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Die Skulpturenausstattung im Theater und auf dem Forum

4.2 Die römische Kolonie Butrint

4.2.1 Die Skulpturenausstattung im Theater und auf dem Forum

Wie auch im nahe liegenden Dodona wurde das Theater von Butrint in der frühen Kaiserzeit, wahrscheinlich bald nach der Koloniegründung, umgebaut761. Es besaß fortan eine in sechs Nischen mit Skulpturen ausgestattete scaenae frons, deren Statuen bereits L. M. Ugolini während seiner Grabungen barg762. Unter den gefundenen Skulpturen sind zwei kopflose Panzerstatuen, die Porträtköpfe des Augustus, der Livia und des Agrippa sowie vier weibliche Gewandstatuen (u.a. Typus Große Herkulanerin und ‚Nemesis von Rhamnous’, die sog. Göttin von Butrint). Bei den Porträts der iulisch-claudischen Gruppe handelt es sich um etwas überlebensgroße Einsatzköpfe, deren zugehörige Statuen nicht mehr mit Sicherheit auszumachen sind. Der Porträtkopf des Augustus763 (Abb. 77) ist im weit verbreiteten und

760 Zum hellenistischen Butrint: Bergemann 1998, 18-49.

761 Zur Datierung des Theaters in die 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr.: Bergemann 1998, 56f.

762 Zum Theater: Ugolini 1935; Ugolini 1937, 130-137 Fig. 84 zeigt die Statuen der scaenae frons in Sturzlage; Bergemann 1998, 51-57; Gilkes 2003, 75-106 (Dokumentation von Ugolini’s Ausgrabungen).

763 Butrint Mus. (einst Tirana) ohne Inv. Nr.; Bergemann 1998, 126f. Kat. Nr. Th 1 Abb. 73 a-c; Boschung 1993, 146f. Kat.-Nr. 81 Taf. 188 (mit älterer Lit.); Boschung 2002, 82f. Nr. 22.1 Taf. 67,1 (augusteisch);

Gilkes 2003, 224-226 Fig. 8.28-8.29; Hansen 2007, 48f. Fig. 4.3.

bekannten Typus Prima Porta wiedergegeben und gehört in augusteische Zeit. D.

Boschung schlägt als Parallele eine Replik aus Patras vor, womit beide Köpfe eine östliche Variante des Prima-Porta-Typus bilden könnten (Abb. 78)764.

Das Porträt der Livia765 (Abb. 81) kann eindeutig dem Typus Kopenhagen (NCG 616), der einige Repliken im östlichen Mittelmeerraum aufweist, zugeordnet werden.

Insbesondere wiederholt die Butrinter Variante die Machart der Frisur mit dem markanten Haarknoten an der Stirn.

Außerdem dieser Porträtgruppe zugehörig ist das Bildnis des Agrippa766 (Abb. 79) aus dem letzten Viertel des 1. Jhs. v. Chr., welches ebenfalls im Theater vor der scaenae frons gefunden wurde. D. Boschung bringt diesen Kopf in Abhängigkeit zu dem frühaugusteischen Typus Agrippa Gabii767. Im Jahr 1977 wurde östlich des Theaters, genauer beim sog. Inschriftenturm, ein weiteres Bildnis des Agrippa768 geborgen (Abb. 80), welches vom Typus her ähnlich dem Ersteren ist und ungefähr zeitgleich entstanden sein könnte. Es verwundert nicht, dass der General des

Augustus mehrfach in Butrint mit Statuen bedacht wurde, da die Ereignisse von Actium sowohl zeitlich als auch örtlich nicht sehr fern lagen.

Im Theaterbereich, in Sturzlage vor den Nischen der Bühnenfront, kamen außerdem zwei Panzerstatuen während der italienischen Grabungen ans Licht (Abb. 82-83)769. Die eine von beiden Statuen ist heute verschollen, die andere befindet sich im

Museum von Tirana. Beide Statuen wurden jeweils direkt vor einer Nische gefunden und tragen beide calcei senatorii770. Die vermisste Skulptur trägt die Signatur des

764 Patras Mus. Inv. 172; Boschung 1993, 171f. Kat. Nr. 154 (spätaugusteisch).

765 Butrint Mus. (einst Tirana) ohne Inv. Nr.; Bergemann 1998, 128f. Kat. Nr. Th 2 Abb. 74a-c (mit älterer Lit.); Boschung 2002, 83 Nr. 22.2 Taf. 67,3.4; Gilkes 2003, 215-218 Fig. 8.18-8.21; Hansen 2007, 48f. Fig.

4.4.

