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11.4 D IE SUBJEKTIVE T ODESNÄHE UND DAS PSYCHISCHE B EFINDEN

11.4.1 K RANKHEITSVERARBEITUNG

• Krankheitsverarbeitungsstile bei maligne und benigne Erkrankten sowie den erstdiagnostiziert und rezidiviert Erkrankten im Vergleich?

• Einfluß bekannter soziodemographischer und krankheitsbezogener Faktoren auf die Krankheitsverarbeitung?

• Vorhersage der Maladaptivität der Krankheitsverarbeitung im Sinne einer depressiven Krankheitsverarbeitungsstrategie durch die subjektive Todesnähe bei den maligne Erkrankten?

• Steigerung der Vorhersagekraft der subjektiven Todesnähe für die depressive Krankheitsverarbeitung bei rezidiviert Erkrankten im Vergleich zu den Erstdiagnostizierten?

Krankheitsverarbeitung und Einflussfaktoren. Die Krankheitsverarbeitung stellte sich bei den

Krebspatienten im Vergleich zu den nicht lebensbedrohlich Erkrankten nicht signifikant unterschiedlich dar und ähnelt zugleich den Vergleichsstichproben in Muthny (1989) oder z. B. den von Faller (1999) bei Morbus-Hodgkin-Patienten erhobenen Werten. Mit dem FKV ließen sich somit keine Unterschiede zwischen verschiedenen Krankheitsgruppen abbilden wie sie z. B. von Beutel (1988) erwähnt wurden.

Zudem zeigte weder die Analyse der Subgruppen vonerstdiagnostiziert und rezidiviert erkrankten Krebspatienten signifikante Unterschiede noch die Überprüfung der weiter erhobenen medizinischen Variablen. Dieses Ergebnisse bestätigte sich durch die Aussage von Heim (1998), der auch auf eine weitestgehende Übereinstimmung von Bewältigungsmustern bei verschiedenen somatischen Befunden hinwies.

Da Muthny (1989) auf mögliche leichte Geschlechterunterschiede in der Krankheitsverarbeitung aufmerksam machte, erfolgte die Überprüfung derselben. Die Krebspatienten weisen dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf. Bei den benigne Erkrankten fand sich jedoch bei den Frauen eine ausgeprägtere depressive Verarbeitung und bei den Männern ein stärker vorhandener, aktiv problemorientierter Copingstil. Da sich in der Studie bei den benigne Erkrankten auch eine signifikant höhere Depressivität und Angst bei den Frauen darstellt, muss auf das Problem der Messkonfundierung von depressiver Stimmung und depressiver Krankheitsverarbeitung hingewiesen werden.

Die Interdependenz von Krankheitsverarbeitung und emotionalem Befinden wurde inzwischen schon einige Male untersucht und diskutiert (vgl. Faller 1994; Heim 1998). Laux & Weber (1990) sahen drei Möglichkeiten der Verknüpfung der beiden Konstrukte: 1. die emotionale Reaktion als Versuch der Bewältigung, 2. die Copingstrategie als Einflussfaktor der emotionalen Befindlichkeit, und 3. die Krankheitsverarbeitungsstrategie als Versuch der Bewältigung der vorherrschenden emotionalen Befindlichkeit.

Für die vorliegende Untersuchung wurde primär angenommen, dass Coping durch eine Bedrohung oder auch einen „dissonanten Zustand“ (vgl. die Theorie nach Festinger 1957) angeregt wird und der Erfolg bzw. der Misserfolg sich im psychischen Befinden widerspiegelt. Entsprechend findet sich bei depressiver Verarbeitung als maladaptiver Strategie der Verarbeitung der Todesgedanken ein ungünstiges psychisches Befinden. In der Operationalisierung der Hypothese wurde dabei aber aufgrund der o. g. Probleme lediglich die Präsenz von ungünstiger Krankheitsverarbeitung und subjektiver Todesnähe gleichrangig zum Vorhandensein weiterer Parameter der psychischen Belastung, untersucht. Entsprechend wurde für die vorliegende Untersuchung das gleichzeitige Vorhandensein von depressiver Krankheitsverarbeitung und sinkendem emotionalem Wohlbefinden bzw. gesteigerter Angst und Depressivität im Zusammenhang mit der subjektiven Todesnähe als Anzeichen von ungünstiger Verarbeitung der Todesgedanken und psychischer Belastung interpretiert.

