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AUSDRUCKSFORMEN PRIVATER RELIGIOSITÄT: WEIHGABEN, KAPELLEN IN GÄRTEN UND AM STADTRAND, HÄUSLICHER KULT

EIN KÜNSTLERISCHER DURCHBRUCH UND SEINE FOLGEN 1

AUSDRUCKSFORMEN PRIVATER RELIGIOSITÄT: WEIHGABEN, KAPELLEN IN GÄRTEN UND AM STADTRAND, HÄUSLICHER KULT

Amarna ist – wie bereits eingangs bemerkt – reich an vielgestaltigen Resten von Skulpturen und Figurinen, die außerhalb der offiziellen Gebäude und Elitegräber in so genannten Gartenkapellen, bei Hausaltären und an anderen Orten aufgestellt waren. Diese Monumente sind eindrückliche Zeugnisse des religiösen Lebens, das sich in der Privatsphäre der Menschen abspielte.14Eine nicht geringe Zahl an Gartenkapellen und Hausaltären diente noch der Ausübung der offiziellen Atonverehrung, und die dort gefundenen Bildwerke werden normalerweise mit der Rolle, die der Pharao und die königliche Familie in dieser Verehrung spielten, in Verbindung gebracht. Waren es doch der König und bis zu einem gewissen Grad auch seine Frau und Töchter, die allein direkt mit dem Aton kommunizieren konnten? Neben den qualitätvollen Schreinstelen sind aus derar-tigen Zusammenhängen Statuetten und sogar zwei nahezu lebensgroße Statuen des Königs und der Königin erhalten, die Opferplatten in Händen halten (Ashmolean Museum 1924.162, British Museum EA 935). Mindestens eine Kapelle im Stadtzentrum beherbergte einen hölzernen Naos und eine Statue des Königs – anscheinend ebenfalls aus Holz – zusammen mit weiteren Bildwer-ken, darunter eine hölzerne Sphinx. Die betreffende Kapelle scheint für die private Religionsaus-übung von Arbeitern eingerichtet gewesen zu sein, die in den Verwaltungs- und

Militäreinrich-tungen im Stadtzentrum beschäftigt waren.15Weitere kleinformatige Statuetten einschließlich einer Figur des Königs, der eine Stele hält (ÄM 21835), sowie Figuren mit Opferplatten und ver-schiedene Zweier- und Familiengruppen stammen von Schauplätzen, deren Bedeutung nicht mehr mit Sicherheit bestimmbar ist. Daneben gibt es bemerkenswerterweise ähnliche Figuren auch aus Tempeln (Brüssel, Musée d’Art et d’Histoire E 6730 aus dem „Kleinen Aton-Tempel“), wo sie die Existenz von privaten Stiftungsbräuchen zu bezeugen scheinen, die sich der Bilder des Königs und seiner Familie bedienten. Umfang und Bedeutung derartiger Stiftungsbräuche sind schwer einzuschätzen.

Einige häusliche Einrichtungen und Kapellen, die vor allem im Umkreis der Arbeitersiedlung von Amarna gefunden wurden, dienten wieder anderen religiösen Anliegen. Unter diesen sind vor allem die Zeugnisse privater Glaubensformen zu nennen, die mit der Verehrung von traditio-nellen Hausgöttern und der Herstellung weiblicher Figurinen zusammenhängen. Besonders wichtig sind aber auch Reste von religiösen Praktiken, die man nach Beispielen aus Deir el-Medina, wo solche Praktiken zuerst festgestellt wurden, gewöhnlich als Ahnenkult bezeichnet. Interessan-terweise zeigt die Auswertung von Belegen aus Amarna, dass die Aufmerksamkeit neben den Vorfahren noch einem weiteren Kreis verehrter Personen galt.16Auf jeden Fall sind eine Reihe von Stelen, eine Ahnenbüste (ÄM 25847) und kleine Skulpturen von Privatpersonen aus Amarna erhalten, die mit den genannten Praktiken in Verbindung gebracht werden können. Die wenigen, deren Identität und Fundzusammenhang feststeht, kommen aus dem Bereich von Wohnhäusern der Stadt. Einige, wie die bemerkenswerte Statuette eines sitzenden Mannes mit Altersfurchen im Gesicht (Ägyptisches Museum, Kairo JE 53249), halten eine geschlossene Lotosknospe an ihrem Stängel in der Hand, ein Motiv, das auf Stelen aus Deir el-Medina schriftlich bezeugt mit der Verehrung von Vorfahren in Verbindung steht. Andere – wie eine kleine Triade, die wahr-scheinlich auch aus Amarna stammt (Metropolitan Museum of Art 11.150.21; Abb. 6) – sind weniger ausdrücklich als einem bestimmten Personenkreis zugehörig gekennzeichnet. Die Schwierigkeiten, die der heutige Betrachter mit dem Verständnis solcher Bildwerke hat, zeigen, wie komplex die Ideen waren, die Auftraggeber, Schöpfer und „Benutzer“ mit solchen Werken verbanden.17

