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1 E INLEITUNG

1.3 Die Familie der CEACAMs

1.3.1 Strukturelle und funktionelle Eigenschaften

Bis heute konnten beim Menschen 12 verschiedene CEACAM-Mitglieder identifiziert werden (Abb. 1.3.1). Alle diese Moleküle sind Membranproteine und besitzen in ihrem extrazellulären Abschnitt zwei verschiedene Arten von Immunglobulin (Ig)-ähnlichen Domänen. Die aminoterminale Domäne ist eine stark konservierte variable Ig-ähnliche (Igv -ähnlich) Domäne. Ihr folgen bis zu sechs konstante Ig-ähnliche (Igc-ähnliche) Domänen. An die extrazellulären Ig-ähnlichen Domänen schließt sich eine Transmembranregion an, die in eine zytoplasmatische Region übergeht (CEACAM1, CEACAM3, CEACAM4, CEACAM18 bis 21), oder die extrazellulären Ig-ähnlichen Domänen sind über einen Glykosyl-phosphatidylinositol (GPI)-Anker in der Zellmembran verankert (CEACAM5 bis 8). Das erst kürzlich entdeckte CEACAM16 stellt eine Ausnahme innerhalb der CEACAM-Familie dar,

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da es lediglich als sekretiertes Protein vorkommt und im Gegensatz zu den anderen CEACAMs zwei statt einer Igv-ähnlichen Domäne besitzt (Zebhauser et al. 2005).

Abb. 1.3.1 Die humane CEACAM-Familie. Modifiziert nach (Kuespert et al. 2006), aktualisiert mittels UniProt Daten für die CEACAM20 und 21 Splicevarianten, sowie die Gewebeverteilung der CEACAMs.

Als posttranslationale Modifikation weisen alle CEACAMs eine starke Glykosylierung an Asparaginresten der Ig-ähnlichen Domänen auf. Diese Kohlenhydratketten können bis zu 50 % des Molekulargewichts ausmachen (Yamashita et al. 1987). Einige der trans-membranären Isoformen besitzen in ihren zytoplasmatischen Abschnitten Immunrezeptor-Tyrosin-basierte Inhibitorische oder Aktivierende Motive (ITIM oder ITAM) (Chen et al.

2001; Schmitter et al. 2004). Solche Sequenzmotive spielen bei der pTyr-abhängigen Weiterleitung verschiedener Signale in die Zelle eine wichtige Schlüsselrolle.

ITAMs und ITIMs

Nicht jeder Tyrosinrest in einem Protein ist für eine Phosphorylierung zugänglich oder geeignet. Der Aminosäuresequenzkontext entscheidet darüber, ob und welche Kinase eine Phosphatgruppe auf den Tyosinrest übertragen kann, zumeist sind die flankierenden 3-5 Aminosäuren entscheidend für die Spezifität. Während in vielen Proteinen einfache Sequenz-motive zu finden sind, die eine Phosphorylierung erlauben, gibt es unter diesen Motiven auch solche, die sich einer bestimmten Funktion zuordnen lassen, nämlich die ITAMs und ITIMs.

Sie sind beispielsweise Bestandteil verschiedener Immunrezeptoren und haben aktivierende (ITAM) oder inhibierende (ITIM) Eigenschaften. So sind beispielsweise ITAMs für die Signaltransduktionsprozesse von B- und T-Zellen von entscheidender Bedeutung. Ein

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typisches ITAM ist durch eine spezifische Aminosäurekonsensussequenz der Form YxxI/Lx(6-12)YxxI/L charakterisiert. So tragen beispielsweise die ξ-Kette des T-Zellrezeptors und der B-Zellrezeptor eine ITAM-Sequenz, welche nach Ligandenbindung an den Rezeptor durch PTKs der Src-Familie phosphoryliert wird. Das zweifach phosphorylierte ITAM dient als Bindestelle für die Tandem-SH2 Domänen von PTKs der Syk-Familie (Syk oder Zap-70).

