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Erklärungsansätze für die Verengung des Spektrums an Ausbildungsberufen

regionalen Ausbildungsstellen- und Arbeitsmärkten

2. Erklärungsansätze für die Verengung des Spektrums an Ausbildungsberufen

Welche Bedingungen führen nun dazu, dass Betriebe das Spektrum ihrer Ausbildungsberu-fe verengen und auf bestimmte AusbildungsberuAusbildungsberu-fe verzichten? Grundsätzlich kommen zwei gegensätzliche Erklärungsmuster infrage: Betroffen könnten zum einen solche Ausbildungs-berufe sein, die aufgrund von Passungsproblemen kaum oder gar nicht mit Auszubildenden versorgt werden, in denen aber eine hohe oder sogar zunehmende hohe Arbeitskräftenachfra-ge besteht. Zum anderen könnten besonders solche Ausbildungsberufe betroffen sein, in denen aufgrund von Veränderungsprozessen innerhalb der Betriebe und ihrer Umwelt keine Nachfra-ge an ausNachfra-gebildeten Fachkräften mehr besteht und somit die ArbeitskräftenachfraNachfra-ge Nachfra-gering ist.

Ziel ist es herauszufinden, welche betrieblichen Anforderungen und regionalen Rahmenbedin-gungen konkret zu Rückgängen beim Spektrum der vorhandenen Ausbildungsberufe führen und welche Ausbildungsberufe am stärksten betroffen sind. Dazu werden berufliche, betrieb-liche und regionale Bedingungen4 der Ausbildungsstellen- und Arbeitsmärkte untersucht, die potenziell dazu führen, dass die Ausbildung in bestimmten Berufen beendet wird.

2.1 Berufsmerkmale

Nach dem TASK-Ansatz (Autor/Levy/Murnane 2003) hat die Einführung neuer Technolo-gien insbesondere negative Effekte für Arbeitnehmer mit Routinetätigkeiten, deren Tätig-keiten durch die neuen Technologien ersetzt werden können. Beschäftigte mit Nichtrouti-netätigkeiten werden dagegen verstärkt gebraucht, denn es ergeben sich neue Tätigkeiten für die Bedienung der neuen Technologien (Spitz-Oener 2006, S. 239). Bezogen auf die Ausbildungsbeteiligung von Betrieben lässt sich daher annehmen, dass Betriebe bevorzugt in solchen Berufen ausbilden, in denen sie, aufgrund veränderter Marktlagen und der tech-nologischen Entwicklung, zukünftigen Bedarf an Arbeitskräften sehen. Entsprechend ist

4 In Anlehnung an Niederalt (2004).

naheliegend, dass Betriebe in Ausbildungsberufen mit hohen Routineanteilen ihre Ausbil-dungsbeteiligung zurückfahren. Gemeint sind damit einfache Ausbildungsberufe, in de-nen Betriebe zukünftig weniger Fachkräfte benötigen. Bei Ausbildungsberufen mit einem höheren Qualifikationsprofil ist dagegen von einer Ausweitung der Ausbildung auszugehen.

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit bietet die Unterscheidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Betriebs in Kern- und Randbelegschaft (vgl. z. B. Köhler/Preisendörfer 1988). Bei schwierigen betrieblichen Situationen konzentrieren sich Betriebe häufig auf ihren Kernbereich, während die Randbelegschaft eher von Stellenkürzungen betroffen ist. Diese Überlegung wird nun auf Ausbildungsberufe übertragen (vgl. Neubäumer 1999, S. 177). An-gesichts der Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsstellen erscheint es plausibel, dass Betriebe versuchen, ihre Ausbildungstätigkeit in Ausbildungsberufen zu sichern, die für das Kerngeschäft des Betriebs von zentraler Bedeutung sind, und stattdessen die Ausbildung in weniger zentralen Ausbildungsberufen einstellen.

2.2 Betriebsmerkmale

Als ein betrieblicher Faktor wird bezüglich Stellenbesetzungsproblemen davon ausgegan-gen, dass Betriebe dann wahrscheinlicher einen Ausbildungsberuf beenden oder die Anzahl der Auszubildenden reduzieren (müssen), wenn sie dort kaum oder keine geeigneten Bewer-berinnen und Bewerber mehr finden. Dies könnte neben Stellenbesetzungsproblemen bei Auszubildenden auch für Mitarbeiterstellen gelten. Denn wenn ein Betrieb für einen Beruf keine Fachkräfte mehr findet, könnte er seinen Fokus auf andere, bereits vorhandene Berufe verlagern und nur noch in diesen ausbilden. Umgekehrt ist aber auch möglich, dass ein Be-trieb gerade aufgrund von Stellenbesetzungsproblemen in einem Beruf selbst ausbildet, statt vergeblich auf dem externen Arbeitsmarkt zu suchen.

Betriebe können außerdem aus unterschiedlichen Motiven ausbilden. Kernmotive sind im Sinne von Humankapitalinvestitionen (Becker 1964) das Produktions- und Investitions-motiv der Betriebe (vgl. z. B. Acemoglu/Pischke 1999). Betriebe, die den Fokus auf das Pro-duktionsmotiv setzen, versuchen bereits während der Ausbildungszeit durch produktiven Einsatz der Auszubildenden Erträge zu erwirtschaften. Hier besteht somit tendenziell weni-ger Interesse an einer Übernahme der fertig ausgebildeten Fachkräfte. Für die Ausbildungs-berufe lässt sich als Tendenz ableiten, dass es bei Betrieben, die auf das Produktionsmotiv set-zen, angesichts des allgemeinen Trends von Stellenbesetzungsproblemen wahrscheinlicher zu einer Reduzierung der Ausbildungsberufe kommt. Betriebe mit Fokus auf das Investitions-motiv zielen auf die Deckung ihres eigenen Fachkräftebedarfs ab. Sie sind daran interessiert, Rekrutierungskosten einzusparen und Auszubildende an ihren Betrieb zu binden (vgl. Wen-zelmann 2012, S. 127), indem sie neben allgemeinen auch spezifische Kenntnisse vermitteln, die zu den betrieblichen Anforderungen passen und sonst vom externen Arbeitsmarkt nicht angeboten werden. Hier besteht vermutlich eine größere Abhängigkeit der Betriebe von ihren

