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E NTWICKLUNG UND I DENTIFIZIERUNG GEEIGNETER S UPPRESSIONSDOMÄNEN

3.1 Enzymatisch aktivierbare Adsorption von Peptid-PEG-Konjugaten

3.1.1 E NTWICKLUNG UND I DENTIFIZIERUNG GEEIGNETER S UPPRESSIONSDOMÄNEN

Das Konzept der enzymatisch aktivierbaren Adsorption von Peptid-PEG-Konjugaten wurde mittels der literaturbekannten Adhäsionsdomäne TBP (RKLPDAPGMHTW)[233] für Titandioxid-Oberflächen (vgl. Kapitel 2.6.2 Seite 22) umgesetzt. Der erste Schritt beinhaltete die Entwick-lung einer praktikablen Strategie, um die adhäsiven Eigenschaften des linearen 12-meres zu unterdrücken und einen entsprechend nicht-bindenden und enzymresponsiven Biokonjugat-Vorläufer zu erhalten. Als Grundlage hierfür dienten die Erkenntnisse der Arbeitsgruppen SHIBA und MIRAU, welche die Oberflächenhaftung der Peptidsequenz mit dessen Sekundär-struktur und den geladenen Aminosäure-Seitenketten in Zusammenhang brachten.[233, 236] Dabei konnte das N-terminale Motiv RKLPDA als vornehmlich für die Adsorption verantwortlicher Sequenzabschnitt identifiziert werden.[233] Insbesondere die Aminosäuren Arginin (R1) und Asparaginsäure (D5) leisteten unter neutralen pH-Bedingungen den entscheidenden Beitrag.[236]

Dementsprechend wurde der Ansatz verfolgt, die Haftungseigenschaften von TBP gegenüber Titandioxid-Oberflächen durch eine N-terminal eingeführte Suppressionsdomäne zu unter-binden (vgl. Abbildung 3.1).

Abbildung 3.1. Prinzipieller Aufbau eines nicht-bindenden Peptid-PEG-Konjugates als Vorläufer der enzymatisch aktivierbaren Adsorption. Die N-terminale Suppressionsdomäne bewirkt die Unterdrückung der adhäsiven Eigen-schaften des titanbindenden Peptides TBP. Zwischen der potentiell haftungsunterbindenden Einheit und der Adhäsionsdomäne TBP wird die spezifische Erkennungssequenz ENLYFQ↓G der TEV Protease eingeführt, um eine Abtrennung der Suppressionsdomäne zu ermöglichen und die Haftungseigenschaften von TBP zu regenerieren. Der lineare PEG-Block am C-Terminus dient der Abschirmung der Titandioxid-Oberfläche gegenüber unspezifisch adsorbierenden Proteinen.

Um die adhäsiven Eigenschaften anschließend zurückbilden zu können, wurde zwischen der potentiell haftungsunterbindenden Einheit und der Adhäsionsdomäne die spezifische Erken-nungssequenz der TEV Protease integriert. Das Epitop ENLYFQ↓G[155, 156] sollte die Abtrennung der Suppressionsdomäne durch proteolytische Spaltung der Amidbindung zwischen Glutamin und Glycin ermöglichen (vgl. Kapitel 2.4.2 Seite 14). Im Hinblick auf eine materialwissen-schaftliche Anwendung des enzymresponsiven Systems als in situ aktivierbare Antifouling-Beschichtung wurde die Peptidsequenz C-terminal mit einem linearen PEG-Block verbunden.

Die Unterdrückung der Oberflächenhaftung von TBP sollte durch Suppressionsdomänen bestehend aus anionischen oder kationischen Aminosäuren untersucht werden.[267] Deren geladene Seitenketten sollten die Wechselwirkungen des Bindungsmotives RKLPDA mit dem Metalloxid beeinträchtigen und eine elektrostatische Abstoßung von der Oberfläche bewirken.

