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Lehre des Todestriebs nach Freud (1920). Eine Theorie, die sicherlich verschiedenen Standardkriterien der wissenschaftlichen Forschung wie z. B. der empirischen Überprüfbarkeit nicht gerecht wird, aber trotzdem durch den hohen Bekanntheitsgrad und den Einfluss auf die Entwicklungsgeschichte der Psychologie zu nennen ist, ist die Lehre des Todestriebs nach Sigmund Freud. 1920 verfasste er die Schrift "Jenseits des Lustprinzips", in der er das Menschsein eingebettet in ein dualistisches System aus lebensschöpfenden und lebensvernichtenden geistigen Kräften beschreibt. Seinen Gedanken nach deutet die entwicklungsgeschichtliche Abfolge von der anorganischen Materie zur Geburt der organischen Materie also vom Leblosen zum Lebenden -darauf hin, dass der Mensch triebhaft an einem zyklischen Wiedereintreten des anorganischen Zustands teilhat. Damit würde er einen Trieb in sich tragen, der alles Lebende wieder in den ursprünglichen Zustand des Unbelebten zurückdrängt (Wittkowski 1990) und der dem schöpferischem Lebenstrieb gegenübersteht. Freud sah die motivationale Komponente für den Drang nach Destruktion und Tod in einer häufig zu beobachtenden Phänomenologie menschlichen Verhaltens: dem Wiederholungszwang. Durch die in der therapeutischen Situation oft zu erlebenden Wiederholungen leidverursachender Verhaltensweisen oder das imaginative Wiedererleben von traumatischen Situationen (heute auch als ein Symptom der posttraumatischen Belastungsstörung bekannt) bei Patienten, glaubte Freud an eine "jenseits des Lustprinzips"

(Freud 1920) liegende Triebkraft im menschlichen Verhalten. Als nach außen gewendeter und damit manifest gewordenen Destruktionstrieb tritt dabei der Sadismus in Erscheinung, der in ausgeprägter Form auf die Vernichtung oder Zerstörung eines Objektes abzielt.

Die Brauchbarkeit, Anwendbarkeit und Überprüfbarkeit dieser Theorie in der heutigen Psychologie

bzw. der Thanatopsychologie und in den sich ihr bedienenden Forschungsbereichen ist fraglich.

Dies soll aber den Wert eines philosophischen Anspruchs der originellen Überlegungen nicht mindern. Die Argumentationsfolge von Freud damals erscheint uns heute eventuell nicht unbedingt als logisch stringent und seine Erklärungen empfinden wir vielleicht als redundant, weil inzwischen andere und überprüfbarere Erklärungsmodelle seine Beweisführung in den Hintergrund drängen.

Nichtsdestotrotz kann das Postulat einer dem menschlichen Willen nach Leben, Ego und Abgrenzung entgegen gerichteten Kraft, welche auf Destruktion, Auflösung und Selbstverlust drängt, als interessante metapsychologische Überlegung und sinnbildender Denkanstoss fruchtbar sowie den Blickwinkel erweiternd sein. Kastenbaum (1987) bezeichnet diese Theorie gar bildlich als "majestätische Ruine" aus der mit großem Gewinn wertvolle Steine herausgebrochen werden können.

Theorie der persönlichen Konstrukte nach Kelley (1955). Die folgende Theorie, die nach Wittkowski (1990) im letzten Vierteljahrhundert häufig als theoretische Grundlage zur Erforschung des menschlichen Verhaltens und Erlebens im Hinblick auf Tod und Sterben herangezogen wurde, hebt die kognitiven Verarbeitungsprozesse hervor. Sie ist eine kognitive Persönlichkeitstheorie in der es um die Art und Weise geht, wie ein Mensch Ereignisse und seine Umgebung wahrnimmt, bewertend interpretiert und konzeptualisiert. Entlang dieser Theorie ist es weniger bedeutsam, wie die objektive Realität eines Ereignises beschaffen ist, sondern vor allem welche persönliche Bedeutung ein Mensch ihm beimisst. Die formalen Strukturen nach denen ein Mensch diese subjektiven Interpretationen vornimmt, sind nach Kelley bipolare Beschreibungskategorien, die Konstrukte genannt werden. Sie umfassen in einem zusammenhängenden und hierarchisch gegliederten System naive Theorien eines Menschen zur Ursache und Wirkung von Ereignissen.