angebotenen Ausbildungsberufen, weshalb weniger Beendigungen vermutet werden. Dane-ben wird auch das Reputationsmotiv als Ausbildungsmotiv angeführt, bei dem Betriebe aus-bilden, um Anerkennung u. a. von Kunden oder Zulieferern zu erhalten (vgl. Sadowski 1980, S. 81 ff.). Solchen Betrieben ist grundsätzlich daran gelegen, für ihre Reputation ein Mindest-maß an Ausbildungstätigkeit aufrechtzuerhalten. Dieses Motiv spricht somit eher dafür, dass Betriebe zwar an ihrer Ausbildungsbeteiligung festhalten, dass sie sich aber in schwierigen Zeiten gegebenenfalls auf die Ausbildungsberufe konzentrieren, die für ihre Reputation von Bedeutung sind. Allerdings wird hier erwartet, dass die Reputation kein stabiles Kriterium ist, denn auch wenn sie zeitweilig nicht ausbilden, gelten die Betriebe gemeinhin eine Zeit lang in der Außenwahrnehmung weiterhin als positiv.

2.3 Regionale Merkmale

Neben den genannten beruflichen und betrieblichen Faktoren können auch regionale Fakto-ren dafür eine Rolle spielen, dass ein Betrieb einen Ausbildungsberuf nicht weiterhin anbietet.

Im Sinne der Arbeitsmarkttheorie sind Betriebe in Regionen mit hohem Arbeitslosig-keitsniveau bereits ausreichend mit Fachkräften versorgt. Bei hohem regionalen Arbeits-losigkeitsniveau (= hohes Arbeitskräfteangebot) besteht demnach kaum eine Notwendigkeit für die Betriebe, ihr Angebot an Ausbildungsstellen zu verringern, weil diese relativ gut mit Auszubildenden versorgt werden können. Zwar könnten die Betriebe theoretisch ihren Fach-kräftebedarf bei hoher Arbeitslosigkeit auch leichter über ein verhältnismäßig großes An-gebot an fertig ausgebildeten Fachkräften decken. Es wird allerdings vermutet, dass Betriebe außerdem weiterhin darauf setzen, selbst auszubilden, denn durch diese Strategie können Betriebe wesentlich genauer auf betriebliche Anforderungen hin ausgebildete Fachkräfte ge-winnen. Umgekehrt würde ein regional niedriges Arbeitslosigkeitsniveau zu einer Verringe-rung des Spektrums an Ausbildungsberufen führen.

Daneben können Entscheidungen für oder gegen die Ausbildung in bestimmten Aus-bildungsberufen (auch im regionalen Kontext) als Investitionen interpretiert werden (vgl.

Behringer/Kampmann/Käpplinger 2009)5, eine bildungsökonomische Entscheidung in Hu-mankapital (vgl. auch Troltsch/Walden 2012). Demnach sind Betriebe geneigt, höher quali-fizierte Bewerberinnen und Bewerber zu bevorzugen, was zur Folge hat, dass Bewerberinnen und Bewerber mit geringerer Schulbildung geringere Chancen auf eine Einstellung haben. In schwierigen Zeiten könnten Betriebe daher Ausbildungsberufe abbauen, für die sie – nun auch regional betrachtet – keine ausreichend schulisch qualifizierten Auszubildenden finden. Eine plausible Erklärung dafür wäre der allgemeine Trend, dass Absolventinnen und Absolventen höherer Schulabschlüsse zunehmend weniger in betrieblich ausgebildete Berufe streben, sondern eher eine vollzeitschulische Ausbildung oder ein Studium vorziehen. Dies hätte dann

5 Dort ist der Begriff bezogen auf Weiterbildung.

zur Folge, dass bei Berufen mit üblicherweise höheren Bildungsabschlüssen wahrscheinlicher Ausbildungs- und in der Folge Mitarbeiterstellen nicht mehr besetzt werden können und Be-rufsausbildungen im Betrieb entsprechend aufgelöst werden (müssen).

Die aus den theoretischen Vorüberlegungen auf beruflicher, betrieblicher und regionaler Ebene abgeleiteten Hypothesen stellen sich wie folgt dar (Tabelle 1):

Tabelle 1: Übersicht über betrachtete Erklärungsbereiche für einen Rückgang des beruflichen Spektrums an Ausbildungsberufen

Faktoren Hypothesen: Es kommt (eher) zu einem Rückgang

des beruflichen Spektrums,

Beruf: Berufliche Kompetenzen wenn ein Ausbildungsberuf ein einfacher Ausbildungsberuf ist (H1), Beruf: Betrieblicher Kernbereich wenn ein Ausbildungsberuf weiter hinten in der Rangordnung des Betriebs

steht (H2),

Betrieb: Stellenbesetzungsprobleme wenn ein Betrieb Stellenbesetzungsprobleme bei Auszubildenden und/oder Mitarbeitern hat (H3),

Betrieb: Ausbildungsmotive wenn ein Betrieb aus Produktionsmotiven ausbildet (H4), Region: Arbeitsmarkt je niedriger das regionale Arbeitslosigkeitsniveau ist (H5), Region: Schulabsolventen je höher der regionale Anteil höherer Schulabschlüsse ist (H6).

Quelle: Eigene Erstellung