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Fazit: Selbstständige berufsbildende Schulen im demografischen Wandel

Berufsbildende Schulen als Selbstständige Schulen im demografischen Wandel

5. Fazit: Selbstständige berufsbildende Schulen im demografischen Wandel

Das Beispiel der Strukturanpassung in den ostdeutschen Bundesländern zeigt, dass mit dem demografischen Wandel strukturelle Veränderungen einhergehen, die außerhalb der Steue-rungsmöglichkeiten berufsbildender Schulen liegen. Die zentralen Steuergrößen zur Planung des beruflichen Bildungsangebotes können politisch nicht durch die Einzelschulen beeinflusst werden. Daher erscheinen die Chancen berufsbildender Schulen, als Selbstständige Schulen den Auswirkungen des demografischen Wandels aktiv begegnen zu können, auch unter den erweiterten Kompetenzen „Selbstständiger Schulen“ zunächst begrenzt.

Zentrale Aspekte der unter dem Schlagwort „Selbstständige Schule“ subsumierten Steue rungsstrategie wie die Orientierung an Effizienz, die Ermöglichung der Entwicklung ei-nes eigenständigen Profils an Bildungsangeboten und die Einbettung in regionale Strukturen könnten allerdings durch den demografischen Wandel an Relevanz gewinnen, da diese den widersprechenden Zielkategorien politischer Steuerung, einerseits Schulstandorte zurückzu-fahren und andererseits auf regionaler Ebene ein angemessenes Bildungsangebot aufrecht-zuerhalten, zuträglich sind. Da die Anpassung der Schulstruktur an rückläufige Jahrgangs-stärken häufig nicht linear geschieht, sondern das regionale Bildungsangebot berücksichtigt wird, besteht für die Einzelschule die Chance zur Profilierung. Schulentwicklung wird dann zu einer Konkurrenzveranstaltung, in der Einzelschulen durch ein an die externen Erwartun-gen angepasstes Schulprofil ihren Erhalt auch im demografischen Wandel sichern können.

Daher sind Schulentwicklungsprozesse gerade auch für berufsbildende Schulen häufig von Konflikten geprägt (vgl. Schulministerium NRW 2011, S. 3).

Berufsbildende Schulen können durch die Konzeption und Verwirklichung eines Schul-profils ihre Bedeutsamkeit in der jeweiligen Region steigern, da sie aktiv an der Bereitstellung von Fachkräften beteiligt sind. Konkret besteht die Möglichkeit der Profilierung von Schulfor-men, die auch unter dem Eindruck rückläufiger Jahrgangsstärken stabile oder anwachsende Schüler/-innenzahlen versprechen. Darüber hinaus kann dem politischen Ziel der Vernetzung mit anderen Bildungsträgern und Institutionen in besonderem Umfang entsprochen werden.

Auch die Einwerbung von Drittmitteln zur Finanzierung einer besonders elaborierten Aus-stattung (z. B. für IT-Berufe) kann ein Alleinstellungsmerkmal im Schulprofil begründen. Die Möglichkeiten der Profilierung werden allerdings durch die Tatsache eingeschränkt, dass die tatsächlichen Kompetenzzuwächse der Einzelschulen in den Bundesländern stark variieren und die neue Steuerungsstrategie „Selbstständige Schule“ noch nicht auf alle Schulen über-tragen wurde.

Der neoinstitutionellen Organisationstheorie nach maximieren Organisationen ihre Le-gitimität durch die Anpassung an externe Erwartungen sowie die Adaption von Management-praktiken und Erwartungen, die von der relevanten Organisationsumwelt als rational propa-giert werden (vgl. Walgenbach/Meyer 2008, S. 26). Die Theorie konstatiert allerdings auch, dass Organisationen diese von der Organisationsumwelt an sie herangetragenen Anforderun-gen zurückweisen oder ihnen lediglich oberflächlich Anforderun-genüAnforderun-gen und die Arbeitsaktivitäten von diesen entkoppeln können (vgl. Walgenbach/Meyer 2008, S. 29 ff.). Daher ist entscheidend, inwiefern berufsbildende Schulen die Kompetenzerweiterungen und die erhöhte Selbststän-digkeit aktiv nutzen oder diese vielmehr als dysfunktional in Bezug auf die Bewältigung ihrer Kernaufgaben interpretieren und nur pro forma den neuen Erwartungen der Bildungspolitik und -verwaltung entsprechen. In der Untersuchung der Schulentwicklung berufsbildender Schulen unter diesen Gesichtspunkten liegt daher ein zentrales Forschungsdesiderat. Zymek und Kollegen/Kolleginnen haben Forschungsarbeiten zum regionalen Schulentwicklungspro-zess im demografischen Wandel vorgelegt, welche entsprechend der neoinstitutionalistischen Perspektive vertieft werden könnten (vgl. Zymek et al. 2011). Auch Herrmann entwickelte An-sätze zur Erklärung unterschiedlicher Entwicklungstypen von Selbstständigen Schulen, die quantitativ überprüft werden könnten (vgl. Herrmann 2012, S. 196 ff.). In Bezug auf die Lern-ortkooperation zwischen berufsbildenden Schulen und Betrieben zeigen empirische Forschun-gen, dass über die Hälfte der Schulen keine oder nur sporadische Kooperationsbeziehungen unterhält und pädagogisch anspruchsvolle Kooperationen die Ausnahme darstellen (vgl. Zlat-kin-Troitschkanskaja 2005, S. 12). Das Ausbleiben von Kooperationsbeziehungen kann im Sinne der Aufrechterhaltung routinierter innerschulischer Abläufe als durch die Einzelschule gewünschter Zustand verstanden werden (vgl. Zlatkin-Troitschkanskaja 2005, S. 1 ff.).

Auch die Angebotsentwicklung der unterschiedlichen Schultypen innerhalb der berufs-bildenden Schulen stellt in diesem Kontext ein Forschungsdesiderat dar. Letztendlich fehlen also empirische Untersuchungen zu der Frage, ob berufsbildende Schulen die neuen Gestal-tungsspielräume nutzen, um der Zielvorstellung der „Selbstständigen Schule“ als regionales Bildungszentrum zu entsprechen. Quantitative und qualitative Schulleiter/-innenbefragun-gen könnten hier Aufschluss über neue Steuerungsformen und Tendenzen der Schulprofilie-rung im demografischen Wandel geben.

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Christian Gerhards, Sabine Mohr