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Peptid-Polymer-Konjugate als proteinresistente Beschichtungen

Die unerwünschte Adsorption von Proteinen oder Bakterien und die daraus folgende Ausbil-dung biologischer Filme auf Materialoberflächen kann unter dem Begriff Biofouling – abgeleitet von dem englischen Wort für Bewuchs fouling – zusammengefasst werden.[170, 171] Die unspezi-fischen Wechselwirkungen an der Grenzfläche zwischen flüssiger und fester Phase ist eine weit-reichende Problematik für Materialien und Technologien, die in medizinischen Behandlungen verwendet werden. Blutplasmaproteine und infektiöse Bakterien lagern sich auf Geräten oder chirurgischen Implantaten ab, können dadurch lebensbedrohliche Immunreaktionen auslösen und im Falle einer Implantation letztendlich sogar zur Abstoßung des Materials führen.[172]

Nach dem aktuellen Kenntnisstand konnte bisher keine vollständig proteinresistente

Ober-fläche künstlich erzeugt werden.[173, 174] Folglich stellt das Unterbinden der unspezifischen Proteinadsorption durch geeignete Antifouling-Beschichtungen eine unumgängliche Heraus-forderung für die medizinische Forschung dar.[175]

2.5.1 ANTIFOULING-STRATEGIEN

Antifouling-Strategien befassen sich mit der Modifikation und Beschichtung (engl. coating) einer Materialoberfläche (vgl. Abbildung 2.5).[176] Präventive Maßnahmen minimieren dabei den direkten Kontakt einer Oberfläche mit der umgebenden Flüssigkeit, infolgedessen das Material von Proteinen und Bakterien nicht mehr adressiert werden kann.[177] Den präventiven Strategien gegenüber stehen antimikrobielle Beschichtungen, welche bei der Annäherung von Bakterien an die Oberfläche die Zellmembran angreifen, wodurch die adhäsive Verbindung abgetötet wird.[178] Letztere werden durch antibakteriell wirkende Substanzen wie Silber-ionen[179, 180] oder antimikrobielle Peptide[181] erzeugt, welche von auf der Oberfläche aufge-brachten Trägermaterialien lokal freigesetzt werden (vgl. Abbildung 2.5d). Diese Methode ist jedoch nicht für Langzeitanwendungen geeignet, da die antimikrobiellen Verbindungen mit der Zeit verbraucht werden. Darüber hinaus können AMPs toxische oder immunogene Reaktionen auslösen und zu Resistenzen der Bakterien führen.[182, 183] Alternativ können kontaktaktive Substanzen wie kationische Polymere,[184] AMPs[185, 186] oder Enzyme[187, 188] über biokompatible Linker auf der Oberfläche immobilisiert werden (vgl. Abbildung 2.5e). Da für diese Strategie jedoch in Abhängigkeit von der antimikrobiellen Substanz und dem Anwendungsbereich Optimierungsbedarf besteht, sind vorbeugende Maßnahmen zur Unterbindung der unspezifi-schen Adsorption von Proteinen und Bakterien zu bevorzugen.[175]

Zur Prävention der Oberflächenhaftung pathogener Bakterien können unter anderem anionische Polymere verwendet werden.[175] Durch die Immobilisierung der Polymerketten wird eine negative Oberflächenladung erzeugt. Die elektrostatische Abstoßung der Bakterien bedingt durch deren überwiegend anionische Zellmembranen kann die Ausbildung von Biofilmen entscheidend reduzieren (vgl. Abbildung 2.5b).[189] Fluorhaltige Polymere können unerwünschte Proteinablagerungen auf Oberflächen ebenfalls unterbinden.[190] Die unpolaren Verbindungen bilden glatte und unporöse Beschichtungen und vermindern unspezifische Adsorptionsprozesse durch Herabsetzung der Oberflächenenergie (vgl. Abbildung 2.5c).[191, 192]

