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Strategien zur Darstellung von Peptid-Polymer-Konjugaten

2.2.1 KONVERGENTE UND DIVERGENTE SYNTHESESTRATEGIEN IM ÜBERBLICK

Um die stimuliresponsiven Eigenschaften von Peptiden mit den exzellenten Materialqualitäten synthetischer Polymere vereinen zu können, wurde eine Reihe verschiedener Synthese-strategien zur Darstellung definierter Biokonjugat-Strukturen entwickelt.[37, 67-70] Die am häufigsten verwendete und effizienteste Methode beruht auf einem konvergenten Ansatz und wird als “grafting to” bezeichnet.[55, 71] Dabei erfolgt eine direkte Verknüpfung zwischen Poly-mereinheit und Peptidsequenz auf Basis einer komplementären Reaktivität der funktionellen Gruppen (vgl. Abbildung 2.2 links). Die Methode erlaubt eine unabhängige Synthese der beiden Komponenten, so dass hochreine und präzise analysierte Strukturen miteinander verbunden werden können. Für eine erfolgreiche Konjugation von Polymer und Biomakro-molekül muss die Reaktivität der funktionellen Gruppen der zu verknüpfenden Verbindungen eindeutig definiert sein. Dadurch kann die Bildung unerwünschter Nebenprodukte umgangen und ein möglichst vollständiger Umsatz erzielt werden.[4]

Divergente Strategien bieten durch das Einbeziehen kontrolliert radikalischer Polymerisations-techniken weitere Möglichkeiten, synthetische Polymere mit funktionalen Peptiden zu verbin-den.[59, 72] ATRP[73] (engl. atom transfer radical polymerization), RAFT[74] (engl. reversible addition-fragmentation chain transfer) oder NMP[75] (engl. nitroxide-mediated polymerization) sind mit wässrigen Bedingungen kompatibel und tolerieren die vielfältigen funktionellen Gruppen der Aminosäure-Seitenketten der biologischen Verbindungen, so dass störende Nebenreaktionen vermieden werden.[4] Vor diesem Hintergrund können die Peptid-Polymer-Konjugate auf zwei verschiedenen Wegen synthetisiert werden. Die Strategie „grafting from“ beruht auf dem sukzessiven Aufbau des Polymers ausgehend von einer vorgefertigten Peptidsequenz (vgl. Abbildung 2.2 mittig).[76-78] Diese fungiert als Makroinitiator und wird nach der Modifika-tion mit einer reaktiven Einheit entsprechend der gewählten PolymerisaModifika-tionstechnik kontrol-liert radikalisch zu einem linearen Biokonjugat polymerisiert. Durch den ebenfalls divergenten Syntheseansatz „grafting through“ wird die Peptidsequenz zunächst mit einer geeigneten mono-meren Einheit verknüpft. Anschließend können die monomergebundenen Peptide

polymeri-siert werden können (vgl. Abbildung 2.2 rechts). Die resultierenden Peptid-Polymer-Konjugate weisen in der Regel kammartige Strukturen auf, wobei das Polymerrückgrat die entsprechende Peptidsequenz als Seitenketten trägt.[71]

Abbildung 2.2. Etablierte Synthesestrategien zur Darstellung von Peptid-Polymer-Konjugaten. Die konvergente Strategie „grafting to“ ermöglicht eine direkte Verknüpfung von Biomakromolekül und Polymer basierend auf deren komplementärer Reaktivität (links).[55, 71] Divergente Strategien: Die Methode „grafting from“ beruht auf der kontrol-liert radikalischen Polymerisation ausgehend von einem Peptid-Makroinitiator (mittig).[76-78] Für den Ansatz „grafting through“ wird eine Peptidsequenz mit einer monomeren Einheit verknüpft, welche anschließend polymerisiert wer-den kann (rechts).[4, 71]

Im Vergleich zu der Strategie „grafting to“ können bei der Methode „grafting through“ die Bil-dung unliebsamer Reaktionsprodukte und geringe Produktausbeuten umgangen werden. Die Monomere werden vor der Polymerisation mit der biomolekularen Strukturen verknüpft, so dass potentiell notwendige Reinigungsschritte leichter umzusetzen sind.[4] Allerdings erfordert der Ansatz in Abhängigkeit der peptidgebundenen Monomereinheit eine erneute Optimierung der Reaktionsbedingungen, wobei die mittlere Länge des Peptid-Polymer-Konjugates nicht exakt reproduziert werden kann. Darüber hinaus ist die Methode weniger variabel als die konvergente Synthesestrategie, durch welche theoretisch jede Peptidsequenz mit einer geeigneten reaktiven Einheit an ein beliebiges synthetisches Polymer konjugiert werden kann.

Eine für die vorliegende Arbeit relevante Strategie zur Darstellung von Peptid-Polymer-Konjugaten ist die sogenannte Thiol-Maleinimid-Ligation.