MARSHA HILL

1 Für die Kolosse in Karnak siehe den Beitrag von Dorothea Arnold in diesem Katalog.

2 J. Van Dijk: A Colossal Statue Base of Nefertiti and Other Early Atenist Monuments from the Precinct of the Goddess Mut in Karnak, in: S. H. D’Auria (Hrsg.): Servant of Mut: Stud-ies in Honor of Richard A. Fazzini, Leiden 2007, S. 246–261.

3 R. W. Smith; D. B. Redford: The Akhenaten Temple Project.

Vol. 1: Initial Discoveries, Warminster, England 1976, S. 78–

80.

4 M. Hill; D. Schorsch (Hrsg.): Gifts for the Gods: Images from Egyptian Temples, New York 2007, S. 9.

5 W. J. Murnane; C. C. Van Siclen III: The Boundary Stelae of Akhenaten, London und New York 1993, insbesondere S. 155–

162.

6 Für neuere Untersuchungen der Rituale in den Aton-Tempeln siehe C. Speiser: Offrandes et purification à l’époque amarni-enne, Brüssel 2010 und D. Laboury; N. Prévôt: Réflexions sur les programmes iconographique des temples atonistes, in: M. Gabolde; R. Vergnieux (Hrsg.): Les édifices du règne d’Amenhotep IV-Akhénaton. Urbanisme et revolution, Mont-pellier, erscheint in Kürze.

7 R. Vergnieux; M. Gondran: Aménophis IV et les pierres du soleil. Akhénaton retrouvé, Paris 1997, S. 178–179.

8 K. Thompson: A Shattered Granodiorite Dyad of Akhenaten and Nefertiti from Tell el-Amarna, in: JEA 92, 2006, S. 141–

151.

9 Do. Arnold: The Royal Women of Amarna. Images of Beauty from Ancient Egypt, New York 1996, S. 52, 107; Kristin Thomp-son, siehe unten Abb. 2.

10 M. Eaton-Krauss: Ein rundplastische Darstellung Achenatens als Kind, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Alter-tumskunde 110/2, 1983, S. 127–132.

11 J. D. Pendlebury: Preliminary Report of Excavations at Tell el-‘Amarnah 1930-1, in: JEA 17, 1931, S. 242; ebd., Preliminary Report of Excavations at Tell el-‘Amarnah 1931-2, in: JEA 18, 1932, S. 144.

12 Siehe auch A. Stevens: Private Religion at Amarna. The Ma-terial Evidence, Oxford 2006, S. 128–131.

13 D. Arnold, a. a. O. (Anm. 9), S. 51.

14 A. Stevens, a. a. O. (Anm. 12), S. 121–131 für die königlichen und privaten Statuen.

15 M. Hill: Akhenaten, Smiting Egypt’s Enemies: Remarks on the character of the “House of the King’s Statue” at Amarna, in: C. Redmount; D. Kiser-Go (Hrsg.): Cathleen Keller memo-rial volume, Berkeley, erscheint in Kürze.

16 A. Stevens, a. a. O. (Anm. 12), S. 324–327.

17 M. Hill; A. Heywood: A Statuette of Two Men and a Boy from the Amarna Period. Part I: Face Facts for Understanding the Sculpture, Part II: Materials Analysis and Imaging, in: A. Op-penheim; O. Goelet (Hrsg.): The Art and Culture of Ancient Egypt: Studies in Honor of Dorothea Arnold, BES 19, erscheint in Kürze.

NEUE FORMEN DER KOMPOSITION –