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Friederike Seyfried

„Die Schöne ist gekommen“ lautet Nofretetes Name – und die bemalte Büste der Königin scheint diesen Worten in Allem zu entsprechen. Die Ebenmäßigkeit ihrer Gesichtzüge, ihr langer schlanker Hals, die perfekt ausgearbeiteten Details, die vom 7. Halswirbel bis zu den Fältchen unter den Augen nichts vermissen lassen, sowie ihre unvergleichliche Farbigkeit haben die Büste zu einer Ikone der Schönheit werden lassen, die einem weiteren Namensbestandteil der Königin programma -tische und universelle Gültigkeit verleiht: „Vollkommen sind die Schönheiten des Aton“.

Diese „Vollkommenheit der Schöpfung“ proklamiert und unterstellt eine universell geltende Maxime von „Schönheit“, die Echnaton für seine „Große Königliche Gemahlin“ in ihrem Namen zum Programm macht und der wir heutzutage offensichtlich ohne Mühe folgen können, wenn sich diese Vorstellung im Bildnis der Büste der Nofretete zu verdichten scheint.

Aber was außer den bezaubernden Skulpturen und Reliefs der späteren Amarna-Zeit bleibt uns zum Verständnis der historischen Persönlichkeit? Dieses Rätsel zu lüften, fühlen sich viele Wissenschaftler, Forscher, Autoren und Journalisten berufen, und die Flut der Publikationen, Artikel und Medienbeiträge übersteigt mittlerweile alles Überschaubare. Nicht von ungefähr sind sowohl im Jahr der Wiedereröffnung des Neuen Museums als auch in diesem Jubiläumsjahr zahlreiche Neu-erscheinungen und Beiträge in Fachzeitschriften auf den Markt gekommen, die uns erneut verspre-chen, die letzten Rätsel um Nofretete gelöst zu haben.1 Insofern steht es jedem frei, sich die ihm passende Vita von Nofretete auszusuchen: Die Möglichkeiten sind immens; die Bandbreite ist groß – und bestimmt liegt die letzte „Variation zum Thema“ noch nicht vor.

Nofretete erleidet in dieser Hinsicht dasselbe Schicksal wie fast alle historischen Persönlich-keiten, über die man wenig – oder fast gar nichts – weiß, die aber welt- und kulturgeschichtlich so interessant erscheinen, dass man sie unbedingt als greifbares Individuum wiederauferstehen lassen möchte. „Greifbar“ und „belegbar“ sind für Nofretete, bei all ihrer Präsenz in Schrift, Darstellung und Skulptur der Amarna-Zeit, nur wenige historische Fakten, die hier als nüchterne Darstellung einer Vita – soweit als möglich – präsentiert werden sollen. Letztlich hat sich das ägyptologische Wissen um Nofretete in den letzten 100 Jahren zwar um einige Facetten erweitert, aber nicht we-sentlich verändert.2

Auch wenn die neueste populär- und fachwissenschaftliche Literatur vorgibt, die Herkunft Nofretetes gelöst zu haben, kann dies im Rahmen dieses Beitrags nicht bestätigt werden. Es ist zwar durchaus wahrscheinlich, dass Nofretete aus großbürgerlichem ägyptischem Haus stammt, da man den Namen ihrer Amme Tjjkennt und auch eine Schwester namens Mut-beneret– oder in einer anderen Lesart Mut-nedschemet – belegt ist. Aufgrund des ägyptischen Namens der Amme und der Schwester wird daher von den meisten Forschern die Hypothese, Nofretete sei eine fremd-ländische Prinzessin gewesen, verworfen. Die Eltern sind hingegen nirgends belegt. Gleichwohl hat

sich die Vorstellung, der „Gottesvater“ – und spätere Pharao – Eje sei ihr leiblicher Vater gewesen, mehr oder weniger festgesetzt, zumal die Amme Tjjseine Gattin war. Korrekt ist daher nur die Annahme, dass Eje zumindest die Rolle eines Ziehvaters gehabt haben könnte.

