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Die Stadt Eretria liegt an der Südwestküste der Insel Euböa, südlich von Chalkis und gegenüber dem festländischen Oropos. Nachdem Eretria seit Philipp II. unter

makedonischer Vorherrschaft stand, wurde es im 2. Makedonischen Krieg 198 v.

Chr. durch die römischen Truppen unter der Führung des L. Quinctius Flamininus zerstört oder zumindest geplündert679. Erneute Einbußen erlitt Eretria 86 v. Chr.

unter L. Cornelius Sulla680. Nachdem die Stadt um 42 v. Chr. unter der Vorherrschaft Athens durch den Triumvir M. Antonius stand, muss es ihr wie ein Befreiungsschlag vorgekommen sein, als sie 21 v. Chr. durch Kaiser Augustus ihre Autonomie

677 Kantiréa 2007, 229 Nr. 51.

678 Kantiréa 2007, 132; Camia – Kantiréa 2010, 385.

679 Liv. 32, 16, 10-11; Eretria 2004, 46f.

680 Schmid 2000.

zurückgewann und von etlichen Steuerlasten befreit wurde, um sich wirtschaftlich zu erholen681.

Die Ausgrabungen der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland (ESAG), insbesondere in den Jahren 1996 und 2001 unter der Leitung von S. G.

Schmid, brachten neue Erkenntnisse zur Besiedlung der Stadt in der römischen Epoche682. Die aktuellen Grabungen untersuchen das Zentrum der römischen Stadt unterhalb der Akropolis und deckten in den vergangenen Kampagnen v.a.

Strukturen römischer Bäder mit Mosaiken auf683.

An der Kreuzung der beiden Hauptachsen Eretrias, der Ost-West (cardo maximus) und der Nord-Süd Strasse (decumanus maximus) (Abb. 54), liegt das als Sebasteion angesprochene Gebäude, welches 1999 ausgegraben wurde (Kat. B 2; Abb. 55-56)684. Der Bau mit rechteckigem Grundriss besteht lediglich aus einer Cella und einem Pronaos. Das Gebäude hatte zwei Bauphasen: die erste Phase umfasst einen rechteckigen Raum aus hellenistischer Zeit, dessen Fundamentblöcke (6,4 x 8,1 m) erhalten sind. Seine ursprüngliche Funktion ist nicht ganz eindeutig, möglich wäre eine kultische Verehrung eines hellenistischen Herrschers, wie Demetrios Poliorketes oder eines anderen Antigoniden685. In der zweiten Bauphase zu Beginn der

römischen Kaiserzeit wurde der bestehende Raum um einen Hauptraum (7,7 x 12,7 m) erweitert. Von den Langseiten des Tempels laufen je zwei niedrige Mauern weg, die eine Platzanlage gebildet haben könnten. Insgesamt haben sich nur wenige Bauglieder vom Tempel selbst erhalten, was eine Rekonstruktion erschwert686. Das hellenistische Gebäude und der nördliche Anbau sind aus verschiedenen Bauweisen und Materialien entstanden. So wurden für den Anbau größtenteils Spolien

verwendet. In der Cella des Baus befinden sich an der Nordwand mehrere aneinandergereihte Blöcke, die eine Statuenbasis aus dunkelgrauem Kalkstein

681 App. civ. 5, 7; Cass. Dio 54, 7, 2; Strauch 1996, 79-80; Eretria 2004, 49.

682 Schmid 1997-98; 1999; 1999a; 2001; 2001a.

683 Reber 2011, Taf. 24-25; zuletzt Bericht in: AntK 55, 2012, 138-151.

684 Die Endpublikation zum Sebasteion wird von V. Di Napoli und S. G. Schmid vorbereitet.

685 Schmid 2001, 117 mit Anm. 11; Camia 2011, 227.

686 Schmid 2001, 136 Fig. 44 (Mauer); Fig. 45 (Rekonstruktionszeichnung); vgl. Eretria 2004, 217.

gebildet haben. Auffällig ist hierbei, dass sich die rechteckige Basis nicht zentriert an der Rückwand befindet, sondern leicht nach Westen versetzt sich den

anschließenden Steinen anpasst. Damit wird erklärt, dass sich darunter eine axial liegende ältere Basis befindet. Entlang der Ostwand formen in einer zweiten Phase weitere Blöcke eine halbrunde Verlängerung der Basis, die durch ergänzende

