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A DSORPTIONSVERHALTEN DIVALENTER P EPTID -PEG-K ONJUGATE

3.1 Enzymatisch aktivierbare Adsorption von Peptid-PEG-Konjugaten

3.1.6 A DSORPTIONSVERHALTEN DIVALENTER P EPTID -PEG-K ONJUGATE

Durch multiple Wiederholungseinheiten einer Adhäsionsdomäne können die Wechselwir-kungen eines Systems mit anorganischen Oberflächen intensiviert werden.[316] Wie bereits in Kapitel 2.6.1 (vgl. Seite 21) beschrieben, nutzte der Arbeitskreis GRINSTAFF das Konzept der Multivalenz erfolgreich zur Verbesserung der biospezifischen und bioinerten Eigenschaften von Biokonjugat-Beschichtungen.[203] Daher sollte dieses grundlegende Prinzip auf die enzymatisch aktivierbaren Adsorption von Biokonjugaten übertragen werden. An Hand divalenter Struk-turen der PEGylierten Adhäsionsdomäne TBP sollte die verstärkte Oberflächenhaftung sowie die Antifouling-Eigenschaften der entsprechenden Beschichtungen geprüft werden. Dafür wurden sowohl ein lineares Dimer (G-TBP)2-PEGCHEM als auch eine verzweigte Architektur (G-TBP)2K-PEGCHEM auf Basis der inversen Konjugationsstrategie unter Verwendung eines TentaGel® PAP Harzes (Mn,PEG = 3.2∙103 g∙mol−1) hergestellt. Abbildung 3.14 zeigt schematisch die beiden divalenten Systeme (G-TBP)2-PEGCHEM und (G-TBP)2K-PEGCHEM im Vergleich zu der Struktur des linearen Unimeres G-TBP-PEGCHEM. Das Einbeziehen der nicht orthogonal geschützten Aminosäure Fmoc-Lysin(Fmoc)-OH in die festphasengebundene Peptidsynthese ermöglichte es, die verzweigten Adhäsionsdomänen elegant in das divalente Biokonjugat (G-TBP)2K-PEGCHEM zu integrieren. Die beiden Hybridmakromoleküle entsprechen den jeweiligen synthetischen Analoga hervorgehend aus der enzymatischen Aktivierung potentiell nicht-bindender Dimer-Substrate mit linearen bzw. verzweigten Peptidketten.

Abbildung 3.14. Schematische Darstellung der divalenter Systeme der PEGylierten Adhäsionsdomäne TBP zur Verstärkung der Oberflächenhaftung im Vergleich zu der Struktur des linearen Unimeres G-TBP-PEGCHEM (a):

Lineares Dimer (G-TBP)2-PEGCHEM (b) und verzweigtes Dimer (G-TBP)2K-PEGCHEM (c).

Das Adsorptions- und Desorptionsverhalten der divalenten Biokonjugate auf Titandioxid-Oberflächen wurde erneut durch QCM-D-Messungen ermittelt (vgl. Abbildung 3.15). Dabei zeigte sich sowohl für das lineare Dimer (G-TBP)2-PEGCHEM als auch für die verzweigte Struktur (G-TBP)2K-PEGCHEM ein rascher Frequenzabfall in den ersten 3 Minuten, wobei etwa 78 % bzw. 77 % der Beschichtung erzielt wurden. Während der Inkubationsphase konnten im Gleichgewichtszustand zwischen adsorbierenden und desorbierenden Molekülen Frequenz-änderungen von bis zu − 41 Hz für (G-TBP)2-PEGCHEM und − 47 Hz für (G-TBP)2K-PEGCHEM verzeichnet werden. Im Vergleich dazu erreichte das lineare Unimer G-TBP-PEGCHEM eine

geringere Massenanlagerung von etwa 71 % in den ersten 3 Minuten sowie eine verminderte Frequenzverschiebung von − 35 Hz im Sättigungsbereich. Folglich konnte durch die zweifache Integration der Adhäsionsdomäne TBP die Massenanlagerung um bis zu 15 % für die lineare Architektur und um bis 26 % für die verzweigte Struktur erhöht werden. Darüber hinaus stabilisierte der verzweigte Binder (G-TBP)2K-PEGCHEM die finale Beschichtung auf der Metalloxid-Oberfläche. Dies zeigte sich durch eine verminderte Reversibilität des adsorbierten Materials während des Spülschrittes um 15 %, wohingegen der Massenverlust für die linearen Systeme auf etwa 20 % beziffert werden konnte.

