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5. Zusammenfassung und Ausblick

2.3.3 Die Agenturtheorie als Element des Bezugsrahmens

2.3.3.1 Grundlagen der Agenturtheorie

Die zweite theoretische Basis des Bezugsrahmens bildet die Agenturtheorie278 der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ). Die NIÖ stellt eine Erweiterung der neoklassischen Theorie dergestalt dar, dass die restriktiven Annahmen zum Verhalten ökonomischer Akteure279 durch die Annahme begrenzter Rationali-tät280 ersetzt wird.281 Unter Beibehaltung der Annahme individueller Nutzenma-ximierung282 führen diese Rationalitätslücken dazu, dass sich ökonomische Ak-teure opportunistisch verhalten und dadurch Schäden verursachen, die ihren Ausdruck in geringerer Produktivität und/oder höheren Kosten finden.283 Zur NIÖ gehören neben der Agenturtheorie die Property-Rights-Theorie284 und die

278 Die auch als ‚Prinzipal-Agent-Theorie’ bezeichnete Agenturtheorie unterscheidet zwei For-schungsrichtungen. In der positivistischen Agenturtheorie liegt der Untersuchungsschwer-punkt auf der Beschreibung und Erklärung institutioneller Auftragsbeziehungen, die norma-tive Agenturtheorie hat formalen Charakter und stellt den Versuch dar, die optimale Institu-tionengestaltung unter Zuhilfenahme mathematischer Beweise herzuleiten. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die positivistische Agenturtheorie als Grundlage herangezogen. Vgl.

Elschen (1991), S. 1006.

279 Eine wesentliche Modellannahme der Neoklassik ist, dass alle Akteure vollkommene Infor-mation besitzen und sich objektiv rational im Sinne eines ‚Homo Oeconomicus’ verhalten.

Vgl. Picot/Dietl/Franck (2005), S. 38.

280 „Begrenzt rational heißt in diesem Sinne eine Eigenschaft von Verhalten, dem eine rationa-le Absicht zu Grunde liegt, das aber aufgrund seiner Abhängigkeit vom Wissen bzw. von der Weltsicht des handelnden Akteurs diese Absicht nur begrenzt einzulösen vermag.“ Pi-cot/Dietl/Franck (2005), S. 33.

281 Vgl. zum Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik Bea/Göbel (2006), S. 165f; Pi-cot/Dietl/Franck (2005), S. 46.

282 Ebenso wie in der Neoklassik wird in der Neuen Institutionenökonomik die Perspektive des methodologischen Individualismus eingenommen und unterstellt, dass sich die Akteure in-dividuell nutzenmaximierend verhalten. Vgl. Picot/Dietl/Franck (2005), S. 31f.

283 Vgl. Williamson (1991), S. 79.

284 Die Property-Rights-Theorie untersucht die Auswirkungen unterschiedlicher Gestaltungen der Institution ‚Verfügungsrecht’ auf das ökonomische Verhalten von Akteuren. Vgl. weiter-führend Furubotn/Pejovich (1974).

Transaktionskostentheorie285. Den drei Theorien ist die Grundannahme ge-meinsam, dass Institutionen als Rationalitätssurrogate zur Prävention von durch Opportunismus entstehenden Schäden eingesetzt werden können und folglich die Gestaltung von Institutionen im Mittelpunkt der einzelnen Theorien steht.286 Den zentralen Untersuchungsgegenstand der Agenturtheorie bildet die asym-metrische Verteilung von Informationen zwischen Auftraggeber (Prinzipal) und Auftragnehmer (Agent) sowie die aus diesem Agenturverhältnis resultierende Problematik für deren Leistungsbeziehung (Agenturbeziehung).287

Diese Problematik besteht darin, dass dem Agenten diskretionäre Verhaltens-spielräume entstehen, die er bei Interessendivergenz zwischen ihm und dem Prinzipal zu seinem eigenen Vorteil ausnützen wird.288 Um dies zu verhindern, werden institutionelle Mechanismen in Bezug auf die organisatorische Gestal-tung der Beziehung herangezogen.289 Durch Implementierung bzw. Anwendung dieser Mechanismen entstehen so genannte Agenturkosten, die sich aus den drei Komponenten Signalisierungskosten des Agenten, Kontrollkosten des Prin-zipal und verbleibendem Wohlfahrtsverlust zusammensetzen.290

Diese Agenturkosten dienen als Entscheidungs- und Effizienzkriterium bei der agenturtheoretischen Institutionengestaltung. Ziel ist somit die

285 Die Transaktionskostentheorie geht der Fragestellung nach, welche institutionellen Arran-gements für verschiedene Arten des Leistungsaustausches zwischen ökonomischen Akteu-ren geeignet sind und demzufolge die geringsten Transaktionskosten verursachen. Vgl.

weiterführend Williamson (1990).