rechteckige Sockel abgeschlossen wird. Im Westbereich der Cella existieren ebenfalls Basen, wovon sich heute noch eine am Ort befindet. Unter den Basen ist eine

chronologische Abfolge erkennbar, dabei ist die an der Rückwand befindliche die älteste, was auch ihre asymmetrische Position erklären würde, gefolgt von der halbrunden und schließlich derjenigen im Westbereich des Raumes687. Bei den Ausgrabungen traten um die 900 kleinteilige Marmorfragmente von Statuen zutage, die zu drei lebensgroßen und vier überlebensgroßen Statuen gehört haben688.

Verschieden dekorierte Brustpanzerstücke aus pentelischem Marmor kamen außerdem zum Vorschein. Ein Fragment stammt von einer überlebensgroßen

frühkaiserzeitlichen Statue und zeigt militärische Insignien sowie ein Blitzbündel auf der rechten Schulterklappe689. Ein anderes Fragment wird ebenfalls von einem

Blitzbündel auf der rechten Schulterpartie verziert690. Beide Teile sind zudem von planzlicher Ornamentik geschmückt. Auf eine Panzertypologie, mit einem

Schwerpunkt auf militärischen Darstellungen, verweisen noch weitere

ikonographische Indizien wie ein Greif, ein Gorgoneion, ein Ammonskopf oder auch Fragmente von calcei senatorii691. Neben den Fragmenten von Statuen gibt es

Bruchstücke von diversen Basen und griechischen Inschriften. Aus den gefundenen Stücken ließen sich wohl bis zu vier Panzerstatuen rekonstruieren, bisher (Stand 2001) allerdings gibt es keine eindeutigen Hinweise auf weibliche Statuen. Sechs Skulpturen könnten in der Cella auf den Basen entlang der Nord- und Ostseite und

687 Schmid 2001, 115 Fig. 2 (Steinplan); 121f. (zu den Phasen) Fig. 7-12.

688 Schmid 2001, 123f.

689 Schmid 2001, 124 Nr. 14; Dubosson 2010, 248 Nr. 255.

690 Schmid 2001, 124 Nr. 17; Dubosson 2010, 248 Nr. 256.

691 Schmid 2001, 126 Nr. 23-28, 128 Nr. 30; zu calcei von Panzerstatuen s. Hitzl 1991, 61 mit Anm. 314.

eine siebente außerhalb des Tempels auf einer axialen Basis gestanden haben692. Die Statuenbasen und nicht zuletzt die zahlreichen Marmorfragmente machen die Annahme wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Bau um einen für den Kaiserkult bestimmten Tempel handelt. Die Skulpturenausstattung lässt den Vergleich zum kaiserzeitlichen Metroon in Olympia zu, in dem es mehrere Phasen der

Kaiserverehrung gab693. Dieser Tempel für den lokalen Kaiserkult in Eretria wird um 20 v. Chr. angesetzt694. Plausibel erscheint das Datum zum einen durch die oben genannte Befreiung Eretrias von Steuerlasten durch Augustus, womit der Bau ein Zeichen der Dankbarkeit an den Princeps setzt. Zum anderen läge bei der

traditionellen Datierung des Roma-Augustus-Monopteros (20/19 v. Chr.), wo der Kaiser als Soter verehrt wurde, auf der Athener Akropolis die zeitliche Verbindung nahe695. Die Rückgabe der Partherfeldzeichen durch Augustus im Jahr 20 v. Chr.

könnte ein zusätzlicher Anlass für die Verehrung gewesen sein. Das Sebasteion in Eretria bestand einige Jahrhunderte, bis es im 4. oder 5. Jh. n. Chr. zerstört worden ist. In dem beim Handwerkerviertel gelegenem Kalkbrennofen696 aus dem 2./3. Jh. n.

Chr. westlich vom Sebasteion wurden vermutlich große Teile der Mamorskulpturen verbrannt.

3.8 Zusammenfassung

Nach dem Ende des Achaischen Krieges 146 v. Chr. kamen die griechischen Städte unter römische Herrschaft. Seit 27 v. Chr. waren sie in der römischen Provinz Achaia in einer Verwaltungseinheit zusammengefasst und unterstanden direkt dem Kaiser Augustus. In Athen ist der Kaiserkult seit dem Bau des Roma-Augustus-Monopteros (27 – 18 v. Chr.) auf der Akropolis belegt (Kat. A 1). In Athen existierten mehrere

692 Schmid 2001, 130-133, 134 (zur Basis vor dem Tempel).

693 s. Kap. 3.3.