Abbildung 3.15. Adsorptions- und Desorptionsisothermen der divalenten Biokonjugate (G-TBP)2-PEGCHEM (8.0 μM) und (G-TBP)2K-PEGCHEM (8.0 μM) im Vergleich zu der Frequenzverschiebung des linearen Unimers G-TBP-PEGCHEM (11.2 μM). Bedingungen: Die titanbeschichteten Sensoren wurden mit 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) äquilibriert, danach mit der jeweiligen Biokonjugat-Lösung inkubiert und anschließend mit Puffer gespült.

Die erhöhte Adsorption des verzweigten Dimer-Binders (G-TBP)2K-PEGCHEM im Vergleich zum linearen Dimer (G-TBP)2-PEGCHEM wurde erwartet und konnte durch die strukturell bedingten Haftungseigenschaften der Adhäsionsdomäne TBP erklärt werden. Wie bereits im Zusammen-hang mit der Entwicklung geeigneter Suppressionsdomänen für das unimere G-TBP-PEGCHEM diskutiert, ist vornehmlich das N-terminale Hexamer RKLPDA für die spezifischen Wechsel-wirkungen mit TiO2 entscheidend (vgl. Kapitel 3.1.1 Seite 29). Durch die verzweigte Archi-tektur der Peptidketten des Dimeres (G-TBP)2K-PEGCHEM konnten die adhäsiven Sequenz-abschnitte analog zur unimeren Biokonjugat-Struktur G-TBP-PEGCHEM ungehindert mit der Metalloxid-Oberfläche interagieren. Die Haftungseigenschaften des linearen Dimer-Binders (G-TBP)2-PEGCHEM dahingegen wurden aufgrund der nacheinander angeordneten Adhäsions-domänen leicht vermindert. Das Bindungsmotiv TBP6 der C-terminalen Einheit konnte durch die N-terminal folgende Peptiddomäne nicht mehr uneingeschränkt mit TiO2 wechselwirken, weshalb die Materialanreicherung von (G-TBP)2-PEGCHEM verglichen mit der des verzweigten Biokonjugates (G-TBP)K2-PEGCHEM um bis zu 13 % verringert war. Ebenso könnten entropische Effekte die Oberflächenhaftung von (G-TBP)2K-PEGCHEM infolge der limitierten strukturellen Flexibilität der verzweigten Peptidketten begünstigt haben. Des Weiteren wurde vermutet, dass der räumliche Anspruch des linearen Dimeres gegenüber dem des verzweigten Binders erhöht war und so weniger Moleküle auf der Oberfläche angelagert werden konnten. Darüber hinaus konnte der Materialaufwand des verzweigten Binders (G-TBP)2K-PEGCHEM zur Beschichtung der Oberfläche im Vergleich zum linearen Unimer G-TBP-PEGCHEM verringert werden, ohne

dass die Adsorptionskinetik des Biokonjugates nachteilig beeinflusst wurde. Die divalenten Systeme wurden mit Konzentrationen von 8.0 μM vermessen, wohingegen die Inkubation des Unimeres mit einer Lösung von 11.2 μM durchgeführt wurde. Innerhalb dieses Konzentrations-bereiches bewirken geringere Substanzmengen keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich des Adsorptionsverhaltens starker Binder auf TiO2. So konnte für die verzweigte Struktur (G-TBP)2K-PEGCHEM erst unterhalb einer Konzentration von 5.5 μM die während der Inkuba-tionsphase angestrebte Oberflächensättigung nicht mehr erreicht werden. Dieser Sachverhalt konnte im Zusammenhang mit konzentrationsabhängigen Messungen zur Bestimmung der scheinbaren Affinitätskonstante KA nach dem LANGMUIR‘schen Adsorptionsmodell belegt werden (vgl. Kapitel 3.1.9 Seite 63).

