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Äußere Zeichen von Verbindung und Hoffnung am Ausgangspunkt Paris

1. Teil: Entstehungsgeschichte der Kongregation bis zur Gegenwart

1.8. Tod und Seligsprechung Marias von der Vorsehung

1.8.1. Äußere Zeichen von Verbindung und Hoffnung am Ausgangspunkt Paris

einfaches Erbe. Oft haben die Schwestern Mühe, die Intuition in Worte zu fassen, die sich hinter diesem Auftrag verbirgt, nämlich das Bestreben, Menschen auf unterschiedlichste Weise dabei zu unterstützen, Gott zu begegnen, sei es im Diesseits oder im Jenseits. Das ist die spirituelle Natur der Gründungseingebung, das Charisma der Kongregation.311 Die Ablehnung eines einzigen Apostolates stellt die Offenheit für unterschiedliche Anrufe aus Kirche und Welt sicher. Das geforderte Gehen von den Tiefen des Fegfeuers bis an die äußersten Grenzen der Erde, wird im Pariser Generalat auch in Oratorien und in der Kapelle anschaulich. Gegenstände aus unterschiedlichsten Ländern wurden an den Ursprungsort Paris zurückgebracht und tun ihren Dienst in sakralen Bereichen312: In einem kleinen Korbgefäß mit spitzem Deckel aus Rwanda, das auf einem Holzhocker ebenfalls aus Rwanda steht, befindet sich eine Kapsel mit dem Allerheiligsten. In einem anderen Oratorium umschließt ein blank poliertes, rundes Holzgefäß aus Afrika die Hostie, eine Brottruhe aus dem Banat dient ihm als Tisch. Astgabel-Kreuze aus Rwanda, angefertigt von Gefangenen, hängen an den Wänden.313

Die Kapelle der Barouillère erfuhr viele Veränderungen. Die ersten großen Restaurierungsarbeiten erfolgten 1956 bis 1957, anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Kongregation und der Seligsprechung der Gründerin. Im Jahr 1960 wurden die

308 Vgl. Hertling, Eugénie Smet, 88 bis 96.

309 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 16.

310 Vgl. ebd., Abb. 6 und Abb. 7.

311 Vgl. Gardey de Soos, Eugénie Smet, 165f.

312 Vgl. TGB HF, Paris, 15.08.2015 und 18.8.2015.

313 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 10, Abb. 11 und Abb. 12.

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Arbeiten mit Umgestaltungen fortgesetzt. 1967 bis 1968 erfolgte die Erneuerung des Altarraumes als Folge der Vorschläge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Entfernen von Vorhängen aus der Apsis und die Verwendung hellerer Farben folgten 1990.

2002 wurde noch mehr Licht in das Innere gebracht. Nicht nur die Apsis sollte in einen strahlenden Himmel weisen: Das früher in Halbdunkel getauchte, das Fegefeuer symbolisierende Kirchenschiff, erhielt einen großen runden Luster mit zahlreichen Glühlampen.314 Der Wandel der Fegefeuer-Auffassung, von der lastenden Schwere hin zu wohltuendem Licht, wurde auch hier sichtbar. Das Fegefeuer sollte nicht mehr als vergängliche Hölle, sondern als Ort erfahrbar gemacht werden, der danach trachtet, noch nicht bereite Seelen an Gottes Liebe rückzubinden. An diese Seelen sollte die Botschaft der Hoffnung Marias von der Vorsehung gehen, dass auch nach dem Tod die göttliche Vergebung an ihnen wirksam werden kann.

Geht man die sieben Steinstufen zur Kapelle hoch und öffnet das blaue Eisenportal, steht man vor einer Doppeltüre aus blaugrauem Glas, durch das die warmen Farben des Innenraumes durchscheinen315. Auf den sandgestrahlten Türflügeln ist das Wort Hoffnung in all den Sprachen der Länder zu lesen, in denen Helferinnen präsent sind.316 Auch in der mehrfach restaurierten Krypta, in der Marie de la Providence seit ihrer Umbettung 1928 ruht, dominiert der Begriff der Hoffnung. Oberhalb der Grabstätte prangt eine langgezogene Platte mit chinesischen Schriftzeichen317. Links, in kleinerer Schrift, ist der Ordensname und Frankreich zu lesen, rechts in gleicher Größe der Name der Schreiberin aus China. In der Mitte sind groß und deutlich die Schriftzeichen für Hoffnung und Heil geschrieben.318

Die Vision von Marie de la Providence, mit ihrem Charisma von den Tiefen des Fegfeuers bis an die Grenzen der Erde zu gehen, scheint sich verwirklicht zu haben: Die Helferinnen sind auf vier Kontinenten präsent.

