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Friederike Seyfried

ABB. 1 Die Ruinen von Amarna nach der Auf-nahme durch die Ingenieure undsavants der Ägypten-Expedition Napoleon Bonapartes. Im Plan sind links von der Mitte der Kleine Aton-Tempel und westlich davon die „Krönungshalle“

deutlich zu erkennen.

Die zu Recht als spektakulär bezeichneten Funde und Ergebnisse der Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft aus den Jahren 1911–1914 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Unternehmungen nur einen winzigen Bruchteil der Grabungsgeschichte des Ortes „Tell el-Amarna“

ausmachen. Verglichen mit den Aktivitäten der verschiedenen britischen Unternehmungen be-legen die deutschen Kampagnen nur ein recht bescheidenes Zeitfenster – ein Umstand, der al-lerdings direkt mit dem verheerenden deutschen Kriegsverschulden des 20. Jahrhunderts zu-sammenhängt. Der folgende, kurze Abriss der Erforschungsgeschichte1von Tell el-Amarna bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges möchte insbesondere darlegen, dass der Ausgrabungsort längst kein „unbedeutender Fundort“ mehr war, als Borchardt seine Unternehmungen startete, sondern bereits damals eine begehrte – und gerade deshalb ausgewählte – Ausgrabungsstätte darstellte.2

ABB. 2 Plan der Ruinen von Amarna nach der Aufnahme durch die königlich-preußische Expedition. Publiziert in Lepsius: Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien.

FRIEDERIKE SEYFRIED

Die Kenntnis der Ruinen der antiken Stadt Achet-Aton, die sich von Nord nach Süd entlang der modernen arabischen Dörfer el-Till, el-Hagg Quandil, el-Amariya und el-Hawata im östlichen Wüstensand abzeichnen und deren summarische Zusammensetzung ein fälschliches „Tell el-Amarna“3und noch verkürzter „Amarna“ entstehen ließen, geht bis an den Beginn des 18. Jahr-hunderts zurück. So findet man die erste Erwähnung der Grenzstele A, die sich auf der westlichen Nilseite bei Tuna el-Gebel befindet, bereits im Jahre 1714, als der Jesuitenpater Claude Sicard diesen Ort besuchte und beschrieb. Weitere Reisende, so Frederic L. Norden und Charles Perry, durchstreiften die Gegend in den Jahren 1738 und 1741, hinterließen aber keine wissenschaftlichen Aufzeichnungen in größerem Umfange. Dies blieb der herausragenden Pionierarbeit der Mitglieder der Napoleonischen Expedition von 1798/99, namentlich Edmé François Jomard, überlassen, der sich von den erhaltenen Ziegelstrukturen der Stadtanlagen beeindruckt zeigte und bereits die einzelnen großen Häuser, die Tempelanlagen sowie die große Hauptstraße durch die Stadt

ABB. 3 Ausschnitt aus den nicht mehr erhalte-nen Wandgemälden der Ägyptischen Abteilung im Neuen Museum. Ehemals Historischer Saal, Ostwand. Lithographie von E. Weidenbach.

erkannte und beschrieb. Auch der erste gedruckte Plan der Stadtruinen geht auf die Ägyptenex-pedition Napoleon Bonapartes zurück und findet sich in der Description de l’Égypte mit erstaunlich detailgenauen Einzelheiten (Abb. 1).

