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Bolpur – Chance für Stammesmädchen

3. Teil: Weg nach Indien

3.5. Lichtblicke

3.5.2. Bolpur – Chance für Stammesmädchen

Bolpur ist eine Kleinstadt im Nordwesten von Kolkata, die zur Diözese Asansol gehört.

Die Stadt ist durch Santiniketan mit Schulen und Universität444 von den Bildungsideen Rabindranath Tagores geprägt.445

dankbares Herz/sodass ich euch im Herzen nahe bleibe“, vgl. Mary Rose: Wie Eltern, in Studyhouse Newsletter 2015/2016 Barasat und Bolpur, S5.

441 Die Helferinnen geben ihren Wohnstätten klingende Namen mit tieferem Sinn, was schon Seva Dan, das „Haus, in dem man Hilfe anbietet“ zeigt. Progoti wiederum bedeutet Voranschreiten.

442 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 34.

443Oikatan steht für Harmonie der Stimmen. Das Gebäude wurde am 19.Jänner 2011 eingeweiht, vgl.

https://www.helferinnen.info/htm/barasat.htm [abgerufen am 24.01.2016].

444 Vgl. Kapitel 7.4. Bildmaterial, Abb. 43.

445 Vgl. FN Santiniketan und Rabindranath Tagore in Kapitel 4.5.1. Weitergabe der Liebe: „Ich fühle, dass ich unser Charisma lebe.“

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Im Jahr 2010 starteten die Helferinnen dort ein Studyhouse-Projekt für die benachteiligten Stammesmädchen der Santals446. Trotz Einräumung von Minderheitenrechten sind sie in der Realität vernachlässigt.447 Bildung ist der Schlüssel, um der Armut zu entkommen.448 In der allerersten Zeit lebten Sr Luisa und Sr Lucy mit nur drei Mädchen in einer kleinen Mietwohnung im Sinne eines Studyhouses zusammen. Bald konnten sie, jedoch nur vorübergehend, das sogenannte Haus Parasmani449 der Jesuiten beziehen.450 Gleich den Anfängen in Barasat hatten die Helferinnen die Dörfer besucht und ihr Studyhouse Angebot in den Pfarren bekannt gemacht,451 worauf mehrere Mädchen reagierten. 452

446 Vgl. FN Santals in Kapitel 4.2.1. Herkunft: „Ich bin Bengalin!“

447 In vielen Santal-Dörfern ist die Armut erdrückend. Viele Erwachsene sind Alkoholiker und brauen ihr Getränk aus Palmsaft. Die Häuser sind desolat, die Kinder unterernährt. Die Santals haben zwar Felder, aber kein Geld für Saatgut und Geräte. So verpachten sie ihren Grund an Bengalen, die reicher sind. Da dieses Pachtgeld auch nicht reicht, arbeiten viele als Taglöhner. Dabei verdienen sie aber sehr wenig und werden ausgenutzt. Grundschulen gibt es in der Gegend so gut wie keine, vgl. TGB2, 27.12.1996, S279f.

448 Das Päpstliche Missionswerk missio unterstützte immer wieder das dortige Studyhouse-Projekt, vgl.

missio: „Neues Heim für Santal-Mädchen“, PM432, Missio-Päpstliche Missionswerke, Seilerstätte 12/1, 1010 Wien, Mai 2016.

449 Passend zur Wirkungsstätte Tagores in Santiniketan in Bolpur, wählten die Jesuiten mit dem Namen Parasmani ein Wort aus einem Lied Tagores. Aguner Parasmani (auch Aguner Poroshmoni) bittet um Läuterung durch die reinigende Berührung des Feuers, durch einen Hauch eines feurigen, magischen Steines, vgl. https://www.thehindu.com>article8572707: The two Gurudevs [abgerufen am 06.10.2020].

450 Ein Studyhouse-Mädchen in Bolpur erlebte Parasmani so: „Parasmani Studyhouse ist ein Tempel des Wissens und die Mutter der Weisheit durch Erfahrung. Hier kann ich die Höhen meines Studentenlebens erreichen. Nach dem Eintritt in diesen Tempel habe ich Fähigkeiten fürs Leben gewonnen, die ich mir niemals angeeignet hätte, wäre ich zu Hause geblieben“, Bhagyashree in: Studyhouse Newsletter 2012/2013 Barasat und Bolpur, S6.

451 Vgl. Bericht von Sr Regina, in: Studyhouse Newsletter 2012/2013 Barasat und Bolpur, S2.

452 Ein Santal-Mädchen bezeichnete Parasmani als sein Zuhause: „Obwohl es ein Studyhouse ist und die Schülerinnen mit verschiedenem Hintergrund aus verschiedenen Dörfern gekommen sind, haben ich und meine Freundinnen viel Freiraum und wir leben zusammen wie Schwestern einer Familie, die Parasmani heißt. Am Anfang, als ich dieses Haus betrat, hatte ich Angst: Würde ich mich hier zuhause fühlen können?

