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3.2 Die römische Kolonie Korinth

3.2.3 Colonia Augusta Achaica Patrensis

Patras (altgr. Patrai) wurde im Jahr 14 v. Chr. von Augustus durch Synoikismos der Einwohner benachbarter Städte in die römische Bürgerkolonie Colonia Augusta Achaica Patrensis umgestaltet469. Dabei wurden die Städte Pharai und Tritaia und später auch Dyme sowie größere Teile Aitoliens und Lokris einverleibt470.

Möglicherweise wurden die Veteranen in zwei Etappen angesiedelt: einmal bereits direkt nach der Schlacht von Actium 31 v. Chr. und zum anderen 15/14 v. Chr. durch die Ausrufung der Kolonie durch M. Agrippa471. Die römische Koloniestadt im Westen von Achaia entwickelte sich in der Kaiserzeit zu einem blühenden

Wirtschaftszentrum und besaß eine eigene Münzprägung472. Die Lage am Golf von Patras mit dem bedeutendem Hafen473 und der Verbindung nach Italien zog

römische Kaufleute an. Vermutlich war Patras Amtssitz des römischen Statthalters

469 Zum Namen und zur Koloniegründung: Rizakis 1997, 19-26; Rizakis 1998, 24-28; Rizakis – Petropoulos 2005, 5; zum Synoikismos Paus. 7, 18, 6-7; Strab. 8, 3, 2; zu Patras Paus. 7, 18, 2 - 21, 14; Strab 8, 7, 4; vgl. Rizakis 2009, 19, 21f.

470 Kahrstedt 1950a, 549; Kahrstedt 1950b, 69f.; Alcock 1993, 137; Rizakis 2010, 129 Anm. 2; Pharai: Paus.

7, 22, 1; Tritaia: Paus. 7, 22, 6.

471 Aug. res gest. 28; Cass. Dio 54, 23, 7; Alcock 1993, 133; Strauch 1996, 187; Rizakis 1998, 24f.

472 Zur Ikonographie patraischer Münzen: Papageorgiadou-Bani 2004, 119-124 App. II.

473 Zum Hafen (etwas südlich des Modernen), der erst in römischer Zeit angelegt wurde: Petropoulos 2009, 61-64.

der Provinz Achaia und Hauptsitz des Achaischen Bundes474. Patras hatte den Status einer civitas libera und einer römischen Kolonie.

Das Stadtgebiet von Patras unterteilt sich in die Akropolis, wo sich bis heute die Ruinen eines fränkischen Kastells befinden, und die Unterstadt mit der Agora auf hellenistischen Strukturen (Abb. 33)475. Nur wenige archäologische Reste haben sich erhalten bzw. sind derzeit sichtbar, da der antike Stadtkern von der neuen Stadt größtenteils überbaut wurde476. Neben Tempeln und Heiligtümern bot die Polis eine Agora mit Odeion, ein sog. Stadion-Theater und einen Hafen. Patras, welche einst zu den zwölf alten Städten von Achaia gehörte477, erfuhr bei Gründung der Kolonie eine städtebauliche Planung mit einem rechtwinkligen Straßensystem, das auf

hellenistische Strukturen zurückgriff. Flächenmäßig wurde die Stadt südlich der Akropolis bis zum Meer hin beträchtlich erweitert478. Pausanias, der die Stadt im 2.

Jh. n. Chr. besuchte, berichtet, dass die Kultstatuen der Artemis Laphria und die des Dionysos aus Kalydon nach Patras in den Tempel auf die Akropolis gebracht

wurden479. In Kalydon waren die wichtigsten Kulte diejenigen der Artemis Laphria und des Dionysos. Es waren die Künstler Menaichmos und Soidas, die um 500 v.

Chr. das Kultbild der Göttin Artemis schufen480. Kaiser Augustus ließ nicht nur große Teile Ätoliens entvölkern, sondern nahm der ehemals bedeutenden Stadt Kalydon ihre Kultbilder und überführte sie in die neugegründete Kolonie. Nach der

Entvölkerung wurden durch Augustus römische Veteranen in und um Kalydon angesiedelt.

474 Gleichermaßen käme Korinth als Statthaltersitz in Frage. s. Haensch 1997, 322f. Zuvor war Aigion Haupsitz des Achaischen Bundes.

475 Rizakis – Petropulos 2005, 45; Petropoulos 2009, 57-61, 58 Fig. 11; Rizakis 2010, 146 Fig. 9.

476 Zu Patras in geometrischer bis hellenistische Zeit s. Petropoulos 2009, 39-47; in späthellenistischer Zeit s. Strauch 1996, 185f.; in römischer Zeit s. Rizakis 1998; Rizakis – Petropoulos 2005; Petropoulos 2009, 47-74, 52 Fig. 10.

