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5. Zusammenfassung und Ausblick

3.2.1 Bestehende Einordnungen von Projektentwicklungs-

3.2.1.1 Technisch geprägte Einordnungen

Projektentwicklungsleistungen nach der HOAI

Prägend für den heutigen Planungs- und Bauprozess war die Einführung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) im Jahre 1976.365 Ur-sprüngliches Ziel dieses verbindlichen Leistungs- und Honorarkatalogs war es, einen weiteren Anstieg der Bau- und Baunebenkosten zu verhindern.366 Die auf einem Gutachten von Pfarr367 basierende HOAI beschreibt typische Leistungen von Architekten und Ingenieuren und legt Honorarzonen mit Mindest- und Höchstsätzen fest.368 Kernstück des Regelwerkes bildet § 15 (Leistungsbild Ob-jektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten).369 Hierin werden neun Leistungsphasen unterschieden, die wiederum in Grundleistungen und Besondere Leistungen unterteilt sind.370 Die Honorarzonen371 beziehen sich lediglich auf die Grundleistungen, die Besonderen Leistungen sind geson-dert und schriftlich zu vereinbaren.

Dem Verständnis der HOAI liegt eine Dekomposition der Planungs- und leistungen aus Perspektive des Bauherrn zu Grunde. Im Rahmen seiner Bau-herrenleistung entscheidet er „über Planungsergebnisse, ordnet an, koordiniert die am Planungsprozess Beteiligten, kontrolliert die Ergebnisse, stellt die

365 Vgl. zur Entstehung der HOAI Pfarr (1999), S. 17-27; Schulz-Eickhorst (2002), S 88.

366 Vgl. Pfarr (1997), S. 17-19. Der Bauboom der 50er- und insbesondere der 60er-Jahre in Verbindung mit der gestiegenen Komplexität des Planungs- und Bauprozesses führte zu einem Anstieg der Baupreise mit zweistelligen Jahresraten. Aufgrund proportional steigen-der Immobilienwerte wurden aber westeigen-der auf Angebots- noch auf Nachfrageseite Maßnah-men zur Kostenreduzierung unternomMaßnah-men.

367 Das so genannte ‚Pfarr-Gutachten’ wurde 1973 vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegeben. Vgl. hierzu Pfarr/Arlt/Hobusch (1975).

368 Die HOAI ist ihrer Rechtsnatur nach dem Preisrecht zuzuordnen, nicht dem Leistungsrecht.

Vgl. Amelung (1994), S. 74; Schramm (2003), S. 28.

369 Weitere Teilleistungen von Architekten und Ingenieuren werden in den §§ 18-27 der HOAI wiedergegeben.

370 Für eine Übersicht der Grundleistungen und typischer Besonderer Leistungen in der HOAI vgl. Amelung (1994), S. 76-82.

371 Der Honorarsatz für eine spezifische Planungsleistung ergibt sich unter Berücksichtigung bestimmter nutzungs- und aufwandsbezogener Einflussgrößen. Die Kombination dieses Honorarsatzes und der anrechenbaren Kosten des Projektes ergibt das Honorar. Vgl. Ame-lung (1994), S. 76; Schramm (2003), S. 33.

nanzierung sicher, vergibt Ausführungsaufträge, nimmt das Bauwerk ab und haftet.“372

Des Weiteren wird unterschieden nach originären und delegierbaren Bauher-renleistungen. Die originären Bauherrenleistungen beinhalten nicht delegierbare Projektleitungsaufgaben mit Entscheidungs- und Weisungsfunktion und verblei-ben daher beim Bauherrn, während die delegierbaren Bauherrenleistungen an Externe vergeben werden können.

Demzufolge werden die Planungsleistungen nach § 15 der HOAI als Teilleis-tungen der Bauherrenleistung dargestellt (vgl. Abbildung 30), obgleich sie in der Praxis zumeist vollständig an Fachplaner vergeben werden. Da Auftraggeber ab einer bestimmten Projektgröße nicht mehr in der Lage sind, sämtliche Steue-rungsleistungen selbst zu erbringen, schalten sie zur Wahrnehmung weiterer delegierbaren Bauherrenleistungen, insbesondere Beratungs-, Koordinations-, Informations- und Kontrollleistungen, externe Projektsteuerer ein, deren Leis-tungen im § 31 der HOAI adressiert werden.373

Delegierbare Bauherrenleistung

Originäre

Bauherrenleistung

Projektsteuerung

§ 31 HOAI

Leistungsbild HOAI

§ 15

Fachplaner A Fachplaner B Fachplaner C

Projektleitung

Abbildung 30: Leistungen nach HOAI374

372 Vgl. Pfarr (1997), S. 17.

373 Der § 31 der HOAI bildet den Ausgangspunkt zahlreicher Diskussionen um das Leistungs-bild des Projektsteuerers. Pfarr räumt ein, dass das LeistungsLeistungs-bild des § 31 nur schwach formuliert ist. Vgl. Pfarr (1997), S. 24.