Die damit verbundene Aktivierung von Syk und/oder Zap-70 resultiert in der tyrosin-phosphorylierungsabhängigen Aktivierung verschiedener nachgeschalteter Signalwege, welche beispielsweise Aktivierungs-, Proliferations-, Differenzierungs- und Überlebens-prozesse steuern (Cambier 1995).

Rezeptoren mit ITIM-Konsensussequenzen sind evolutionär konservierte Membranproteine, die bereits in den einfachen Metazoen zu finden sind (Daeron et al. 2008). Die erstmalige Beschreibung der inhibitorische Funktion ITIM-tragender Rezeptoren erfolgte anhand des niedrig-affinen Immunglobulin G (IgG) Rezeptors Fcγ-Rezeptor IIB (Daeron et al. 1995). Die ITIM-Konsensussequenz hat die charakteristische Abfolge S/I/V/LxYxxI/V/L. Durch molekulare Analysen konnte gezeigt werden, dass nach Ligandenbindung an den Rezeptor das ITIM durch PTKs der Src-Familie phosphoryliert wird. Das Phosphotyrosin dient dann als Bindestelle für die SH2 Domänen von Phosphotyrosinphosphatasen (z. B. SHP-1 und SHP-2) oder 5’-Inositol-Phosphatasen (z. B. SHIP1 und SHIP2). Die aktivierten Phos-phatasen dephosphorylieren tyrosinphosphorylierte Proteine oder Inositolphospholipide, wodurch anderen aktivierenden Signalprozessen entgegengewirkt wird. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise aktivierende ITAM-Signale abgeschwächt werden. Somit haben die ITIMs im Vergleich zu den ITAMs eine negativ regulierende Funktion in den Signalprozessen des Immunsystems.

Neben den beschriebenen B-, T-Zellrezeptoren und Fc-Rezeptoren besitzen auch einige CEACAMs ITAM- bzw. ITIM-Konsensussequenzen in ihren zytoplasmatischen Abschnitten.

Drei dieser Rezeptoren (CEACAM1, CEACAM3 und CEACAM4) sollen im Folgenden näher beschrieben werden.

CEACAMs mit Immunrezeptor-Tyrosin-basierten Motiven

CEACAM1 ist das CEACAM-Familienmitglied mit der größten Gewebeverteilung und der höchsten strukturellen Variabilität. Dieser Rezeptor ist nicht nur auf der Oberfläche von Epithelzellen zu finden, sondern auch auf verschiedenen Leukozyten. Ferner kann seine Expression auch in anderen Zellen wie beispielsweise T-Zellen und Endothelzellen induziert

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werden. Von CEACAM1 sind zwölf Splicevarianten bekannt, die sich nicht nur in einer teilweise unterschiedlichen Anzahl der extrazellulären Domänen unterscheiden, sondern auch in der Länge ihrer zytoplasmatischen Abschnitte (siehe: http://www.carcinoembryonic-antigen.de/). Es gibt CEACAM1 Isoformen mit einem langen (CEACAM1-L) oder einem kurzen (CEACAM1-S) zytoplasmatischen Abschnitt. CEACAM1-L besitzt in seinem 74 Aminosäuren langem zytoplasmatischen Abschnitt mehrere phosphorylierbare Serin-, Threonin- und Tyrosinreste, durch welche eine Beteiligung von CEACAM1-L an verschiedenen Signalprozessen und Protein-Protein Interaktionen gewährleistet wird. Im Gegensatz dazu enthält CEACAM1-S in seinem lediglich 10 Aminosäuren umfassenden zytoplasmatischen Abschnitt keine phosphorylierbaren Aminosäurereste. Die lange CEACAM1 Form besitzt phosphorylierbare Tyrosinreste, die in zwei ITIMs eingebettet sind.