314 Vgl. Guenard, Chapelle, 24f.

315 Die beiden Künstlerinnen Laurence Bernot und Anne Lemonnier, Mutter und Tochter, haben im Dialog mit den Helferinnen im Jahr 2002 die Vision der Intuition Marias von der Vorsehung mit modernen Mitteln künstlerisch verwirklicht, vgl. ebd., 24.

316 Vgl. ebd., 15 und vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 5.

317 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 6.

318 Xue Hu hat die Schriftzeichen dankenswerter Weise am 14.08.2020 übersetzt.

73 1.9. Kongregation der Helferinnen aktuell

Jeweils am Jahresende erarbeitet das Generalat in Paris eine Aufstellung der aktuellen Zahlen von Gemeinschaften und Schwestern in den verschiedenen Kontinenten und Ländern.

Die vorliegende Liste zeigt den Stand vom 31. Dezember 2019.319

Die erste Spalte nennt die Kontinente und Länder, in denen Helferinnen derzeit beheimatet sind. Die zweite mit Ctés für Communautés überschriebene Spalte zählt die insgesamt 102 Gemeinschaften in den jeweiligen Ländern auf. Das Ursprungsland Frankreich steht mit Belgien und 98 Profess-Schwestern in 19 Gemeinschaften an der Spitze.

Kandidatinnen gibt es aktuell nur drei und die sind gebürtige Rwandesinnen. Die drei jungen Frauen lebten schon zum Erlernen der englischen Sprache in Kenia und blieben als Kandidatinnen im Land.

Das Noviziat für acht jungen Frauen ist derzeit an zwei Stätten möglich, nämlich französischsprachig in Cergy, einer Gemeinde im Nordwesten von Paris und englischsprachig in Nairobi, Kibiko, in Kenia. Das Noviziat in Kenia wurde von der Vizeprovinz Rwanda errichtet. Auf der Grundlage des Beschlusses von Generaloberin Sr Gudrun, datiert mit 20. Dezember 2019, wurde es am 1. Jänner 2020 eröffnet.

Die Noviziate werden jeweils dort eingerichtet, wo es sinnvoll erscheint. Da in den letzten Jahren der meiste Nachwuchs aus Asien und Afrika kam, suchte man einen geeigneten Standplatz in englischsprachigem Gebiet. In Kenia befinden sich derzeit vier Novizinnen, die aus Indien und Rwanda stammen.

Die einzige Italienerin absolviert ihr Noviziat in Cergy.

Helferinnen mit Gelübden gibt es insgeamt 455, davon haben 428 ihre ewigen (PP für Profession Perpétuelle) und 27 ihre zeitlichen (PT für Profession Temporaire) abgelegt.

Ihre Wege, Zuwendung zu leben, waren und sind vielfältig. Leidende Seelen werden von ihnen als Menschen in Situationen von Übergängen, Wachstum und schmerzlichen Veränderungen verstanden.320

319 Die Liste wurde von der Generaloberin Sr Gudrun auf Anfrage freundlicherweise am 27. April 2020 zur Verfügung gestellt.

320 Vgl. Strobel, Wir Helferinnen, 5.

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Total = 455

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2. Teil: Empirische Sozialforschung

2.1. Forschungsfrage – Forschungsstand

Seit beinahe dreißig Jahren gibt es in Indien Schwestern der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer. Die Kongregation scheint dort einen fruchtbaren Boden gefunden zu haben.

Seit der Eröffnung des Noviziats in der Nähe von Kolkata im Jahr 1996 haben schon mehrere junge Frauen diese Ausbildung durchlaufen und sich nach zeitlichen durch ewige Gelübde an die Kongregation gebunden. Bis heute zeigen junge Inderinnen Interesse daran, das Noviziat der Helferinnen zu beginnen und letztendlich einzutreten.

Mir stellte sich die Frage nach den Gründen dieser Anziehungskraft. Ich war neugierig zu erfahren, warum Asiatinnen im 20. und 21. Jahrhundert einer Kongregation beitreten, die 1856 in Frankreich gegründet worden war und sich laut Bezeichnung noch heute der Seelen im Fegefeuer annimmt. Die Formulierung meiner Fragestellung lautete demnach:

„Was bewegt junge Inderinnen dazu, der Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer beizutreten?“ Die gesamte Forschungsarbeit kreist um diese Fragestellung.

