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GLAS – VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM ENDE DER AMARNAZEIT

BESTATTUNG ECHNATONS

Unter den Resten der Ausstattung des von Amarna abgelegenen Felsgrabes Echnatons befinden sich Glasperlen, Einlagen und Stäbchen.46Nach langwierigen Untersuchungen ist auch Echnatons Sarg aus Grab KV 55 im Tal der Könige identifiziert.47Er ist mit Federmustern aus Goldblattfolie bedeckt, eingelegt mit hell- und dunkelblauem Glas sowie Chalzedon über Realgar. Die Inschriften weisen auch rotes Glas und Hieroglyphen aus nahezu transparentem, grünstichigem Glas mit Bemalung auf sowie Gravierung, Mosaiktechnik u. A., die den Glashieroglyphen der Sarginschriften aus dem Grab des Aper-el, s. o., erstaunlich gleichen.

Die Grabausrüstung von Tutanchamun (KV 62) ist überreich mit Glaseinlagen und farbigen Steinen geschmückt: insbesondere der zweite und der innere Goldsarg, die Goldmaske, die goldenen Eingeweidegefäße, die Halskragen sowie Schmuck und Möbel, darunter das eine oder andere Stück

gezeigt werden.

aus Echnatons Besitz übernommen. Während die Pektorale mit ihren winzigen Gottheiten, eingelegt mit Glas wie die Göttin Nut mit ihren himmelblauen Gliedern (Ägyptisches Museum Kairo, JE 61944)48 (Abb. 10) und in gleicher Haltung wie die Nut des Aper-el, s.o., selten so exakt gearbeitet sind wie die genannten Göttinnen, so fällt auch die ungelenke Formgebung und Gravur der Hockfigur des Königs aus dunkelblauem Glas aus dem Rahmen.

Auf der Rückenlehne des mit Goldblattfolie überzogenen Thronsessels sind Tutanchamun und Anchesenamun unter dem Strahlen-Aton für die Ewigkeit festgehalten. Ihre eingelegten feinen Gesichter und grazilen Glieder sind im Amarnastil erlesen in rotem Glas modelliert.

Ihr großes Können haben die Glaskünstler auch mit einer einzigartigen Farbpalette in Form eines Griffelkastens aus himmelblauem Glas bewiesen. Eine weitere Herausforderung stellten zwei Kopfstützen dar, die eine aus himmelblauem Glas (Ägyptisches Museum Kairo, JE 62022; H. 18 cm) in zwei Teilen hergestellt, die andere einteilig aus durchscheinendem leuchtend kupferblauem Glas (Ägyptisches Museum Kairo, H. 17,5 cm, TJ 2/3/60/1): die wohl massivsten gläsernen Werke Ägyptens.

Aus Glaspulver „upside down“ in einer geschlossenen Form geschmolzen – man sieht noch Schlieren des leicht unterschiedlich gefärbten Pulvers der einteiligen Kopfstütze –, bedurfte es mehrtägiger Kühlung, um Spannungen zu vermeiden und um dann perfekt geschliffen, poliert, graviert und mit partieller Goldfolieneinfassung versehen die Jahrtausende makellos zu überstehen.

Das absolute Highlight stellt ein mit Glas und farbigen Steinen eingelegtes Paar Goldohrringe dar (Ägyptisches Museum Kairo, JE 61969). Jeder besteht aus einem vogelgestaltigen Wesen49mit zu einem Rund ausgebreiteten Schwingen und einem in beweglichen Schlangen auslaufendem Schwanz.50Der Vogelkopf ist aus heißem Glas frei gestaltet, sein Hals in und über einer goldenen Hülse erkaltet. Das Glas, das in den Publikationen in unterschiedlichem Blau erscheint, ist in glei-ßendem Sonnenlicht absolut rein und glasklar mit kaum wahrzunehmendem grünblauem Hauch und winzigsten Bläschen unterhalb der Schnäbel. Kein Glas Ägyptens scheint jemals so makellos hergestellt worden zu sein. Doch die Ohrringe versprechen noch mehr: Auf den Ohrboutons, die die geriffelten Hülsen zur Befestigung durch das Ohrloch verdecken, ist jeweils unter einer gläsernen durchsichtigen Kappe ein 5 mm breites winziges Porträt Tutanchamuns in heißer Emailletechnik und Kaltmalerei aufgebracht, geschützt von zwei aufgebäumten goldenen Kobras. Die königlichen Werkstätten, die diese unübertreffliche Meisterleistung vollbracht haben, harren noch der Entde-ckung.