Durch diese phosphroylierbaren Tyrosinreste ist CEACAM1-L an wichtigen intrazellulären Signalübertragungsprozessen beteiligt (Gray-Owen and Blumberg 2006). Ein Beispiel hierfür ist die Beteiligung von CEACAM1-L bei der Regulierung des Insulin-Signalweges. Als ein direktes Phosphorylierungssubstrat des aktivierten Insulinrezeptors fördert die tyrosinphosphorylierte CEACAM1-L Isoform die Endozytose des Insulinrezeptor-Insulin Komplexes und den Abbau des Insulins im Lysosom (Najjar 2002). Allerdings moduliert CEACAM1 nicht nur Insulin-vermittelte Signalprozesse, sondern ist auch an Aufbau und Formung von endothelialen Geweben beteiligt. Studien zeigten, dass der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF) die Expression von CEACAM1 in Endothelzellen erhöht und dass in diesem Zusammenhang die Verwendung von monoklonalen CEACAM1 Antikörpern die VEGF-induzierte endotheliale Gefäßneubildung blockiert (Ergun et al. 2000).

Auch im Hinblick auf die Tumorgenese wird CEACAM1 intensiv untersucht. Im Gegensatz zu CEA oder CEACAM6 besitzt CEACAM1 die Funktion eines Tumorsupressors (Singer et al. 2000). Der negative Einfluss von CEACAM1 auf das Tumorwachstum erklärt sich dadurch, dass es die Zellproliferation verlangsamt und proapoptotisch wirkt. Allerdings wirkt nur die lange Isoform (CEACAM1-L) proliferationshemmend, da nur diese das ITIM besitzt, welches nach Phosphorylierung als Bindestelle für die SH2 Domänen der Proteinphosphatase SHP oder der Inositolphosphatase SHIP dient. Die Folge der Assoziation dieser Phosphatasen mit dem aktivierten, phosphorylierten CEACAM1-L ist eine Absenkung des Aktivierungszustandes der Zelle (Obrink et al. 2002). Im Gegensatz dazu wurde eine verstärkte Expression der verkürzten Isoform (CEACAM1-S) in Lungentumoren festgestellt (Wang et al. 2000). Neben seiner Rolle bei den verschiedensten physiologischen Prozessen

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sowie der Entstehung von Tumoren wurde CEACAM1 sowohl in Mäusen (Dveksler et al.

1993) als auch im Menschen als Pathogenrezeptor beschrieben. Allerdings ist die Aufnahme von Humanpathogenen unabhängig von Tyrosinphosphorylierungen der ITIM-Sequenzen im zytoplasmatischen Abschnitt von CEACAM1.

Zwei weitere Mitglieder der CEACAM-Familie, die ebenfalls phosphorylierbare Tyrosinreste in ihrem zytoplasmatischen Abschnitt enthalten, sind CEACAM3 und CEACAM4. Eine Besonderheit dieser beiden Proteine liegt darin, dass sie ausschließlich auf Granulozyten von Primaten exprimiert werden. Beide Moleküle sind Transmembranproteine mit lediglich einer extrazellulären Ig-ähnlichen Domäne, welche dem variablen Typ zu zuordnen ist. Genau wie CEACAM1 weisen die zytoplasmatischen Abschnitte von CEACAM3 und CEACAM4 zwei phosphorylierbare Tyrosinreste auf. Bei CEACAM3 sind diese Tyrosine in eine ITAM-ähnliche Sequenz eingebettet, während das tyrosinphosphorylierbare Sequenzmotiv in CEACAM4 einem echten ITAM entspricht (Abb 1.3.2).

Abb. 1.3.2 Vergleich der ITAM-Konsensussequenz (Cambier 1995) mit den Tyrosin-phosphorylierbaren Sequenzen von CEACAM3 und CEACAM4. Grau hinterlegte Aminosäuren sind konserviert.

Genau wie die Tyrosine in den ITIMs von CEACAM1, können auch die Tyrosine in der ITAM-ähnlichen Sequenz von CEACAM3 durch spezifische PTKs phosphoryliert werden und als Bindemotive für Proteine mit SH2 Domänen dienen. Neben dieser ITAM-ähnlichen Sequenz besitzt CEACAM3 in seinem zytoplasmatischen Abschnitt noch eine Prolin-reiche Sequenz sowie mehrere potentiell phosphorylierbare Serinreste (Abb. 1.3.3).