286 Die NIÖ geht von einem sehr weit gefassten Institutionenbegriff aus. So zählen dazu bspw.

Verträge, Geld, Markennamen, Regeln und Organisationsformen. Vgl. Burr (2005), S. 5.

Als Folge dessen fokussieren Forscher ihre Untersuchungen auf unterschiedliche Instituti-onen. So untersuchen bspw. Laux/Liermann vor allem Organisationen, während Jost die Institution des Vertrages und dessen anreizoptimale Gestaltung in den Fokus seiner For-schung rückt. Vgl. Laux/Liermann (2005); Jost (2001).

287 Vgl. grundlegend zur Agenturtheorie Jensen/Meckling (1976), S. 305-360.

288 Interessendivergenzen zwischen den beiden Akteuren entstehen, weil Prinzipal und Agent über verschiedene Nutzenfunktionen verfügen, aber individuell nutzenmaximierend agie-ren. Vgl. Picot/Dietl/Franck (2005), S. 74.

289 Vgl. Spremann (1988), S. 618-622.

290 Die Signalisierungskosten des Agenten entstehen aufgrund seiner Anstrengungen zum Abbau der Informationsasymmetrie, die Kontrollkosten des Principal entstehen aufgrund dessen Bemühungen, die Informationsasymmetrie zum Agenten zu verkleinern. Selbst bei hohen Signalisierungs- und Kontrollaufwendungen kann die bei vollkommener Information erzielbare First-best-Lösung aufgrund von Informationsasymmetrien nicht erreicht werden.

Es verbleibt somit ein Wohlfahrtsverlust, der sich als Differenz der First-Best-Lösung und der erreichten Second-best-Lösung ergibt. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308.

hängige Minimierung der Agency-Kosten durch das Finden der Second-best-Lösung, die der First-best-Lösung am nächsten kommt“.291

2.3.3.2 Informationsasymmetrien und Gestaltungsempfehlungen

Die Agenturtheorie unterscheidet vier Arten von Informationsasymmetrien, die spezifische Problemstellungen bzw. Missverhalten in der Beziehung zwischen Prinzipal und Agent auslösen können.292 Zu deren agenturkostenminimalen Lö-sung werden Gestaltungsempfehlungen gegeben, die einerseits auf der Besei-tigung der Informationsasymmetrie zielen, andererseits eine Interessenanglei-chung zwischen Prinzipal und Agent bewirken sollen. Abbildung 24 enthält eine Übersicht dieser nachfolgend en detail beschriebenen Zusammenhänge.

Hidden Characteristics Hidden Intention

Adverse Selection Moral Hazard Hold Up

Abbau der

Ex ante Ex post Ex ante und ex post

Zeitpunkt

Abbildung 24: Informationsasymmetrien und Gestaltungsempfehlungen293

291 Picot/Dietl/Franck (2005), S. 73f. Da die Agenturkosten jedoch nicht quantifiziert werden können, hat dieses Kriterium eher heuristischen Charakter. Vgl. Dietl (1993), S. 145.

292 Vgl. Jost (2001), S. 25; Spremann (1990), S. 565-572.

293 In Anlehnung an Göbel (2002), S. 110; Picot/Dietl/Franck (2005), S. 77.

Hidden Characteristics

Als Hidden Characteristics (Qualitätsunsicherheit) wird eine Situation bezeich-net, in der die Qualitätsmerkmale des Agenten bzgl. dessen Leistungsvermö-gen vom Prinzipal vor Vertragsabschluß (ex ante) nicht hinreichend beurteilt werden können. Dadurch läuft er Gefahr, einen nicht qualifizierten Agenten zu beauftragen. Zur Lösung dieses Problems der Auswahl unerwünschter Ver-tragspartner, auch als Adverse Selection bezeichnet, werden die folgenden Maßnahmen vorgeschlagen.