477 Hdt. 1, 145; Strab. 8, 7, 4; Pol. 2, 41, 8.

478 Petropoulos 2009, 49f. Fig. 9.

479 Paus. 7, 18, 8-9 (Artemis Laphria); 21,1 (Dionysos Kalydonios); Osanna 1996, 70-78, 84-86, 103f.;

Rizakis 2009, 24-27; Camia 2011, 213. Der exakte Standort des Tempels auf der Akropolis, der wahrscheinlich auch den Augustalen als Sitz diente, konnte bisher nicht identifiziert werden.

Architekturfragmente des Tempels sind nach Rizakis 2010, 133 Fig. 1 in der Nordmauer des fränkischen Kastells von Patras verbaut.

480 Paus. 7, 18, 10; vgl. Vollkommer 2004, 62.

In Patras gab es zu Beginn der Kaiserzeit zwei offizielle Kulte: den städtischen Kaiserkult und den Kult der Artemis Laphria481. Eine lateinische Inschrift ehrt Aequana Musa, eine lokale Priesterin der Diana (Artemis) Augusta Laphria und des Augustus482. Durch das gemeinsame Priesteramt wurden beide Kulte miteinander verbunden und die Göttin trug von nun an den Beinamen Augusta. Die Einführung des Kaiserkults in Patras wurde durch die Verknüpfung mit einem Kult griechischen Ursprungs erleichtert. Der latinisierte Name von Artemis, Diana Augusta Laphria, erscheint ebenso auf Münzprägungen dieser Zeit483. Darauf erscheint ein

chryselephantines Kultbild der Göttin, sie hält ihren Bogen in der Hand und trägt einen kurzen Chiton, begleitet ist sie von einem Hund. Die festliche Prozession für Artemis Laphria in Patras ist bei Pausanias beschrieben, der die bedeutenden Kulte und Tempel der Stadt aufzählt484. In Kalydon trug Artemis den Beinamen Laphria, in Patras war sie nun auf der Akropolis die neue Stadtgöttin, behielt aber ihren alten Kultnamen. Daneben existierte in Patras der Kult des Dionysos mit dem Beinamen Kalydonios, der ebenfalls aus Kalydon hergebracht wurde. Der Import der alten griechischen Gottheiten demonstriert die neue politische Macht, deren Interessen der römische Herrscher nun vertrat. Man hat sich also dieser zwangsversetzten Kulte bemächtigt485, gleichzeitig kommt aber auch eine Wertschätzung von lokalen

Traditionen und Bräuchen zum Ausdruck sowie ein Zugewinn, in diesem Fall für die colonia.

Nahe der Agora von Patras wurde eine Stifterinschrift der flavischen Epoche

geborgen, welche ein aedes Augustalium entweder auf der Akropolis beim Tempel der Artemis Laphria oder auf der Agora bezeugt (Kat. A 30). Die Ausübung des

Kaiserkults ist in beiden Bezirken anzunehmen. In augusteischer Zeit wurde die

481 Alcock 1993, 140; Rizakis 1998, 36f.; Rizakis 2010, 145; Camia 2011, 217; zum Kult der Artemis Laphria s. Herbillon 1929, 55-74.

482 CIL III 510 = AE 1979, 584; Trummer 1980, 175; Rizakis 1998, 84-86 Nr. 5; Kantiréa 2007, 99-101; Camia 2011, 214.

483 RPC I 1276-1277, 1281, Taf. 65 (neronisch) DEANAI AUGUSTA (1276); BM: Alcock 1993, 140 Fig. 52.

484 Paus. 7, 18, 2 – 21, 14.

485 Alcock 1993, 141 ‚symbolic destruction’, 175 ‚symbolic violence’; vgl. Auffahrth 1997, 234.

hellenistische Agora in ein Forum umgewandelt, so wie es in ganz ähnlicher Weise in Korinth geschah, mit dem Unterschied, dass Korinth zwischenzeitlich nur mäßig besiedelt war. Pausanias zählt die auf der Agora stehenden Monumente auf und nennt dabei u. a. einen Tempel des Zeus Olympios, worin auch Statuen der Hera und Athena gestanden haben sollen: [...] ἔστι δὲ ἐν τῇ ἀγορᾷ Διὸς ναὸς Ὀλυμπίου, αὐτός τε ἐπὶ θρόνου καὶ ἑστῶσα Ἀθηνᾶ παρὰ τὸν θρόνον, τῆς τε Ἥρας ἄγαλμα τοῦ Ὀλυμπίου πέραν ἱερόν τε Ἀπόλλωνος πεποίηται καὶ Ἀπόλλων χαλκοῦς, γυμνὸς ἐσθῆτος [...]486. Der Textstelle nach stand Athena neben dem thronenden Zeus und Hera war gegenüber (πέραν)487 dem Gott aufgestellt. Diese Aufstellung steht der Hypothese entgegen, dass es sich bei der Statuengruppe um die