Nach der kurzen französischen Visite sollten etwas mehr als zwei Jahrzehnte ins Land zie-hen, bis die Gegend um Tell el-Amarna erneut im Interesse eines intensiveren wissenschaftlichen Besuches stand. Einer der ersten britischen Ägyptologen, John Gardner Wilkinson, entdeckte 1824 die Felsgräber am östlichen Gebirgsrand und widmete diesen bei seinem zweiten Besuch im Jahre 1826 – zusammen mit James Burton – seine besondere Aufmerksamkeit, indem er erste Abklatsche von den Darstellungen anfertigte und diese Aufzeichnungen in sein berühmtes Werk „Manners and Customs“4einfließen ließ. Zum ersten Mal gelangte nun Kenntnis der un-gewöhnlichen Darstellungskonventionen der Amarna-Zeit nach Europa und inspirierte die noch überschaubare Zahl an Experten der gerade im Entstehen begriffenen Disziplin der Ägyptologie als Wissenschaft. Es folgten Besuche von Robert Hay, der 1827 eine Grenzstele zeichnete, sowie 1828 von Jean-François Champollion, der in den Ruinen der Stadt den Großen Aton-Tempel ausmachen konnte. 1830–1833 kehrte Robert Hay mit einer Expedition erneut nach Amarna zurück und widmete sich der Freilegung der Gräber des Schatzmeisters und Harims-Verwalters Meri-Re und desjenigen des Bürgermeisters der Stadt, Nefer-cheperu-her-se-cheper. Im Jahr 1839 folgte eine Visite des französischen Zeichners und Archäologen Nestor L’Hôte, der nicht nur die Stadt, sondern auch die Grabanlagen aufsuchte.

Der maßgebliche Durchbruch in der wissenschaftlichen Einschätzung der Amarna-Zeit gelang allerdings erst der von Carl Richard Lepsius geleiteten königlich-preußischen Expedition, die in ihrem ersten Jahr, d. h. 1843, auf ihrem Weg nach Süden und nach Nubien zunächst nur drei Tage Station an diesem Ort machte und erste Gipsabgüsse und Zeichnungen anfertigte. Auf der Rückreise, im Jahr 1845, besuchte Lepsius die Ruinen und Gräber von Tell el-Amarna ein zweites Mal für insge-samt neun Tage. In dieser Zeit entstand auch eine neue Karte der Stadt, die erheblich genauer be-schaffen war als die erste der napoleonischen Expedition (vgl. Abb. 2). Zu den grundlegenden Er-kenntnissen von Richard Lepsius gehörten die Identifizierung von Echnaton mit Amenophis IV. und die eindeutige Benennung des Aton-Kultes als eine nahezu monotheistische, vom Herrscher ver-ordnete Religion. Außerdem konnte er die spätere gezielte Verfolgung und Ächtung dieser Zeit durch die offensichtlichen Aushackungen und Zerstörungen der Namen des Pharao und seiner Nachfolger Semenchkare, Tutanchamun und Eje nachweisen.

Die besondere Faszination, die diese Epoche auf Lepsius ausübte, spiegelte sich auch darin wider, dass er bei der Ausgestaltung des Neuen Museums sowohl im Historischen als auch im My-thologischen Saal mehrfach Szenen aus Amarna abbilden ließ (Abb. 3) und diese mit eindrücklichen Worten im Hinblick auf die Wertung der Sonnentheologie schilderte: „Schon als Prinz scheint er ein

ABB. 4 Umzeichnung aus dem Grab des Mahu:

Echnaton und Nofretete im Streitwagen unter-halb des Strahlenaton

FRIEDERIKE SEYFRIED

Priester der Sonne gewesen zu sein; […] Als solcher beschloß er den Kult der Sonne in ihrer einfachsten Form über alle anderen Kulte zu stellen, welche in der ägyptischen Religion im Laufe der Zeiten von jenem abgeleitet waren. Bald aber ging er so weit, wahrscheinlich durch den Widerstand der Hierarchie dazu gebracht, den Dienst aller übrigen Götter im ganzen Lande abzuschaffen und selbst die Namen derselben, wo sie zum Vorschein kamen, und ihre Bilder zu vernichten. Seinen eigenen Namen Ame-nophis (Amenhotep), welcher den Namen des vor allen verfolgten Amon enthielt, gab er auf und ließ ihn überall, wo er aus den ersten Regierungsjahren schon auf Denkmälern eingegraben war, in den des Chu en aten, d. i. ‚Verehrer des Sonnendiskus‘, verändern. Er verließ auch die bisherige Residenz Theben und baute sich eine neue nördlichere in der Thalbucht am östlichen Nilufer, die jetzt El-Amarna heißt.“5Die von Lepsius herausgestellten Besonderheiten ließen Heinrich Brugsch im Jahr 1859 zum ersten Mal von einer „religiösen Revolution“ sprechen. Welche Bedeutung die akribische Dokumentation der preußischen Expedition noch heute für die Wissenschaft hat, mag anhand der in der Ausstellung gezeigten Abgüsse des Königspaares von der Grenzstele „N“ illustriert werden, die heute – aufgrund der modernen Beraubung durch Kunstdiebe – bedauernswerterweise nicht mehr erhalten sind. (Abb. 5)