Prädiktion depressiver Krankheitsverarbeitung aus der subjektiven Todesnähe. In der vorliegenden Untersuchung konnte die subjektive Todesnähe für die maligne Erkrankten zum Messzeitpunkt T1

die depressive Krankheitsverarbeitung wie erwartet allerdings ohne starke prädiktive Power -vorhersagen. Für die vier weiteren, mit dem FKV erhobenen Krankheitsverarbeitungsstile, konnten keine signifikanten Zusammenhänge zum Gesamtscore der subjektiven Todesnähe gefunden werden.

Interessant war nun natürlich, inwiefern sich ggf. eine Aktivierung von bestimmten Abwehrstrategien, für die man bei der Interpretation der Ergebnisse häufig Anwendung fand, in der Krankheitsverarbeitung sichtbar machen lassen würden. Nach Heim (1998) findet sich das Konzept der Abwehr in verschiedenen Krankheitsverarbeitungsstrategien wieder. Er benennt dabei Mechanismen wie Wunschdenken aber auch Rückzug und Grübeln. Die letzten beiden Abwehrstrategien finden sich in der Skala "depressive Verarbeitung" als konstituierende Items wieder und würden damit das Konzept der Abwehr z. T. unterstützen. Das Konstrukt der Verleugnung wiederum, das auch im Zusammenhang mit der Abwehr erwähnt wird, findet sich im FKV eher unter der Skala "Bagatellisieren/ Wunschdenken" wieder. Für diese Skala wurden jedoch weder im Vergleich von maligne und benigne Erkrankten, noch bei erstdiagnostiziert und rezidiviert Erkrankten signifikant unterschiedliche Werte gefunden.

Interessant war, dass sich bei dennicht lebensbedrohlich Erkrankten keine Zusammenhänge von Todesgedanken und Krankheitsverarbeitung beobachten ließen. Dies erhärtet ein weiteres Mal die Hypothese der vorliegenden Untersuchung, dass die subjektive Todesnähe nur in der Präsenz einer aktuellen Lebensbedrohung – wie sie aufgrund der Ergebnisse der Studie bei der Diagnose oder dem Wiederauftreten einer Krebserkrankung und dem Aufenthalt in der Akutklinik vorliegt – schlecht verarbeitet wird. Gedanken an den Tod ohne akute Bedrohung schienen den Ergebnissen der vorliegenden Studie zufolge, auch nicht unbedingt eine maladaptive Verarbeitungsstrategie zu fördern.

Bei der Untersuchung der Subgruppen der erstdiagnostziert und rezidiviert erkrankten Krebspatienten ließen sich, wie schon unter dem vorausgehenden Abschnitt erwähnt, keine Veränderungen zu den Ergebnissen der Gesamtgruppe der Krebspatienten erkennen. Die Vorhersagekraft der subjektiven Todesnähe für eine depressive Krankheitsverarbeitungsstrategie blieb für beide Subgruppen fast gleich und so konnte keine Verstärkung des Zusammenhangs für die Rezidivpatienten beobachtet werden. Faller (1998) und auch andere Autoren (z. B. Thomas 1994) nahmen beim Auftreten von Belastungsspitzen, wie sie durchaus bei der Diagnose oder dem Wiederauftreten der Erkrankung zu finden sind, eine Aktivierung bestimmter Bewältigungsstrategien an. Dies ließ sich in der Studie auch im Hinblick auf den Vergleich mit den benigne Erkrankten so nicht bestätigen.

Leider wurde die Krankheitsverarbeitung aus studientechnischen Gründen zu Messzeitpunkt T2 nicht mehr erhoben, so dass keine Verlaufsdaten vorlagen. Hier wäre interessant gewesen, wie lange die depressive Krankheitsverarbeitung im Zusammenhang mit den Todesgedanken aufgetreten wäre und ob sich langfristig evtl. auch eine konstruktivere Haltung bzw. Bewältigung beim Auftreten von Todesgedanken bemerkbar gemacht hätte.