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großen Unternehmen: Bildungszentren als dritte Lernorte

4. Quantitative Analyse zur Organisation von Ausbildung

Transaktionskostentheoretisch motivierte Hypothesen

Für die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Faktoren die Wahl der Form der Organi-sation der betrieblichen Ausbildung beeinflussen, stellt die Transaktionskostentheorie einen möglichen Erklärungsansatz dar. Aus transaktionskostenökonomischer Sicht wählen Organi-sationen die institutionelle Form der Abwicklung einer Transaktion, welche eine Optimierung der Summe der anfallenden Produktions- und Transaktionskosten ermöglicht (vgl. William-son 1985). Ein bedeutender Strang der empirischen Forschung im Kontext der Transaktions-kostentheorie befasst sich mit der Entscheidung über die Eigenerstellung oder das Outsour-cing von Produkten oder Leistungen (für einen Überblick vgl. Ebers/Gotsch 2006, S. 294).

Alewell et al. (2008) betonen dabei im Kontext des Outsourcings, dass neben dem Bedarf eines Unternehmens nach dem spezifischen Produkt oder der Leistung auch die Alternative des Outsourcings entsprechend wahrgenommen werden muss. Dabei nehmen Alewell et al.

(2008) an, dass die Entscheidung des Outsourcings auch von strukturellen Faktoren abhängt.

Wir folgen in unserer Studie diesem Argument sowie transaktionskostentheoretischen Über-legungen, wonach die Höhe der Kosten der Abwicklung und Organisation von

Transaktio-nen durch die folgenden Charakteristika bedingt wird (vgl. Ebers/Gotsch 2006, S. 281 ff.):

(1) Spezialisationsgrad der Inputfaktoren (transaktionskostenspezifische Investitionen – Spe-zialisierungserfordernisse von Berufen mit wenigen Auszubildenden), (2) Unsicherheit und (3) die Häufigkeit der Transaktion (Anzahl der Auszubildenden).

Bezogen auf die Organisation von Ausbildung und die Nutzung dritter Lernorte konzen-trieren wir uns auf die transaktionsspezifischen Investitionen und die Häufigkeit der Transak-tion.4 Hinsichtlich der spezifischen Investitionen bedeutet dies, dass mit steigender Anzahl an Ausbildungsberufen eines Unternehmens der Komplexitätsgrad der gesamtheitlichen Ausbil-dungsaufgabe wächst. Die spezifischen Investitionen erhöhen sich, da mit steigendem Diversi-tätsgrad sowohl verschiedene Ausbilder beschäftigt als auch verschiedene Anlageinvestitionen getätigt werden müssen. Hinsichtlich der Häufigkeit einer Transaktion gehen wir davon aus, dass mit steigender Anzahl an Auszubildenden die Nutzung eines internen Bildungszentrums vorteilhaft ist. In einem solchen Arrangement lassen sich die Ausbildungskosten je Auszubil-denden am ehesten optimieren, da sich durch die Ausgliederung der Ausbildung potenzielle Effizienzvorteile und gleichzeitig eine bedarfsgerechte, an die Erfordernisse des betrieblichen Ausbildungs- und Beschäftigungsbedarfs angepasste Ausbildung realisieren lässt.

Hypothese 1a: Mit steigender Anzahl an Ausbildungsberufen eines Unternehmens steigt die Wahrscheinlichkeit der internen Ausbildung.5

Hypothese 1b: Mit steigender Anzahl an Auszubildenden eines Unternehmens steigt die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung in einer internen Lehrwerkstatt.

Die Wirkung der institutionellen Umwelt

Die Bedeutung der institutionellen Umwelt spielt insbesondere in der soziologisch orientierten Organisationsforschung eine Rolle (vgl. Scott 2008). Nach Stinchcombe (1965) hat insbeson-dere der Gründungskontext einer Organisation eine hohe Relevanz. Dabei erzeugen die in Ver-bindung zu den zur Gründungszeit dominierenden technischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen und Ressourcen eine Prägung der Organisation (Imprinting).