Dabei wurde berücksichtigt, dass die starke Adsorption der Adhäsionsdomäne TBP nicht unabhängig von der Beschaffenheit der Titandioxid-Oberfläche betrachtet werden kann. Eine vereinfachte Annahme der Wechselwirkungen geladener Verbindungen mit dem Metalloxid beinhaltet, dass bei neutralen pH-Werten bevorzugt kationische Aminosäuren bedingt durch die negativen Gesamtladung der Oberfläche auf TiO2 angereichert werden.[224] Jedoch ist Lysin (K2) von TBP – bedingt durch die konformelle Starrheit des Peptidrückgrates sowie der ioni-schen Interaktionen zwiioni-schen den Seitenketten von R1 und K2 – nicht an der Adsorption des Peptides beteiligt.[236] Gleichzeitig wechselwirkt die negativ geladene Asparaginsäure (D5) mit der amphoteren Metalloxid-Oberfläche (−Ti−OH2+) und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Bindung.[233] Daher wurde für die Adhäsionsdomäne TBP postuliert, dass die Einführung kationischer Aminosäuren nicht zwingend die Oberflächenhaftung von TBP verstärken muss, sondern vielmehr die Sekundärstruktur des Peptides für die Adsorption entscheidend ist.

Gleichermaßen kann keine generelle Aussage darüber getroffen werden, dass anionische Aminosäuren zu einer verstärkten Bindung führen und nicht ebenso eine Abstoßung von der Oberfläche bewirken könnten.

Darüber hinaus wurde der haftungsunterbindende Effekt einer ungeladenen und sterisch anspruchsvollen Suppressionsdomäne in Betracht gezogen. Durch Verknüpfung der ε-Amino-funktion eines Lysins mit einer 2-[2-(2-Methoxyethoxy)ethoxy]-Einheit wurde die positive Ladung der Seitenkette neutralisiert. Die resultierende Aminosäure KεOEG wurde als Fmoc-geschütztes Derivat synthetisiert, um dieses direkt während der festphasengebundenen Peptid-synthese einführen zu können (vgl. Kapitel 5.4.1 Seite 116).[267] Die Modifikation könnte aufgrund sterischer Effekte mit dem N-terminalen Bindungsmotiv RKLPDA interagieren und dadurch weitere Wechselwirkungen von TBP mit der Titandioxid-Oberfläche unterbinden.

Aus den theoretischen Vorüberlegungen zur der Unterdrückung der adhäsiven Eigenschaften von TBP hervorgehend wurden sechs potentiell nicht-bindende Peptid-PEG-Konjugate S1-PEG bis S6-PEG entworfen. Dafür wurden die proteinogenen Aminosäuren Lysin und Glutamin-säure sowie das synthetische Derivat KεOEG als einfache und zweifache Modifikation integriert, um sowohl den Einfluss verschiedener Ladungszustände als auch sterischer Effekte auf die Oberflächenhaftung von TBP zu untersuchen. Die erarbeiteten Suppressionsdomänen sowie die Nettoladungen bei pH 7.0 und isoelektrischen Punkte der Biokonjugate S1-PEG bis S6-PEG sind in Tabelle 3.1 angegeben. Die funktionsunterdrückenden Segmente wurden zusätzlich

N-terminal acetyliert, um einen möglichen Einfluss der geladenen Aminosäure-Seitenketten auf das Adsorptionsverhalten auszuschließen. Zusätzlich wurde das adhäsive Peptid-Polymer-Konjugat G-TBP-PEGENZ als chemisch analoge Variante G-TBP-PEGCHEM synthetisiert, welches aus der enzymatischen Prozessierung eines nicht-bindenden Vorläufers hervorgehen würde.

Durch dieses sollte die Effektivität der konzipierten Suppressionsdomänen hinsichtlich der Haftungsunterbindung der Adhäsionsdomäne TBP bewertet werden können. Darüber hinaus erlaubt die synthetische Referenz eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit der enzymatisch aktivierbaren Adsorption. Die Darstellung der Peptid-PEG-Konjugate erfolgte auf Basis der inversen Konjugationsstrategie (vgl. Kapitel 2.2.3 Seite 7) an einem TentaGel® PAP Harz (engl. PEG-attached peptide resin), wobei die entsprechenden Sequenzen mittels festphasen-gebundener Peptidsynthese an einem linearen PEG-Block (Mn,PEG = 3.0∙103 g∙mol−1) aufgebaut wurden.[88] Nach Abspaltung der Biokonjugate vom polymeren Träger und vollständiger Entschützung der Aminosäure-Seitenketten durch Behandlung mit TFA/TMSBr/Thioanisol (94:1:5, v/v/v) konnten die Hybridmakromoleküle isoliert werden. Die Charakterisierung erfolgte durch die massenspektrometrischen und infrarotspekroskopischen Analysemethoden MALDI-ToF-MS (engl. matrix-assisted laser desorption/ionization time-of-flight mass spectrometry) bzw. FT-IR (engl. fourier-transform infrared spectroscopy).