Die am häufigsten verwendete präventive Antifouling-Strategie – für potentielle biomedizini-sche Anwendungen – beruht auf der PEGylierung der Materialoberfläche, wobei das Polymer sowohl kovalent gebunden als auch durch Chemisorption oder Physisorption aufgetragen werden kann.[177] Mit Poly(ethylenglycol) beschichtete Oberflächen besitzen eine geringe Grenz-flächenenergie gegenüber Wassermolekülen, weshalb die hydratisierten Polymerketten die Zugänglichkeit der Oberfläche für adhäsive Proteine und infektiöse Bakterien und sterisch einschränken (vgl. Abbildung 2.5a).[66] Unter anderem kommen PEGylierte Materialien in medizinischen Geräten und orthopädischen Implantaten zum Einsatz.[193] Kovalente Polymer-Beschichtungen können mittels traditioneller Ligationstechniken[177] oder grafting-basierter Methoden[194, 195] sowie durch plasmainduzierte Ablagerungen von Oligo(ethylenglycol)en[196, 197]

erzeugt werden. Die Abschirmung der Oberfläche kann mit der Größe des Polymers verbessert

werden.[198] Da der Bedeckungsgrad durch den sterischen Anspruch der Polymerketten limitiert ist, werden unspezifische Adsorptionsvorgänge dennoch nicht vollständig unterbunden.[175]

Durch selbstorganisierte Monolagen (SAMs, engl. self-assembled monolayers,)[199] kann diese Problematik umgangen werden. Der Arbeitskreis WHITESIDES präsentierte die chemisorptive Methodik im Zusammenhang mit Alkanthiolen zur effektiven Beschichtung von Goldober-flächen.[200] Um eine fehlerfreie und homogene PEG-Beschichtung des Edelmetalls realisieren zu können, ist jedoch eine planare kristalline Oberfläche erforderlich.[201]

Abbildung 2.5. Strategien zur Unterbindung der unspezifischen Adsorption von Proteinen und Bakterien:[176]

Präventive Antifouling-Beschichtungen bewirken eine sterische Abstoßung durch immobilisiertes Poly(ethylen-glycol) (a), basieren auf der elektrostatischen Abstoßung durch eine negative Oberflächenladung (b) oder führen zu einer Herabsetzung der Oberflächenenergie (c). Antimikrobielle Beschichtungen dienen der Abtötung adhäsiver Komponenten bei Annäherung an die Oberfläche durch Freisetzung antibakteriell wirkender Substanzen (d) oder durch immobilisierte kontaktaktive Verbindungen (e). Abbildung nach Referenz [176].

Im Gegensatz zu der kovalenten Immobilisierung bietet die Verwendung PEGylierter Peptid-adhäsionsdomänen eine elegante Möglichkeit, das bioinerte Polymer auf Materialoberflächen aufzubringen. Dabei führt die peptidinduzierte Adsorption zu einer hohen Dichte der Poly-(ethylenglycol)-Ketten auf der Zieloberfläche, wodurch effektive Antifouling-Beschichtungen gebildet werden können.[202, 203]

2.5.2 PEPTID-PEG-KONJUGATE ZUR PRÄVENTION VON BIOFOULING

Die Verbindung aus peptidbasierten Adhäsionsdomänen und Poly(ethylenglycol)en offeriert ein weitreichendes Potential, spezifische und bioinerte Oberflächen zu erzeugen.[177] Insbeson-dere metallische Materialien wie beispielsweise Titan stehen im Fokus der wissenschaftlichen Forschung, durch adhäsive Peptid-PEG-Konjugate selektiv beschichtet zu werden. Aufgrund seines geringen Gewichtes im Vergleich zu anderen Metallen und seiner hohen Beständigkeit unter physiologischen Bedingungen findet Titan häufig Verwendung in Zahnimplantaten oder künstlichen Gelenken.[204, 205] Einfache Varianten zur Beschichtung der oxidierten

Metall-oberfläche involvieren beispielsweise Poly-L-Lysin-g-PEG-Konjugate (PLL-g-PEG) oder kombi-nierte Varianten mit PEGylierten Systemen der Zelladhäsionsdomäne RGD.[206] Ungeachtet der effektiv reduzierten Proteinablagerung ist die Adsorption der positiv geladenen Lysin-Seiten-ketten jedoch materialunspezifisch, weshalb vorwiegend nur anionische Oberflächen mit PLL-g-PEG beschichtet werden können.[207]