Diese Prägung wird dabei, bedingt durch organisationale Trägheiten und Wandlungsresisten-zen, als nachhaltig verstanden. Aus dieser Prägung heraus resultieren Unterschiede in den Struk-turen und im Verhalten von Organisationen (siehe für einen Überblick Marquis/Tilcsik 2013).

Wir beziehen den Effekt der Prägung ein, indem wir sowohl das Alter der Organisation als auch

4 Unsicherheit spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle, bspw. im Kontext des demografisch bedingten Fachkräfteman-gels. Informationen zur wahrgenommenen Unsicherheit standen im Rahmen unserer Analysen jedoch nur bedingt zur Verfügung.

5 Diese Hypothese hat insbesondere dann Gültigkeit, wenn die Anzahl der Ausbildungsberufe dauerhaft hoch in einem Unternehmen ist und es zu keinen extremen Ungleichgewichten hinsichtlich der Verteilung der Auszubildenden hin-sichtlich der Ausbildungsberufe kommt. Wir danken einem/einer unserer Gutachter/-innen für diesen Hinweis.

Unterschiede zwischen den Unternehmensstandorten in Betracht ziehen. Hinsichtlich des Stand-orts argumentieren wir, dass sich die Organisation der Ausbildung zwischen Unternehmen in den alten und neuen Bundesländern unterscheidet (vgl. Grünert 2010). Diese Unterschiede sind durch für die Organisation von Ausbildung relevanten Institutionen bedingt, welche prägend auf die Unternehmen wirken. Interne Lehrwerkstätten und externe Bildungszentren mit Unterneh-mensbeteiligungen sind dabei insbesondere in den alten Bundesländern institutionalisiert und verbreitet. In den alten Bundesländern existiert darüber hinaus, zumindest branchenspezifisch, eine traditionell stärkere Ausbildungstradition am Arbeitsplatz (vgl. Michelsen 1977; Schlös-ser et al. 1989). In den neuen Bundesländern wurde nach der Wiedervereinigung Deutschlands zwar versucht, das westdeutsche Ausbildungssystem zu übernehmen. Gleichzeitig existierte je-doch die gegenläufige Tendenz der Etablierung externer Bildungszentren, die durch andere Trä-ger betrieben wurden. Dieser Trend ist dabei nicht zuletzt durch Förderungen von Bildungsträ-gern nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern begünstigt worden (vgl. Berger/

Grünert 20076). Hinsichtlich des Unternehmensstandorts nehmen wir daher an:

Hypothese 2a: Ein Unternehmensstandort in den neuen Bundesländern senkt die Wahr-scheinlichkeit der internen Ausbildung.

Hypothese 2b: Ein Unternehmensstandort in den neuen Bundesländern senkt die Wahr-scheinlichkeit der Ausbildung in externen Bildungszentren mit Unternehmensbeteiligung.

Hypothese 2c: Ein Unternehmensstandort in den neuen Bundesländern erhöht die Wahr-scheinlichkeit der Ausbildung in externen Bildungszentren unter fremder Trägerschaft.

Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass auch das Alter des Unternehmens eine Rolle spielt.

Mit steigendem Alter werden Organisationen zunehmend träge (vgl. Hannan/Freeman 1984). Dem Imprintingargument folgend, wurden ältere Organisationen durch ein institutio-nelles Umfeld geprägt, in welchem das Outsourcing von Ausbildung in Bildungszentren eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Durch Trägheitsfaktoren lässt sich die Prägung der Organi-sation von Ausbildung nur sehr bedingt aufbrechen. Daher nehmen wir an:

Hypothese 3: Mit steigendem Alter eines Unternehmens steigt die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung am Arbeitsplatz.