2.2.2 THIOL-MALEINIMID-LIGATION

Basierend auf der Strategie „grafting to“ bietet die kovalente Verknüpfung der freien Thiole von Cystein-Seitenketten mit elektronendefizienten Doppelbindungen eine synthetisch einfache Methode, Biokonjugate zu erhalten. Im Gegensatz zu primären Aminen sind Thiole bzw. die proteinogene Aminosäure Cystein weniger häufig in natürlichen Peptidsequenzen vertreten. So kann eine mehrfache Konjugation der synthetischen Polymereinheit an ein Peptid vermieden und der damit oftmals verbundene Verlust an Aktivität und Funktionalität der Biokomponente umgangen werden.[79] Eine gängige Darstellungsvariante beruht auf der definierten Reaktion von Maleinimid-modifizierten Polymeren, wobei die MICHAEL-Addition der Sulfhydrylgruppe

an die aktivierte Doppelbindung des Maleinimides zu einem Peptid-Polymer-Konjugat mit einer stabilen Thioetherbindung führt (vgl. Schema 2.1).[80] Die natürliche Funktionalität des Thiols ermöglicht eine selektive Ligationsreaktion zwischen Peptidsequenz und Polymer-einheit, ohne dass eine zusätzliche Modifikation des Biomakromoleküls erforderlich ist.

Schema 2.1. Thiol-Maleinimid-Ligation als konvergente Synthesestrategie zur Darstellung von Peptid-Polymer-Konjugaten: Die Reaktion zwischen dem freien Thiol eines Cystein-Peptides und der Maleinimid-Funktion eines entsprechend modifizierten Polymeres führt in einer MICHAEL-Addition zu einem Biokonjugat mit einer stabilen Thioetherbindung.[80]

Die orthogonale Reaktivität zwischen freien Sulfhydrylgruppen und Maleinimiden kann unter wässrigen Bedingungen in einem pH-Bereich von 6.5 – 7.5 gewährleistet werden.[81] Oberhalb dieses pH-Bereiches können unerwünschte Nebenreaktionen wie die Addition nukleophiler primärer Amine der Peptidsequenzen sowie die hydrolytische Ringöffnung des Maleinimides auftreten, wobei das entstehende Maleinsäure-Derivat nicht mehr durch ein Nukleophil adressiert werden kann.[81] Wurde das gewünschte Thiol-Maleinimid-Produkt dagegen bereits gebildet, kann die Ringöffnung eine Stabilisierung des Biokonjugates bewirken, wodurch mögliche Austauschreaktionen durch andere Thiol-Verbindungen unterbunden werden.[82] In Abhängigkeit des sterischen Anspruchs des Peptides oder Polymeres kann sich eine vermin-derte Zugänglichkeit der Funktionalitäten jedoch nachteilig auf Geschwindigkeit und Voll-ständigkeit der Ligationsreaktion ausüben. In Lösung können nicht abreagierte Edukte im Nachhinein nur schwer abgetrennt werden, weshalb effizientere Techniken zur Darstellung von Peptid-Polymer-Konjugaten wie beispielsweise die SPAAC (engl. strain-promoted azide-alkyne cycloaddition)[83] oder die STAUDINGER-Ligation[84] zu bevorzugen wären.[85] Wird die Maleinimid-Funktionalität dagegen an festen Phasen wie beispielsweise Partikeln oder Oberflächen immobilisiert, können nicht umgesetzte Thiol-Verbindungen problemlos durch geeignete Waschschritte entfernt und Produkte mit einem definierten Funktionalisierungsgrad erhalten werden.[86] Eine weitere und überaus elegante Methode, um stimuliresponsive Peptidsequenzen mit synthetischen Polymeren zu verbinden, stellt die inverse Biokonjugation dar.

2.2.3 DIE INVERSE KONJUGATIONSSTRATEGIE

Die inverse Konjugationsstrategie bedient sich eines festen Trägermaterials, welches mit einer polymeren Einheit vorbeladen ist und von dieser ausgehend die biomakromolekulare Struktur sukzessive am Polymerträger aufgebaut werden kann. Der Arbeitskreis MUTTER zeigte dies erstmalig durch die Verknüpfung von Poly(ethylenglycol) mit einem Polystyrolharz über einen Benzylether-Linker.[87] Dieses grundlegende Konzept wurde von BAYER und RAPP zu einem

kommerziell verfügbaren Polymer-beladenen Harz weiterentwickelt – dem sogenannten PAP-Harz[88-90] (engl. PEG attached peptide resin) – welches in der automatisierten festphasengebun-denen Peptidsynthese[91] (SPPS, engl. solid-phase peptide synthesis) verwendet werden kann.

Die beschriebenen Strategien bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, stimuliresponsive Peptide mit synthetischen Polymeren zu verknüpfen. Dabei können sowohl die Aminosäure-Seiten-ketten der Peptidsequenz adressiert als auch gezielt Funktionalitäten in das Biomakromolekül eingeführt werden, um selektive Ligationsreaktionen zu forcieren und hochreine Produkte zu erhalten. Im Hinblick auf eine gezielte Aktivierung der Strukturen oder Funktionen modulier-barer Biokonjugate wird das Potential materialwissenschaftlich relevanter Stimuli für eine erfolgreiche Prozessierung – insbesondere durch Enzyme – in den nächsten Kapiteln dargelegt.

2.3 Klassifizierung und Wirkmechanismen materialwissenschaftlich relevanter