• Keine Ergebnisse gefunden

Die Untersuchungsgruppe und die Kontrollgruppe unterschieden sich hinsichtlich der soziodemographischen Daten nicht signifikant und zeigten auch bei der Prüfung auf Interkorrelationen keine auffälligen Zusammenhänge. Entsprechend kann von relativ gut vergleichbaren Kohorten ausgegangen werden.

Auch hinsichtlich des Bildungsstandes waren beide Patientengruppen gut vergleichbar, wiesen gegenüber der Allgemeinbevölkerung jedoch ein deutlich höheres Niveau und damit eine mögliche Einschränkung der Repräsentativität der Daten auf. Da mit dem Alter bekanntlich der Bildungsstand sinkt, könnte ein Grund für die relativ hohe Ausprägung desselben im relativ niedrigen Altersdurchschnitt der aufgenommenen Krebspatienten liegen. Dieser lässt sich aus dem Vergleich der Mittelwerte des Erkrankungsalters innerhalb der einzelnen Diagnosen erkennen. Der Zusammenhang von Alter und Diagnosengruppen wird nachfolgend in der Beschreibung der Untersuchungsgruppe erörtert.

Weitere interessante Ergebnisse der Basisdaten der maligne erkrankten Stichprobe beinhalten die Zusammenhänge zwischen den einzelnen erhobenen medizinischen Faktoren sowie die signifikanten Unterschiede, die sich z. B. zwischen den Verstorbenen und Überlebenden in der

Studie zeigten. So konnte aus diesen Daten das härteste Kriterium der Lebensbedrohlichkeit, nämlich der noch im Studienzeitraum eintretende Tod, sowie die spezifischen Risikofaktoren diesen zu erleiden, daraus abgeleitet werden.

11.1.1 Altersdurchschnitt und Diagnosen der maligne Erkrankten

Der Altersdurchschnitt der Stichprobe mit durchschnittlich 47 Lebensjahren erschien gegenüber den Hinweisen (vgl. Lesko 1989), dass fast 90% der an Leukämie erkrankten Patienten älter als 60 Jahre sind, niedrig.

Die Prüfung der Zusammensetzung der vorliegenden Stichprobe mit 90 maligne Erkrankten zeigte signifikante Altersunterschiede der inkludierten Diagnosekategorien. Die ALL (MW=38 LJ), die Hodgkin-Lymphome (HL; MW=39 LJ) und die CLL (MW=43 LJ) weisen in der vorliegenden Stichprobe die niedrigeren Altersmittelwerte auf und haben einen Anteil von 27% in der Gruppe der maligne Erkrankten. Die Altersmittelwerte sind im üblichen Bereich, da die ALL und die HL beide auch einen Häufigkeitsgipfel in den frühen Lebensjahren (Herold 2001) haben und vergleichbare Studien mit analogen Patientenkollektiven ähnliche Mittelwerte aufweisen (u. a. die Studie nach Faller et al. 1999: n=61; HL; Alters-MW=38 LJ).

Die häufigste Diagnose der Hämoblastosen in der Studie ist analog der Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung (Herold 2001) die AML mit einem Anteil von 32% und einem Altersmittelwert von 46 LJ. Da die AML über alle Altersgruppen hinweg verteilt vorkommt (Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland 2002) und in vergleichbaren Studien ähnliche Altersmittelwerte aufweist (u. a. Schumacher et al. 1996: n=61; AML; Alters-MW=46 LJ), ist auch hier keine Abweichung zu verzeichnen.

Der Anteil der NHL von 30% in der Stichprobe entspricht ungefähr dem Anteil innerhalb der Hämoblastosen (Herold 2001), der Altersdurchschnitt von 50 LJ ist jedoch deutlich niedriger zum durchschnittlichen Erkrankungsalter von 60-65 Lebensjahren in der Allgemeinbevölkerung (Herold 2001). Dies trifft ebenso auf die MDS zu, die in der Studie mit einem Altersmittelwert von 53 LJ vertreten sind, bei einem durchschnittlichen Erkrankungsalter von 70 LJ in der Allgemeinbevölkerung. Allerdings ist die Bedeutsamkeit für die Stichprobe durch den Anteil von 3%

relativ gering.