Tabelle 3.1. Potentiell nicht-bindende Peptid-PEG-Konjugate S1-PEG bis S6-PEG mit verschiedenen Suppressions-domänen und das chemisch dargestellte Analogon G-TBP-PEGCHEM der enzymatischen Aktivierung ohne entsprech-ende Domäne unter Angabe der Nettoladungen bei pH 7.0 und der isoelektrischen Punkte.

Peptid-PEG-Konjugat Suppressionsdomäne Nettoladunga (pH 7.0) IEPa

G-TBP-PEGCHEM − +1.83 11.20

a Nettoladungen und IEPs wurden mittels der Software SEDNTERP berechnet.[268]

Das Adsorptions- und Desorptionsverhalten der potentiell nicht-bindenden Biokonjugate S1-PEG bis S6-PEG auf Titandioxid-Oberflächen wurde mittels QCM-D im Vergleich zu der Oberflächenhaftung der synthetischen Referenz G-TBP-PEGCHEM analysiert. Die dabei ange-strebte Identifizierung geeigneter Suppressionsdomänen für die Adhäsionsdomäne TBP diente als Vorarbeit für die enzymatisch aktivierbare Adsorption von Peptid-Polymer-Konjugaten, um proteinresistente Beschichtungen zu erzeugen. Die Untersuchungen erfolgten unter neutralen Bedingungen in 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0), um einen Vergleichbarkeit mit den NMR-spektroskopischen Analysen von MIRAU zu gewährleisten.[236] Die simultane Aufzeich-nung von Frequenz- und Dissipationsänderungen ermöglichte die Beschreibung der Material-anreicherung auf der Oberfläche sowie der viskoelastischen Eigenschaften der gebildeten

Beschichtungen. Die hier und in den nachfolgenden Kapiteln dargelegten Messdaten wurden an Hand der dritten Frequenz- und Dissipationsobertöne Δfn = 3/3 bzw. ΔDn = 3 interpretiert.

Die QCM-D-Messung des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM auf TiO2 zeigte nach einer 30-minütigen Äquilibrierungsphase mit 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) einen starken Frequenzabfall auf − 25 Hz innerhalb der ersten 3 Minuten (vgl. Abbildung 3.2a). Während der Inkubation über 3.5 Stunden konnte im Gleichgewichtszustand zwischen adsorbierenden und desorbierenden Molekülen eine Frequenzverschiebung von − 35 Hz verzeichnet werden. Die gebildete Beschichtung wurde im nachfolgenden Spülschritt mit Phosphat-Puffer nur zu einem geringen Anteil von der Oberfläche abgelöst.[267] Aufgrund der direkten Proportionalität zwischen Frequenz- und Massenänderungen konnte der Massenverlust des adsorbierten Materials auf etwa 20 % beziffert werden (vgl. Kapitel 2.7.1 Seite 24).[243]

Abbildung 3.2. Adsorptions- und Desorptionsisothermen von G-TBP-PEGCHEMohne Suppressionsdomäne (a) und der kationisch modifizierten Peptid-PEG-Konjugate S1-PEG und S2-PEG (b). Bedingungen: Die titanbeschichteten Sensoren wurden mit 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) äquilibriert, danach mit der jeweiligen Biokonjugat-Lösung inkubiert und anschließend mit Puffer gespült.

Die Inkubation der enzymresponsiven Biokonjugate S1-PEG bis S6-PEG führte zu sehr unter-schiedlich verlaufenden Adsorptions- und Desorptionsisothermen in Abhängigkeit von der ein-geführten Suppressionsdomäne. Die kationisch modifizierten Varianten S1-PEG und S2-PEG erlangten während der Inkubationsphase Frequenzverschiebungen von bis zu − 8 Hz bzw.