Nofretete dürfte Amenophis IV. in jungen Jahren geheiratet haben, aber auch hier sind weder das Datum der Hochzeit noch das Alter des Brautpaares bekannt. Ihre ersten beiden Töchter, Merit-Atonund Maket-Aton, kamen noch in der alten Residenzstadt Theben zur Welt, da die beiden Prinzessinnen bereits in den frühen Reliefdarstellungen der Tempelbauprojekte in Karnak zu sehen sind und an den Stationen der Grenzstelen in Achet-Aton erwähnt und abgebildet werden.

Bereits in der Frühphase der Propagierung der „Neuen Lehre“, d. h. der neuen Staatstheologie, die auch das politische Leben bestimmt, wird Nofretete an der Seite ihres Mannes eine außeror-dentliche Rolle übertragen. In der Trias aus dem Licht- und Schöpfergott Aton und seinem Sohn und Verkünder der „neuen Lehre“, Echnaton, übernimmt sie den weiblichen Part. Daher wird sie bei allen staatstragenden und religiösen Handlungen nahezu gleichberechtigt dargestellt und kann in manchen Kulthandlungen auch alleine agieren, wie es zahlreiche Reliefs – bereits aus Karnak – be-legen. Diese herausragende Rolle an der Seite ihres Gemahls hat zu weit reichenden Spekulationen über ihre Machtbefugnisse geführt.3

In Achet-Aton gebar Nofretete ihrem Gemahl vier weitere Töchter: Anch-es-en-pa-Aton(die spätere Anch-es-en-pa-Amunund Gattin des Tut-anch-Amun), Nefer-neferu-Aton-ta-scherit, Ne-fer-neferu-Reund Setep-en-Re. Nofretetes herausragende Stellung an der Seite ihres Mannes wird nicht nur durch ihr häufiges gemeinsames Auftreten betont, sondern auch durch das ihr eigene Ornat unterstrichen, zu dem neben der typischen „Helmkrone“ auch eine charakteristische, beutel-artige Haube4sowie das Tragen verschiedener Kronentypen gehört, die entweder Göttinnen – wie z. B. Tefnut und Hathor – zustanden oder aber männlichen Herrschern vorbehalten waren. Wenngleich diese besonderen Darstellungen einer wissenschaftlich fundierten Auslegung bedürfen, so lassen sie dennoch keine Aussagen darüber zu, inwieweit Nofretete die „neue Lehre“ ihres Mannes „maß-geblich mitgestaltete“ oder gar die „treibende Kraft“ gewesen sei.

Wie alle „Großen königlichen Gemahlinnen“ Ägyptens war Nofretete nicht die einzige Frau an der Seite ihres Mannes. Seit dem Alten Reich gehören mehrere Gemahlinnen an jeden Hof des Pharao, und gerade in der 18. Dynastie pflegte man über Heiratspolitik geschickte diplomatische Beziehungen. Wie viele Frauen dem Harem in Achet-Aton angehörten, ist nicht bekannt, aber eine der Nebenfrauen namens Kijawurde durch die Bezeichnung „Geliebte, große Ehefrau des Königs“

besonders hervorgehoben, und sie erscheint auch in Darstellungen und Reliefs mit einer Tochter.

Obwohl Nebenfrauen und deren zahlreiche Nachkommenschaft zur Normalität des ägyptischen Hoflebens gehörten, scheint ein mögliches Konkurrenzverhalten Nofretetes zu Kijadie Fantasien und Spekulationen heutiger Autoren besonders zu befördern bzw. am Nimbus „unseres“ Nofre-tete-Bildes zu „kratzen“. Letztlich liegen aber keinerlei verwertbare Fakten über das Verhältnis der beiden Frauen zueinander vor.

Gesichert ist der relativ frühe Tod der zweitgeborenen Tochter Nofretetes namens Maket-Aton, die noch auf einer Gefäßaufschrift des 13. Regierungsjahres vermerkt ist und deren Begräbnis im Königsgrab von Amarna bildlich festgehalten wurde. Ihr Tod dürfte daher in das späte 13. oder das 14. Regierungsjahr gefallen sein.