374 In Anlehnung an Pfarr (1997), S. 17.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die HOAI Bauherren-, Pro-jektsteuerungs- und Architekten- bzw. Ingenieursleistungen unterscheidet, der Terminus ‚Projektentwicklung’ bzw. ‚Projektentwicklungsleistung’ in der HOAI-Literatur jedoch keinerlei Verwendung findet.375 Typische Projektentwicklungs-leistungen wie Standortanalysen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind im Sinne der HOAI entweder vom Bauherren selbst (Projektleitung), als Besondere Leistungen des § 15, oder auf Basis des § 31 Projektsteuerung durch Architek-ten und Ingenieure zu erbringen. In diesem Zusammenhang schlägt Gensior vor, Projektentwicklung als Bauherrenaufgabe und besondere Beratungsleis-tung zu verstehen und ordnungstechnisch unter § 31 HOAI anzusiedeln. Dem-nach könnte der Projektsteuerer die Projektentwicklungsleistungen als beson-dere bzw. zusätzliche Leistung übernehmen und es käme projekt- bzw. gesell-schaftsrechtlich zu einer Personalunion zwischen Projektsteuerung und Pro-jektentwicklung.376

Dieser bestenfalls als pragmatisch zu beurteilende Vorschlag soll im Rahmen der Arbeit jedoch nicht weiter verfolgt werden. Die bloße Angliederung der Pro-jektentwicklungsleistungen an das rigide Regelwerk der HOAI ist weder dazu geeignet, die komplexe Projektentwicklungstätigkeit hinreichend zu beschrei-ben, noch kann sie dem im Rahmen der Arbeit formulierten Teilziel der Leis-tungsbestimmung Rechnung tragen.

Projektentwicklungsleistungen nach AHO

Aufgrund der unzureichenden Ausformulierung des Leistungsbildes Pro-jektsteuerung im § 31 der HOAI kam es nach Inkrafttreten zu zahlreichen Prob-lemen in der Anwendung.377 Daraufhin wurde durch den AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarord-nung e.V.) eine Fachkommission Projektsteuerung unter Leitung von Diederichs initiiert, deren Ziel in der Erarbeitung eines alternativen Leistungsbildes und ei-ner Honorarstruktur für Projektsteuerungs- und Projektmanagementleistungen

375 Vgl. Gensior (1999), S. 8.

376 Vgl. Gensior (1999), S. 8.

377 Diese bestanden insbesondere aus Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Planungs- und Projektsteuerungsleistungen und daraus resultierenden Interessenskollisionen und Kompe-tenzstreitigkeiten. Vgl. Diederichs et al. (2004a), S. 1f.

lag.378 Das im November 1996 vom AHO erstmals veröffentlichte und 2004 überarbeitete Leistungsbild unterscheidet ebenso wie die HOAI zwischen Grundleistungen und Besonderen Leistungen, fasst die neun Phasen des § 15 HOAI jedoch zu fünf sachlich zusammenhängenden Projektstufen zusammen, in denen jeweils eine Unterscheidung nach vier typischen Handlungsbereichen vorgenommen wird (vgl. Abbildung 31).379 Die Honorierung erfolgt sowohl für Grundleistungen als auch für Besondere Leistungen entweder auf Basis des Zeitaufwands oder orientiert an den anrechenbaren Kosten des Projektes und fünf Honorarzonen, die sich nach der Höhe der Projektsteuerungsanforderun-gen unterscheiden.380

In jederProjektstufe gibt es vier Handlungsbereiche mit

B – Qualitäten und Quantitäten

C – Kosten und Finanzierung Vergabe und Mitwirken bei der Vergabe) 4. Ausführung

(Projektüberwachung)

5. Projektabschluss

(Projektbetreuung, Dokumentation) Projektstufen

(Leistungsinhalte) Handlungsbereiche Honoraranteil nach § 207 (Grundleistungen)

Abbildung 31: Leistungen nach AHO381

378 Der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Hono-rarordnung e. V. (AHO) ist ein Zusammenschluss bedeutender Ingenieurorganisationen in Deutschland, dessen Aufgabe in der Interessenvertretung seiner Mitglieder bezüglich Ho-norar und Wettbewerb liegt. Die fachlichen Beiträge des Ausschusses werden durch Fach-kommissionen geleistet, so im vorliegenden Falle durch die Fachkommission Projektsteue-rung/Projektmanagement.

