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Regionale Disparitäten beim Übergang in duale Ausbildung: eine Typologie des IAB

5. Regionale Ausbildungsmarkttypen

Im dritten Schritt gehen die sechs Determinanten der Übergangsrate in betriebliche Ausbil-dung, die mithilfe der Regression ausgewählt wurden, in eine Clusteranalyse ein (zum Ver-fahren vgl. Blien/Hirschenauer/Phan thi Hong 2010). Ziel dieses VerVer-fahrens ist es, die räumlichen Einheiten anhand ihrer Ausprägungen in den sechs Strukturvariablen in Grup-pen einzuteilen, die untereinander möglichst heterogen und in sich möglichst homogen sind.

Dazu wurden die sechs Größen zunächst z-standardisiert und mit ihren t-Werten gewichtet.6 Die Übergangsrate selbst spielt bei diesem Schritt keine Rolle mehr. Nach Sichtung der Kohä-renz der Variablenkombinationen und der Wertebereiche der Variablen in den einzelnen Clus-tern fiel die Entscheidung für eine Clusterlösung mit zwölf Gruppen. Diese erklären gemein-sam 79 Prozent der Varianz der sechs Klassifikationsvariablen. Einer dieser Cluster enthielt allerdings nur zwei Agenturbezirke und war somit praktisch nicht nutzbar. Daher wurde er mit dem nächsten benachbarten Cluster zusammengelegt, was zu einer endgültigen Klassi-fikation mit elf unterschiedlichen Ausbildungsmarkttypen führte. Wie effektiv diese Cluster-lösung in Bezug auf die Zielgröße der Klassifikation ist, kann durch eine Varianzanalyse der elf Ausbildungsmarkttypen auf die Übergangsrate in betriebliche Ausbildung geprüft wer-den. Diese ergibt eine hochsignifikante F-Statistik und eine erklärte Varianz (adjusted R2) von 52 Prozent. Inhaltlich heißt das, dass die elf Vergleichstypen nur etwa die Hälfte der regio-nalen Streuung in der Übergangsquote in betriebliche Ausbildung erklären. Über die einbe-zogenen Strukturmerkmale hinaus gibt es also etliche regionale Spezifika, die Unterschiede in der Übergangsquote bedingen. Dies sollte bei der Interpretation der Vergleichstypen, vor allem aber bei ihrer praktischen Anwendung beachtet werden.

6 Grund dafür ist, dass die t-Werte Aufschluss über das Gewicht geben, das den einzelnen Faktoren für die Erklärung der Übergangsrate zukommt (Bring 1994).

Die elf Typen lassen sich zu vier übergeordneten Gruppen zusammenfassen, die sich hinsicht-lich ihrer räumhinsicht-lichen Lage, ihrer Verdichtung, ihrer räumhinsicht-lichen Umgebung und ihrer öko-nomischen Situation unterscheiden.7 Die räumliche Verteilung dieser Typen auf die Arbeits-agenturen ist in Abbildung 2 dargestellt. Tabelle 3 enthält eine schematische Darstellung der Ausprägung der sechs Strukturgrößen, auf denen die Klassifikation beruht, in den elf Ausbil-dungsmarkttypen.

Im Typ I befinden sich alle Agenturbezirke in den neuen Bundesländern. Einerseits gibt es dort deutlich geringere Schulabgängerquoten als im Westen und damit sehr wenig Konkurrenz unter den Lehrstellenbewerbern. Andererseits sind diese Regionen durch eine höhere Arbeitslo-sigkeit als im Westen gekennzeichnet. Die Typen Ia und Ib sind zudem sehr ländlich geprägt. Sie unterscheiden sich voneinander durch die Größe des sekundären Sektors sowie durch die Abi-turientenquote. Typ Ic setzt sich im Hinblick auf die Einwohnerzahl und die Großbetriebsquote aus gemischten Bezirken zusammen: Hier finden sich die meisten großstädtischen Regionen im Osten mit vielen großen Ausbildungsbetrieben (z. B. Berlin, Dresden oder Leipzig), aber auch alle Bezirke in Mecklenburg-Vorpommern, die eine eher kleinbetriebliche Ausbildungsstruktur aufweisen. Gemeinsam ist diesen Bezirken ein kleiner sekundärer Sektor und wenige Großbe-triebe in angrenzenden Regionen, allerdings auch die höchste Arbeitslosenquote aller elf Typen.