1 V. de Michele: The „Libyan Desert Glass” Scarab in Tutank-hamen’s Pectoral, Sahara: preistoria e storia del Sahara 10, 1998, S. 107–109; Ägyptisches Museum Kairo JE 61884.

2 C. Lilyquist; R. H. Brill; T. Wypyski: Studies in Early Egyptian Glass, The Metropolitan Museum of Art, New York 1993, S. 5–22, insbes. Abb. 2.

3 C. Lilyquist; R. M. Brill, T. Wypyski, a. a. O. (Anm. 2), S. 23–24, Abb. 20–25.

4 A. Grimm ist dieser Fund aus dem Magazin der Ägyptischen Sammlung des Bayerischen Staates in München ebenso zu verdanken wie die Datierung der Inschrift der posthum mit einem Kult verehrten Königin.

5 B. Schlick-Nolte; R. Werthmann; C. E. Loeben: An Outstand-ing Glass Statuette Owned by Pharaoh Amenhotep II and other Early Egyptian Glass Inscribed with Royal Names, Jour-nal of Glass Studies 53, 2011, S. 11–44.

6 W. M. F. Petrie: Tell el Amarna, London 1894, Taf. 13, Abb. 22.36.

7 B. Nolte: Die Glasgefäße im Alten Ägypten, Münchner Ägyp-tologische Studien 14, Berlin 1968, S. 12–17.

8 P. T. Nicholson: Brilliant Things for Akhenaten. The Pro -duction of Glass, Vitreous Materials and Pottery at Amarna Site O45.1, Excavation Memoir 80, Egypt Exploration Society, London 2007, S. 158–159: Zum Wert des Glases zitiert er fälschlich B. Nolte, a. a. O (Anm. 7) mit einer Aussage, die sie nicht gemacht hat.

9 B. Nolte, a. a. O (Anm. 7), S. 7–17; dies., Die Glasgefäße im alten Ägypten, erweiterte Auflage, Okayama 21985, S. 138–

141. O. Witthuhn sei für seine Recherchen gedankt.

10 B. Schlick-Nolte; R. Werthmann, a. a. O. (Anm. 5), S. 17–

25.

11 E. H. Cline: Monkey Business in the Bronze Age Aegean.

The Amenhotep II Faience Figurines at Mycenae and Tiryns, The Annual of the British School at Athens 86, 1991, S. 29–42, Taf. 1–2: die Grüne Meerkatze (Abb. 4 links) ist nach Cline am ehesten ein „Cercopithecus aethiops sabaeus“; B. Schlick-Nolte; R. Werthmann, a. a. O. (Anm. 5), S. 28–37, Abb. 25–

32: mit besonderem Dank an E. H. Cline, J. Maran, N. Kalt-sas, C. E. Loeben; Thoeris/Taweret besteht aus Glas, das BIRGIT SCHLICK-NOLTE

glasartige Material der beiden Grünen Meerkatzen ist noch nicht analysiert.

12 S. M. Goldstein: A Unique Royal Head, Journal of Glass Studies 21, 1979, S. 8–16, Abb. 1–4.

13 F. Pumpenmeier: Eine Gunstgabe von seiten des Königs. Ein extrasepulkrales Schabtidepot Qen-Amuns in Abydos, Stu-dien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 19, Hei-delberg 1998. B. Schlick-Nolte; R. Werthmann, a. a. O. (Anm. 4), S. 26–27, Abb. 22–23.

14 J. D. Cooney: Catalogue of Egyptian Antiquities in the British Museum 4, Glass, London 1976, S. 153, Kat. 1783 (EA 16734);

E. R. Russman: Eternal Egypt: Masterworks of Ancient Art from the British Museum, London 2001, Kat. 88; J. D. Cooney:

Glass Sculpture in ancient Egypt, Journal of Glass Studies 2, 1960, S. 22, Abb. 12–13.

15 R. Werthmann: Das Rot aus dem Gold – das Gold aus dem Rot, Gebelein – Werthmann a. a. O. (Anm. 1), S. 259–275;

R. S. Bianchi: Symbols and Meanings, F. Dunn Friedman (Hrsg.): Gifts of the Nile. Ancient Egyptian Faience, Ausstel-lungskatalog Providence 1998, S. 22–31.

