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Enzymabhängige Adsorption des adhäsiven Peptid-PEG-Konjugates

3.1 Enzymatisch aktivierbare Adsorption von Peptid-PEG-Konjugaten

3.1.3 A DSORPTIONSVERHALTEN AUF T ITANDIOXID -O BERFLÄCHEN

3.1.3.2 Enzymabhängige Adsorption des adhäsiven Peptid-PEG-Konjugates

Die Haftungseigenschaften der TEV Protease schienen die initiale Adsorption des enzymatisch erzeugten Binders G-TBP-PEGENZ nicht zu beeinträchtigen, so dass das Peptid-PEG-Konjugat schnell an der Metalloxid-Oberfläche angelagert wurde. Dennoch berechtigte der Verlauf der Adsorptionsisothermen des enzymatisch aktivierten S4-PEG verglichen mit dem der synthe-tischen Referenz G-TBP-PEGCHEM zu der Vermutung, dass die virale Cysteinprotease während der Inkubationsphase auf die gebildete Biokonjugat-Beschichtung einwirken könnte. Das Phänomen des kompetitiven Austausches adsorbierter Proteine wurde erstmalig im Zusam-menhang mit Studien zu Wechselwirkungen von Blutplasmaproteinen an der Grenzfläche zwischen flüssiger und fester Phase beobachtet und wird als VROMAN-Effekt bezeichnet.[283]

Demnach kann bei der zeitgleichen Inkubation verschiedener Proteine ein Austausch der initial an der Oberfläche angereicherten Spezies durch ein zeitverzögert adsorbierendes Protein erfolgen. Dabei haften zunächst biologische Verbindungen mit kleinerem Molekulargewicht und höherer Mobilität auf dem betreffenden Material, welche im weiteren Verlauf der Massen-anlagerung durch weniger mobile Proteinstrukturen mit stärkerer Oberflächenaffinität und meist höherem Molekulargewicht verdrängt werden.[284, 285] Die erhöhte Affinität kann in der Regel durch die konformelle Flexibilität größerer Proteine erklärt werden, welche im Vergleich zu kleineren Proteinen mehr Oberflächenkontakte ausbilden und somit eine stärkere Bindung bewirken können.[286] Darüber hinaus ist der VROMAN-Effekt sowohl von den vorliegenden Konzentrationsverhältnissen der verschiedenen Proteine als auch von der Inkubationszeit abhängig.[287] Die Massenanlagerung der biologischen Verbindungen mit der höheren

Konzen-tration überwiegt direkt nach der Exposition aufgrund einer erhöhten Kontaktrate. Mit der Zeit erfolgen verschiedene Austauschprozesse, so dass die weniger konzentriert vorliegenden Proteine mit einer stärkeren Affinität die Materialanreicherung dominieren, bis schließlich nur noch die Proteine mit der größten Oberflächenaffinität gebunden sind. Die oftmals überlagerten Mechanismen der kompetitiven Haftung und des Austausches der auf der Oberfläche akkumu-lierten Moleküle sind experimentell nur schwierig voneinander zu differenzieren.[287]

Bedingt durch die verschiedenen Bindungskinetiken des enzymatisch generierten Peptid-PEG-Konjugates G-TBP-PEGENZ und der TEV Protease während der initialen Inkubationsphase sowie die unterschiedlichen Molekulargewichte von Mn = 5.7 kDa bzw. Mn = 28.6 kDa[278] könnte der VROMAN-Effekt bei Haftung des enzymatisch aktivierten Substrates S4-PEG ebenfalls wirk-sam werden. Daher wurden enzymabhängige Messungen zur Untersuchung des Adsorptions-verhaltens des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM in Gegenwart verschiedener Konzen-trationen der viralen Cysteinprotease durchgeführt, um die Auswirkungen möglicher Aus-tauschprozesse auf der Metalloxid-Oberfläche nachvollziehen zu können. Dabei sollte vor allem in Bezug auf die zur Aktivierung verwendeten Enzymkonzentration von 28 Units TEV Protease eine Verdrängung des Biokonjugates durch das höhermolekulare Protein ausgeschlossen werden. Dies würde den Bedeckungsgrad der PEGylierten Adhäsionsdomäne auf der Ober-fläche reduzieren und könnte sich nachteilig auf potentielle Antifouling-Eigenschaften der Beschichtung auswirken.

