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1 E INLEITUNG

1.2 Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein

1.2.3 SH2 Domänen – wichtige Interaktionsdomänen in der zellulären

1.2.3.2 Proteinfamilien mit SH2 Domänen

Es gibt sehr viele verschiedene Proteinfamilien mit SH2 Domänen, die an den unter-schiedlichsten zellulären Signaltransduktionsprozessen beteiligt sind (Abb. 1.2.7). Im Fol-genden sollen einige dieser Familien näher beschrieben werden.

Enzyme

Viele verschiedene Enzyme (z. B. Kinase, Phosphatasen, Phospholipasen) besitzen eine oder zwei SH2 Domänen. Zusätzlich dazu weisen diese Proteine meist auch noch andere Protein-Protein oder Protein-Protein-Lipid Interaktionsdomänen, wie z. B. SH3 oder Pleckstrin homology (PH) Domänen, auf. Bekannte Vertreter hierfür sind Proteintyrosinkinasen (z. B. Src, Btk, ZAP-70), Proteintyrosinphosphatasen (z. B. PTPN6/Shp-1 und PTPN11/Shp-2), die Phospholipase-Cγ (PLC-γ) und das Ras-GTPase aktivierende Protein (RASA1/p120GAP). So führt zum Beispiel die Bindung der PLC-γ SH2 Domäne an den autophosphorylierten EGF-

Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein Interaktionen

oder FGF-Rezeptor zur Translokation der PLC-γ an die Plasmamembran. Die räumliche Nähe der Phospholipase zu ihrem Substrat, dem Membranbestandteil Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PI(4,5)P2) ermöglicht somit die Synthese der second messenger Diacylglycerol (DAG) und Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3).

Abb. 1.2.7 Proteinfamilien mit SH2 Domänen. Klassifizierung und Domänenanordnung der 110 humanen SH2 Domänen besitzenden Proteine. Modifiziert aus (Liu et al. 2006).

Einleitung

Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein Interaktionen

Im Bezug auf die FGF-abhängige Aktivierung der PLC-γ und die damit verbundene second messenger Produktion konnten Mohammadi et al. zeigen, dass dafür die Interaktion der PLC-γ SH2 Domäne mit dem phosphorylierten Tyr766 des FGF-Rezeptors unabdingbar ist (Mohammadi et al. 1992).

In der Proteinfamilie der Kinasen sorgen die SH2 Domänen oft auch für intramolekulare autoinhibitorische Interaktionen und kontrollieren dadurch die enzymatische Aktivität dieser Proteine (Hubbard et al. 1998). Ein Beispiel dafür stellt die membranassoziierte PTK Src dar.

Sowohl durch die SH2 als auch durch die SH3 Domäne wird die Src-Kinase in einer inaktiven autoinhibierten Konfiguration gehalten. Dabei bindet die SH2 Domäne an den phosphorylierten Tyr527-Rest im C-terminalen Abschnitt der Kinase. Gleichzeitig interagiert auch die SH3 Domäne mit dem PxxP-Motiv in der Verbindungsregion zwischen SH2 Domäne und Kinasedomäne (Sicheri et al. 1997; Xu et al. 1997). Durch diese intra-molekularen Interaktionen und den damit verbundenen Konformationsänderungen sind die SH2 und SH3 Domänen sowohl für die Unterdrückung der Kinaseaktivität als auch für das Fernhalten dieser Interaktionsdomänen von exogenen Bindepartnern verantwortlich. Diese autoinhibierende Konformation kann durch verschiedene Mechanismen aufgebrochen werden, wodurch die Src-Kinase wieder aktiv wird. Diese Mechanismen sind die Dephosphorylierung des Tyr527 durch Tyrosinphosphatasen, sowie die Bindung von zellulären Proteinen, mit höherer Affinität für die SH2 und SH3 Domänen. Letzteres hat somit auch zur Folge, dass die Kinase in die Nähe ihres Substrats rekrutiert wird (Nakamoto et al. 1996;

Schaller et al. 1999).