Daten und Methode

Die Daten unserer quantitativen Analyse basieren auf einer Onlinebefragung aller 1.356 Un-ternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, die einen Standort (mind. eine eigenständige Betriebsstätte) in Thüringen, Sachsen, Niedersachsen und Hessen haben. Die Unternehmen 6 In Berger/Grünert 2007 findet sich ein Überblick über die Strukturen und Wirksamkeit des

Ausbildungsplatzpro-gramms Ost sowie die Strukturen und Perspektiven der ostdeutschen Trägerlandschaft.

wurden im Mai 2013 auf der Grundlage der Amadeus-Unternehmensdatenbank (Bureau van Dijk) ausgewählt. Von diesen 1.356 Unternehmen wurde auf Grundlage der jeweiligen Unter-nehmenshomepage (und ggf. telefonischem Kontakt) der/die relevante Ansprechpartner/ -in (Verantwortliche/-r für die Ausbildung) via E-Mail zur Teilnahme an der Befragung aufge-fordert. Nach einer ersten Erhebungswelle wurden alle Befragten, welche noch nicht teilge-nommen hatten, nochmalig kontaktiert. Insgesamt haben an der Befragung 127 Unterneh-men teilgenomUnterneh-men (Rücklaufquote 9,37 %7).8 Nach Bereinigung hinsichtlich unvollständiger Frage bögen konnten 119 Fälle in unsere Analysen eingehen. Da unsere abhängigen Variablen als Dummys in unsere Analysen eingehen, nutzen wir eine logistische Regression. Die Variab-len und die deskriptive Statistik bezogen auf die einzelnen Organisationformen von Ausbil-dung in unserem Sample werden in Tabelle 1 vorgestellt.9

7 Es gibt keine größeren Ungleichverteilungen zwischen dem Rücklauf aus den Bundesländern oder durch organisa-tionsspezifische Variablen, wie bspw. der Unternehmensgröße.

8 Die Autoren stellen auf Anfrage gerne den verwendeten Fragebogen und den quantitativen Datensatz für weiterfüh-rende Forschungsansätze zur Verfügung.

9 Missing Values wurden bei metrischen Variablen in der Regression durch Mittelwerte ersetzt. Hinsichtlich systemati-scher Verzerrungen auf Grundlage der Missings wurde getestet.

Tabelle 1: Deskriptive Statistik nach den Formen der Organisation von Ausbildung (N = 119)

Variable Durchschnitt SD Min Max

Abhängige Variablen

Ausbildung am Arbeitsplatz/

arbeitsplatz nahe Ausbildung

Unabhängige Variablen19 Anzahl der Berufe ,39 1,33 0 7

Gesamtzahl der Auszubildenden 1,41 4,70 0 22

Standort ,26 ,44 0 1

Alter des Unternehmens 61,09 42,81 8 132

Kontroll-variable Erwartetes Beschäftigungswachstum 1,03 1,07 0 3

Interne

Lehr-werkstatt Unabhängige 9Variablen1 Anzahl der Berufe 4,39 3,94 1 20

Gesamtzahl der Auszubildenden 44,85 38,02 1 176

Standort ,18 ,39 0 1

Alter des Unternehmens 94,77 37,20 22 168

Kontroll-variable Erwartetes Beschäftigungswachstum ,77 1,03 0 3

Externes Bildungs-zentrum mit Unternehmens-beteiligung

Unabhängige Variablen19 Anzahl der Berufe 6,28 12,55 0 44

Gesamtzahl der Auszubildenden 75,16 112,94 0 310

Standort ,06 ,24 0 1

Alter des Unternehmens 61,06 46,20 12 174

Kontroll-variable Erwartetes Beschäftigungswachstum ,95 ,83 0 2

Externes Bildungs-zentrum von

fremden Trägern Unabhängige 9Variablen1 Anzahl der Berufe 3,63 3,28 0 12

Gesamtzahl der Auszubildenden 79,78 273,63 0 1438

Standort ,38 ,49 0 1

Alter des Unternehmens 87,46 81,32 9 391

Kontroll-variable Erwartetes Beschäftigungswachstum 1,17 1,26 0 3