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2. Kurzer Abriss des Forschungsstands

2.1 Die demografische Entwicklung: Herausforderung für die regionale Berufsbildung

Als zentrale Folgen des demografischen Wandels sind das schrumpfende Erwerbspersonen-potenzial und der Rückgang der Bildungsbevölkerung zu nennen (vgl. Burkert et al. 2011).

Infolge des demografischen Wandels ist mit einer Verfestigung regionaler Disparitäten zu rechnen (vgl. Otto et al. 2012). Da Bildung eine ortsgebundene personale Dienstleistung ist, die bis zur Erstausbildung eine nur geringe Teilnehmermobilität impliziert, müssen die Folgen demografischer Änderungen im regionalen Kontext analysiert und planerisch bearbeitet wer-den (vgl. Kalisch 2011; Döbert 2010), beispielsweise bei wer-den Angeboten zur Berufsorientie-rung oder der Planung von Ausbildungskapazitäten.

Allerdings erweist sich eine systematische und widerspruchsfreie Abgrenzung des Regionenbegriffs aufgrund der unterschiedlichen ökonomischen, politischen und sozialwissenschaft lichen Zugänge als überaus schwierig (vgl. Maier/Tödtling/Trippl 2012; Statistisches Bundesamt 2006). Wir priorisieren einen regionalpolitischen Zugang, also eine Orientierung an den politisch-administrativen Grenzen von Kreisen und kreisfreien Städten, da dieser unter dem Aspekt der Informationsaufbereitung für regionalpolitische Ent-scheidungen am funktionalsten erscheint (vgl. Brüsemeister 2012). Dies hat zudem den

Vor-teil, dass die Operationalisierung dieses Regionenkonzepts mit den räumlichen Zuschnitten der meisten verfügbaren Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten korrespondiert (vgl.

Statistik Service Südwest 2013; Hessisches Statistisches Landesamt 2013).

Die Zahl der Schulentlassenen aus den allgemeinbildenden Schulen, die in vielen Re-gionen stagniert, in anderen bereits zurückgeht (vgl. Ulmer/Ulrich 2008), sowie die schrumpfende und alternde Bevölkerung und deren Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und das Beschäftigungssystem (vgl. Bonin et al. 2007; Brüsemeister 2012) führen ebenfalls zu Rückwirkungen auf das Bildungswesen und auf dessen Strukturen. Zu nennen ist hier bspw.

die stärkere Berücksichtigung von Jugendlichen, die bislang keinen Zugang zu qualifizierter Berufsausbildung hatten, was wiederum auf die Ausbildungszeiten sowie Art und Umfang der zu erbringenden Qualifizierungsleistungen einwirken kann (vgl. Euler 2010).

Neben dem genannten absoluten Rückgang an Jugendlichen in einigen Regionen ist hierfür auch die veränderte Bildungsaspiration der Jugendlichen und der für die Berufswahl häufig maßgeblichen Eltern in Form eines Akademisierungstrends verantwortlich (vgl. Seve-ring/Teichler 2013). Demzufolge sinkt auch die Zahl der Abgänger/-innen und Absolventen und Absolventinnen von beruflichen Schulen; zudem geht auch die Zahl jener Jugendlicher zurück, welche die Schule seit längerer Zeit verlassen haben (sog. Altbewerber/-innen) und die bislang eine Ausbildungsreserve für weniger attraktive Ausbildungsberufe boten. All die-sen Effekten ist eigen, dass sie zu einem Rückgang des Auszubildenden- und Beschäftigten-potenzials führen (vgl. Nickolaus 2012).

Dieser Entwicklung müssen sich die Betriebe stellen. Untersuchungen zeigen, dass es ins-besondere kleineren Betrieben schwerfällt, langfristige Lösungsstrategien für die drohenden Probleme der Nachwuchsrekrutierung zu entwickeln (vgl. Bonin/Bradler/Warnke 2012).

Deshalb kommt einer passgenauen regionalen Bildungspolitik, die sich an betrieblichen Be-darfen auf der Ebene von Kommunen orientiert, hier eine hohe Bedeutung zu.

2.2 Regionale Berufsprognosen: Stand, Grenzen und Lösungswege

Der Wunsch nach kleinräumig-regionalen und gleichzeitig berufsdifferenzierten Prognosen stellt hohe Herausforderungen an Modelle. Vor allem zwei Punkte limitieren die Möglichkei-ten zur Erzeugung solcher DaMöglichkei-ten und deren Aussagekraft: zum einen die DaMöglichkei-tenbestände auf regionaler Ebene, zum anderen die kaum quantifizierbaren Wechselwirkungen zwischen un-terschiedlichen Komponenten auf kleinräumiger Ebene (regionale Endogenität).