Insgesamt konnte damit für die meisten Diagnosekategorien in der Gruppe der Hämoblastosen von einer repräsentiven Stichprobenzusammensetzung hinsichtlich prozentualem Anteil und Altersdurchschnitt ausgegangen werden, da der verhältnismäßig niedrige Altersdurchschnitt nur bei den NHL und den MDS etwas ungewöhnlich erschien.

Aufgrund des signifikant höheren Altersdurchschnitts der Drop-Out-Patienten und des zu 69%

angegebenen mangelnden Interesse an der Studie, dürfte auch die höhere Bereitschaft jüngerer Patienten, an der Studie teilzunehmen, einen beeinflussenden Faktor darstellen. Weiterhin können als mögliche Gründe die Altersbegrenzung der Stichprobe auf 75 LJ und eventuell das niedrigere Durschnittsalter der Patienten der Medizinischen Klinik III sein, da der Bekanntheitsgrad der

Universitätsklinik und die Schwerpunktsetzung besonders zur Überweisung von jungen Patienten mit schwierigen Diagnosen aus allen Teilen des Landes führt.

11.1.2 Objektive Lebensbedrohlichkeit und Risikofaktoren

Zusammenfassung der wichtigsten Befunde aus der Literatur. Aus der Sichtung der Literatur kann geschlossen werden, dass Krebserkrankungen grundsätzlich mit einem hohem Mortalitätsrisiko behaftet sind. Bei der differenzierten Betrachtung der einzelnen in die Studie aufgenommen hämato-onkologischen Systemerkrankungen stellen sich relativ hohe Wahrscheinlichkeiten für das kurzfristige Zurückdrängen der Erkrankung dar, die aber bei den meisten Diagnosen langfristig mit einer stark reduzierten Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, einhergehen. Innerhalb der Erkrankungsgruppen lassen sich jedoch trotz der immer notwendigen Betrachtung der individuellen Situation prognostische Unterschiede feststellen.

So kann bei den Patienten mit akuten Leukämien von einem höheren Risiko, die nächsten fünf Jahre zu versterben, ausgegangen werden als bei den chronischen Leukämien. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, die nächsten fünf Jahre zu überleben, für die Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen niedriger als für die mit Hodgkin-Non-Hodgkin-Lymphomen, welche insgesamt eine relativ gute Prognose aufweisen (Preiß et al. 2002; Herold 2001; Hiddemann 2000; Zeller et al. 1995).

Das Überleben grundsätzlich aber hängt entsprechend der Literatur von einer Vielzahl an individuellen Risikofaktoren wie u. a. von Alter, Allgemeinzustand, Art und Stadium der diagnostizierten Erkrankung sowie vom Erfolg der Therapie ab.

Signifikante Prädiktoren objektiver Lebensbedrohlichkeit aus der Studie. Interessant war nun, welche stichprobenspezifischen Prognosefaktoren sich im Erhebungszeitraum zeigen würden.

Dazu wurden die Daten der 30% innerhalb des Erhebungszeitraums von einem Jahr Verstorbenen herausfiltert und auf signifikante Zusammenhänge zu medizinischen und soziodemographischen Faktoren geprüft.

Die post-hoc Analyse ergab für die durchschnittlich vier Monate nach Aufnahme in die Studie verstorbenen maligne Erkrankten ein signifkant erhöhtes Risiko durch das Vorliegen eines Rezidivs, die Therapie der KMT und einem unterdurchschnittlichen Allgemeinzustand nach Karnofsky.

Die Zuordnung zu einer spezifischen Diagnosengruppe oder die Therapieerfolgsmessung sowie die ärztliche Einschätzung der Heilbarkeit zeigten sich nicht als Prädiktoren für das Versterben.

Rezidiviert Erkrankte. 42% der rezidiviert Erkrankten verstarben schon durchschnittlich drei Monate nach Studienbeginn, während dies bei den Erstdiagnostizierten erst nach fünf Monaten mit einem Anteil von 22% der Fall war. Der gesamte Anteil an rezidiviert Erkrankten bei den verstorbenen Studienpatienten lag aufgrund des geringeren Anteils in der Gesamtstichprobe dann mit 54%

allerdings nur bei knapp über der Hälfte. Trotzdem konnte das Vorliegen eines Rezidvs als signifikanter Risikofaktor für das Versterben im Studienzeitraum identifiziert werden.