Für die entsprechenden Experimente wurden Enzymmengen zwischen 28 Units und 111 Units (0.5 – 2.0 Äq. TEV Protease) zusammen mit G-TBP-PEGCHEM in Protease-Puffer aufgenommen und die Referenzlösungen 1:25 (v/v) verdünnt in 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) auf die Sensoroberfläche aufgetragen. Abbildung 3.8 zeigt die Adsorptions- und Desorptions-isothermen des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Gegenwart der verschiedenen Enzymkonzentrationen und der Frequenzverschiebungen des reinen Biokonjugates. Um eine Oberflächenhaftung des Protease-Puffers bzw. der enthaltenden Salze Tris∙HCl und NaCl sowie des Reduktionsmittels 2ME auszuschließen, wurde das zur Aktivierung verwendete Puffer-medium nach einer Verdünnung in Phosphat-Puffer vermessen, wobei keine Adsorption auf der Metalloxid-Oberfläche nachgewiesen werden konnte. Die Inkubation von G-TBP-PEGCHEM zusammen mit 28 Units bzw. 56 Units TEV Protease führte durch den Einfluss des Enzyms zu Frequenzänderungen um − 36 Hz. Somit wurde im Vergleich zu der Oberflächenhaftung des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM ohne die Gegenwart der viralen Cysteinprotease eine verstärkte Massenanlagerung verzeichnet. Dabei verliefen die Adsorptionsisothermen der enzymabhängigen Referenzmessungen zu Beginn der Inkubationsphase parallel zu der des reinen Biokonjugates. Aufgrund des nahezu identischen Adsorptionsverhaltens schien der Austausch der auf der Oberfläche gebundenen Moleküle von G-TBP-PEGCHEM durch das Enzym minimal zu sein. Vermutlich bewirkten kooperative Effekte von Biokonjugat und katalytisch aktivem Protein die Coadsorption[288] der beiden Spezies, so dass geringe Enzym-mengen in die Beschichtungen eingelagert wurden. Zusätzlich zeigte sich eine verminderte Reversibilität der Massenanlagerung während des anschließenden Spülschrittes mit Phosphat-Puffer. In Gegenwart von 28 Units TEV Protease wurden lediglich 18 % des Materials und bei der zeitgleichen Inkubation von 56 Units des Enzyms nur 15 % der Masse von der

Metalloxid-Oberfläche abgetragen. Im Vergleich dazu wurde für die Beschichtung des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM ein höherer Massenverlust von etwa 23 % verzeichnet.

Abbildung 3.8. Adsorptions- und Desorptionsisothermen des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Gegenwart verschiedener Enzymkonzentrationen zwischen 28 Units und 111 Units TEV Protease (0.5 – 2.0 Äq.) im Vergleich zu den Frequenzverschiebungen des reinen Peptid-PEG-Konjugates (0 Units) sowie einer Referenzlösung des Protease-Puffers. Die entsprechenden Verhältnisse Biokonjugat/Enzym wurden in Protease-Puffer aufgenommen und die Lösungen nach einer Verdünnung von 1:25 (v/v) in 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) aufgetragen.

Bedingungen: Die titanbeschichteten Sensoren wurden mit 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) äquilibriert, danach mit der jeweiligen Referenzlösung inkubiert und anschließend mit Puffer gespült.

In Gegenwart höherer Enzymkonzentrationen von 83 Units und 111 Units TEV Protease konnten deutliche Unterschiede hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs der Adsorptions- und Desorptionsisothermen gegenüber den vorangegangenen Messungen beobachtet werden. Zu Beginn der Auftragung zeigte sich ein rascher Frequenzabfall bedingt durch die schnelle Akkumulation der adhäsiven Spezies G-TBP-PEGCHEM an der Oberfläche, wobei zunächst die Einstellung des charakteristischen Gleichgewichtszustandes angestrebt wurde. Nach Inkuba-tionszeiten von etwa 2 Stunden bzw. 1.5 Stunden ergab sich jedoch eine stetig zunehmende Materialanreicherung auf der Oberfläche. Die zeitlich verzögerte und gleichzeitig stärkere Oberflächenaffinität der viralen Cysteinprotease erhöhte die Frequenzänderung in Gegenwart von 83 Units Enzym auf − 42 Hz und führte bei der Konzentration von 111 Units TEV Protease zu Frequenzverschiebungen von bis zu − 46 Hz während der Inkubationsphase. Im anschlie-ßenden Spülschritt konnten die Beschichtungen mit einem Massenverlust von maximal 2 % nur unwesentlich von der Oberfläche gelöst werden. Demzufolge schien der VROMAN-Effekt erst in Gegenwart höherer Enzymmengen wirksam zu werden und zu einer Verdrängung des leichteren Biokonjugates G-TBP-PEGCHEM durch das höhermolekulare Protein zu führen. Eine quantitative Aussage hinsichtlich der veränderten Zusammensetzung der Beschichtung konnte an Hand der durchgeführten Messungen nicht getroffen werden.