694 Schmid 2001, 138.

695 IG II2 3173 = Kat. A 1; s. Kap. 3.1.1.

696 E/600 NW: s. Reber 2011, 136 Fig. 4; zu diesem Quartier s. Schmid 1999, 275-284; Eretria 2004, 218f.

Zentren für die Kaiserverehrung (Akropolis, Agora, Theater) und es sind mindestens zwei Priestertümer des Kaiserkultes belegt.

In der römischen Kolonie von Korinth war ein Ort für den Kaiserkult möglicherweise der archaische Apollontempel, welcher einen Kult für den

vergöttlichten Caesar und folgend für die Gens Iulia beherbergt haben könnte697. Des Weiteren könnten die um das Forum gelagertern Bauten, die iulisch-claudische Basilika sowie der Tempel E, Orte des Kaiserkultes gewesen sein.

In Patras war der Kult des Augustus mit dem der Stadtgöttin Artemis Laphria

verbunden. Der Import dieses traditionellen Kultes geht in dem Fall auf die Initiative des Augustus selbst zurück. Der Name der Göttin wurde latinisiert und sie erhielt das Epitheton Augusta. Eine Inschrift698 belegt die gemeinsame Priesterin der Diana Augusta Laphria und des Augustus, eine andere Inschrift (Kat. A 30) flavischer Zeit bezeugt ein aedes Augustalium. Durch Baustrukturen kann der Kaiserkult jedoch nicht nachgewiesen werden. Hypothetisch bleibt sowohl in Patras, als auch in Korinth ein Tempel für die Kapitolinische Trias.

In Dyme sind es vor allem zwei private Stiftungen, die den Kaiserkult nachweisen:

zum einen durch die Priesterin des Augustus, die eine Stele zu Ehren der Venus Augusta errichten ließ (Kat. A 31) und zum anderen ist es die Stiftung einer Statue des Octavian699.

In Olympia war der Hauptort des Kaiserkultes im Metroon angesiedelt (Kat. A 32).

Der Tempel in der Altis wurde eigens dafür umgewidmet und das Amt des

Kaiserpriesters, der meist der lokalen Oberschicht entstammte, eingerichtet. Olympia ist ein Beispiel für die Orte, die freie Entscheidungsgewalt über die Einrichtung eines Kultes innehatten, während für den provinzialen Kaiserkult zunächst eine

gemeinsame Verehrung für Roma und Augustus verbindlich war. Die Träger des Kaiserkults im olympischen Heiligtum waren aber die Eleer, die auch die

Kaiserpriester stellten und die Verwaltung des Zeusheiligtums leiteten. Sie

697 Hoskins Walbank 1996, 213.

698 CIL III 510 = AE 1979, 584.

699 CIL III 7255.

übernahmen die Finanzierung für die Renovierung des Metroons. Auch der Achaierbund agierte, indem er, genau wie die Eleer, Statuen für das Kaiserhaus errichten ließ (Kat. A 33). Die Eleer übernahmen hohe Ämter im Achaischen Koinon und konnten beträchtliche Karrierelaufbahnen einschlagen, wie z.B. der römische Ritter L. Vettulenus Laetus.

Nicht nur in Olympia (Kat. B 6), sondern auch in Elis existierte ein Sebasteion für die Kaiser (Kat. B 5), allerdings war es hier ein römischer Neubau des 1. Jhs. n. Chr. In Elis lag es laut der literarischen Überlieferung durch Pausanias700 an der Agora. Die bei den Ausgrabungen geborgenen Porträtköpfe des Kaisers Nero und des

Germanicus beweisen, dass es sich bei diesem römischen Tempel um ein Sebasteion gehandelt hat.

Ganz sicher epigraphisch sowie archäologisch nachgewiesen ist ein solches

Sebasteion nur in Messene (Kat. B 1). Dort ist der Kaiserkult durch zwei Inschriften in situ nachgewiesen (Kat. A 34; 39) und wurde sehr wahrscheinlich bereits um 15/14 v. Chr. eingerichtet701. Hier erfolgte die Einführung des neuen Herrscherkultes durch die Integration in ein bereits bestehendes Heiligtum. Messene und Gytheion sind bisher die einzigen Städte in der Provinz Achaia, wo ein Sebasteion in augusteischer Zeit epigraphisch nachgewiesen wurde. In Gytheion ist es allerdings nur

epigraphisch und nicht archäologisch belegt.

