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III WOHNWELTEN

DIE GRÜNDUNG DER STADT 1

Die Weitsicht der Stadtplanung wird an der Auswahl der Standorte für die Grenzstelen deutlich. Ihre Inschriften zeugen – im Gegensatz zu den Gründungslegenden von Rom und Athen – von einem tat-sächlichen Gründungsakt. Insgesamt 15 dieser Denkmäler wurden entdeckt. Ihre maximale Distanz von Osten nach Westen beträgt mehr als 30 km, von Norden nach Süden sind es etwa 15 km.

Die Stelen sind bis zu 10 m hoch. Sie wurden in den anstehenden Fels geschlagen, so dass eine kleine sich zur Ebene öffnende Plattform vor dem Denkmal entstand (Abb. 2). Rechts und links der Stelen stehen in der Regel Statuen des Königs und seiner Gemahlin, daneben die der beiden ältesten Töchter. In ihrem oberen halbrunden Abschluss zeigen die Stelen eine figürliche Darstellung als vertieftes Relief mit plastischer Ausarbeitung. Es stellt Echnaton und Nofretete unter der Strahlensonne dar. Hinter dem Königspaar erscheinen die Töchter mit dem Sistrum in der Hand. Die unteren zwei Drittel der Stele beinhalten den Gründungstext.

CHRISTIAN TIETZE

ABB. 2 Die Grenzstele „U“, deren Ursprung in das 6. Regierungsjahr Echnatons datiert, befin-det sich nordöstlich der Stadt (Aufnahme 2007).

Diese Texte müssen als Grün-dungsproklamation der Stadt verstan-den werverstan-den. Sie beginnen mit dem Gründungsdatum bzw. einem späteren Geburtstag der Stadt. Die ältesten vier Stelen markieren offenbar das zentrale Gebiet der Stadt und nennen als Datum den 13. Tag des 4. Monats der peret- Jah-reszeit (Aussaat) im 5. Regierungsjahr des Königs. In erzählender Form beto-nen sie die Bedeutung des Gründungs-akts, schildern das Programm für die Bauten und weisen gleichzeitig in die Zukunft.

Am Anfang steht der Lobpreis auf die göttliche Triade Aton, Echnaton und Nofretete. Es wird zuerst Aton genannt:

„Es lebe der gute Gott, der mit der Wahr-heit zufrieden ist, der Herr des Himmels und der Erde, die lebendige Sonne“.

Dann folgen drei der fünf Namen Ech-natons: der Horusname „Starker Stier, von Aton geliebt“, der Nebti-Name „Mit

großem Königtum in Achet-Aton“ und schließlich der Goldhorusname „Der den Namen des Aton erhebt“.

Es sind dies die neuen Namen, die Echnatons Programm prägten und die mit dem Umzug nach Achet-Aton gewählt wurden. An die Stelle der alten Hauptstadt Theben trat nun Achet-Aton und anstatt des thebanischen Stadtgottes Amun der neue Gott Aton. Echnaton selbst wurde als

„der gute Gott, der einzige des Re […] der das Land leitet für den, der ihn auf den Thron gesetzt hat […] beschenkt mit Leben für immer in unendlicher Dauer“ bezeichnet. Seine Gemahlin Nofretete wird als „die Schöne und Strahlende […] sie lebe für immer und dauernd“genannt.

Der Gründungstag der Stadt wird dann in erzählender Form geschildert: „Man war an diesem Tag in Achet-Aton. Seine Majestät erschien mit einem Pferdegespann, auf einem großen Wagen aus Elektron wie Aton, wenn er am Horizont aufgeht […] Man schlug den schönen Weg nach Achet-Aton ein, dem Platz der Schöpfung, den er (der König) ihm (dem Gott) bereitet hat.“ Es wird dann der göttliche Bezug von Aton und Echnaton hergestellt: „Sein Sohn, der Einzige des Re, hat ihm ein großes Denkmal gemacht, denn er hat ihm Achet-Aton gegründet.“ Anschließend wurden Opfer gebracht und es gab ein großes Fest. Danach ließ Echnaton die hohen Beamten rufen und verwies noch einmal darauf, dass dieser Ort für Aton „als Denkmal für seinen Namen für alle Zeit“geschaffen wurde.