Typ II umfasst dynamische Großstädte im Westen und die angrenzenden Regionen, die durch besonders enge Pendlerverflechtungen auf den regionalen Ausbildungsmärkten gekennzeichnet sind. In Typ IIa sind die Kernstädte selbst zusammengefasst, die sich durch ein günstiges Ausbildungsmarktumfeld mit vielen Großbetrieben, einen sehr kleinen sekun-dären Sektor sowie eine mittlere Arbeitslosenquote auszeichnen. Außerdem gibt es dort im Vergleich zu den anderen westdeutschen Regionen eher kleine Schulabgängerkohorten und überdurchschnittliche Abiturientenquoten. Typ IIb umfasst Regionen, die durch eine außer-ordentlich hohe großbetriebliche Umgebung geprägt sind, wodurch die Bewerber/-innen eher in den Nachbarregionen versorgt werden können. Diese typischen „Auspendlerregionen“

wurden insbesondere um Hamburg, Köln und Düsseldorf, Frankfurt am Main und München herum ausgemacht.

Im Typ III finden sich städtisch geprägte Bezirke im Westen mit einer überdurchschnitt-lichen großbetriebüberdurchschnitt-lichen Umgebung. Typ IIIa bietet davon abgesehen durchschnittliche Be-dingungen: ein mittleres Ausbildungsmarktumfeld, viele Schulabgänger, aber auch viele Abiturienten/Abiturientinnen. Typ IIIb ist weniger stark verdichtet und hat eine sehr niedrige Arbeitslosenquote, aber auch einen überdurchschnittlichen sekundären Sektor und sehr we-nige Abiturienten/Abiturientinnen. In Typ IIIc liegen nur fünf großstädtisch geprägte Bezirke im Ruhrgebiet, die einerseits durch eine sehr hohe Arbeitslosenquote, andererseits aber durch ein günstiges betriebliches Umfeld und eine geringe Konkurrenz unter den Bewerbern/Be-werberinnen geprägt sind.

7 Die folgende Beschreibung der elf Vergleichstypen ist Kleinert/Kruppe (2012) entnommen.

AA Passau

AA Schwäbisch Hall - Tauberbischofsheim AA Solingen - WuppertalAA Iserlohn

AA Siegen

Abbildung 2: Ausbildungsmarkttypen 2010 nach Agenturbezirken

Quellen: Statistik der BA, Bevölkerungsstatistik und Statistik der allgemeinbildenden Schulen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder; eigene Berechnungen

Typ IV bildet mit 67 Agenturbezirken die größte Gruppe: eher ländliche Regionen im Westen mit wenigen Großbetrieben in der Umgebung und niedriger Arbeitslosigkeit. In Typ IVa finden sich eher städtische Bezirke mit einem günstigen Ausbildungsmarktumfeld und durchschnittlicher Konkurrenz bei den Schulabgängern/Schulabgängerinnen. Die Typen IVb und IVc sind dage-gen ländlich geprägt, und die Konkurrenz unter den Abgängern ist groß. Typ IVb hat einen über-durchschnittlichen sekundären Sektor und den höchsten Anteil von Schulabgängern/Schulab-gängerinnen. Typ IVc ist mit nur neun Bezirken deutlich kleiner als die Ausbildungsmärkte von Typ IVa und IVb. Dieser Typ hat die wenigsten Großbetriebe vor Ort, die wenigsten Großbetrie-be in der Umgebung und die wenigsten Abiturienten/Abiturientinnen von allen Typen.

Tabelle 3: Ausprägungen der Klassifikationsvariablen in den Ausbildungsmarkttypen 2010*

I: Bezirke im Osten

mit sehr wenigen Schulabgängern und hoher Ar-beitslosigkeit

Ia: Ländliche Bezirke mit großem sekundären Sektor

-- (-) + ++ (-) (+)

Ib: Ländliche Bezirke mit durchschn.

Ausbildungsmarktumfeld

-- ++ + 0 0 0

Ic: Unterschiedliche Bezirke mit günstigem Ausbildungsmarktumfeld

IIa: Großstädtische Bezirke mit günstigem Ausbildungsmarktumfeld und geringer Konkurrenz

(-) + (+) -- ++

-IIb: Städtische Bezirke mit starker großbetrieblicher Umgebung

IIIa: Städtische Bezirke mit durch-schnittlichen Bedingungen

+ + 0 0 0 +

IIIb: Eher städtische Bezirke mit sehr geringer Arbeitslosigkeit und großer Konkurrenz

+ -- -- + (-) +

IIIc: Großstädtische Bezirke mit sehr hoher Arbeitslosigkeit

IVa: Eher städtische Bezirke mit günstigem Ausbildungsmarktumfeld und mittlerer Konkurrenz

(+) 0 (-) (-) (-)

-IVb: Ländliche Bezirke mit großem sekundärem Sektor und großer Konkurrenz

++ -- -- + -

-IVc: Ländliche Bezirke mit sehr ge-ringer großbetrieblicher Umgebung und großer Konkurrenz

+ -- - 0 --

--* -- stark unterdurchschnittlich, – unterdurchschnittlich, (-) leicht unterdurchschnittlich, 0 durchschnittlich, (+) leicht überdurch-schnittlich, + überdurchüberdurch-schnittlich, ++ stark überdurchüberdurch-schnittlich, +/- heterogen