16 Z. B.: A. J. Shortland: Vitreous Materials at Amarna. The pro-duction of glass and faience in 18thDynastie Egypt, BAR In-ternational Series 827, 2000. Annie Caubet; Geneviève Pier-rat-Bonnefois: Faiences de l‘Antiquité. De l’Égypte à l’Iran, Musée du Louvre, 2005, 9. M.S. Tite; A.J. Shortland: Produc-tion Technology of Faience and Related Early Vitreous Ma-terials, Oxford University School of Archaeology Monograph 72, 2008; P. T. Nicholson, a. a. O. (Anm. 8). M. Smirnou; Th.

Rehren: Direct evidence of primary glass production in Late Bronze Age Amarna, Egypt, Archaeometry 53 (1), 2011, S. 58–

80; R. Werthmann sei Dank für konstruktive Beiträge zur Glas herstellung.

17 T. Sode; J. Kock: Traditional Raw Glass Production in Northern India. The Final Stage of an Ancient Technology, Journal of Glass Studies 43, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2001, S. 165–167; Shortland a. a. O. (Anm. 16), S. 80;

P. T. Nicholson, a. a. O. (Anm. 8), S. 83–99, Taf. 4.14 mit eige-nem gelungenen Experiment; seine ausgegrabenen Glasöfen sind nach freundlichen Mitteilungen von E. Pusch und Th.

Rehren vom 15. und 18.08.2012 Kalk-Brennöfen.

18 J. D. Cooney, a. a. O (Anm. 14) 11–43.

19 B. Nolte, a. a. O. (Anm. 7); dies., a. a. O. (Anm. 9) inklusive aller hier behandelter Glasgefäße.

20 C. A. Keller: Problems in dating glass industries of the Egypt-ian New Kingdom: Examples from Malkata and Lisht, Journal of Glass Studies 25, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 1983, S. 19–28. Abb. 1: Palace.

21 C. Roehrig und P. Lacovara sei Dank für umfassende Aus-künfte zu Malqata; W. C. Hayes, The Scepter of Egypt 2 (1675–1080 B.C.), Cambridge, Massachusetts 1959, S. 254.

22 B. Nolte, a. a. O. (Anm. 7), S. 136.

23 A. Zivie: Découverte à Saqqara. Le vizir oublié, Paris 1990, S. 112.

24 R. S. Bianchi, Those Ubiquitous Glass Inlays from Pharaonic Egypt: Suggestions about their Function and Dates, Journal of Glass Studies 25, Corning, New York 1983, S. 29–35; ders., Those Ubiquitous Glass inlays, Part 2, Bulletin of the Egyp-tological Seminar 5, 1983, S. 9–29.

25 S. M. Goldstein: Head of Pharaoh (Possibly Amenhotep III).

The Miho Museum (Hrsg.), Ancient Glass – from Egypt to China, Ausstellungskatalog Mihu Museum, Kyoto/Shigaraki 2001, S. 25–26, 180, 211–213, Kat. 15.

26 C. Tietze: AMARNA. Eine Hauptstadt des Alten Ägypten.

Stadtplan, Weimar 2010. R. E. Freed; Y. J. Markowitz; S. H.

D’Auria (Hrsg.): Pharaohs of the Sun. Akhenaten, Nefertiti, Tutankhamen, Ausstellungskatalog Museum of Fine Arts, Boston, Boston/New York/London 1999, S. 22–37, 137–140.

27 W. M. F. Petrie, D.C.L.: Tell el Amarna, London 1894; P. T. Ni-cholson, a. a. O. (Anm. 8), S. 13–20 mit einer kritischen Wür-digung der Ergebnisse Petries.

28 B. J. Kemp; S. Garfi: A Survey of the Ancient City of

el-‘Amarna, London, The Egypt Exploration Society = The Egypt Exploration Society Occasional Publication 9, London 1993.

29 P. T. Nicholson, a. a. O. (Anm. 8), S. ii.

30 A. J. Shortland, a. a. O. (Anm. 16), S. 67–68.

31 B. Kemp; S. Garfi, a. a.O. (Anm. 28, S. 73.

32 A. J. Shortland, a. a. O. (Anm. 16), S. 31–35, Taf. 4–2; R. Werth-mann; B. Schlick-Nolte in Vorbereitung.

33 Th. Rehren; E. B. Pusch: Glass and Glass Making at Qantir-Piramesses and beyond, Ägypten und Levante 9, 1999, S. 173–175; Th. Rehren, E. B. Pusch und R. Werthmann sei gedankt für ihre Beiträge.