Knochenmarktransplantation. Neben dem Auftreten eines Rezidivs beinhaltete die Therapiemodalität der Knochenmarktransplantation auf der Isolierstation des Klinikums Großhadern ein Mortalitätsrisiko von 50%. Dies lag damit um 10% höher als in der Literatur mit den dort angegebenen 40% (Trümper & Glas 2002). Die Gründe, die man für das um 10% höhere Mortalitätsrisiko benennen könnte, sind spekulativ. Einer könnte natürlich der Zufall sein, da der Anteil der KMT-Patienten in der Gesamtstichprobe mit n=30 für eine valide Aussage etwas klein scheint. Würde sich die Zahl der Todesfälle über eine größere Stichprobe hinweg allerdings in etwa konstant halten, könnte ein weiterer Grund in einem hohen Anteil von Hochrisikopatienten unter den Transplantierten liegen.

Allgemeinzustand. Der Karnofsky-Index lag bei den verstorbenen Studienpatienten zu Messzeitpunkt T2 signifikant unter dem der Überlebenden und spiegelte das plausible Ergebnis wieder, mit einem insgesamt schlechterem Allgemeinbefinden eher zu versterben.

Diagnosekategorien. Obwohl die Zuordnung zu einer bestimmten Diagnosekategorie sich nicht mehr als signifikanter Risikofaktor zu sterben herausfiltern ließ, ist es doch auffällig, dass die ALL-Patienten zu 50% und die AML-ALL-Patienten zu 34% verstarben. Da die AML in der Studie am häufigsten vorkam, ergab sich daraus der höchste Anteil Verstorbener (37%) im Vergleich zu den anderen Diagnosen. Betrachtet man dieses Ergebnis auch im Zusammenhang mit den niedrigen 5-Jahres-Überlebensraten der akuten Leukämien insgesamt (ca. 30%; Hiddemann 2000), kann von einer objektiv relativ hohen Lebensbedrohlichkeit für die zu dieser Gruppe gehörenden Diagnosen, nämlich der AML und ALL, ausgegangen werden.

Ärztliche Einschätzung der Heilbarkeit. Interessant war natürlich, ob die Einschätzung der Heilbarkeit durch die Ärzte einen signifikanten Risikofaktor für das Versterben im Studienzeitraum ergeben würde. Die Ergebnisse wiesen nach Analyse auf eine sehr geringe und nicht signifikante Bedeutsamkeit hin, da immerhin 81% der Verstorbenen nach ärztlicher Einschätzung „heilbar“

waren. Diese Diskrepanz ist wohl auch zu einem guten Teil auf die größte Diagnosengruppe der AML-Patienten zurückzuführen, da diese Erkrankung bei den einzelnen Patienten von den Ärzten zu 100% als heilbar eingestuft wurde, aber - wie vorausgehend geschildert – trotzdem 34% der Patienten mit AML starben.

Aus der Literatursichtung war ja bereits bekannt, dass die Ärzte tendenziell eine eher überoptimistische Einschätzung der Prognose der Patienten abgeben, wenn man das Beispiel der Überlebenszeit betrachtet (vgl. Christakis 1999; Christakis & Lamont 2000). Damit scheinen die Studienergebnisse nicht ungewöhnlich.

Trotzdem ist aus Studien die Meinung des Arztes als wichtiger Einflussfaktor auf die Einschätzung der Patienten bekannt (vgl. Christakis & Lamont 2000). Entsprechend zeigte sich auch bei der Gesamtstichprobe der maligne Erkrankten eine signifikant bessere Einschätzung der subjektiven Heilungschancen, wenn die Ärzte die Erkrankung als potenziell „heilbar“ sahen.

Therapieerfolgsmessung. Der Therapieerfolg entlang des Remissionsstatus ließ sich nicht als signifikanter Risikofaktor, während der Studie zu sterben, erkennen. Allerdings muss an dieser Stelle einschränkend bemerkt werden, dass 31% der Patienten zu Messzeitpunkt T2 von ärztlicher Seite als „nicht beurteilbar“ eingestuft wurden. Dieser hohe prozentuale Anteil lässt vermuten, dass der Zeitpunkt nach durchschnittlich 7 Wochen vielleicht zu früh angelegt war und deshalb insgesamt in der Studie nur wenig reliabel erhoben werden konnte und bei der Interpretation der Ergebnisse vorsichtig betrachtet werden muss.