Nach der preußischen Expedition von 1843 bis 1845 kehrte für längere Zeit Ruhe in Achet-Aton ein, bis sich zwischen 1881 und 1884 tatsächlich Grabungsaktivitäten in Tell el-Amarna entwi-ckelten. Die Franzosen Gaston Maspero und Urbain Bouriant begannen mit der systematischen Freilegung von 40 Felsgräbern und ihrer zeichnerischen Dokumentation, die in einer bedeutenden Publikation im Jahre 1903 vorgelegt wurde (Abb. 4). In diesem Zeitraum – in den Jahren 1881/82 – wurde auch das Königsgrab durch einheimische Bewohner entdeckt und zunächst geheim gehalten, um die Veräußerung der Funde als lukrative Einnahmequelle nicht zu gefährden.6Erst in den Jahren 1891/92 wurde das Grab offiziell durch den italienischen Ausgräber Alessandro Barsanti aufgenom-men. Weitere Dokumentationen der Darstellungen aus dem Königsgrab erfolgten ein Jahr später durch den jungen talentierten Zeichner und angehenden Archäologen Howard Carter, der im Jahre 1922 durch die Entdeckung des Grabes des Tutanchamun Weltruhm erlangen sollte. Während der bereits erwähnten Arbeiten von Maspero und Bouriant an den Felsgräbern entdeckte Letzterer 1883/84 den großen Aton-Hymnus im Grab des Eje, dessen Bedeutung jedoch erst 1895 durch die

ABB. 5 Gipsabgüsse der Grenzstele „N“. Darstellung des Echnaton, der Nofretete und einer Prinzessin

ABB. 6 Das rechte Statuenpaar neben der Grenzstele „N“ mit den vorübergehend wieder angesetzten Köpfen des Königspaares FRIEDERIKE SEYFRIED

wissenschaftliche Bearbeitung in der Dissertation des amerikanischen Ägyptologen James Henry Breasted in größerem Rahmen publik wurde.

Im Jahr 1887 wurden rein zufällig die ersten Tontäfelchen der be-rühmten Keilschriftkorrespondenz zwischen dem Hof von Amarna und den vorderasiatischen Fürstenhäusern von einer einheimischen Bäuerin entdeckt, als diese ungebranntes Lehmziegelmaterial aus den Ruinen der Stadt für ihre Feldbestellung abtrug.

Nicht nur die Kenntnis von den ersten Keilschriftfunden im Stadt-bereich, sondern das Interesse an der gesamten Tempel-, Stadt- und Wohnstruktur bewog den Egypt Exploration Fund, die Vorläuferinstitution der Egypt Exploration Society, dazu, 1891/92 Grabungen unter der Leitung von William Matthew Flinders Petrie und seinem Assistenten Howard Carter aufzunehmen. Petrie unternahm verschiedene Sondage-Grabungen in ausgewählten Abschnitten des Stadtareals und identifizierte dabei die wichtigsten Palast- und Tempelbauten sowie die ausgedehnten Wohn-bereiche, die Werkstätten und die angrenzenden Abfallhalden. Zu den bedeutendsten Funden jener Grabungen gehörte neben der Bergung der Keilschriftkorrespondenz aus dem namentlich so benannten „Staatsar-chiv“ der Residenz die Entdeckung bezaubernder Malereien aus der kö-niglichen Residenz mit der Darstellung der Prinzessinnen zu Füßen des Königspaares, die sich heute im Ashmolean Museum in Oxford befinden.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war Tell el-Amarna zu einer der interes-santesten Ausgrabungsstätten in Ägypten geworden.