Durch die simultan aufgezeichneten Dissipationsänderungen und die damit repräsentierten Dämpfungseigenschaften konnte das viskoelastische Verhalten der adsorbierten Schichten von synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Abhängigkeit der verwendeten Enzym-konzentration charakterisiert werden (vgl. Abbildung 3.9). Ohne den Zusatz der viralen Cysteinprotease bewirkte die Massenanlagerung des reinen Biokonjugates eine Dissipations-änderung von 2.3∙10–6, während die Gegenwart von 28 Units bzw. 56 Units TEV Protease zu

größeren Werten über 3.0∙10−6 führte. Dementsprechend führte die vermutete Coadsorption des höhermolekularen Enzyms zu einer stärkeren Dämpfung der Eigenschwingungen der Sensor-kristalle und erhöhte die viskoelastischen Eigenschaften der Beschichtungen. Die Adsorption von G-TBP-PEGCHEM bei Konzentrationen von 83 Units und 111 Units der viralen Cystein-protease bewirkte zunächst eine ähnliche Tendenz zu erhöhten Viskoelastizitäten des auf der Oberfläche angelagerten Materials. Dahingegen erfolgte nach 1 Stunde Inkubationszeit eine Abnahme der Dissipationsänderungen mit einer unregelmäßigen verlaufenden Isotherme. Die Unstetigkeiten können auf eine erhöhte Mobilität der auf der Oberfläche angereicherten Spezies hindeuten. Dies könnte aus einer vermehrte Einlagerung von Enzym-Molekülen in die Beschichtungen unter zunehmender Verdrängung der initial adsorbierten Moleküle von G-TBP-PEGCHEM resultieren. Demnach wurden die gebildeten Biokonjugat-Beschichtungen durch das zeitverzögert bindende Enzym erst ab Konzentrationen von 83 Units TEV Protease entscheidend beeinflusst. Die Umgestaltung und veränderte Zusammensetzung des angela-gerten Materials führte zur Ausbildung rigiderer Filme. Jedoch ist zu betonen, dass die schnelle Adsorption des Biokonjugates zu Beginn der Inkubation gegenüber den Haftungseigenschaften der Cysteinprotease dominierte. Sogar in Gegenwart der maximalen Enzymkonzentration von 111 Units TEV Protease führte die höhere Oberflächenaffinität des Proteins erst nach etwa 1 Stunde zu einem Austausch der an der Oberfläche gebundenen Biokonjugat-Moleküle.

Dahingegen wurden die Massenanlagerungen des synthetischen G-TBP-PEGCHEM auf Titan-dioxid-Oberflächen unterhalb von 83 Units Enzym nur unwesentlich beeinflusst.

Abbildung 3.9. Dissipationsänderungen der QCM-D-Messungen des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %]

in Gegenwart der verschiedenen Enzymkonzentrationen zwischen 28 Units und 111 Units TEV Protease zur Charak-terisierung der Dämpfungseigenschaften der gebundenen Filme.

Veränderungen hinsichtlich der viskoelastischen Eigenschaften und der Struktur von Beschich-tungen in Abhängigkeit der Materialanreicherung auf der Oberfläche können durch die Auftragung der Frequenzverschiebungen Δf gegenüber den Dissipationsänderungen ΔD erfasst werden.[289, 290] Während ein steilerer Anstieg des Verhältnisses ΔD/Δf mit einer erhöhten Einlagerung von Wassermolekülen sowie einer flexibleren Konformation der gebundenen Moleküle assoziiert werden kann, deutet ein flacherer Anstieg auf die Ausbildung rigider Filme

hin.[291, 292] Die entsprechenden Graphen für die Inkubationsphase der QCM-D-Messungen des

synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Gegenwart der verschiedenen