Adapterproteine

Eine weitere Proteinfamilie bilden, die so genannten Adapterproteine (z. B. Grb2, Nck und Crk). Sie bestehen aus einer einzelnen SH2 Domäne sowie mehreren SH3 Domänen und besitzen keinerlei intrinsische enzymatische Aktivität. Mitglieder dieser Proteinfamilie nutzen ihre SH2 und SH3 Domänen für die Ausbildung von Signalproteinkomplexen, welche die Weiterleitung eines Signals innerhalb der Zelle ermöglichen. Die Entstehung solcher Signalproteinkomplexe ist oft die Folge einer aktivierten Tyrosinkinaseaktivtät, welche durch extrazelluläre Stimuli induziert wird (Schlessinger and Ullrich 1992; Kuriyan and Cowburn 1997; Shoelson 1997; Pawson et al. 2001). Die Adapterproteine binden über ihre SH2 Domäne an tyrosinphosphorylierte Proteine und interagieren über ihre SH3 Domänen mit Prolin-reichen Sequenzen in nachgeschalteten Effektorproteinen. Ein Beispiel dafür ist das

Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein Interaktionen

Adapterprotein Grb2, welches aus einer SH2 Domäne besteht, die von zwei SH3 Domänen flankiert wird (Lowenstein et al. 1992). Das Wachstumsfaktorrezeptor-bindende Protein Grb2 (Growth factor receptor binding protein 2) bindet über seine SH2 Domäne das pYxN Motiv des aktivierten EGF-Rezeptors. Über die N-terminale SH3 Domäne wird die Interaktion mit der Prolin-reichen Sequenz des Ras-Guaninnukleotid-Austauschfaktors son of sevenless (SOS) vermittelt, wodurch der Ras/MAP-Kinase-Signalweg, welcher die Zellproliferation und –differenzierung reguliert, aktiviert wird. Gleichzeitig kann die C-terminale SH3 Domäne mit der Prolin-reichen Sequenz des Docking Proteins Gab1 interagieren und somit den PI3K/Akt-abhängigen Signalweg, welcher das zelluläre Überleben regelt, aktivieren (Schlessinger and Lemmon 2003). Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass ein Adapterprotein mehrere verschiedene SH3-bindende Proteine rekrutieren und somit ein einzelnes Phosphotyrosin mehrere verschiedene zelluläre Signalwege regulieren/beeinflussen kann (Pawson et al.

2001). Eine weitere Gruppe von Proteinen, die über ihre SH2 Domäne pTyr-abhängig an aktivierte Wachstumsrezeptoren binden, bilden die Mitglieder der Grb7/10/14-Familie.

Allerdings haben die Grb7/10/14-Proteine eine ganz andere Domänenstruktur und Funktionsweise als Grb2. Eine ausführliche Beschreibung der Mitglieder der Grb7/10/14-Familie erfolgt in Kapitel 3.2.1.

Gerüstproteine mit SH2 Domänen

Ähnlich wie die Adapterproteine regulieren auch die Gerüstproteine die Assemblierung von Signalproteinkomplexen. Sie sind in der Lage, verschiedene Signalwege miteinander zu verknüpfen und/oder Substrate in die räumliche Nähe von Enzymen zu bringen. Betrachtet man lediglich ihre Interaktionsformen oder räumlichen Verteilungsmuster, ist eine klar abgrenzbare Unterscheidung zwischen Adapter- und Gerüstproteinen nur sehr schwer möglich (Alexa et al. 2010). Neben den eher passiven Eigenschaften wie der Rekrutierung von Signalproteinen und deren Verknüpfung mit anderen Proteinen spielen die Gerüstproteine auch eine „aktive“ Rolle in der Signalweiterleitung. Dies unterscheidet sie von den Adapterproteinen. Die Gerüstproteine besitzen genau wie die Adapterproteine, keine intrinsische enzymatische Aktivität, können aber beispielsweise die Konformation oder Aktivität von Enzymen beeinflussen. Die Modulation der Enzymaktivität ist die Folge von allosterischen Effekten, welche durch die Bindung des Enzyms an das Gerüstprotein hervorgerufen werden (Bhattacharyya et al. 2006; Montell 2007; Good et al. 2009; Smock and Gierasch 2009).