Kapitolinische Trias gehandelt habe488, denn die Trias stellt man sich eigentlich nebeneinander vor. Es verwundert nicht, dass Pausanians nicht ausdrücklich von

„der Kapitolinischen Trias“ spricht. Was Pausanias dem Leser außerdem

verschweigt, ist die Tatsache, dass es sich bei dem Bau um einen römischen Tempel – vielleicht sogar um ein Kapitolium – gehandelt habe489. Pausanias schreibt lediglich von einem Zeustempel. Wie so oft ist Vorsicht bei der Interpretation des Textes geboten, denn der Perieget hat meistens eine griechische Sichtweise auf die Dinge.

Die ungefähre Lage des Zeustempels auf der Agora ist zwar durch Pausanias

bekannt, aber der Bau ist nicht ausgegraben. Rizakis denkt an folgende Stratigraphie:

Die heutige Kirche Pantokrator, in der Nähe des Odeions, steht auf byzantinischen Fundamenten. Diese befinden sich wiederum über dem antiken Tempel490. Auf der Agora lässt sich das religiös-kulturelle Zentrum von Patras in der Kaiserzeit

ausmachen. Rizakis denkt sogar an ein Kaisareion bzw. den Tempel der

486 Paus. 7, 20, 3.

487 Verderbte Textstelle bei Pausanias 7, 20, 3; Schubart 1860, 532 Konjektur von πέραν.

488 Auffarth 1997, 231; Petropoulos 2009, 58; Rizakis 2010, 133, 144f.

489 Auffarth 1997, 231: „Ziegelmauerwerk mit einer marmornen Fassade“ bezieht sich in Anm. 41 auf Vitr. 2,8,9: „item Patris in aede Iovis et Herculis latericias cellas“ sowie Plin. nat. 35, 172: „Patris aedes Iovis et Herculis, quamvis lapideas columnas et epistylia circumdarent“. In beiden Texten ist allerdings von einem Tempel des Zeus und des Herakles die Rede. Es muss sich also um einen anderen als den bei Pausanias beschriebenen Tempel halten.

490 Rizakis 2010, 144 mit Anm. 93.

Augustalen491. Ein weiteres von Pausanias erwähntes Heiligtum verdient als eine Form von Kaiserkult in Patras eine kurze Betrachtung. Es ist das Heiligtum der Göttermutter Meter Dindymene in der Unterstadt mit einem Kultbild aus Marmor492. In diesem Heiligtum wurde einst auch Attis verehrt, der als Gefährte der Kybele nun durch Dionysos ersetzt wird. In Rom wurde in der frühen Kaiserzeit der Kult der Kybele, hier als „dindymäische Mutter“ verstanden, von der iulisch-claudischen Familie gefördert. Bei dem Titel Megale Meter bzw. Magna Mater ist an eine Ehrung für die Kaiserin Livia zu denken493. Auch im benachbarten Dyme ist ein Kult für die Meter Dindymene beheimatet494.

Mitten im heutigen Stadtzentrum tritt das an die antike Agora grenzende, von Pausanias erwähnte Odeion in Erscheinung, welches in den Jahren zwischen 1959 und 1961 vollständig rekonstruiert wurde (Abb. 33)495. Der antike Reiseschriftsteller war von dem Theaterbau so angetan, dass er ihn sogar mit dem Odeion des Herodes Atticus in Athen verglich. Zudem schreibt Pausanias, dass im Odeion eine

Bronzestatue des Apollon, des Schutzgottes des Princeps, stand. C. Auffarth weist auf die Verbindung zwischen der Aufstellung dieser Götterstatue und dem Sieg des Augustus in Actium hin und vermutet, dass Patras nach seiner Parteinahme für M.

Antonius nunmehr Wiedergutmachung demonstrieren wollte496. Unter dem Odeion in Patras, welches in die erste Hälfte des 2. Jh. n. Chr. datiert wird, befinden sich laut den Ausgrabungsberichten von N. Yalouris und E. Mastrokostas ältere

Baustrukturen, die an das Ende des 1. Jh. n. Chr. gehören497. Sowohl unter dem römischen Odeion, als auch unter dem nahe gelegenen sog. Stadion-Theater498 lassen

491 Rizakis – Petropoulos 2005, 39; Rizakis 2010, 145.

492 Paus. 7, 20, 3.

493 Auffarth 1997, 231.

494 Paus. 7, 17, 9; Rizakis 1995, 170.

495 Paus. 7, 20, 6; zum Odeion s. N. Yalouris – E. Mastrokostas, ADelt 16, 1960, Chron. B, 136-144; ADelt 26, 1971, 157-163 (Inschriften); Meinel 1980, 267-280; Rizakis 1995, 176f. Nr. 259; Sear 2006, 403f. Plan 427; Di Napoli 2010, 257 Anm. 29 (mit Bibliographie).