Das Konstruktsystem dient damit zum einen der Erklärung und Einordnung von Ereignissen als auch zur Optimierung der Anpassung an zukünftige Situationen. Insgesamt ist nach Kelley die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen um so komplexer, je zahlreicher und differenzierter seine Konstrukte sind.

Trifft der Mensch auf ein Ereignis, für das entweder ein vorhandenes Konstrukt in Frage gestellt ist oder es kein Konstrukt gibt, kann weder die Realität erklärt noch die Zukunft antizipiert werden und infolgedessen entsteht Angst.

Entsprechend kann zum Beispiel die Angst vor dem Tod darauf hinweisen, dass es an Konstrukten mangelt, die dem Tod Sinnhaftigkeit verleihen oder ihn als Teil des Lebens begreifen (Wittkowski 1990); oder es werden Leben und Tod als inkompatibel erlebt und unzusammenhängenden bzw.

sich widersprechenden Konstrukten zugeordnet, wodurch sich für den Menschen ein sehr bedrohlicher Zustand ergibt. Wird der Tod wiederum als weniger bedrohlich, zur eigenen Realität gehörend und mit dem Leben vereinbar betrachtet, werden ähnliche kognitive Konstrukte dafür angenommen.

Da die Brauchbarkeit einer Theorie sich u. a. aus der Messbarkeit ergibt, entwickelten Krieger et al.

(1974) den "Threat-Index" zu Kelley´s Theorie. Dieses Maß - welches in der Weiterentwicklung im

"Death Attitude Repertory Test (DART)" (Neimeyer et al. 1986) enthalten ist - bildet ab, inwieweit

die Konzepte "Selbst" und "Tod" in gegensätzlichen Begriffen interpretiert werden und wie stark bedrohlich damit der Tod auf den Menschen wirkt.

Die vorliegenden Testergebnisse zu dieser Theorie geben interessante Hinweise auf die Gruppe lebensbedrohlich erkrankter Personen. So zeigte eine Untersuchung von Krieger et al. (1974), dass Pat. mit einem hohen Threat-Index weniger die Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit dem Tod besaßen. Viney fand (1983; 1984-1985; in Wittkowski 1990), dass Schwerkranke sich gedanklich intensiver mit dem Tod auseinandersetzten als eine Stichprobe Gesunder. Sie äusserten dann die stärkste Beschäftigung damit, wenn sie akut erkrankten und sich im Krankenhaus befanden. Daneben war bei älteren Menschen allgemein und bei Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glaubten, eine bessere Vereinbarkeit von Tod mit dem eigenen Selbst festzustellen (Neimeyer et al. 1986).

Ochsmann (1993) kritisiert, dass sich für den Threat-Index keine Reliabilitätskoeffizienten entwickeln lassen. Wittkowski (1990) sieht trotz der Anerkennung von Kelleys Theorie hinsichtlich des Anstoßes zu weiterer Forschung und der problemspezifischen Nützlichkeit, konzeptionelle und methodische Aspekte ungeklärt. So wird von ihm z. B. weiter bemängelt, dass die Bedrohung durch den Tod nicht im Sinne des methodischen Kriteriums der Sparsamkeit direkt erfragt, sondern durch die Zuordnung zu Konstruktpolen wie "Selbst" und "Tod" indirekt erschlossen wird.

Insgesamt sieht er die Konzepte von Angst und Bedrohung durch den Tod als nicht gültig und zuverlässig erfasst und schätzt damit die Überprüfbarkeit und damit die Veränderungsfähigkeit der Theorie durch thanatopsychologische Forschung als eher gering ein.