Enzymkonzen-trationen sind in Abbildung 3.10 dargestellt. Die Beschichtung des reinen Biokonjugates G-TBP-PEGCHEM ergab einen hyperbolischen Zusammenhang zwischen den Dämpfungseigen-schaften des gebundenen Films und der Materialanreicherung auf der Oberfläche. Dabei bewirkte die schnelle initiale Haftung des Peptid-PEG-Konjugates zunächst einen Anstieg der Dissipation, welche zum Ende der Inkubationsphase geringfügig abnahm. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass durch die zunehmende Bedeckung der Oberfläche der Raum für die seitlichen Bewegungen der gebundenen Moleküle auf dem oszillierenden Sensor verringert wurde[289, 293, 294] und zu leicht verminderten Viskoelastizitäten im Sättigungsbereich führte.

Abbildung 3.10. Auftragung der Dissipationsänderungen gegenüber den Frequenzverschiebungen zur Bestimmung der viskoelastischen Eigenschaften der Beschichtungen des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Gegen-wart der verschiedenen Enzymkonzentrationen zwischen 28 Units und 111 Units TEV Protease.

Für die Adsorption des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM [100 %] in Abhängigkeit der verschiedenen Enzymkonzentrationen ergab die Auftragung von ΔD gegenüber Δf im Bereich geringerer Massenanlagerungen einen ähnlichen hyperbolischen Verlauf. Erst bei höheren Frequenzverschiebungen führte der Einfluss der verschiedenen Konzentrationen der viralen Cysteinprotease zu unterschiedlichen Tendenzen hinsichtlich der Dämpfungseigenschaften. Die zeitgleiche Inkubation von 28 Units und 56 Units Enzym bewirkte bei Frequenzänderungen zwischen − 33 Hz und − 36 Hz einen leichten Anstieg der Dissipationsänderungen. Dabei zeich-nete sich für den betrachteten Abschnitt ein linearer Zusammenhang zwischen ΔD und Δf ab.

Die erhöhten Viskoelastizitäten der Beschichtungen deuteten auf eine veränderte strukturelle Organisation der auf der Metalloxid-Oberfläche akkumulierten Moleküle bedingt durch die Coadsorption der TEV Protease hin. Eine entsprechende Auswertung der QCM-D-Messungen von G-TBP-PEGCHEM in Gegenwart von 83 Units und 111 Units Enzym ergaben oberhalb der Frequenzverschiebungen von − 36 Hz eine Abnahme der Dissipationen. Die verminderten Dämpfungseigenschaften können sowohl auf die Adsorption dünner und rigider Proteinfilme als auch auf die Ausbildung überlagerter Schichten mit zunehmender Rigidität hinweisen.[295]

Durch die erhöhte Oberflächenaffinität der maximalen Enzymkonzentration konnte im Bereich der höchsten Massenanlagerung einen erneuten Anstieg der Dissipationsänderungen verzeich-net werden. Die ursprünglich angestrebten Dissipationswerte von 2.9∙10–6 konnten jedoch nicht mehr erreicht werden. Demnach führte die zunehmende Verdrängung der gebundenen Biokon-jugat-Moleküle durch die TEV Protease zu entscheidenden Veränderungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Beschichtungen unter Ausbildung rigiderer Filme.

An dieser Stelle ist zusammenfassend festzuhalten, dass die virale Cysteinprotease das Adsorp-tionsverhalten des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM sehr unterschiedlich beeinflusste. Bei höheren Enzymkonzentrationen verdrängte das höhermolekulare Protein das Peptid-PEG-Konjugat von der Metalloxid-Oberfläche. Dementsprechend dominierte das Enzym die visko-elastischen Eigenschaften der gebundenen Schichten und führte mit der Zeit zu rigideren Filmen. Dagegen konnten niedrigere Enzymmengen – insbesondere die zur Aktivierung des nicht-bindenden Substrates S4-PEG verwendete Konzentration von 28 Units TEV Protease – aufgrund der zeitlich begrenzten Inkubationsphase nur einen geringen Effekt ausüben. Durch die Coadsorption des Biokonjugates G-TBP-PEGCHEM und der virale Cysteinprotease wurde der Massenverlust reduziert und die Viskoelastizität der gebildeten Beschichtungen erhöht. Die durchgeführten Referenzmessungen ermöglichten eine Evaluierung der enzyminduzierten Adsorption hinsichtlich der kooperativen Effekte der TEV Protease.