Je nach Ziel und Bedingungen werden unterschiedliche Wege beschritten, um mit dieser Problematik umzugehen. So wird z. T. nur die Nachfrageseite des Arbeitsmarktes abgebildet, auf das Angebot und ein Matching beider Größen wird verzichtet – bspw. im sog. LÄNDER-Modell der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (gws), das ökonomisch begrün-dete Wirkzusammenhänge unter Einschluss weiter gehender (wirtschaftspolitischer) Indika-toren modelliert (vgl. Ulrich/Wolter 2013). In den „Fachkräfteperspektiven in Thüringen

2020“ vom Institut für sozioökonomische Strukturanalysen (SÖSTRA) wird der ermittelten Arbeitskräftenachfrage kein Angebot gegenübergestellt, vielmehr werden die Bestandteile einzeln als Potenziale analysiert (vgl. Papies/Schiemann/Frei 2011). In den längerfristigen Projektionen (bis 2030) von BIBB/IAB werden komplexe gesamtwirtschaftliche Entwicklun-gen auf der Nachfrageseite und sogar die Flexibilität zwischen erlernten und ausgeübten Be-rufen auf der Angebotsseite berücksichtigt, allerdings bislang nur auf der nationalen Ebene (vgl. Helmrich et al. 2012).1

Auch andere Modelle beschränken sich auf höhere regionale Ebenen. Einige Projektio-nen sind nach Ost- und Westdeutschland (vgl. z. B. Bonin et al. 2007; Fuchs/Dörfler 2005), andere nach Raumordnungsgebieten gegliedert (vgl. z. B. Distelkamp/Ulrich 2012). Das Institut WifOR nimmt zwar eine noch tiefere Regionalisierung bis auf die Ebene der IHK-Be-zirke vor, jedoch wird die regionale Bedarfsentwicklung der gesamtdeutschen Entwicklung der Branche gleichgesetzt (vgl. Wirtschaftsforschung [WifOR] 2014; Industrie- und Handelskammer [IHK] Frankfurt am Main 2013).

Eine weitere Möglichkeit ist die Reduktion der Komplexität der Modelle, indem unter-schiedliche Indikatoren des Arbeitsmarktes nicht oder nur in aggregierter Form einbezo-gen werden. Ein solches Vorgehen erlaubt die Berücksichtigung verschiedener Indikatoren und darauf bezogener Datenbestände auch unter Einschluss regionalspezifischer Faktoren – Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Bildungssystem und Beschäftigung oder zwi-schen zukünftigem Arbeitskräfteangebot und -nachfrage können jedoch nicht mehr systema-tisch, d. h. modellinhärent erfasst werden.

Bei fehlenden oder mangelhaften Daten kann schließlich auch eine Ergänzung der den quantitativen Projektionen durch qualitative Daten erfolgen (vgl. z. B. CEDEFOP 2008). Als Quelle der qualitativen Informationen dient oft das Expertenwissen vor Ort. Daraus können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden z. B. bei der Dateninterpretation, Validierung und der Kompensation von Datenlücken. So bedient sich bspw. SÖSTRA Expertengesprächen und halbstandardisierten Befragungen von Geschäftsführern und Personalleitern, um mittelfris-tige Veränderungsbedarfe bei Arbeitskräften einzuschätzen (vgl. SÖSTRA 2010).

Grundsätzlich bestehen demnach unterschiedliche Ansätze, um den Limitierungen kleinräumiger Prognosen zu begegnen: der Verzicht auf die Modellierung von Gleichgewich-ten, die Beschränkung auf höhere regionale Ebenen, eine Komplexitätsreduktion sowie die Einbeziehung qualitativer Erkenntnisse. Die skizzierten Strategien geben Hinweise darauf, dass es bei der Generierung regionaler bzw. kommunaler Berufsprognosen nicht per se um die Entwicklung „neuer“ regionaler Prognosemodelle gehen muss, sondern dass innovative Designs zielgerichtete Lösungen bieten können. An diese Überlegungen schließt das Projekt regio pro an.

1 Siehe die Beiträge von Kalinowski et al. und Mönnig et al. in diesem Band für einen regionalen Projektionsansatz.

3. Design zur Generierung von Planungsdaten für regionale