379 Im November 1996 wurden die „Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 der HOAI und zur Projektsteuerung“ als „Nr. 9 der Schriftenreihe des AHO“ erstmals veröffentlicht, im Ja-nuar 2004 als 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, nun unter dem Titel „Un-tersuchungen zum Leistungsbild zur Honorierung und zur Beauftragung von Projektmana-gementleistungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft“.

380 Vgl. Diederichs et al. (2004a), S. 5-19.

381 In Anlehnung an Diederichs et al. (2004a), S. 9; Fischer/Bischoff (2004), S. 309.

Das Leistungsbild umfasst neben den im Verständnis des § 31 HOAI delegier-baren Bauherrenaufgaben der Projektsteuerung auch Projektleitungsaufgaben, also originäre Bauherrenaufgaben, deren Beauftragung die Integration des Dienstleisters in Linienfunktion und die Übertragung von Entscheidungs- und Kompetenzbefugnissen voraussetzt.382

Ausgehend von diesem aus Sicht des AHO zentralen Leistungsbild hat Diede-richs Untersuchungen zu vor- und nachgelagerten Leistungen bzw. Phasen an-gestellt. Gemäß dem Verständnis von Diederichs besteht der Lebenszyklus von Immobilienprojekten aus den drei Immobilienmanagementphasen Projektent-wicklung im engeren Sinne (vom Projektanstoß bis zum Beginn der Planung), Projektmanagement (vom Planungsauftrag bis zur Abnahme/Übergabe) und Facilities Management (vom Nutzungsbeginn bis zur Umwidmung/Abriss),383 die zusammengenommen die ‚Projektentwicklung im weiteren Sinne’ bzw. das

‚Real Estate Management’ bilden (vgl. Abbildung 32).384

Abbildung 32: Projektentwicklung im weiteren Sinne nach Diederichs385

382 Vgl. dazu ausführlich Diederichs et al. (2004a), S. 9-21.

383 Vgl. Diederichs (2004b), S. 9.

384 Nach Diederichs ist der Begriff ‚Projektentwicklung im weiteren Sinne’ gleichzusetzen mit den Begriffen ‚ganzheitliches Immobilien- und Infrastrukturmanagement’ sowie dem in eng-lischsprachigen Ländern verwendeten Begriff ‚Real Estate Management’. Vgl. Diederichs (1999), S. 269.

385 Diederichs (1999), S. 270.

Für die Projektentwicklung im engeren Sinne hat die AHO-Fachkommission Projektsteuerung/Projektmanagement unter Vorsitz von Diederichs in 2004 ein Leistungsbild entworfen und als Heft 19 der Schriftenreihe veröffentlicht, das von Diederichs weiter konkretisiert wurde und die in Abbildung 33 dargestellten Aufgabenfelder umfasst.386

Nach diesem Verständnis werden Projektentwicklungsleistungen vom Projekt-anstoß bis zum Beginn der Planung (in der HOAI-Phase 2) erbracht und sind mit der Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) gleichzusetzen. Lediglich für die Aufgabenbereiche Grundstücksakquisition, die Projektorganisation und die Vermarktung sieht Diederichs eine parallel zur Planung verlaufende Leistungs-erbringung.387 Der Projektentwickler tritt als einer der fachlich beteiligten Akteu-re auf, der für den Auftraggeber ein Projekt konzipiert und es diesem zur Ent-scheidung vorlegt.388 Danach übernehmen das Projekt Projektmanager auf Ba-sis des Leistungsbildes AHO Nr. 9 und Architekten sowie Fachplaner auf BaBa-sis des § 15 HOAI.

A Marktrecherche

B Standortanalyse und -prognose C Grundstücksakquisition und -sicherung D Projektidee und Nutzungskonzeption E Stakeholderanalyse, Projektorganisation F Vorplanungskonzept

G Kostenrahmen für Investitionen und Nutzungskosten H Ertragsrahmen

I Terminrahmen J Steuern

K Rentabilitäts- mit Sensitivitätsanalyse, -prognose L Risikoanalyse, -prognose

M Vermarktung N Projektfinanzierung

O Entscheidungsvorbereitung

Abbildung 33: Projektentwicklungsleistungen im engeren Sinne nach Diede-richs389

386 Vgl. dazu ausführlich Diederichs (2004b), S. 16-20; Diederichs (2006), S. 24-29.

387 Vgl. Diederichs (2006), S. 9.

388 Vgl. Diederichs (1999), S. 276.

389 In Anlehnung an Diederichs (2006), S. 9.

Diese überwiegend sequentielle, funktionstrennende Auffassung des Planungs- und Bauprozesses im Allgemeinen und der Projektentwicklung im Besonderen steht dem im Rahmen dieser Arbeit eingenommenen, wertschöpfungsorientier-ten Verständnis fundamental entgegen und soll daher für die Bestimmung der Leistungsinhalte nicht herangezogen werden.390