Einleitung

Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein Interaktionen

Ein bekanntes Beispiel eines Gerüstproteins ist Slp76 (SH2 domain-containing leukocyte protein of 76 kDa). Dieses Protein wird durchgehend in allen Zellen des hämatopoetischen Systems exprimiert (Clements et al. 1998). Das Protein besteht aus drei modularen Domänen.

Diese umfassen eine saure N-terminale Region (mit drei Tyrosinphosphorylierungsmotiven), eine zentrale Prolin-reiche Domäne und eine C-terminale SH2 Domäne (Jackman et al. 1995).

Die drei phosphorylierbaren Tyrosinreste dienen als Bindestellen für die SH2 Domänen des Guaninnukleotid-Austauschfaktors Vav, des Adapterproteins Nck, der p85 Untereinheit der PI3K und die Proteintyrosinkinase ITK (Onodera et al. 1996; Tuosto et al. 1996; Wu et al.

1996; Raab et al. 1997; Bubeck Wardenburg et al. 1998; Su et al. 1999; Wunderlich et al.

1999; Shim et al. 2004). Über die Prolin-reiche Domäne wird die Interaktion mit den SH3 Domänen der PLC-γ und des Grb2-verwandten Adapterproteins (Grap2/GADS) vermittelt (Liu et al. 1999). Durch die SH2 Domäne kann Slp76 mit den tyrosinphosphorylierten Formen der Hämatopoetischen Vorläuferkinase 1 (HPK1) und dem adhäsions- und degranulationsfördernden Adapterprotein (ADAP) interagieren (da Silva et al. 1997; Musci et al. 1997; Sauer et al. 2001).

Wie das Gerüstprotein Slp76 all diese Proteine miteinander in einem Signalkomplex verknüpft, soll im Folgenden kurz beschrieben werden (Abb. 1.2.8).

Abb. 1.2.8 Die Rolle von Slp76 bei der T-Zell-rezeptor-vermittelten Signalweiterleitung. Die Aktivierung des T-Zellrezeptors (TZR) resultiert in der stufenweisen Aktivierung der Src-Kinase Lck und der ζ-Ketten-assoziierten Proteinkinase von 70 kDa (ZAP70).

In der Folge phosphoryliert ZAP70 verschiedene nachgeschaltete Signalproteine, inklusive LAT (linker for activation of B cells) und Slp76 (SH2 Domänen-enthaltendes Leukozytenprotein von 76 kDa). Slp76 wird, durch die konstitutive Interaktion mit Grap2 (Grb2-related adaptor) an das membrangebunde LAT rekrutiert. Zusammen bilden Slp76 und LAT einen Signalkomplex, welcher eine Vielzahl von unter-schiedlichen zellulären Prozessen, wie beispielsweise Calcium-Einstrom, Aktivierung von MAP-Kinasen, Integrinaktivierung und Umlagerung des Zytoskeletts in Gang setzt. Modifiziert aus (Koretzky et al. 2006).

Nach Aktivierung des T-Zellrezeptors kommt es zur Aktivierung der Proteintyrosinkinasen Lck und Zap-70. Die aktivierte Zap-70 phosphoryliert das membranverankerte Docking-protein LAT an mehreren Tyrosinen. Über diese phosphorylierten Tyrosinreste erfolgt unter anderem die Interaktion mit der SH2 Domäne von Grap2, welches seinerseits über seine Prolin-reiche Domäne mit dem Adapterprotein Slp76 interagiert. Diese Interaktionen führen

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zur Ausbildung des LAT-Grap2-Slp76 Komplexes an der Zellmembran (Jordan et al. 2003).

