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Wer hatte Kenntnis vom Dienst an den Armen Seelen?: „Nein, nein, ich wusste

3. Teil: Weg nach Indien

4.4. Eine Kongregation für Seelen im Fegfeuer?

4.4.1. Wer hatte Kenntnis vom Dienst an den Armen Seelen?: „Nein, nein, ich wusste

Welche der Inderinnen hatte vor ihrer Kandidaturs- und Noviziatszeit von den Armen Seelen erfahren und wie war ihre bisherige Beziehung zu nahestehenden Verstorbenen?

Sr Nimanti war die Intention der Ordensgründerin nicht bekannt: „Vorher wusste ich das nicht. Aber als ich eintrat hörte ich, dass unsere Mary of Providence die Kongregation für die am meisten Vergessenen gegründet hatte.“629 Um als Helferin für die Vergessenen

623 Vgl. Fegefeuer, in: https://www.kathpedia.com/index.php?title=Fegefeuer [abgerufen am 07.09.2018].

624 „Ihr Glaube läßt [sic!] sie die Beziehungen entdecken, die die Lebenden und die Verstorbenen miteinander verbinden, und enthüllt ihr den Reichtum der Gemeinschaft der Heiligen. Sie möchte allen Menschen helfen, in erster Linie jenen, die man vergißt [sic!] und die leiden, bis hin zu ihrer endgültigen Begegnung mit Gott“, Konstitutionen, Artikel 3, 7. „Die Solidarität, die die Lebenden und die Verstorbenen miteinander verbindet, kann nicht von jener Solidarität getrennt werden, die auf der Erde alle Menschen miteinander verbindet. […]“, ebd., Artikel 22, 16.

625 „[…]. Unsere Hingabe wird im Glauben an die geheimnisvolle Solidarität zwischen Lebenden und Verstorbenen gelebt und in der Hoffnung, daß [sic!] Gott alles in allem sein wird“, ebd., Artikel 12, 13.

626Vgl. Romus, Birth of Charism, 36.

627 Vgl. Konstitutionen, Artikel 12, 13.

628 I6, Gouri, Z114, S67.

629 I5, Nimanti, Z142-144, S58.

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verfügbar zu bleiben, empfindet sie die Anregung der Gründerin als hilfreich, keine Institution zu leiten: „Wenn wir eine Institution haben, eine Schule, sind wir auf diese Schule fixiert. So aber können wir die Armen und Vergessenen erreichen.“630 Schon zu Hause in der Familie wurde abends regelmäßig vor einer Kerze für Verstorbene und für Menschen, die leiden, gebetet und zusätzlich um eigenen Schutz in jeder Gefahr.631 Das Noviziat632 ist die Zeit, umfassende geistliche Übungen zu absolvieren und Gründungstexte und Konstitutionen zu verinnerlichen.633 Davor waren die Seelen im Fegefeuer auch für Sr Babita kein Thema: „Ich hatte keine Ahnung davon im Noviziat, Lucy und ich, wir lasen dann Texte von Maria von der Vorsehung. Es ist ein sehr interessanter und einzigartiger Gedanke zu helfen, zu Gott zu gelangen. Zu beten für die Armen Seelen634 im Fegefeuer. Das ist ein großartiger Gedanke. Das ist das Andere, verglichen mit anderen Kongregationen.“635 Für verstorbene Angehörige beteten zu Hause die Kinder, die Eltern ließen Messen lesen.636 Was das Totengedenken betrifft, sieht Sr Babita einen klaren Unterschied zwischen Nord- und Südindien: Die jährlichen offiziellen Erinnerungstage sind im Norden der erste und zweite November, im Süden jedoch, beispielsweise in Kerala, ist alles viel intensiver, da ist der ganze Monat November den Seelen der Verstorbenen gewidmet.637

Sr Marsa erzählte vom Reinigen der Gräber im November: „Christen und Nichtchristen haben Gräber zusammen und jeden November wird alles gereinigt.“638 Am zweiten

630 I5, Nimanti, Z146-148, S58.

631 Vgl. I5, Nimanti, Z168-171, S58f.

632 Das zweijährige Noviziat ist die Zeit, in der die Novizin sich persönlich formt und in das Institut hineinwächst, vgl. Konstitutionen, Artikel 106, 50.