Erst dann geht es in den Stelentexten um die materielle Bestimmung des Ortes. Für Echnaton gab es hier keine Alternative, denn es heißt: „ich baue Achet-Aton für meinen Vater Aton auf der Seite des Sonnenaufgangs von Achet-Aton, auf einer Stelle, welche er sich selbst bereitet hat und die für ihn durch Gebirge umrahmt ist. Er ist zufrieden mit ihr, und ich opfere ihm in ihr. Das ist sie (die richtige Stelle)!“

Dann folgt das Programm der Bauten:

„Ich baue den Großen Tempel für Aton, meinem Vater an dieser Stelle! Und ich baue den Kleinen Tempel für Aton, meinen Vater, in Achet-Aton an dieser Stelle!

Ich baue die Sonnenschatten(-Kapelle) für die große königliche Gemahlin dem Aton, meinem Vater, in Achet-Aton an dieser Stelle!

Ich baue einen Jubiläumstempel für Aton, meinen Vater, auf der Insel des Aton, (namens) ‚Die die Jubiläumsfeste emporhebt‘

In Achet-Aton an dieser Stelle!

Ich baue einen zweiten Jubiläumstempel für Aton, meinen Vater, der auf der Insel des Aton, (namens)

‚Die die Jubiläumsfeste emporhebt‘ in Achet-Aton an dieser Stelle!“

Es sind demnach fünf Tempel, die errichtet werden sollten. Die beiden zuerst genannten, den Großen und den Kleinen Aton-Tempel, kennen wir und können wir auch rekonstruieren, über die anderen Tempel können wir nur spekulieren.

Auch an die persönlichen Bedürfnisse Echnatons wurde gedacht: „Ich errichte mir Niederlas-sungen des Pharao, und ich baue einen Harem für die königliche Gemahlin in Achet-Aton an dieser Stelle!“Diese spärliche Information kann durch mehrere Paläste nachgewiesen werden, so durch den Großen – in Stein errichteten – Palast, den Nordpalast und einen großen Palast am Nordende der Stadt und durch das so genannte Haus des Königs.

Erst die Gräber nehmen wieder einen größeren Raum auf den Stelen ein. „Man baue mir ein Grab in dem Berg von Achet-Aton, wo die Sonne aufgeht […] Man bestatte darin (auch) nach Millionen von Jahren die große königliche Gemahlin […] und man bestatte darin nach Millionen von Jahren die königliche Tochter Meritaton.“Diese königlichen Gräber wurden in einem Tal östlich von Amarna angelegt. Dort war offenbar ein neues „Tal der Könige“ geplant, denn neben dem Grab für Echnaton, in dem auch die zweitälteste Tochter von Echnaton und Nofretete bestattet wurde, begann man mit dem Bau von weiteren vier Grabanlagen.

Schließlich wurden auch die hohen Beamten von Amarna berücksichtigt: „Man errichte Grab-anlagen für den Hohenpriester und für den Gottesvater des Aton sowie für die Diener des Aton in dem Berg von Achet-Aton, wo die Sonne aufgeht, in welchem ihre Bestattung erfolgen soll!“

Keine Erwähnung finden die großen Wohngebiete, die Handwerkersiedlungen und die Arbei-terstädte im östlichen Gebirge.

Man muss zusammenfassend feststellen: Mit dem Gründungsakt wurde durch vier Stelen das Kerngebiet der Stadt, also die Stadt am Ostufer des Nils, mit allen wichtigen Funktionen markiert. Ein Jahr später wurde durch elf weitere Stelen das Stadtgebiet weiter gefasst und um das fruchtbare Umland – im Westen – erweitert. Damit wurden die Stadt und das Umland zu einer Einheit verschmolzen.

CHRISTIAN TIETZE

DIE STADTSTRUKTUR UND DAS ZENTRUM