Die verstärkte Oberflächenhaftung der divalenten Peptid-PEG-Konjugate (G-TBP)2-PEGCHEM und (G-TBP)2K-PEGCHEM konnte mithilfe der adsorbierten Massen nach den Modellen von SAUERBREY[243] und VOIGT[249-251] ebenfalls veranschaulicht werden (vgl. Tabelle 3.5). Aufgrund der Unterbewertung der adsorbierten Massen viskoelastischer Beschichtungen[249] wie der der Biokonjugate durch das SAUERBREY-Modell werden im Folgenden lediglich die Werte nach VOIGT diskutiert. Die berechneten Schichtdicken und Massen ergaben für das lineare Dimer (G-TBP)2-PEGCHEM eine erhöhte Materialanreicherung von 13 % mit dVOIGT = 6.3 ± 0.2 nm bzw.

ΔmVOIGT = 876 ± 36 ng∙cm−2 im Vergleich zur unimeren Struktur G-TBP-PEGCHEM mit Werten dVOIGT = 5.5 ± 0.4 nm bzw. ΔmVOIGT = 660 ± 48 ng∙cm−2. Für die Beschichtung des verzweigten Dimeres (G-TBP)2K-PEGCHEM konnte eine abermals höhere Massenanlagerung um etwa 25 % mit dVOIGT = 7.3 ± 0.3 nm bzw. ΔmVOIGT = 876 ± 36 ng∙cm−2 verzeichnet werden. Somit zeigte die nach dem VOIGT-Modell ermittelte Massenzunahme eine nahezu vollständige Überein-stimmung mit der Interpretation der erhöhten Massenadsorption der divalenten Binder an Hand der erzielten Frequenzverschiebungen. Aus den ermittelten Schichtdicken im Bereich von 6.3 – 7.3 nm lässt sich ableiten, dass die Beschichtungen der dimeren Systeme zur Ausbildung von Monolagen führten und die langkettigen PEG-Makromoleküle pilzartige Konformationen auf der Metalloxid-Oberfläche annehmen.[296]

Tabelle 3.5. Adsorbierte Massen und Schichtdicken nach VOIGT[249-251] unter Berücksichtigung der Dämpfungseigen-schaften der viskoelastischen Beschichtungen des linearen Unimeres G-TBP-PEGCHEM im Vergleich zu den Massen-anlagerungen der divalenten Biokonjugate (G-TBP)2-PEGCHEM und (G-TBP)2K-PEGCHEM. Zusätzlich wurden für die Systeme die adsorbierten Massen nach dem SAUERBREY-Modell[243] bestimmt.

VOIGT: SAUERBREY: Δm [ng∙cm−2] QCM-D-Experiment d [nm] Δm [ng∙cm−2] Ø n = 3 n = 5 n = 7 n = 9 Unimer [linear]: G-TBP-PEGCHEM 5.5 ± 0.4 660 ± 48 547 ± 43 604 554 527 504 Dimer [linear]: (G-TBP)2-PEGCHEM 6.3 ± 0.2 756 ± 24 660 ± 41 714 670 635 622 Dimer [verzweigt]: (G-TBP)2K-PEGCHEM 7.3 ± 0.3 876 ± 36 777 ± 36 822 786 764 737 Die Interpretation der Frequenz- und Dissipationsänderungen erfolgte durch die in der Software QTools hinterlegten physikalischen Modelle von SAUERBREY und VOIGT (vgl. Kapitel 5.3.3.3 bzw. Kapitel 5.3.3.4 Seite 114).