Sr Hemma, Helferin aus Österreich, der Provinz Mitteleuropa zugehörig, verbrachte mehr als 20 Jahre in Indien. Im Wesentlichen war sie es, die Noviziat und Studyhouse in Barasat aufbaute.

Zu einem Zeitpunkt, da sie nicht mehr in Indien, sondern als Rätin im Generalat Paris lebte, machte ich mich nach Kolkata, Barasat und Bolpur auf, um meiner Frage nachzuspüren, um die Inderinnen persönlich in ihrer Umgebung zu treffen und mit ihnen Gespräche zu führen.

Was stand an Material zu Verfügung und wie war der Forschungsstand zu diesem Thema?

Zum Zeitpunkt des Beginns der Forschung und darüber hinaus existierte und existiert zu meiner Zielgruppe „Inderinnen als Helferinnen“ keine Sekundärliteratur. Es entsprach meinem Interesse, die Quellen nach unten angeführten Methoden zu erstellen. Das Ergebnis ist unter dem Begriff Materialsammlung zusammengefasst.

Zusätzlich befragte ich entsprechende Kontaktpersonen zu den Helferinnen, konnte auch den ein oder anderen Korrespondenz-Nachlass nach verwendbarem Briefmaterial, Fotografien und Newslettern durchsehen und verbrachte mehrere Wochen im Pariser Generalat Barouillère, in dem sich auch das Archiv der Kongregation befindet.

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Als für mich wertvolle Quellen stellten sich zwei unscheinbare, dicht beschriebene Kalenderbücher heraus, die in der Anfangszeit in Indien von Mai 1995 bis Mai 1997 abwechselnd von den Schwestern als Tagebücher geführt worden waren. Kurz vor meiner Abreise aus Indien hatte mich Sr Marika gefragt, ob ich daran Interesse hätte: Mein Interesse an den handschriftlichen Büchern als zusätzliche Primärquelle war natürlich groß.

In den Tagebucheintragungen fand ich auch den Hinweis auf den Briefwechsel von 1928, eine angedachte Gründung in Kolkata betreffend. Diesen Briefen war ich mehr als zwei Jahre lang auf der Spur und wurde letztlich fündig.

2.2. Forschungsdesign - Planungsprozesse – Umsetzung

2.2.1. Qualitative Forschung

Empirische Sozialforschung baut auf Erfahrung und methodisch-systematischer Sammlung von Daten auf, aus denen sie ihre Erkenntnis gewinnt. Die empirische Religionswissenschaft bedient sich dieser Methoden.

Meine Fragestellung verlangte einen qualitativen Forschungsansatz, denn es ist Wesen der qualitativen Forschung, das untersuchte Phänomen und Geschehen von innen heraus zu begreifen. Einerseits sollen die Sichtweisen des untersuchten Subjektes, andererseits der Ablauf sozialer Situationen und kultureller Gegebenheiten verstanden werden. Dieses Verstehen ist das Erkenntnisprinzip.321 Meine Thematik benötigte gerade diese Nähe und gleichzeitige Offenheit der Zugangsweise, die der qualitativen Forschung eigen ist.322 Qualitative Forschung hat entdeckenden Charakter und verläuft nicht linear. Die einzelnen Schritte des Vorgehens werden nicht nacheinander und auch nicht unabhängig voneinander durchgeführt, sondern verlaufen zirkulär und greifen ineinander.323 Dieses Vorgehen entsprach dem Wesen meiner Arbeit und meinen Forschungsmöglichkeiten.

Qualitative Forschung arbeitet in erster Linie mit Texten, welche erst erstellt werden müssen. Hat man die erhobenen Daten verschriftlicht, ist man in Besitz von unstrukturiertem Material, das es zu ordnen gilt.