− 35 Hz, wobei insbesondere das zweifach positiv geladene Biokonjugat S2-PEG schnell auf der Oberfläche akkumuliert wurde (vgl. Abbildung 3.2b).[267] Mit etwa 20 % Materialverlust nach der Inkubationsphase war die Reversibilität der Beschichtung von S2-PEG mit dem Desorp-tionsverhalten des synthetischen Binders G-TBP-PEGCHEM identisch. Bedingt durch die Lysin-Seitenketten der Suppressionsdomäne Ac-(KG)2 von S2-PEG waren Nettoladungen und IEPs der beiden Biokonjugate mit Werten im Bereich von + 2 bzw. + 10 – 11 ebenfalls vergleichbar.

Die Adsorption von TBP auf Titandioxid-Oberflächen konnte in der linearen Anordnung von Suppressions- und Adhäsionsdomäne demnach nicht durch einfach bzw. mehrfach integrierte Aminosäuren mit kationischen Seitenketten unterdrückt werden.

Im Gegensatz dazu führten die negativ geladenen Suppressionsdomänen Ac-EG und Ac-(EG)2 der Peptid-PEG-Konjugate S3-PEG bzw. S4-PEG dazu, dass die Oberflächenhaftung der Adhäsionsdomäne TBP vollständig aufgehoben wurde. Die Inkubation der Metalloxid-Ober-fläche mit den beiden Biokonjugaten bewirkte nur geringe Frequenzänderungen bis maximal

− 2 Hz für S3-PEG und − 1 Hz für S4-PEG (vgl. Abbildung 3.3a). Der Verlauf der Adsorptions-isothermen zeigte, dass sowohl S3-PEG als auch S4-PEG nur minimal hafteten und die adsor-bierten Moleküle im anschließenden Spülschritt wieder vollständig von der Oberfläche entfernt wurden.[267] Die Glutaminsäure-Seitenketten der Suppressionsdomänen führten zu negativen Nettoladungen von − 0.85 bzw. − 1.85. Dies war vermutlich der entscheidende Einfluss auf das Adsorptionsverhalten S3-PEG und S4-PEG, weshalb beide Biokonjugate von der negativen Oberflächenladung von TiO2 elektrostatisch abgestoßen werden konnten (IEP = 4.7 – 6.2).[223]

Abbildung 3.3. Adsorptions- und Desorptionsisothermen der anionisch modifizierten Peptid-PEG-Konjugate S3-PEG und S4-PEG (a) sowie der mit dem ungeladenen Lysin-Derivat KεOEG modifizierten Strukturen S5-PEG und S6-PEG (b). Bedingungen: Die titanbeschichteten Sensoren wurden mit 20 mM Natriumphosphat-Puffer (pH 7.0) äquilibriert, danach mit der jeweiligen Biokonjugat-Lösung inkubiert und anschließend mit Puffer gespült.

Durch die Modifikation mit dem ungeladenen Lysin-Derivat KεOEG in Form der Peptid-PEG-Konjugate S5-PEG und S6-PEG konnte die Oberflächenhaftung der Adhäsionsdomäne TBP ebenfalls entscheidend reduziert werden. Wie schon die zuvor beschriebenen anionischen Biokonjugate S3-PEG und S4-PEG, adsorbierten die neutralen Systeme vollständig reversibel mit geringen Frequenzverschiebungen von maximal − 1 Hz während der Inkubationsphase (vgl. Abbildung 3.3b).[267] Hierbei könnten sowohl die neutralen Nettoladungen der beiden Biokonjugate als auch der sterische Anspruch von KεOEG als Ursache für die verminderten Wechselwirkungen mit der Oberfläche betrachtet werden.

Die ermittelten anionischen und neutralen Suppressionsdomänen der nicht-bindenden Biokon-jugate S3-PEG bis S6-PEG eröffneten die Möglichkeit, durch enzymatische Prozessierung die Haftungseigenschaften der polymergebundenen Adhäsionsdomäne TBP zu regenerieren und dadurch bioinerte Beschichtungen für Titandioxid-Oberflächen zu erzeugen. Folglich sollte die katalytische Effizienz der TEV Protease gegenüber einem geeigneten enzymresponsiven Substrat zur Abtrennung der entsprechenden Suppressionsdomäne evaluiert werden.