Im Zuge dieses stetigen Popularitätsgewinns begann Alessandro Barsanti 1896 im Auftrag des Service du Antiquités mit Grabungen im so genannten Meru-Aton, einer königlichen Garten- und Kultanlage im Süden der Stadt, aus der die meisten der weltbekannten bemalten Fußboden-fresken (vgl. Berlin, ÄM 15335) stammen.7Auch das mittlerweile in Berlin ins Leben gerufene „Wör-terbuchprojekt“, das bis heute an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft seinen Arbeitssitz hat, widmete sich den interessanten und neu zu erschließenden Textkorpora in Tell el-Amarna. Im Rahmen dieser Bemühungen gelangte auch Ludwig Borchardt zum ersten Mal zwischen dem 11. und 20. November 1899 nach Tell el-Amarna und zwar in Begleitung seines Leipziger Ägyp-tologiekollegen und engen Freundes Georg Steindorff. Beide kollationierten, verglichen und ver-besserten die bereits an verschiedenen Orten publizierten Inschriften, wobei ihr besonderes Au-genmerk den Grenzstelen galt. Bei der Entfernung des hoch angewehten Flugsandes um das Areal der Grenzstele „N“ gelang ihnen die Bergung der Köpfe des Königspaares von der dazugehörigen Statuengruppe, welche beide – nach Genehmigung durch den Service des Antiquités – nach Berlin und Leipzig verbracht werden durften (Abb. 6).

Während die Veröffentlichung des Königsgrabes durch Urbain Bouriant, Georges Legrain und Gustave Jéquier im Jahr 1903 erschien, unterzog ein Schüler Petries, der Ägyptologe und begabte Zeichner Norman de Garis Davies, zwischen 1901 und 1907 die Privatgräber einer erneuten zeichne-rischen Aufnahme, da die ältere Dokumentation Bouriants den gestiegenen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügen konnte. Mit der Veröffentlichung dieser Arbeiten in den sechs Bänden „The Rock Tombs of el-Amarna“ setzte Davies neue Maßstäbe, die bis heute die Grundlage für die ägyptologische Auseinandersetzung mit den Inhalten dieser Grabdekorationen bilden.

1 Die hier wiedergegebenen Ausführungen beziehen sich ins-besondere auf die entsprechenden Kapitel in: C. Tietze (Hrsg.): Amarna. Lebensräume – Lebensbilder – Weltbilder, Ausstellungskatalog Köln 2010, S. 36 f., und in: N. Reeves:

Echnaton. Ägyptens falscher Prophet, Mainz 2002, S. 16–17;

sowie den Eintrag im Lexikon der Ägyptologie, LÄ, Bd. VI (1986), von B. J. Kemp, Stichwort: Tell el-Amarna, Sp. 309–

319.

2 Einzelheiten zu den Borchardtschen Grabungen werden im Beitrag von Klaus Finneiser in diesem Katalog dargelegt.

3 Aus „el-Till“ wurde „Tell“, während der Bestandteil „Amarna“

auf den Namen eines Beduinenstammes „Beni Amran“ zu-rückgeht. Vgl. hierzu u. a. N. Reeves: Echnaton. Ägyptens falscher Prophet, Mainz 2002, S. 15.

4 J. G. Wilkinson: Manners and Customs of the Ancient Egyp-tians, London 1837.

5 R. Lepsius: Beschreibung der Wandgemälde in der Aegypti-schen Abteilung, Berlin 1886, S. 22.

6 Einige der bedeutenden Funde befinden sich heute in Liver-pool und Edinburgh, so z. B. ein goldener Ring mit dem Na-men Nofretetes.

7 Der größte rekonstruierbare Teil befindet sich heute im Ägyp-tischen Museum in Kairo im zentralen Mittelbau, während einzelne Fragmente in zahlreichen Museen der Welt zu sehen sind. Für Berlin vgl. Priese (Hrsg.): Ägyptisches Museum, Mainz 1991, Kat.-Nr. 78.

Im Jahr 1907 kehrte auch Ludwig Borchardt wieder nach Tell el-Amarna zurück, um in einer Art

„Vorkampagne“ das Areal beiderseits des Nil nach viel versprechenden Grabungsplätzen zu sondieren.

Die meisten Funde dieser ersten Grabungssaison, die später nach Berlin ausgeführt werden durften, stammen von Probegrabungen auf dem Westufer und datieren in die ptolemäisch-römische Epoche.