Aber diese Furcht hat einer Freiheit Platz gemacht und stolz kann ich sagen: Dieses Haus ist mein Zuhause.

Es hat mir Identität gegeben, mein niedriges Selbstwertgefühl hat sich in ein gutes Bild von mir selbst gewandelt. Nun kann ich vor den Leuten stehen und ihnen ins Gesicht schauen. Da gibt es kein Lampenfieber, denn wir haben viele Gelegenheiten unsere Talente zu zeigen. Hier habe ich gelernt, zu kochen und köstliche Gerichte zuzubereiten. Und gleichzeitig habe ich gelernt, Verantwortung auf mich zu

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Nach dem Auszug aus der Wohnmöglichkeit bei den Jesuiten, wurde, wieder als Übergangslösung, ein Einfamilienhaus gemietet. Der Grundstückkauf für einen Neubau gestaltete sich wegen unklarer Besitzverhältnisse extrem schwierig, konnte aber 2017 abgeschlossen werden. Mit dem Bau des neuen Eigenheimes wurde Monate später begonnen, 2019 waren die Arbeiten jedoch im vollen Gang. Wenn alles planmäßig verläuft, steht der Bezug des Hauses im Laufe des Jahres 2020 in Aussicht. Dann wird es möglich sein, eine größere Anzahl von Mädchen aufzunehmen. Der Bedarf an Studyhouse-Plätzen ist groß.453

Alle im Jahr 2016 aktuellen Domizile der Helferinnen – Seva Dan, Progoti, Oikatan und das Miethaus in Bolpur – wurden aufgesucht, um mit den indischen Helferinnen persönlich sprechen zu können.

nehmen, an meine Gesellschaft und an mein Volk zu denken. Das ist das Ergebnis der GCL Stunden, an denen ich jeden Samstag teilnehme“, Kakli, in: Studyhouse Newsletter 2012/2013 Barasat und Bolpur, S8.

453 Vgl. Sushmita, in Studyhouse Newsletter 2019 Barasat und Bolpur, S1.

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4.Teil: Indische Frauen als Helferinnen

Acht junge Frauen, in ihrer Heimat Indien geboren und aufgewachsen, wählen es, in eine 1856 in Frankreich gegründete Kongregation via Provinz Mitteleuropa454 einzutreten und sich durch ewige Gelübde für immer zu binden. Welchem Impetus folgten sie?

Die folgenden Texte, basierend auf den Aussagen der Schwestern, zeichnen den Weg nach, der sich zum Ordenseintritt hin verdichtet.

Nach Schilderung der Rahmenbedingungen der Interviews (Kapitel 4.1.), wird das breite Spektrum der Hintergrunderfahrungen und Prägungen beleuchtet (Kapitel 4.2.). Hier finden örtliche Herkunft (Kapitel 4.2.1.), religiöse Bekenntnisse der Familien (Kapitel 4.2.2.), richtungsweisende Schlüsselfiguren (4.2.3.) und positive Erfahrungen mit dem Christentum (Kapitel 4.2.4.) ihren Raum. Das Erlebte macht Entscheidungen notwendig (Kapitel 4.3.). Der aufkeimende Ordenswunsch (4.3.1.) kanalisiert sich und mündet in den Ordenseintritt, was unterschiedliche familiäre Reaktionen hervorruft (Kapitel 4.3.2.).

Warum es gerade eine Kongregation für Seelen im Fegefeuer sein soll, wird unterschiedlich beantwortet (Kapitel 4.4.). Das Anziehende waren nicht diese Seelen, denn deren Bedeutung für die Kongregation war größtenteils unbekannt (Kapitel 4.4.1.).

Das durch den Namen Helferinnen skizzierte Charisma und die Freiheit, dasselbe zu leben, gaben den Ausschlag (Kapitel 4.4.2.).

Die Bedeutung der empfangenen Liebe als Kraftquelle entpuppte sich als Kernkategorie (4.5.). Das Leben des Charismas mit praktischer Umsetzung ist Lebensmittelpunkt der Schwestern und deshalb nicht als Fußnote notiert, sondern in den zentralen Text gesetzt (Kapitel 4.5.1.).

In den Unterkapiteln von 4.2., 4.3., 4.4. und 4.5. werden Aussagen der indischen Interviewpartnerinnen als Überschriften verwendet. Diese Invivo Codes455 unterstreichen die geführten Gespräche als Quelle des Geschriebenen und lassen tiefer in die Lebenswelt der Frauen blicken.

454 Zur Provinz Mitteleuropa gehören Österreich, Deutschland, Ungarn und seit 1994 Rumänien, vgl.

Interview Sr Hemma, Z291-294, S117.

455 Vgl. Flick, Einführung, 391.

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4.1. Rahmenbedingungen und persönlicher Kontakt zu den Schwestern