766 Tirana Mus. Inv. 583; Eggebrecht 1988, 299f. Nr. 180 mit Abb.; Bergemann 1998, 132 Kat. Nr. Th 3 Abb. 75 a-c (mit älterer Lit.) Dat. nach 12. v. Chr.; Boschung 2002, 83 Nr. 22.3 Taf. 67,2; Gilkes 2003, 205 Fig. 8.11-8.12; Hansen 2007, 48-50 Fig. 4.5.

767 Vgl. Boschung 1993a, 50; Bergemann 1998, 132, 161 datiert beide Köpfe des Agrippa postum nach 12 v. Chr.; vgl. Hansen 2007, 49f. (vor 12 v. Chr.).

768 Butrint Mus. (einst Tirana) ohne Inv. Nr.; Bergemann 1998, 161 Kat. Nr. 8 Abb. 76 a-c; Hansen 2007, 51 Fig. 4.6.

769 Ugolini 1937, 147 Fig. 91; Laube 2006, 119-122 Kat. Nr. 8 (verschollen) Taf. 50,1; Nr. 9 (Tirana Mus., Inv. Nr. unbekannt) Taf. 50,2-4 (mit älterer Lit.).

770 Zur genauen Fundsituation: Laube 2006, 121 m. Anm. 1075.

Sosikles aus Athen771, womit klar ist, dass es sich um eine griechische

Bildhauerwerkstatt gehandelt hat. I. Laube stellt heraus, dass der verwendete Panzertypus auf attische Vorbilder des 4. Jhs. v. Chr. zurückgeht772. Stilistisch am nächsten steht dieser Panzertypus demjenigen aus Dyme, der ebenso

frühkaiserzeitlich datiert wird (Abb. 34)773. Da die Porträts des Augustus und des Agrippa in Nachbarschaft zu den Panzerstatuen, jeweils auch vor einer Nische der scaenae frons, gefunden wurden, liegt die Vermutung nahe, dass die beiden

Einsatzköpfe zu den Panzerstatuen gehörten774. Die beiden Panzerstatuen waren vermutlich als Gegenstücke einer Gruppe gearbeitet und bezogen sich durch die Darstellung des Augustus und Agrippa auf den militärischen Sieg der Schlacht von Actium. Die Datierung der iulisch-claudischen Statuengruppe kann, einhergehend mit dem Umbau des Theaters, in die frühe Kaiserzeit gesetzt werden775. Auftraggeber für die Statuen war anscheinend die Stadt selbst, der einflussreiche Mäzen Titus Pomponius Atticus, der Verbindung zu Agrippa hatte, oder der patronus der

Kolonie L. Domitius Ahenobarbus776. Die ursprüngliche Aufstellung der kaiserlichen Statuengruppe in den Nischen des Theaters bietet ein wenig Spielraum. Denkbar wäre eine Einteilung in Zweiergruppen bzw. Ehepaaren. Das wären das Kaiserpaar Livia und Augustus sowie Agrippa mit seiner Frau. Ginge man davon aus, dass die gefundenen Porträts in die frühe Kaiserzeit datiert werden, wäre an Caecilia Attica, die erste Ehefrau des Agrippa, zu denken777. Dass insbesondere diese Verbindung zur Familie Atticas in Butrint eine Rolle spielte, wird noch zu zeigen sein. Möglich wären natürlich auch seine zweite Frau Claudia Marcella oder Iulia, die dritte Ehefrau und Tochter des Augustus778. In den beiden verbleibenden freien Nischen könnten hypothetisch die Statuen des Caius und Lucius Caesar, der Söhne des

771 IBouthrôtos 214; Ugolini 1937, 146.

772 Laube 2006, 120 mit Verweis auf Vermeule in Anm. 1071.

773 Bergemann 1998, 66; zur Panzerstatue des Augustus aus Dyme s. Kap. 3.2.4.

774 Stemmer 1978, 140 Anm. 488.

775 Vgl. Laube 2006, 122; Hansen 2007, 50 (kurz nach Actium).

776 LIA 253; s. a. Kap. 4.2.2.

777 Hansen 2007, 50.

778 Vgl. Laube 2006, 121.

Agrippa und der Iulia bzw. Adoptivsöhne des Kaisers Augustus, gestanden haben.

Die bekannteste iulisch-claudische Parallele einer solchen kaiserlichen

Statuenaufstellung im Theater findet sich im römischen Mérida (Colonia Augusta Emerita) in Spanien. Dort waren in den Nischen u.a. die Panzerstatuen der beiden Prinzen aufgestellt779.

Das bereits von Ugolini angenommene römische Forum der antiken Stadt Butrint wurde 2005 durch Ausgrabungen im Zentrum unterhalb der Akropolis bestätigt (Abb. 76)780. Es liegt nahe dem Theaterbezirk und dem Asklepiostempel, dem

Hauptheiligtum der Stadt781. Aus dem Asklepieion stammen zwei Privatbildnisse mit Gesichtszügen der Agrippina minor782. Vor allem die Frisuren orientieren sich an dem Zeitgeist der jüngeren Agrippina und folgen einem in den westlichen Provinzen vertretenem Typus783.