321 Vgl. Flick, Einführung, 95.

322 Vgl. Flick, Handbuch, 17.

323 Vgl. Flick, Einführung, 122f.

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Vor Erhebung der Daten stellt sich die Frage nach dem Basisdesign. Durch die Formulierung meiner Fragestellung war die Fallanalyse angebracht, die sich auf den zu untersuchenden Fall, eine Einzelperson, eine Gemeinschaft oder eine Institution konzentriert und unterschiedliche Blickwinkel zulässt. Die Fallstudie kann das Geschehen detailliert erfassen. In meiner Forschung stellen die indischen Schwestern der Kongregation den Fall dar. Die Studie strebt eine genaue Beschreibung oder Rekonstruktion der Einzelnen der Gruppe an.324

2.2.2. Auswahl der Methoden und Herstellung der Daten

Um zu auswertbaren Daten zu gelangen, wurden von mir diverse Richtungen durchdacht.

Nach Umwegen, Sackgassen und Gegenüberstellung unterschiedlicher Vorgehensweisen in der Prozessgestaltung kristallisierten sich zwei Arten qualitativer Interviews als zielführend heraus, denen das Erzählen als Zugang gemeinsam ist. Es handelte sich einerseits um episodische Interviews, für die ich einen Leitfaden formuliert hatte.325 Andererseits führte ich narrative, auch als Oral History bezeichnete Interviews, bei denen die Mitteilungen im Erinnerungsgespräch erfolgen.326 Für das dafür erstellte Gerüst an vorbereiteten Fragen, das dem Erinnern auf die Sprünge verhelfen sollte, war ein in Paris geführtes Vorinterview von Bedeutung.327

Als Erstes galt es, geeignete Samplings durchzuführen.

2.2.2.1. Sampling

Für zwei Arten von Interviews waren zwei Arten von Auswahlstrategien erforderlich, um zu Interviewpartnern und –partnerinnen zu gelangen, die genügend auswertbares Datenmaterial zur Beantwortung meiner Forschungsfrage liefern können.

Die Oral History, die dem 3. Teil, Weg nach Indien, diente, benötigte Personen, die möglichst hautnah mit der Entstehungsgeschichte der Kongregation in Indien in Berührung standen und im besten Fall direkt involviert waren. Das schrittweise (theoretische) Sampling war dafür die zielführende Strategie. Die Anzahl der Interviewten stand offen. Nach dem Vorinterview fielen die Entscheidungen, mit wem

324 Vgl. ebd., 177.

325 Vgl. Kapitel 7.1. Fragen der Leitfaden-Interwiews.

326 Vgl. Vorländer, Oral History. 16.

327 Vgl. Stöckle, Praktischer Umgang, 131-158, 138.

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das nächste Gespräch stattfinden sollte, während der einzelnen narrativen Interviews. Es ging nach dem Schneeballprinzip vor sich. Der Hinweis, wer noch Informatives berichten könnte, kam gefragt oder ungefragt vom jeweiligen Gegenüber. Diese Interviews waren vom Ort her nicht gebunden. Sie fanden in Paris, Wien, Graz, Salzburg, aber auch in Barasat, Barackpore und Kolkata statt. Das Sampling endete mit Erreichen der theoretischen Sättigung, mit dem Zeitpunkt, an dem keine wesentlichen neuen Inhalte mehr zu erwarten waren.328

Der 3. Teil, Weg nach Indien, bildet die inhaltliche Voraussetzung für alles Weitere.

Um zum Kern der Arbeit, zu den episodischen Interviews zu gelangen, war gezieltes (purposive) Sampling erforderlich. Der Anspruch an die Frauen, aus Indien zu stammen und ewige Gelübde abgelegt zu haben, musste erfüllt sein. Die Gesprächspartnerinnen sollten eventuelle Zeiten des Zweifelns, des Überlegens und der inneren Prüfung hinter sich haben und sich voll und ganz der Kongregation zugehörig fühlen. Durch diese beiden von mir bestimmten Voraussetzungen, Inderin und ewige Gelübde, grenzte sich die Zahl klar ein. Zur Zeit des Mailverkehrs, der Namen, Aufenthaltsorte und Zeitrahmen klären sollte, wurden mir sechs junge Frauen genannt. Zur Zeit meiner Ankunft in Indien hatte sich die Zahl um zwei Schwestern erhöht. Demnach führte ich acht episodische Interviews mit Leitfaden.

2.2.2.2. Planung – Feld – Durchführung – Transkription

Noch mehr als Kontrolle erfordert qualitative Forschung genaue Planung.329 Da ich nicht vor hatte, die Forschungsreise nach Indien zu wiederholen, wollte ich das Maximum an Informationen aus meinem Aufenthalt gewinnen.