Nach dem 12. Regierungsjahr Echnatons, dessen großes politisches Ereignis in einer Ver-sammlung ausländischer Tributbringer bestand, das mehrfach erwähnt und dargestellt wurde, fehlen weitere datierbare Darstellungen der Nofretete. Daher wurde über ihr Leben während der

FRIEDERIKE SEYFRIED

ABB. 1 Standfigur der Nofretete, aus Amarna, Haus P 47.2, Kalkstein, H. 40,5 cm

(Ägyptisches Museum Berlin, ÄM 21263)

letzten fünf Lebensjahre ihres Gemahls reichlich spekuliert. Die Bandbreite reicht hier vom frühen Tod über eine Mitregentschaft bis zur Alleinherrschaft und Nachfolge ihres Gatten auf dem Pha-raonenthron.5Für viele dieser Theorien kann man die Indizien entsprechend werten – Beweise liegen nicht vor.

Erst die jüngst von belgischen Kollegen der Universität Leuven in den Steinbrüchen von Dayr Abu Hinnis entdeckte hieratische Inschrift zeigt, dass neue Fakten das Bild immer noch verändern können und Nofretete zumindest nicht früh verstorben ist.6

Neben Bildern und Darstellungen aus Amarna und den wenigen auswertbaren schriftlichen Fakten haben insbesondere die humangenetischen Untersuchungen der letzten Jahre dazu geführt, Nofretetes Schicksal zwanghaft mit einer der königlichen Mumien aus dem Tal der Könige zu iden-tifizieren. Dabei muss man den beteiligten Humangenetikern zugutehalten, dass sie keine solche Zuweisung vorgenommen haben und wir nach wie vor nicht wissen, welche der weiblichen Mumien gegebenenfalls Nofretete sein könnte.7

FRIEDERIKE SEYFRIED

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ABB. 2 Hausaltar mit Amenophis IV./Echnaton, Nofretete und drei Töchtern, erworben 1898, wahrscheinlich aus Amarna, Kalkstein, H. 33,5 cm, B. 39,5 cm (Ägyptisches Museum Berlin, ÄM 14145)

Es ist der glücklichen Wendung der Darstellungskonventionen im künstlerischen Schaffen der späteren Amarnazeit zu verdanken, dass wir Nofretete schlicht mit universeller Schönheit as-soziieren. Die allmähliche Abkehr von den expressiven Ausdrucksformen in der bildenden Kunst der ersten Regierungsjahre hat zu einer neuen, gleichwohl idealisierenden Darstellung des Menschen-bildes geführt, die – nicht nur für Nofretete – den Namen „Vollkommen sind die Schönheiten des Aton“ in jeder Hinsicht rechtfertigt.

Hätten wir nicht die Porträts der letzten Jahre aus Achet-Aton und müssten uns mit den Reliefs der ersten Phase aus dem Karnak-Tempel in Theben zufriedengeben, die den König und die Königin – kaum voneinander unterscheidbar – mit geradezu verzerrt wirkendem Antlitz und abnor-mem Körperbau zeigen, dann würde uns der Name Nofretete, „Die Schöne ist gekommen“, in ein gänzlich anderes Erstaunen versetzen.

1 Vgl. u.a.: N. Reeves: Echnaton. Ägyptens falscher Prophet, Mainz 2002; H. A. Schlögl: Echnaton, Bildmonographien ro-roro, 6. Auflage 2004; D. Laboury: Akhénaton, in der Reihe

„Les Grands Pharaons“, Paris 2010; F. Maciejewski: Echnaton.

Zur Korrektur eines Mythos, Berlin 2010; M. E. Habicht: No-fretete und Echnaton. Das Geheimnis der Amarna-Mumien, Leipzig 2011; H.A. Schlögl: Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin, München 2012; F. Maciejewski: Nofretete – die Historische Gestalt hinter der Büste, Hamburg 2012.

2 Die wissenschaftlich seriösen Abhandlungen zu diesem Thema, die seit der Zeit der Auffindung der Büste und dem allgemeinen Interesse an der Amarnazeit erschienen sind, können an dieser Stelle aufgrund ihrer Anzahl nicht weiter aufgeführt werden. Das neueste Buch, das allen notwendigen Ansprüchen gerecht wird, ist erst kürzlich erschienen: B.