Auf dem Forum unterhalb der Akropolis lag das sog. ‚Dreigeteilte Gebäude’, welches in flavischer Zeit vergrößert und durch Treppenstufen sowohl mit dem Forumsniveau als auch mit einem zweiräumigen Magazin verbunden wurde (Abb.

76. 109)784. Durch den Fund einer lateinischen Inschrift des frühen 1. Jhs. n. Chr. im zentralen Raum des Gebäudes, das der Minerva Augusta geweiht war, vermutet W.

Bowden hier das capitolium der Stadt785. Es handelt sich dabei um die private Stiftung eines gewissen Manius Otacilius Mystes, der ein Freigelassener war. Die Verehrung der Minerva Augusta war zwar nichts Ungewöhnliches in den Provinzen, die Funktion dieses stattlichen Gebäudes bleibt allerdings fragwürdig. Der

architektonische Befund erinnert an den Annexbau der Stoa des Zeus Eleutherios auf

779 Zu den Statuengruppen aus dem Theaterbezirk in Mérida: Boschung 2002, 79-82 Taf. 62-66: u.a.

Einsatzköpfe des Augustus, Tiberius, Nero sowie der Agrippina minor.

780 Bowden 2007, 200 mit Anm. 45.

781 Zum Asklepieion: Melfi 2007.

782 Butrint Mus.: Eggebrecht 1988, 297 Nr. 176 (1. Hä. 1. Jh. n. Chr.); Bergemann 1998, 150 Kat. Nr. As 4 Abb. 39 a-c (Porträtkopf, claudisch); 151 Kat. Nr. As 5 Abb. 38 a-c. 40 (Porträtstatue, Inv. Nr. 535, claudisch); Hansen 2007, 53f. m. Anm. 81 Fig. 4.11-4.12.

783 Bergemann 1998, 64.

784 Zum ‚Tripartite Building’: Bowden 2007, 200 Fig. 11.11; Pojani 2007, 68 Fig. 5.10 (Plan).

785 LIA 247; Patterson 2007, 40 rekonstruiert die Inschrift so: [M]INERVAE AUGUST(AE) SACR(UM) M(ANIUS) OTACILIUS MYSTES ET AEDEM D(E) S(UA) P(ECUNIA) F(ACIENDAM) C(URAVIT) L(OCUS) D(ATUS) D(ECRETO) D(ECURIONUM); Fig. 3.1; vgl. Bowden 2007, 200.

der Athener Agora, neben dem sich ebenso ein zweiräumiges Depot befand786. Eventuell könnte es sich bei dem sog. ‚Dreigeteilten Gebäude’, welches reich mit Wandmalereien geschmückt und mit Marmor an den Wänden verkleidet war, um eine Lokalität für den Kaiserkult gehandelt haben, zumal sich direkt vor dem Gebäude eine monumentale Basis für Ehrenstatuen erhalten hat.

Auf dem Forum nahe des ‚Dreigeteilten Gebäudes’ fanden sich zwei männliche kopflose Togastatuen, die bedeutende Persönlichkeiten der Stadt oder gar einen Herrscher dargestellt haben. Die typisch römische Tracht der späten Republik mit Toga und den calcei senatorii zeigt den hohen Rang der dargestellten Personen. Die besser erhaltene lebensgroße Togastatue, in situ geborgen, wird aufgrund stilistischer Kriterien ins 2. Jh. n. Chr. datiert und einer griechischen Bildhauerwerkstatt

zugeschrieben. Die andere, wirklich schlecht erhaltene und mehrfach um- und abgearbeitete überlebensgroße Togastatue (rekonstruierte ca. H. 2,7 m) aus

pentelischem Marmor mit Plinthe wird von I. Pojani kühn dem Octavian / Augustus zugeschrieben mit einer Entstehungszeit kurz nach 31 v. Chr.787. Die Rekonstruktion der Togastatue durch ein gefundenes Teilstück der rechten Schulter ergibt, dass dieser Arm, vermutlich im adlocutio-Gestus, wie oft bei Panzerstatuen üblich, erhoben war. Falls tatsächlich Octavian / Augustus dargestellt gewesen war, was sehr hypothetisch bleiben muss, so wäre die Statue kurz nach seinem Sieg und der Koloniegründung der Stadt aufgestellt worden. Denkbar wäre, dass die Togastatue des Augustus ursprünglich auf der monumentalen Statuenbasis vor dem

‚Dreigeteilten Gebäude’ stand, was den Charakter eines möglichen Kaiserkultbaus unterstreichen würde.