Gleichzeitig assoziiert auch die PLC-γ mittels ihrer SH2 Domäne mit LAT, während über die SH3 Domäne eine Interaktion mit der Prolin-reichen Sequenz von Slp76 stattfindet. Der dadurch entstandene membranständige LAT-PLC-γ-Slp76 Komplex ist verantwortlich für die Aktivierung der PLC-γ. Das Reaktionsprodukt der PLC-γ Aktivität, Inositoltrisphosphat, bewirkt eine Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration. Dies wiederum aktiviert die MAP-Kinase, wodurch die MAP-Kinase Kaskade in Gang gesetzt wird (Yablonski et al.

1998; Jordan et al. 2003). Gleichzeitig haben beide Komplexe auch Einfluss auf die Umstrukturierung des Zytoskeletts, was durch die Interaktion des tyrosinphosphorylierten Slp76 mit den SH2 Domänen von Vav und Nck induziert wird (Zeng et al. 2003).

Proteine mit regulatorischen Untereinheiten

Eine vierte Gruppe von Proteinen mit SH2 Domänen sind Proteine, die sowohl Eigenschaften von Adapterproteinen besitzen und auch als regulatorische Untereinheiten oder allosterische Regulatoren von separaten katalytischen Untereinheiten fungieren. Ein Beispiel hierfür ist die regulatorische Untereinheit p85 der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K). Diese regulatorische Untereinheit besteht aus einer N-terminalen SH3 Domäne, gefolgt von einer Rho-GAP (Rho-GTPase aktivierendes Protein) Domäne, beidseitig flankiert von einer Prolin-reichen Sequenz. Angrenzend an diese Domänen besitzt die p85 Untereinheit im C-terminalen Teil des Proteins eine Bindestelle für die katalytische Untereinheit p110 der PI3K. Diese p110 Bindestelle wird von beiden Seiten durch eine SH2 Domänen flankiert (Abb. 1.2.9) (Vanhaesebroeck et al. 2001; Hawkins et al. 2006; Vanhaesebroeck et al. 2010).

Abb. 1.2.9 Domänenstruktur der mammalischen Phoshatidylinositol-3-Kinasen Klasse I. Modifiziert aus (Vanhaesebroeck et al. 2010).

Im inaktivierten Zustand liegt die regulatorische Untereinheit p85 in einem konstitutiv assoziierten Komplex mit der katalytischen Untereinheit p110 vor. Dieser Komplex ist im Zytoplasma lokalisiert. Bindet die p85 Untereinheit über ihre SH2 Domänen an einen tyrosinphosphorylierten Rezeptor oder tyrosinphosphorylierte membrangebundene Proteine, transloziert der p85-p110 Komplex an die Zellmembran, wo sich sein Substrat

Einleitung

Intrazelluläre Signaltransduktion durch Phosphotyrosin-abhängige Protein-Protein Interaktionen

Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PI(4,5)P2) befindet. Weiterhin kommt es durch die Bindung der p85 an tyrosinphosphorylierte Proteine zu einer Konformationsänderung in der Proteinstruktur, wodurch die autoinhibitorische Konformation der PI3K aufgehoben wird und somit die katalytische Aktivität der Kinase stimuliert wird (Vanhaesebroeck et al. 2001;

Hawkins et al. 2006; Vanhaesebroeck et al. 2010). Zusätzlich zu seinen Funktionen als Adapter (Rekrutierung der PI3K an die Zellmembran) und als allosterischer Regulator der PI3K Aktivität fungiert die p85 Untereinheit auch als Gerüstprotein, in dem sie über ihre SH3 Domäne mit Prolin-reichen Sequenzen anderer zellulärer Proteine interagieren kann.

Die Familie der CEACAMs