Kemp: The City of Akhenaten and Nefertiti. Amarna and ist People, London 2012.

3 Vgl. Anm. 2.

4 B. Fay: Nefertiti Times Three, in: Jahrbuch Preußischer Kul-turbesitz 23, 1986, S. 359–376.

5 Dies geschieht durch die namentliche Gleichsetzung von No-fretete mit der Person des Pharao Semench-ka-Re. Des Wei-teren wird sie auch mit derjenigen Königin identifiziert, die

in der Keilschriftkorrespondenz an den Hethiterkönig Sup-piluliuma I. um die Heirat mit einem seiner Söhne ansucht.

(Andere Wissenschaftler schreiben diesem Brief der Witwe Tutanchamuns zu.)

6 Vgl. den folgenden Beitrag von A. Van der Perre.

7 Vgl. hierzu den Beitrag von A. Zink und C. M. Pusch, in: Z.

Hawass et. al.: Ancestry and Pathology in King Tutankha-mun’s Family, in: The Journal of the American Medical As-sociation (JAMA), Feb. 17. 2010. Diese wissenschaftlichen Ergebnisse haben in den Medien und der neuesten Literatur dazu geführt, dass aus der so genannten „Younger Lady“

Nofretete wurde und Tutanchamun demzufolge als Sohn des Paares „Echnaton-Nofretete“ erscheinen musste. Eine andere Sichtweise offeriert Schlögl in seinem neuesten Werk zu Nofretete. Er glaubt an Semenchkare als Vater des Tutanchamun, identifiziert aber die „Younger Lady“

ebenfalls mit Nofretete (vgl. H. A. Schlögl: Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin, München 2012). Nach Aussage der Humangenetiker steht allerdings nur fest, dass die Mumie aus KV 55 – wer immer sie sei – der Vater von Tutanchamun war und dass die Mutter des jungen Kö-nigs, die „Younger Lady“, blutsverwandt mit ihrem Gatten war.

FRIEDERIKE SEYFRIED

ABB. 3 Fragment einer Stele mit Amenophis IV./

Echnaton und Nofretete, erworben 1900, wahrscheinlich aus Amarna, Kalkstein, H. 13 cm, B. 9,5 cm (Ägyptisches Museum Berlin, ÄM 14511)

Vor dem Hintergrund der nicht enden wollenden Flut spekulativer Schriften zu den letzten Jahren der Königin kann an dieser Stelle dank der freundlichen Kooperationsbereitschaft des Dayr al-Barsha-Projekts unter Leitung von Prof. Dr. Harco Willems neues, belastbares Material vorgelegt werden, das einerseits alte Diskussionen beenden, andererseits neue befördern wird.

Unser Dank und unsere Gratulation geht an die Kollegen des Dayr al-Barsha-Projekts.

Friederike Seyfried

Keine Königin ist so ein Mysterium wie Nofretete, „Die Schöne ist gekommen“. Obwohl die Amarna-Zeit heute eine der am meist studierten Perioden altägyptischer Geschichte ist, bleiben viele Fragen unbeantwortet. Einer der undurchsichtigsten Bereiche der Periode liegt nahe dem Ende der Regierung von Echnaton. Es wird allgemein zugestimmt, dass er in seinem 17. Regierungsjahr gestorben ist.

Die letzte datierte Inschrift von ihm ist eine Weingefäßaufschrift aus dem „Jahr 17, Zweiter Monat der Überschwemmungsjahreszeit“.1Nach seinem Tod wäre Echnaton in seinem Grab im königlichen Wadi in Amarna bestattet worden. Jedoch wurde das Grab stark zerstört und sein Körper fehlte.2 Der Mann, der in KV (King Valley) 55 bestattet wurde, wird oft als Echnaton identifiziert, wobei aber die Diskussion offen bleibt.3Was ist mit seiner Königin? Über die letzten Jahre von Nofretete ist nicht viel bekannt. So weit sich aus den publizierten Belegen rückschließen lässt, verschwindet sie um das 13. oder 14. Jahr des Echnaton. Das letzte Mal, das sie dargestellt wurde, war bei der Be-erdigung ihrer zweiten Tochter Meketaton im Königsgrab von Amarna.4