Inspiriert von den Proteinen aus dem Bysussfaden der gemeinen Miesmuschel (lat. Mytilus edulis)[208-210] synthetisierte der Arbeitskreis MESSERSMITH eine Reihe verschiedener L -Dopa-haltiger Polymere.[211-213] Die adhäsive Aminosäure L-3,4-Dihydroxyphenylalanin (L-Dopa) wird posttranslational aus L-Tyrosin durch die integrierte Monophenolase-Aktivität gebildet. [214] Die PEGylierung des L-Dopa-Bindungsmotives ermöglichte die Ausbildung proteinresistenter Beschichtungen für Titandioxid-Oberflächen mit effektiven Antifouling-Eigenschaften gegen-über Humanserum.[212] Im Hinblick auf potentielle materialwissenschaftliche Anwendungen sind diese Systeme aufgrund der Oxidationsempfindlichkeit von L-Dopa jedoch nur bedingt lagerfähig, weshalb stabilisierende und reduktive Zusätze erforderlich sind.[215]

Um diese Problematik zu umgehen, entwickelte die Arbeitsgruppe BÖRNER enzymatisch aktivierbare Adhäsive nach dem Vorbild der marinen Muschel,[23, 24] deren integrierte Mono-phenolase-Aktivität die Aminosäure-Seitenketten von L-Tyrosin in L-Dopa überführen kann.[214]

Dabei wurde zunächst eine PEGylierte Variante der schwach-bindenden Vorläufersequenz AKPSYPPTYK eines Muschelfußproteins mittels einer kommerziell erhältliche Variante der Tyrosinase prozessiert.[23] Anschließend wurde die Oberfläche von rostfreiem Stahl mit dem aktivierten Biokonjugat beschichtet und mittels Quarzkristall-Mikrowaage mit Dissipations-aufzeichnung (QCM-D, engl. quartz crystal microbalance with dissipation monitoring) charak-terisiert. Die Messungen ergaben eine effektive Proteinresistenz von 99 % gegenüber Rinder-serumalbumin (BSA, engl. bovine serum albumin) und 87 % gegenüber verdünntem Human-serum.[23] Dieses Konzept wurde dahingehend erweitert, dass in einem biokombinatorischen Ansatz tyrosinaseresponsive Peptidsubstrate für Aluminiumoxid-Oberflächen mittels Phagen-Display de novo selektiert wurden.[24] Nach C-terminaler PEGylierung (Mn = 3.2∙103 g∙mol−1) der nicht-aktivierten Vorläufersequenzen wurden die enthaltenen L-Tyrosin-Seitenketten durch das kupferhaltige Metalloenzym zu den entsprechenden L-Dopa-Bindungsmotiven oxidiert. Die Beschichtungen der aktivierten Biokonjugate konnten die unspezifische Oberflächenhaftung des Serumproteins BSA vollständig unterbinden bzw. die des reinen Humanserums um bis zu 95 % reduzieren und bieten Potential für in situ Antifouling-Anwendungen.[24]

Die Integration enzymatisch aktivierbarer Bindungsmotive in Peptid-PEG-Konjugate bietet somit eine innovative Möglichkeit, unerwünschte Proteinablagerungen auf Metalloxid-Ober-flächen zu unterbinden. Auf der Basis proteolytischer Enzyme konnte die Biotransformation PEGylierter Adhäsionsdomänen bisher noch nicht gezeigt werden. Aufgrund der häufigen Verwendung von Titan stellt die Entwicklung proteinresistenter Beschichtungen für die oxidierten Metalloberflächen eine anwendungsrelevante Zielsetzung dar. Für Titanoxid-Oberflächen spezifische Adhäsionsdomänen können für gewöhnlich mittels der biokombina-torischen Methodik des Phagen-Displays identifiziert werden.[216-219]