Auf den Abbau von Informationsasymmetrie zielen Screening bzw. Signaling-Aktivitäten sowie Self Selection. Während Screening-Maßnahmen294 aktiv durch den Prinzipal unternommen werden, geht die Initiative beim Signaling295 vom besser informierten Agenten aus. Als Self Selection wird eine Maßnahme be-zeichnet, in der vom Agenten eine Selbsteinordnung dergestalt vorgenommen wird, dass er aus einer vom Prinzipal angebotenen Reihe von Vertragsvarianten die aus seiner Sicht optimale auswählt. Dadurch ist es dem Prinzipal möglich, Rückschlüsse auf ex ante nicht beobachtbare Verhaltensmerkmale des Agen-ten zu ziehen.

Außer durch den Abbau von Informationsasymmetrie kann eine Minimierung der Adverse Selection-Gefahr durch Maßnahmen der Interessenangleichung erfolgen. Hierzu zählen Garantien und Leistungsversprechen ebenso wie der bei Schlechtleistung zu erwartende Reputationsverlust.296

Hidden Information und Hidden Action

Als Hidden Information (versteckte Information) und Hidden Action (verstecktes Handeln) werden Verhaltensunsicherheiten des Prinzipals bezeichnet, die nach Vertragsabschluß (ex post) bzw. während der Vertragserfüllung auftreten. ‚Hid-den Information’ beschreibt ‚Hid-den Informationsvorsprung des Agenten, über ‚Hid-den er aufgrund unzureichender Expertise des Prinzipals verfügt. Da der Prinzipal das Verhalten des Agenten darüber hinaus nur unvollständig beobachten kann, entsteht dem Agenten ein Entscheidungs- und Handlungsspielraum, der

294 Vgl. zum Screening grundlegend Stiglitz (1975).

295 Vgl. zum Signaling grundlegend Spence (1973).

296 Vgl. Picot/Dietl/Franck (2005), S. 78.

mit dem Begriff ‚Hidden Action’ umschrieben wird. Aufgrund dieser beiden Ver-haltensunsicherheiten hat der Prinzipal keine Möglichkeit, unbefriedigende Er-gebnisse auf das Fehlverhalten des Agenten zurückzuführen. Dadurch entsteht mit der Gefahr opportunistischen Verhaltens des Agenten die so genannte Mo-ral Hazard-Problematik.

Zu den Maßnahmen, die eine Minimierung dieser Gefahr bewirken sollen, zäh-len unter dem Aspekt der Interessenangleichung insbesondere Anreiz- und Sanktionssysteme.297 Darüber hinaus werden Monitoring-Aktivitäten des Prinzi-pals genannt, die einen Abbau der Informationsasymmetrie bewirken sollen.298

Hidden Intention

Eine weitere Informationsasymmetrie, die als Hidden Intention (versteckte Ab-sicht) bezeichnet wird, entsteht, weil der Prinzipal die Absichten des Agenten vor Vertragsabschluß (ex ante) nicht genau beurteilen kann. Wenn der Prinzipal nach Vertragsabschluß irreversible Investitionen tätigt und er somit an den A-genten gebunden wird, kann eine Situation entstehen, die als Hold Up bezeich-net wird. Obwohl der Prinzipal das opportunistische Verhalten des Agenten ex post erkennt, verfügt er über keinerlei Sanktionsmechanismen, es zu verhin-dern.

Maßnahmen zur Verringerung der Informationsasymmetrie bleiben im Falle von Hidden Intention ergebnislos. Stattdessen werden Maßnahmen vorgeschlagen, die auf eine Interesseangleichung durch Verminderung des einseitigen Abhän-gigkeitsverhältnisses zielen. Durch ein Pfand des Agenten bspw. in Form von Abnahmegarantien oder Bürgschaften (Bonding) erhält der Prinzipal ein Sankti-onspotential. Des Weiteren sind Maßnahmen der institutionellen Integration des Agenten, bspw. langfristige Lieferverträge oder Kapitalbeteiligungen als ‚Com-mitment’ dazu geeignet, die Hold Up-Gefahr zu senken.299

297 Vgl. Göbel (2002), S. 113-116; Picot/Dietl/Franck (2005), S. 79.

298 Vgl. Picot/Dietl/Franck (2005), S. 79. Hierzu zählen bspw. formale Planungs- und Kontroll-systeme, Kostenrechnungs- und BuchführungsKontroll-systeme, BerichtsKontroll-systeme, etc.

299 Vgl. zum Commitment grundlegend Milgron/Roberts (1992), S. 133.

2.3.4 Implikationen für die Gestaltung der Projektentwicklung als