Schon ein Jahr vor der Reise ließ ich mir als Grundvoraussetzung von der aktuellen Generaloberin Sr Gudrun schriftlich bestätigen, dass es in Ordnung sei, zwecks Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit anzureisen und die Schwestern persönlich zu befragen.

Mein Feld waren alle Plätze, an denen sich die indischen Helferinnen befanden. Meine Rolle war die der teilnehmend Beobachtenden. Ich wollte etwas von den Helferinnen, nicht sie etwas von mir, so war ich bestrebt, kein Störfaktor330 zu sein. Das Problem von

328 Vgl. Egger, Ratgeber, 52.

329 Vgl. Flick, Einführung, 192.

330 Wolff, Wege ins Feld, 334-349.

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Nähe und gleichzeitig nötiger Distanz331 versuchte ich mir stets vor Augen zu halten. So nahm ich oft am Tagesablauf teil, an den Frühmessen, Essenszeiten, Einladungen zu anderen Orden, am gemeinsamen Singen und dergleichen, aber bewusst nicht an allem und nicht regelmäßig, damit ich aus der Gemeinschaft heraus immer wieder in die Außenperspektive schlüpfen konnte. Es war auch nicht zu übersehen, dass ich keine gewöhnliche Besucherin war, sondern bis tief in die Nacht am Laptop saß und schrieb, -immer hoffend, der Strom möge nicht zu lange ausfallen, - die Interviews transkribierte, das Tagebuch mit Notizen füllte und Fotos beschriftete. Ich war eben nicht als Gast, sondern zu Forschungszwecken angereist.

Bei den episodischen Leitfaden-Interviews lag das Diktaphon, ein kleines, handliches Gerät, unauffällig zwischen den Sprechenden oder wurde von mir in der Hand gehalten.

Wir saßen uns nie frontal, sondern leicht schräg gegenüber. Es ergaben sich Gespräche von unterschiedlichster Länge. Keine von uns sprach in ihrer Muttersprache, Bengali, Oriya, Kisan, Sadani, Santali oder Deutsch. Die Verständigungssprache war Englisch.

Beim Transkribieren wurden die Interviews unter dem frischen Eindruck des Gesprächs von mir unmittelbar ins Deutsche übertragen.

Die narrativen, Oral History-Interviews fanden in deutscher Sprache statt, mussten beim Transkribieren also nicht übersetzt werden. Eine Ausnahme bildeten die auf Englisch geführten Gespräche mit Fr Romus, die auf seinen Wunsch hin zum Großteil während des Gehens durch das Areal des Morning Star Colleges aufgenommen worden waren.332

2.2.2.3. Auswertung – Analyse

Nach der Verschriftlichung der Oral History Interviews wurde mit Hilfe optischer Signale ein Bedeutungsrelief erstellt.333 In meiner Auswertung verwendete ich als optische Signale Farben. Das Bedeutungsrelief sollte zwei Strängen dienen: dem äußeren Strang, der sich aus den äußeren Gegebenheiten ergab, die Voraussetzung dafür waren, dass sich der innere Strang, das Fußfassen des Helferinnen Charismas, entwickeln konnte.

Das strukturgebende Element war die Zeit.

Die Daten der episodischen Interviews wurden durch theoretisches Codieren aufgeschlüsselt und aufgebrochen. Nach dem offenen Codieren mit der Bildung von über

331 Vgl. Flick, Einführung, 144.

332 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 28.

333 Vgl. Stöckle, Praktischer Umgang, 131-158.

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hundert Codes, versehen mit erläuternden Codenotizen und Memos, wurde axial codiert, um die Kategorien zu bilden und die Kernkategorie zu finden. Beim abschließenden selektiven Vorgehen wurde ausgewählt und einiges verworfen.334

Die gefundenen Kategorien bestimmten die Gliederung des 4. Teiles, Indische Frauen als Helferinnen, sowie des 5. Teiles, Europäische Kongregation im indischen Kontext.

Der Vorgang des Codierens ging ausschließlich händisch und nicht mit Computerprogramm vor sich.

2.2.2.4. Triangulation

Zur Daten-Triangulation wurden Dokumente verwendet, die von verschiedenen Personen mit unterschiedlicher Zielsetzung verfasst worden waren.335

Die zwei Tagebücher von Mai 1995 bis Mai 1997 waren von den Schwestern zum internen Gebrauch geschrieben worden, um zu dokumentieren, was wann geschehen war, was mit wem vereinbart wurde und welche Entscheidungen und Begegnungen stattgefunden hatten. Die Tagebücher dienten auch als Erinnerungshilfe, wenn es galt, dem Orden Bericht zu erstatten.