Während Borchardt nach seinen ersten Grabungserfolgen – und auch aufgrund seiner dort vollzo-genen Kunstankäufe – künftige Grabungen in Tell el-Amarna für das Berliner Museum für angebracht hielt und diese über die Deutsche Orient-Gesellschaft organisatorisch vorbereitete, erschien 1910 die erste Monographie über Echnaton von dem englischen Ägyptologen Arthur Weigall.

Betrachtet man die vielfältigen internationalen wissenschaftlichen Aktivitäten, die sich bis zu diesem Zeitpunkt im Gebiet von Tell el-Amarna ereignet hatten, so kann man zweifelsfrei kon-statieren, dass Borchardts Bestrebungen und die Ambitionen der Deutschen Orient-Gesellschaft im Trend der Zeit lagen. Welche internationale Bedeutung die nun folgenden drei Feldkampagnen zwischen 1911 und 1914 erlangen sollten, konnte man zu Beginn der Unternehmungen keineswegs erahnen. Nach einer präzisen Rasterkartierung des Stadbezirkes, dessen Einteilung in große 200 x 200 m Planquadrate bis heute Gültigkeit für die Benennung der freigelegten Gebäude hat, kon-zentrierten sich die deutschen Ausgrabungstätigkeiten hauptsächlich auf die südlichen Bereiche des ehemaligen Stadtkerns. Daneben wurden aber auch umfangreiche Kartierungsarbeiten der antiken Wege und Routen innerhalb der gesamten Region unter Einbeziehung der angrenzenden Gebirgsregionen mit den Felsgräbern und den diversen Wüstentälern in Angriff genommen.

Zu den spektakulärsten Funden, denen sich auch die Sonderausstellung in besonderer Weise widmet, gehören sicherlich die vielfältigen Artefakte und Skulpturenfragmente aus den Bildhauerwerkstätten der Häuser P 41.1–3, zu denen auch die weltberühmte bemalte Büste der Königin zählt. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass auch weitere Keilschrifttäfelchen zu Beginn der Grabungen geborgen werden konnten und dass die Funde und Befunde der anderen Hauskomplexe wichtiges Material für unser heutiges Verständnis dieser antiken Residenzstadt geliefert haben. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges mussten die Grabungen der Deutschen Ori-ent-Gesellschaft zwangsläufig eingestellt werden und fanden damit ein nicht geplantes – von Borchardt stets bedauertes –, aber politisch eindeutig verschuldetes Ende ohne Fortsetzung.

Amarna hat, wie viele Ausgrabungsstätten, zwei Gesichter. Eines ist die äußere Struktur: der Aufbau und die Architektur des Ortes. Das andere ist der Inhalt: die in der Erde verborgenen Gegenstände und anderen Arten informativen Materials, die der Archäologe ausgräbt, um die Strukturen freizu-legen. Der erste Archäologe, der in Amarna tätig war (1891–1892), Flinders Petrie, hielt beides auf einfache Art und Weise für gleichwertig, wie seine Publikation zeigt. Sein Ziel, das er in einer einzigen Ausgrabungssaison von nicht viel mehr als vier Monaten umsetzte, bestand darin, die materielle Kultur der späten 18. Dynastie darzustellen, wobei auch die einzigartigen historischen Umstände unter der Herrschaft von Echnaton berücksichtigt wurden. Anschließend rückte bei der von Borchardt geleiteten Expedition die Struktur in den Vordergrund – Architektur und Aufbau, und die Expedition der Egyptian Exploration Society (EES), die darauf folgte (1921–1936), schloss sich dieser Strategie weitestgehend an. Die Archäologie von heute ist jedoch bestrebt, das ursprüngliche Gleichgewicht wiederherzustellen.

Die erste Kampagne der EES, die Anfang des Jahres 1921 begann und zwei Monate umfasste, wurde von T. E. Peet geleitet, der nicht nur ein Ägyptologe von Rang und Namen war, sondern auch Erfahrungen im Bereich der prähistorischen Archäologie in Italien hatte und sich mit archäologischen Methoden gut auskannte. Er formulierte bestimmte Forschungsfragen und folgte bei der Bearbeitung der Flächen in der Stadt ganz bewusst dem Plan von Borchardt. Zusammen mit seinem Nachfolger

TELL EL-AMARNA