496 Auffarth 1997, 230f.

497 E. Mastrokostas, ADelt 16, 1960, Chron. B, 140; vgl. Petropoulos 2009, 48, 70; Rizakis 2010, 138.

498 Petropoulos 2009, 68 Anm. 170 (mit Bibliographie).

sich frührömische Häuserstrukturen des 1. Jh. n. Chr. nachweisen, was durch Keramikfunde unterstützt wird.

Neben dem Odeion, worin hauptsächlich musische Aufführungen stattfanden, wurde spätestens unter Kaiser Domitian 86 n. Chr. das sog. Stadion-Theater (Abb.

33) erbaut, worin Spiele und Gladiatorenkämpfe ausgetragen wurden499. Pausanias beschreibt diesen Bau zwar als Theater500, dem zu ergänzenden ellipsenförmigen Grundriss nach ähnelt es aber eher einem Stadion. Bereits 1980 wurden die

ausgegrabenen Reste von I. A. Papapostolou als ein Amphitheater angesprochen501, einige jüngere Deutungsversuche folgen ihm darin502. Die jüngsten Funde, die unter den erhaltenen Überwölbungen lagen, datieren laut dem Ausgräber zwischen 50-60 n. Chr. Im römischen Griechenland sind Amphitheater eine Rarität503. Sie konnten bisher nur in Korinth, Messene, Dyrrachium (Macedonia) und eventuell auch in Patras nachgewiesen werden504. Das sog. Stadion-Theater in Patras war eine

architektonische Verbindung von einem griechischen Stadion mit einem römischen Amphitheater, welches dementsprechend mit multifunktionaler Bedeutung versehen war. Dieser Architekturtyp ist häufig in Kleinasien vertreten und findet zu Beginn der Kaiserzeit seine Verbreitung in Griechenland, jedoch in weitaus geringerem Maße505. Auf der Römischen Peloponnes sind Tierhetzen und Gladiatorenspiele (munera gladiatoria) in Patras, Korinth, Argos, Sparta und Messene nachweisbar506. Kaiser Nero besuchte während seiner Griechenlandreise auch Patras und wurde auf Münzen als Befreier und Gründer der Stadt gefeiert. Ihm zu Ehren wurde die Stadt in Neronia Patrensis umbenannt und der Kaiser mit Zeus gleichgesetzt507. Eine

499 Petropoulos 2009, 71 Fig. 14; Di Napoli 2010, 259; Rizakis 2010, 136-138.

500 Paus. 7, 20, 9; 21, 6.

501 I. A. Papapostolou, ADelt 35, 1980, Chron. B1, 185 Fig. 10-11 Taf. 81.

502 Zur Rekonstruktion s. Petropulos 2009, 71 Fig. 14, 73 Fig. 16; vgl. Rizakis 2010, 139.

503 Zu Amphitheater allg. s. zuletzt Welch 2007; zu Amphitheater der Römischen Peloponnes s. Di Napoli 2010, 258f.; Di Napoli 2013.

504 Di Napoli 2010, 258 mit Anm. 37 zu den Amphitheater von Korinth und Dyrrachium; die Reste in Patras hält sie nicht für ein Amphitheater (mündlicher Hinweis); zu Korinth s. auch das Corinth Computer Project <http://corinth.sas.upenn.edu/gisamphitheater.html> (13.03.2016); Camia 2011, 124.

505 Zu römischen Amphitheater in Kleinasien s. Golvin 1988, 239-249.

506 Rizakis – Petropoulos 2005, 43; Camia – Kantiréa 2010, 388; Di Napoli 2010, 259 Anm. 45.

507 Halfmann 1986, 173, 177.

wahrscheinlich korinthische Prägung des Jahres 66/67 n. Chr., ein Areus, zeigt das bekränzte Porträt des Nero auf dem Avers und auf dem Revers einen trohnenden Iuppiter mit der Umschrift IUPPITER LIBERATOR, was mit Zeus Eleutherios gleichbedeutend ist508.

Wie in Athen wurden in Patras alte traditionelle Kulte überführt und mit dem Kaiserkult verbunden. Mehr Parallelen lassen sich jedoch zur römischen Kolonie Korinth aufzeigen. Zum einen gibt es hier wie dort Neusiedler aus Italien, zum anderen Eingriffe in die Stadtplanung. Erwähnenswert ist noch, dass es sich bei den Änderungen in Patras um direkte Anordnungen des Kaisers handelte.