34 M. Smirnou; Th. Rehren: Direct evidence of primary glass production in Late Bronze Age Amarna, Egypt, Archaeometry 53 (1), 2011, S. 58–80. Th. Rehren sei Dank für seinen Beitrag zur Glasproduktion, ebenso R. Werthmann.

35 Ü. Yalçın; C. Pulak; R. Slotta: Das Schiff von Uluburun. Welt-handel vor 3000 Jahren. Ausstellungskatalog Bochum, Bo-chum 2005, S. 68–71, Ü. Yalçın sei Dank für seine Mitteilun-gen; P. T. Nicholson, a. a. O. (Anm. 8), S. 125.

36 W. L. Moran: The Amarna Letters, edited and translated by W. L. Moran, Baltimore/Maryland 1993.

37 G. Panagiotopoulos: Tributabgaben und Huldigungsge-schenke aus der Levante. Die ägyptische Nordexpansion in der 18. Dynastie aus strukturgeschichtlicher Sicht, Ägypten und Levante 10, Wien 2000, S. 141–144, fünf Briefe: EA 148:

4–7 (Tyrus), EA 323: 13–16 (Askalon), EA 327: 5–11 (Akko), EA 314: 17–22 (Jursa), EA 331: 12–24 (Lachisch).

38 A. J. Shortland; P. T. Nicholson; C. Jackson: Glass and faience at Amarna: different methods of both supply for production, and subsequent distribution. The Social Context of Techno-logical Change. Egypt and the Near East, 1650–1550 BC, hrsg.

von A. J. Shortland, Oxford 2001, S. 152.

39 C. Tietze (Hrsg.): Amarna. Lebensräume – Lebensbilder – Weltbilder, Weimar 2008, S. 142–215.

40 B. Nolte, a. a. O. (Anm. 7), S. 69–70, Nr. 1–5.

41 B. Nolte, a. a. O. (Anm. 7), S. 70, Nr. 5; 136, Taf. 29.2; dies., a.

a. O. (Anm. 9), S. 79, S-2. A. P. Kozloff; B. M. Bryan: Egypt’s Dazzling Sun. Amenhotep III and his World, Cleveland 1992, S. 386–388, 95.

42 E. Riefstahl: A unique fish-shaped glass vial in the Brooklyn Museum, Journal of Glass Studies 14, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 1972, S. 11–14; B. Nolte, a. a. O.

(Anm. 9), S. 79, Abb. S-2a.

43 Nolte a. O. (Anm. 7) 136. 138; Taf. 29, 6–7.

44 J. Samson: The Amarna Collection at University College, Lon-don. J. D. S. Pendlebury, The City of Akhenaten 3, The Central City and the Official Quarters, London 1951, S. 230.VIII, Taf.

106 (U. Col. 190).

45 J. Samson: Amarna. City of Akhenaten and Nefertiti. Key pieces from the Petrie Collection, London 1972, S. 75–76 (UC 22078) – vgl. British Museum EA 54264 – und S. 64, 74. UC 2235.

46 G. T. Martin: The Royal Tomb at El-‘Amarna, The Rock Tombs of El-‘Amarna, Part 7; I The Objects, Oxford 1974, S. 86–88, Taf. 52 Nr. 346.

47 A. Grimm: Goldsarg ohne Geheimnis, Interpretation des Au-topsiebefundes. Das Geheimnis des goldenen Sarges, Echnaton und das Ende der Amarnazeit. A. Grimm – S. Schoske (Hrsg.), Heft 10 der Schriften der Ägyptischen Sammlung, München 2001, S. 101–114. Zu den Einlagen: S 74–75, 97, 104–105.

48 C. Andrews: Ancient Egyptian Jewellery, London 1990, S. 188–

189. H. W. Müller; E. Thiem: Die Schätze der Pharaonen, Augsburg 1998, S. 180, Abb. 384.

49 D. Kurth: Zur Erklärung des Bildmotivs auf einem der Prunk -ohrringe Tutanchamuns, Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 109, 1982, S. 162–165.

50 George B. Johnson: The Portrait Earrings of Tutankhamen, in Vorbereitung mit zahlreichen Detailaufnahmen des Autors.

DIE METALLOBJEKTE DER BERLINER