Im Gegensatz dazu ist der folgende Ansatz, der auch für die Thanatopsychologie herangezogen werden kann, heute in der Psychologie sehr respektiert und gebräuchlich.

Theorie der kognitiven Dissonanz nach Festinger (1957). Diese Theorie beschreibt die intrapersonalen Vergleichsprozesse, die ein Mensch hinsichtlich seiner Überzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen anstellt. In vereinfachter Form ist der Mensch demnach bestrebt, diese in einer konsonanten Beziehung, d. h. möglichst widerspruchsfrei zueinander zu halten. Treten nun unvereinbare Kognitionen im Menschen auf, hängt es von der Wichtigkeit und der Anzahl derselben ab, wie intensiv der Zustand der sogenannten kognitiven Dissonanz erlebt wird. Entsprechend des Bedürfnis- oder Spannungszustand erzeugt die Dissonanz einen psychischen Druck zur Aufhebung der als unangenehm erlebten Situation. Festinger postuliert dabei unterschiedliche Möglichkeiten der Dissonanzreduktion: Der Mensch kann aktiv entweder zu seinen Überzeugungen und Einstellungen passendere Informationen suchen und sein Verhalten dementsprechend darauf ausrichten oder er kann anderen dissonanten Informationen und Verhaltensweisen weniger Bedeutung beimessen und sie insgesamt zu vermeiden suchen. Die Klarheit der theoretischen Postulate sowie die Möglichkeit des Zugangs zur Theorie über das Verhalten lassen sie auf den ersten Blick geeignet für die Untersuchung todesbezogenen Verhaltens erscheinen.

Zustands-Dispositions-Theorie der Angst nach Spielberger (1966). Wie in Festingers Theorie der Fokus auf der Entstehung von psychischem Druck oder Angst durch die kognitive Bewertung nach vergleichender Prüfung vorliegender Einstellungen und Konzepte liegt, so befasst sich Spielbergers Theorie mit dem Erleben des bewusst wahrgenommenen internen Spannungszustands, welcher mit einer Aktivierung des autonomen Nervensystems einhergeht, und der erworbenen, relativ stabilen Bereitschaft zur Angstausprägung.

Begleitet von Aktivierung des autonomen Nervensystems, Besorgnis, Nervosität und Furcht vor zukünftigen Ereignissen beschreibt er einen Zustand der bewusst wahrgenommenen Angst, welche auch "state"-Angst genannt wird. Die Zustands-Dispositions-Theorie der Angst nach Spielberger besagt, dass ein aktueller Angst-Zustand durch die Wahrnehmung eines gefährlichen bzw. bedrohlichen realen oder imaginierten Reizes ausgelöst wird und dass Dauer und Intensität des Angst-Zustandes der kognitiven Bewertung proportional sind. Je bedrohlicher damit die kognitive Bewertung einer Situation ausfällt, um so höher ist damit die einhergehende Angst. Die Einflussfaktoren auf die kognitive Bewertung des bedrohlichen Ereignis umfassen die dispositionelle Angstbereitschaft - auch "trait" im Unterschied zu "state" genannt, zurückgehend auf Cattell & Schleier (1958, 1961) - die persönlichen Gedanken, Gefühle und Bedürfniszustände sowie die äusseren Situationsgegebenheiten. Spielberger gelang es damit, den faktorenanalytisch extrahierten dispositionellen Anteil der Angst oder, anders ausgedrückt, die Determinante

"Angstbereitschaft" und die bewusst erlebte innere Anspannung, in ein gemeinsames Modell des Angsterlebens zu verküpfen. So kann z. T. erklärt werden, wieso Menschen in der gleichen angstauslösenden Situation eine unterschiedliche Quantität und Qualität im Angsterleben aufweisen können.

1.5 Brauchbarkeit der Theorien für thanatopsychologische