Rundbriefe wurden erstellt, um ordensintern zu kommunizieren und zu informieren.

Diverse Berichte und Artikel in Newslettern waren für einen größeren Kreis bestimmt.

Schwestern der Kongregation, deren Angehörige und freundschaftlich Verbundene und Förderer sollten einen Einblick in das Helferinnen-Leben in Indien erhalten. Studyhouse-Mädchen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in einem größeren Rahmen, als der unmittelbaren Umgebung, zu artikulieren.

Das persönlichste Dokument, das Fax vom 03.01.1995, verfolgte eine ganz klare Absicht:

Es sollte Gehorsam signalisieren, gleichzeitig die Gedanken der Tamilin transportieren und sowohl Oberin als auch Provinzoberin aufrütteln und zu schnellem Handeln animieren.

Die Einbeziehung dieser unterschiedlichen Datenquellen336, in diesem Fall die Verwendung mehr oder weniger persönlicher Dokumente, verfolgte den Zweck, die Entwicklung und Situation vor Ort anschaulich vor Augen zu führen.

334 Vgl. Flick, Einführung, 387f.

335 Vgl. ebd., 324.

336 Vgl. ebd., 519.

81 2.3. Orientierungs-Legende zu den Kapiteln

Das Ziel der Datenverwertung war es, eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit in erzählender Form zu erstellen.

Die Legende zur Orientierung und besseren Lesbarkeit gestaltet sich im 3., 4. und 5. Teil wie folgt:

 Die Kerninterviews der acht indischen Schwestern werden folgendermaßen zitiert:

I1 bis I8 (Interview 1 bis Interview 8)

Vorname der Schwester ohne vorangestelltes Sr Z für Zeile bzw. Zeilen des Interviews

S für Seite in der Materialsammlung der Primärquellen, die im Institut für Religionswissenschaft aufliegt

 Im Text werden die Schwestern konsequent mit Vornamen und vorangestelltem Sr angeführt, auch wenn sich der Inhalt auf eine Zeit vor den Gelübden bezieht.

 Bei den zitierten Interviews, bei denen das Wort Interview ausgeschrieben ist, handelt es sich um eingeholte Zusatzinformationen zwecks Triangulation und um als Oral History geführte Gespräche. Der Name der Partnerinnen und Partner ist mit vorangestelltem Sr für Schwester, bzw. Sister, Fr für Father und P für Pater versehen; Z für Zeilen und S für Seiten beziehen sich wieder auf die im Institut für Religionswissenschaft aufliegende Materialsammlung der Primärquellen.

 Bei jeder Art von Interview ist der Name der Sprechenden / des Sprechenden angegeben. Aus Gründen besserer Zuordnung wird „ebd.“ nicht verwendet.

 Zusatzinformationen aus meinem Forschungstagebuch sind mit TGB HF, Datum des Eintrages und Seitenangabe versehen. Das Tagebuch befindet sich ebenso in der im Institut für Religionswissenschaft aufliegende Materialsammlung der Primärquellen.

 Zusatzinformationen aus den zwei Originaltagebüchern der Helferinnen sind mit TGB1 und TGB2, Datum des Eintrags und Seitenangabe in der Materialsammlung angegeben. „Ebd.“ wird nicht verwendet.

 Direkte Zitate werden wie im ersten Teil mit Anführungszeichen „…“

ausgewiesen.

 Zum Verständnis und zur Abrundung des Textes als wesentlich erachtete Zusatzinformationen, etwa über die mit den Schwestern in Berührung stehende

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Ordenslandschaft, das religiöse und alltägliche Umfeld oder Erklärungen zu verwendeten Bezeichnungen und Begriffen, werden als Fußnoten angeführt. Die Herkunft der Informationen ist im Anschluss an den jeweiligen Fußnotentext ausgewiesen.

 Namen von Orden, Kongregationen, Zeitschriften, Institutionen, Namen von Gottheiten, kulturspezifischen Begriffen und dergleichen werden kursiv gesetzt.

 Von der aktuellen Schreibweise abweichende Worte in direkten Zitaten werden

 Von der aktuellen Schreibweise abweichende Worte in direkten Zitaten werden