633 Als Hilfen zur Selbsterkenntnis und zur geistlichen Unterscheidung werden unter anderem Gebetszeiten,

„Große Exerzitien“ des Heiligen Ignatius, Erfahrungen des Lebens gemäß den Gelübden und Studium der Gründungstexte und Konstitutionen vorgeschlagen, vgl. ebd., Artikel 108, 50f.

634 In den Direktzitaten werden „Holy Souls“ als „Arme Seelen“ und „Souls“ als „Seelen“ übersetzt, Anm.

HF.

635 I1, Babita, Z101-105, S6.

636 Vgl. I1, Babita, Z113-116, S7.

637 Vgl. Interview P Sebastian, Z276-278, S167.

638 I8, Marsa, Z149f, S92f.

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November kommen auch Kerzen auf die Gräber, selten Blumen.639 Ebenso sind Messen für verstorbene Angehörige üblich. Für das Beten in ihrer eigenen Familie ist in erster Linie der Vater zuständig.640 Auf die Frage eines vorher bekannten Zusammenhangs zwischen Helferinnen und Fegefeuer äußerte sie sich so: „Ich wusste vorher von den Armen Seelen, aber dass die Kongregation damit zu tun hat, wusste ich nicht. Dass wir für das speziell beten, wusste ich vorher nicht.“641

Sr Sangeeta, die über eine Zeitung von den Helferinnen erfuhr, hatte von der Verbindung zu Seelen im Fegefeuer keine Ahnung. Sie war nur am Helfen interessiert.642 „Im Noviziat lernte ich dann, was es ist damit, ich lernte die Geschichte, die Spiritualität. Ich erfuhr von Maria von der Vorsehung. Ich lernte die Schwestern kennen, die dort arbeiteten. Ich lernte, was das Leben einer Helferin ist. Unser Charisma zu helfen, auch zu beten, wenn jemand stirbt, ist jetzt tiefer drinnen in mir.“643

Speziell für gestorbene Angehörige wurden von Sr Sangeetas Onkel, einem Priester, Messen gelesen.644 Allgemein sprach man für Verstorbene in der Familie traditionelle Gebete.645

Sr Sushmita war der Zusammenhang zwischen Helferinnen und Fegefeuer nicht fremd:

„Als ich eintrat, wusste ich, dass diese Kongregation für die Seelen im Fegefeuer bestimmt ist. Aber, ich hatte keine Ahnung von einem Fegefeuer bis ich 16 war.

Tatsächlich wusste ich nicht viel über das Christentum. […]. Ich erfuhr, dass es eine Kongregation ist, die den Seelen im Fegefeuer hilft, denen, die gestorben oder noch lebend waren. So interessierte ich mich sehr dafür.“646

Sr Luisa antwortete auf die Frage über eine Vorinformation bezüglich der Seelen im Fegefeuer diplomatisch: „Als ich sagte, ich möchte eintreten, war es die Zeit, darüber zu

639 Im Tagebucheintrag der Helferinnen liest man am 2. November, dass sich die Familien um die Gräber der Angehörigen versammeln, die Gräber mit Blumenketten und Ornamenten von Blütenblättern bedeckt sind und ein Priester segnend durch die Grabreihen geht, vgl. TGB1, 02.11.1995, S238.

640 Vgl. I8, Marsa, Z152-159, S93.

641 I8, Marsa, Z130-132, S92.

642 Vgl. I2, Sangeeta, Z133f, S33.

643 I2, Sangeeta, Z139-143, S33.

644 Vgl. I2, Sangeeta, Z129f, S35.

645 Vgl. I2, Sangeeta, Z122f, S33.

646 I4, Sushmita, Z58-60 und Z62-64, S47.

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lernen.“647 Sie merkte auch nachdenklich und bedauernd an, dass die Kirche der Gegenwart ein Fegefeuer negiere.648 Sie verstehe es so: „Denn die Kirche sagt nun, es gibt keinen Ort wie das Fegefeuer. Früher glaubte die Kirche, dass es ein Fegefeuer nach dem Tod gibt, um dich selbst zu reinigen und dann gehst du in den Himmel und jetzt ist es nicht so. Man denkt, dass es nicht existiert. Für Mary of Providence, so wie ich es lernte und ich es verstand, ist es nicht nur nach dem Tod. Jeden Tag, wenn wir leben, gehen wir durch eine gewisse Reinigung.“649

