stifter, was vermuten lässt, dass Agrippa beliebt war. Das Denkmal ist wohl zwischen 15 – 12 v. Chr. entstanden, als Agrippa Athen besuchte285. Denkbar wäre zwar auch schon der Zeitraum zwischen 23 – 22 v. Chr., als Agrippa, bereits zum dritten Mal Konsul, sich im Osten aufhielt –

283 Knell 2004, 93; vgl. dazu Schneider – Höcker 1990, 229f.

284 Zum Eumenes-Pfeiler s. Jordan-Ruwe 1995.

285 Vgl. Schmalz 1996, 201; Baldassarri 1998, 247; Krumeich 2010, 331.

im Jahr 23 erhielt er außerdem das imperium proconsulare für fünf Jahre – doch als Dank für das von ihm in Auftrag gegebene Odeion auf der Agora erscheint ein Datum um 15 v. Chr. plausibler.

An der Nordostecke des Parthenon stand ein weiterer pergamenischer Pfeiler, der auch ursprünglich das Viergespann eines hellenistischen Herrschers (um 180 v. Chr.) trug und dann in der frühen Kaiserzeit für einen iulisch-claudischen Kaiser

wiederverwendet wurde (Abb. 11)286. Die leichten Vertiefungen im Felsen, einige Steinblöcke des Pfeilers sowie die Basis mit Einlassspuren zeugen von diesem Monument287. Von der Inschrift mit Kaisertitulatur ist nur sehr wenig erhalten. Es handelt sich bei diesem dem Agrippamonument ähnlichen Pfeiler um ein äußerst repräsentatives Denkmal für einen Kaiser an sehr prominenter Stelle in

unmittelbarer Nähe des Roma-Augustus-Tempels.

Gesichert ist durch zahlreiche Dübellöcher am Architrav der Parthenon-Ostfront eine Weihung aus dem Jahr 61/62 n. Chr. an den Kaiser Nero288. Die ursprünglich aus bronzenen Lettern gefertigte Inschrift hat sich nicht erhalten, konnte jedoch schon 1895 durch den amerikanischen Archäologen E. Andrews rekonstruiert werden289. Die Stifter waren der Areopag, der Rat der 1000 und der Demos, die dem Kaiser in der Amtszeit des Hoplitengenerals T. Claudius Novius eine Statue weihten290. Ein weiteres Denkmal nahe dem Agrippamonument ist eine kaiserzeitliche Reiterstatue auf der nördlichen Propyläen-Ante (Abb. 13). Die Basis steht an der Treppe zum Heiligtum der Athena Nike und diente bereits in klassischer Zeit als Weihgeschenk, welches dann in der frühen Kaiserzeit durch zwei bronzene

Reiterstatuen jeweils an den Anten des Propyläen-Unterbaus ersetzt wurde291. Das

286 Die zugehörige Inschrift ist: IG II2 3272; Krumeich 2010, 355 vermutet, dass diese Ehrung Kaiser Augustus galt; zu dem Pfeiler s. Krumeich a. O. 330f. mit Anm. 8.; wie zuvor bereits Goette 1991, 174;

aber auch die Kaiser Caligula und Claudius (Kirchner im Corpus) sind nicht auszuschließen, vgl.

Schmalz 1996, 202.

287 Stevens 1946, 18f.; Goette a. O. 174; Korres 2000, 296f.

288 IG II2 3277; Goette 1991, 173f.

289 Andrews 1896, 339; zur Nero-Inschrift am Parthenon-Gebälk s. Carroll 1982.

290 Schneider - Höcker 1990, 231f.

291 Krumeich 2010, 355-357 Abb. 28-31; zur Datierung der Denkmäler in augusteische Zeit s. 357 Anm.

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ursprüngliche Anathem des 5. Jh. v. Chr. fand eine Wiederverwendung, während der zweite Reiter auf der nördlichen Ante anscheinend keinen Vorgänger-Sockel aufwies und der erhaltene Sockel auch keine Ehreninschrift überliefert. Eine Rekonstruktion des südlichen Denkmals jedoch kann Krumeich durch alte

Aufzeichnungen vorlegen, auch wenn heute die Inschriften nicht mehr zugänglich sind292. In der Inschrift der südlichen Basis, welche auch die klassische Inschrift in archaisierenden Buchstabenformen kopiert, weihen die Athener das Denkmal dem Germanicus, der im Jahr 18 n. Chr. Athen besuchte293. Die Inschrift (IG II2 3260) ehrt den designierten Nachfolger und Nachkommen des vergöttlichten Augustus und lautet: ὁ δῆμος Γερ[μ]ανικ[ὸν Κα]ίσαρα θεοῦ Σε[βαστοῦ ἔγγονον]294. Die Ehrung für den Adoptivsohn des Kaisers Tiberius anlässlich seines Besuches demonstriert, wie sehr die Mitglieder des Kaiserhauses von den Athenern gewürdigt worden sind.

Für den nördlichen Sockel ist als Pendant zu Germanicus der ungefähr gleichaltrige römische Prinz Drusus minor vorstellbar295.

In unmittelbarer räumlicher Nähe zum Agrippamonument war eine weitere Gruppe von Ehrenstatuen der Kaiserfamilie aufgestellt. Die Inschriften für die Statuen des Augustus, des Tiberius, des Germanicus und des Drusus minor sind erhalten (Kat. A 3 – A 6). Diese vierfigurige Statuengruppe des iulisch-claudischen Kaiserhauses, welche zwischen den Propyläen und der Chalkothek aufgestellt war, ist

spätaugusteisch, genauer: Sie ist 4 n. Chr. entstanden296. Abermals handelt es sich um wiederverwendete Sockel der klassischen Zeit (IG II2 3829) und wiederum tritt der Demos von Athen als Stifter auf. Vor allem bei den Reiterstatuen auf den

wiederverwendeten Basen wird nochmals der Bezug zur Klassik offensichtlich, der auch am Roma-Augustus-Monopteros spürbar war.

292 Krumeich a. O. 357 Abb. 35-36.

293 Tac. ann. 2, 53, 3; vgl. Halfmann 1986, 168-170.

294 Zur Dat. der Inschrift s. Krumeich 2010, 358 Anm. 147; zur Person des Germanicus: PIR2 I 221; DNP 4 (1998) 963-966 s.v. Germanicus (2) (W. Eck).

295 Krumeich 2010, 359.

296 Die Datierung geht nach Kirchner aus der Adoption des Tiberius durch Augustus hervor.

Auf der Akropolis waren die Kaiser also an mehreren Orten präsent. Am Aufgang im Westen sah man beim Aufstieg auf die Burg den Agrippapfeiler und das

Reiterstandbild, beim Betreten der Burg die Gruppe an der Chalkothek, im Osten den Monopteros, das kultische Zentrum des Kaiserkults, sowie daneben den Nordostpfeiler. Darüberhinaus ist der Monopteros auffällig zwischen die ehrwürdigsten und ältesten Kultbezirke der Athena Polias und der Athena

Parthenos gesetzt. Das Volk von Athen zeigt mit dieser Position des Kultzentrums für den Kaiser und den römischen Staat augenfällig seine Akzeptanz der neuen Verhältnisse.