Durch die Auftragung der Dissipationsänderungen gegenüber den Frequenzverschiebungen konnten die viskoelastischen Eigenschaften der Beschichtungen der mono- und divalenten

Biokonjugate direkt miteinander verglichen werden (vgl. Abbildung 3.16). Hier zeigte sich für die adhäsiven Systeme der charakteristische hyperbolische Verlauf hinsichtlich der Dämpfungs-eigenschaften in Abhängigkeit von den Massenanlagerungen auf Titandioxid-Oberflächen. Die initiale Adsorption der Biokonjugate bewirkte zunächst einen Anstieg der Dissipationen, welche zum Ende der Inkubationsphase geringfügig abnahmen. Die leicht verminderten Visko-elastizitäten der Beschichtungen im Bereich des Sättigungsgleichgewichtes ist durch eine mit zunehmender Oberflächenbedeckung verringerte Bewegungsfreiheit der adhärierten Moleküle zu erklären.[289, 293, 294] Interessanterweise konnte sowohl für das lineare Unimer G-TBP-PEGCHEM als auch die verzweigte Dimer-Struktur (G-TBP)2K-PEGCHEM ein ähnlicher Anstieg des Verhält-nisses von ΔD/Δf mit Dissipationsänderungen von bis zu 2.6∙10–6 verzeichnet werden. Dagegen bewirkte die Oberflächenhaftung des linearen Dimeres (G-TBP)2-PEGCHEM einen flacheren Anstieg für ΔD gegenüber Δf mit geringeren Dissipationsänderungen von maximal 2.3∙10–6. Dabei nahmen die Dissipationswerte bei höheren Frequenzverschiebungen stärker ab als die des linearen Unimeres G-TBP-PEGCHEM und des verzweigten Dimeres (G-TBP)2K-PEGCHEM. Demnach konnten die entsprechenden Beschichtungen mit einer flexibleren Konformation der auf der Oberfläche gebundenen Biokonjugat-Moleküle assoziiert werden, wohingegen die Massenanlagerung des linearen Dimer-Binders (G-TBP)2-PEGCHEM zur Ausbildung eines weniger viskoelastischen Films auf TiO2 führte.[291, 292]

Abbildung 3.16. Auftragung der Dissipationsänderungen gegenüber den Frequenzverschiebungen zur Bestimmung der viskoelastischen Eigenschaften der Beschichtungen der divalenten Biokonjugate (G-TBP)2-PEGCHEM und (G-TBP)2K-PEGCHEM im Vergleich zu dem Verhältnis ΔD/Δf des linearen Unimeres G-TBP-PEGCHEM.

Durch das Einbeziehen der Adhäsionsdomäne TBP als zweifache Wiederholungseinheit in lineare und verzweigte Biokonjugat-Strukturen konnte die Massenanlagerung auf Titandioxid-Oberflächen gegenüber dem monovalenten Binder erhöht werden. Daraus hervorgehend waren weitere Schritte für eine erfolgreiche Umsetzung der enzymatisch aktivierbaren Adsorption von Biokonjugaten erforderlich, um proteinresistente Beschichtungen für die Metalloxid-Oberfläche erzeugen zu können. Zum einen sollte die Leistungsfähigkeit der für das lineare Unimer evaluierten Suppressionsdomäne zur Unterdrückung der adhäsiven Eigenschaften der starken divalenten Binder bewertet werden. Bedingt durch die lineare Anordnung der beiden Adhäsionsdomänen in (G-TBP)2-PEGCHEM wurde angenommen, dass die potentiell haftungs-unterbindende Einheit nicht ausreichend Einfluss auf die Oberflächenwechselwirkungen der C-terminal positionierten Bindungsdomäne TBP nehmen kann. Daher wurde die Wirksamkeit

der Suppressionsdomäne für die verzweigte Biokonjugat-Struktur (G-TBP)2K-PEGCHEM als deutlich höher bemessen, um einen nicht-bindenden Vorläufer zu erhalten. Darüber hinaus hatte sich der synthetische Binder (G-TBP)2K-PEGCHEM hinsichtlich der Oberflächenhaftung und der Stabilität der gebildeten Beschichtung gegenüber dem linearen Dimer als überlegen erwiesen. Zum anderen sollten erneut enzymkinetische Untersuchungen durchgeführt werden, um die Effizienz der TEV Protease hinsichtlich der Prozessierung eines geeigneten nicht-bindenden Dimer-Substrates zu evaluieren. Zunächst sollte jedoch geprüft werden, inwiefern die verstärkte Oberflächenaffinität des verzweigten Peptid-PEG-Konjugates die Antifouling-Eigenschaften im Vergleich zur Unimer-Beschichtung verbessern konnte.