Auf die Verbindung zu Verstorbenen in der Familie angesprochen erzählte sie, dass Messen gelesen wurden: „Ja, besonders, wenn die Person gestorben war, dann zur Erinnerung und zum Beten.“650

„Nein, nein, ich wusste das alles nicht“651, war Sr Gouris Reaktion auf die Frage nach der Kenntnis der Gründungseingebung Eugénie Smets. Sr Gouri fühlte sich vom Charisma der Helferinnen angezogen, ohne es, wie sie selbst anmerkt, zu verstehen. Allen Menschen zu helfen das Ziel ihrer Bestimmung zu erreichen, erschien ihr fassbar, nicht jedoch der Sinn des Fegefeuers652: „Sie gehen durch diesen zeitlichen Durchgang, das habe ich irgendwo ein bisschen verstanden. Menschen zu helfen. In verschiedenen Phasen habe ich es verstanden, aber nicht in der Weise.“653

647 I7, Luisa, Z153, S78.

648 Als Vertreter der Kirche der Gegenwart sei hier Papst Benedikt XVI. und die neu gefasste Fegefeuerlehre zitiert: „Einige neuere Theologen sind der Meinung, daß [sic!] das verbrennende und zugleich rettende Feuer Christus ist, der Richter und Retter. Das Begegnen mit ihm ist der entscheidende Akt des Gerichts.

Vor seinem Anblick schmilzt alle Unwahrheit. Die Begegnung mit ihm ist es, die uns umbrennt und freibrennt zum Eigentlichen unserer selbst. Unsere Lebensbauten können sich dabei als leeres Stroh, als bloße Großtuerei erweisen und zusammenfallen. Aber in dem Schmerz dieser Begegnung, in der uns das Unreine und Kranke unseres Daseins offenbar wird, ist Rettung. Sein Blick, die Berührung seines Herzens heilt uns in einer gewiß [sic!] schmerzlichen Verwandlung, ,wie durch Feuer hindurch‘. […] Es ist klar, daß [sic!] wir die, ,Dauer‘ dieses Umbrennens nicht mit Zeitmaßen unserer Weltzeit messen können. Der verwandelnde ,Augenblick‘ dieser Begegnung entzieht sich irdischen Zeitmaßen“, Benedikt XVI., Spe Salvi, 86f.

649 I7, Luisa, Z172-177, S78.

650 I7, Luisa, Z164f, S78.

651 I6, Gouri, Z114, S67.

652 Vgl. I6, Gouri, Z115-117, S67.

653 I6, Gouri, Z119-121, S67.

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Aus dem Elternhaus hat Sr Gouri das Bewusstsein übernommen, mit Verstorbenen sehr eng in Kontakt zu stehen. Zu Hause befand sich das Grab des Großvaters auch direkt neben dem Fenster ihres Zimmers. Gebete und Messopfer für tote Familienangehörige waren eine Selbstverständlichkeit.654

Auch aus Sr Lucys Mund war zu hören: „Ich wusste nicht, dass das eine Kongregation war, die für die Armen Seelen im Fegefeuer betet.“655. Die Beschäftigung während des Noviziats mit der Ordensgründerin und deren Wunsch, leidenden Seelen zu helfen, führte sie gedanklich in die Zeit ihrer Spitalsaufenthalte zurück. Die Verbindung zu Verstorbenen begann sie dort zu erfühlen656: „Und das begriff ich auch in diesem Spital.

Dorthin kamen viele arme Menschen. Wenn jemand starb, kam niemand, niemand von der Familie. Ich erinnere mich an ein kleines Mädchen. Ich sah, dass sie den kleinen Körper in einen eigenen Raum brachten. Da war ein großer Friedhof, ein Friedhof vom Spital. Wenn jemand starb, nahm ich eine Blume, ging hinter der Schwester. Vier Männer trugen den toten Körper. Ich ging betend mit ihnen. Es ist vielleicht Routine. Immer, wenn jemand starb, war ich ihm sehr verbunden. Diese Menschen hatten niemanden, der Blumen gibt und so weiter. Als ich später zu den Helferinnen kam, war es da auch, diese Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten. Ich begriff es. Die Verbindung war sehr eng, seit damals im Krankenhaus, als niemand zu den Verstorbenen kam. Ich war dort.“657 Auch in späteren Jahren war Sr Lucy zur Stelle, wenn jemand starb: „Niemand sagte mir, ich solle gehen, aber es war in mir. Ich war mit ihnen sehr verbunden.“658