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Duale Ausbildung in Großunternehmen – Stellenwert und Ausbildungsvarianten

5. Implikationen für das Berufsbildungssystem

Vor dem Hintergrund sich verändernder Anforderungen an die Arbeitstätigkeit und damit an die Qualifikation der Beschäftigten auf mittlerer Fachkräfteebene nutzen die befragten Großunternehmen die Gestaltungsoffenheit der Ausbildungsordnungen, um ihre Ausbildung den betrieblichen Anforderungen und Rahmenbedingungen anzupassen. Die genauere Be-trachtung und Sortierung des Spektrums an aufgezeigten und beschriebenen Ausbildungs-varianten kann einen Beitrag zur Modernisierung des dualen Ausbildungssystems leisten.

Die duale Berufsausbildung ist für Großunternehmen weiterhin der bevorzugte Weg zur Sicherung der mittleren Fachkräfteebene. Bei der Ausgestaltung der Ausbildung entfernen sich die Unternehmen in unterschiedlichem Umfang von der klassischen dualen Ausbildung nach BBiG/HwO. Die Tatsache, dass im Ergebnis der Studie die duale Berufsausbildung eine nach wie vor hohe Bedeutung bei den Unternehmen besitzt, darf allerdings nicht damit über-setzt werden, dass kein Reformbedarf dabei besteht, die Flexibilität beruflicher Ausbildung zu erhöhen.

Aus den Studienergebnissen lassen sich folgende Hinweise für eine Weiterentwicklung des Systems beruflicher Bildung ableiten und zusammenfassen:

1. Ausrichtung der Ausbildung an die Situation der Auszubildenden: Die Form des Zugangs in die betriebliche Ausbildung für leistungsschwächere Jugendliche sollte flexibilisiert werden.

In der Studie sind Strategien erkennbar, sich der Zielgruppe zu öffnen. Dies gilt es weiter zu befördern: Das Übergangssystem ist bislang als Vorinstanz zum Betrieb mit betrieblich vor-geschalteten Bildungsmaßnahmen, wie z. B. Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungs-jahr oder die Einstiegsqualifizierung, aufgestellt. Betriebe bedienen sich selektiv der Bewer-ber/ -innen aus dem Übergangssystem und binden diese in den Betrieb ein. Die Einbindung leistungsschwächerer Jugendlicher in die betriebliche Ausbildung kann über gestufte Modelle erleichtert werden. Es sollte nicht das Ziel sein, Jugendliche im Übergangssystem zu „parken“, sondern sie gleich von Beginn an in die betriebliche Ausbildung einzubinden. Praktisch würde das bedeuten, die bislang ausbildungsvorgeschalteten Elemente stärker an die betriebliche Ausbildung anzudocken. Dies setzt voraus, dass dort erbrachte Teilleistungen dokumentiert und bescheinigt werden und damit transparent und anrechenbar auf die Gesamtleistung sind.

2. Gestaltung der Ausbildungsinhalte in Lerneinheiten: Ausbildungsinhalte sollten stärker in abgeschlossene Lerneinheiten zusammengefasst werden. Vorteile von Lerneinheiten sind etwa eine schnellere Adaption einzelner Inhalte an veränderte Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten. Voraussetzungen für eine gelingende Umsetzung von Lerneinheiten sind

die Transparenz des Lernerfolgs jeder Lerneinheit und die Verbesserung der Anrechnung und Anerkennung. Auch die Verzahnung der Aus- und Weiterbildung würde so erleichtert werden.

3. Ausweitung des Berufsgruppenprinzips: Die stärkere Orientierung am Berufsgruppenprin-zip bietet unterschiedliche Vorteile: Durch das Bündeln von Ausbildungsressourcen wird die betriebliche Ausbildung kosteneffizienter. Die Festlegung auf einen Ausbildungsberuf erfolgt zudem später, sodass die Bedarfsplanung flexibler bleibt. Zudem können in der Phase der ge-meinsamen Grundbildung Stärken der Auszubildenden besser erkannt und die Berufswahl bei Bedarf angepasst werden.

4. Verzahnung von Aus- und Weiterbildung: Die Studie zeigt, dass zukünftig eine stärkere Zu-sammenarbeit der Ausbildungsabteilungen mit der Personalentwicklung in den Betrieben er-forderlich wird. Das bisher häufig vorherrschende Segregationsdenken dieser Bereiche leistet keinen Beitrag zur notwendigen Verzahnung von Aus- und Weiterbildung. Bereits während der Ausbildung gilt es, auf Basis der Potenziale der Auszubildenden aufeinander abgestimmte Entwicklungspfade im Anschluss an die Ausbildung aufzuzeigen oder Inhalte der Weiterbil-dung in die AusbilWeiterbil-dung zu integrieren. Neuere BilWeiterbil-dungsformate wie das duale Studium ver-deutlichen bereits heute die enge Verzahnung von Aus- und Weiterbildung.

Die Entwicklung der Interessenlage höher qualifizierter Schüler/-innen bedarf der weite-ren Beobachtung: Sie tendieweite-ren eher zum Studium und weniger zur Berufsausbildung. Eine mögliche Strategie, das Image der Berufsbildung über Kampagnen zu stärken, kann nicht viel ausrichten. Der Hochschulzugang ist gesellschaftlich höher angesehen, und auch die Arbeitsmarktzahlen sprechen für das Einschlagen einer akademischen Bildungslaufbahn.

In der Konsequenz folgen die Großunternehmen dem Trend zum Studium über das Angebot entsprechender Laufbahnmodelle und Bildungskonzepte wie dem dualen Studium. Zu beob-achten ist, inwieweit zukünftig Stellenprofile für beruflich Qualifizierte in Profile für (duale) Studien absolventen und -absolventinnen umgewandelt werden. Hierzu sind weitere Unter-suchungen zu Verdrängungserscheinungen am oberen Rand der mittleren Fachkräfteebene notwendig, etwa über die Analyse fachlicher Überschneidungen in der Arbeitstätigkeit und von Veränderungen der Arbeitsorganisation in Unternehmen.

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Carsten Pohl

Der zukünftige Bedarf an Pflegefachkräften