Eine der bedeutensten Quellen zum Kaiserkult, der ‚hieros nomos’ (Kat. A 36), stammt aus der lakonischen Hafenstadt. Es überliefert eine ausführliche Beschreibung der Prozession während des Kaiserfestes. Dabei ist das charakteristische Ritual des Kaiserkults das Tragen der Kaiserbilder während des Festumzugs vom Asklepieion ins Theater der Stadt. Hier war es die freie Polis selbst, die aktiv wurde und die Kaisareia organisierte.

Sparta in Lakonien besaß laut der literarischen Quelle702 gleich zwei

Kaiserkulttempel, hinzu kommen kaiserzeitliche Altäre und Statuenbasen, die

700 Paus. 6, 24, 10.

701 Migeotte 1985, 597-607; Deshours 2004, 124.

702 Paus. 3, 11, 4.

Hinweise auf eine Kultaktivität geben. Neben der Agora finden sich spätere Zeugnisse für den Kaiserkult auch im Theater. Für Sparta ist ein Bestehen des Kaiserkultes durch die epigraphischen Zeugnisse bis in das 3. Jh. n. Chr. bezeugt.

Im Zentrum der provinzialen Stadt Eretria war ein Tempel den römischen Kaisern geweiht und wurde wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jh. v. Chr. errichtet (Kat. B 2).

Wie andernorts, beispielsweise in Elis, Messene oder Sparta, war auch hier der Kaiserkultbau nahe der Agora gelegen. Fragmente der Skulpturenausstattung haben sich erhalten.

Für die untersuchten Orte in der Provinz Achaia ist für die Kaisareia bzw. Sebasteia folgendes festzuhalten: Archäologisch lässt sich an vier Plätzen ein Kaiserkulttempel nachweisen (Olympia, Elis, Messene, Eretria). Davon sind zwei Tempel römische Neubauten (Elis, Eretria) und die zwei anderen sind in ältere Heiligtümer integriert.

Epigraphisch sind Sebasteia für Messene und Gytheion gesichert und literarisch außerdem für Olympia, Elis und Sparta. Bereits in augusteischer Zeit, spätestens aber zu Beginn tiberischer Regierungszeit lässt sich die Einführung des Kaiserkultes in diesen Städten beobachten. Aus Motiven der Dankbarkeit und Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus war mit der Verehrung oftmals ein Großteil der domus Augusta angesprochen. Die Einrichtung und Ausbreitung des Kaiserkultes in der Provinz Achaia stützte sich zum einen auf bereits vorhandene religiöse Traditionen und zum anderen auf die administrative und politische Organisation der einzelnen Städte, die wiederum stark von den lokalen griechischen Eliten und dynastischen Familien, z. B.

die C. Iulii Eurykles, geprägt waren703. Sie übernahmen die Priesterämter und kümmerten sich um die Organisation und Finanzierung der Kaiserfeste und Spiele;

sie veranlassten die Errichtung von Statuen und Altären zu Ehren der Kaiser oder auch die Umbauten von Tempeln und Gebäuden sakralen Charakters.

703 Vgl. Alcock 1993, 77f.; zu den Eurykliden: Balzat 2008.

4 Epirus

Die nordgriechische Provinz Epirus umfasste sowohl das heutige

Nordwestgriechenland (u.a. Akarnanien) mitsamt den vorgelagerten Ionischen Inseln, als auch den Süden des heutigen Albanien. Nach der Reorganisation der Provinzen durch Kaiser Augustus 27 v. Chr. wurde Epirus aufgeteilt: nördlich von Orikos gehörte Epirus zur Provinz Macedonia, während der Süden an Achaia angegliedert wurde704. Der Fluss Acheloos bildete im Südosten die Grenze zwischen beiden Provinzen (Abb. 57). Eventuell schon unter Kaiser Nero, spätestens aber unter Traian, wurde Epirus eine selbständige Provinz mit der Hauptstadt Nikopolis und einem zuständigen Prokurator705.