Auch CEACAM4 besitzt potentiell phosphorylierbare Serine und eine Prolin-reiche Sequenz im zytoplasmatischen Abschnitt. Im Gegensatz zu CEACAM1 können weder CEACAM3, noch CEACAM4 homophile und heterophile interzelluläre Interaktionen eingehen. Im Jahr 1996 identifizierten Chen und Gotschlich CEACAM3 als einen Rezeptor auf Granulozyten, welcher verantwortlich ist für die Opsonin-unabhängige Aufnahme von Opa Protein exprimierenden Neisseria gonorrhoeae (Chen and Gotschlich 1996). Auch die stabile Transfektion von HeLa Zellen mit CEACAM3 cDNA ermöglichte es diesen Zellen N.

gonorrhoeae zu erkennen und zu internalisieren. Im Gegensatz zu CEACAM1 ist für die CEACAM3-vermittelte Phagozytose die Intaktheit der phosphorylierbaren Tyrosinreste in der ITAM-ähnlichen Sequenz von CEACAM3 von essentieller Bedeutung.

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Abb. 1.3.3 Aufbau von CEACAM3. (A) Primärstruktur von CEACAM3. CEACAM3 ist ein Typ 1 Transmembranprotein von 252 Aminosäuren (AS) Länge. Nach Abspaltung des aminoterminale Signalpeptids (34 AS lang) besteht der extrazelluläre Abschnitt (121 AS lang) aus: der Igv-ähnlichen Domäne (108 AS) und einer 13 AS langen Verbingungsregion zur 21 AS langen Transmembrandomäne TM. Der zytoplasmatische Abschnitt von CEACAM3 umfasst 76 AS. (B) Sequenzmotiv des zytoplasmatischen Abschnitts von CEACAM3. Das charakteristischste Merkmal des zytoplasmatischen Abschnitts von CEACAM3 ist eine Immunrezeptor Tyrosin-basiertes Aktivierungsmotiv (ITAM)-ähnliche Sequenz (unterstrichen). Dieses Sequenzmotiv gleicht sehr stark der typischen ITAM-Konsensussequenz. Die Tyrosinreste (Y230 und Y241) dieses Sequenzmotives werden durch Mitglieder aus der Familie der Src-Kinasen phosphoryliert. Neben diesen Tyrosinen gibt es auch einige Serine, die potentiell phosphoryliert werden können (Kennzeichnung: fett und unterschtrichen) (Vorhersage mittels NetPhos http://www.cbs.dtu.dk/services/NetPhos/; (Blom et al. 1999)).

PKA, PKC und PKG sind mögliche Kinasen, die diese Serinreste phosphorylieren könnten. Eine Prolin-reiche Sequnez (Kasten) ist ein potentielles Bindemotiv für Proteine mit SH3 Domänen. Modifiziert aus (Pils et al.

2008).

Die Rolle der ITAM-ähnliche Sequenz von CEACAM3 bei der Phagozytose von Human-pathogenen wird im Kapitel 1.3.2.1 näher beschrieben.

CEACAM4 wurde erstmalig im Jahr 1991 beschrieben (Kuroki et al. 1991). Allerdings konnte für CEACAM4, im Gegensatz zu CEACAM3, bisher weder ein Ligand identifiziert werden noch wurde die Funktion dieses Rezeptors näher untersucht. Die bereits beschriebene Verwandtschaft zu CEACAM3 und insbesondere die Ähnlichkeit des zytoplasmatischen Abschnittes, welcher bei CEACAM3 von essentieller Bedeutung für den Phagozytoseprozess ist, lässt eine gleichartige Funktion von CEACAM4 vermuten. Allerdings wurde CEACAM4 seit seiner erstmaligen Beschreibung im Jahr 1991 bisher nur sehr wenig untersucht.