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Symbolik und Repräsentation: Amerikas Demokratie

I. Einführung

4. Politische Ordnungen

4.1 Symbolik und Repräsentation: Amerikas Demokratie

In der medialen Betrachtung der politischen Systeme stellte sich das Meinungs-bild entsprechend der Epochentendenz dar, die grundsätzlich einer Ausweitung und Egalisierung demokratischer Teilhabemöglichkeiten entgegenstrebte. Die Verortung funktionsfähiger Demokratien »westlich Rußlands – und in Ame-rika«30 nahm sich in den bürgerlichen und liberalen Medien einhellig aus.

Amerikanische Wahlkämpfe wurden als exemplarische Phasen demokrati-scher Willensbildung von der Tagespresse mit unverhohlener Spektakel-Faszi-nation begleitet. Jedoch war das Bild des demokratischen Wettbewerbs in den USA getrübt. Insbesondere die Einschränkungen der Gleichheit der Wahl, die nur gelegentlich durchbrochene Zweiteilung des Parteienspektrums sowie die starke Rolle zahlungskräftiger Großspender aus Industrie und Hochfinanz warfen darauf deutliche Schatten.31

Das seit Ende des 18. Jahrhunderts tradierte Bild der Vereinigten Staaten als Nonplusultra demokratischen Staats- und Gesellschaftsverständnisses verfügte aber weiterhin über beträchtliche Strahlkraft. Die USA boten die bevorzugte Folie, vor deren Hintergrund sich der Zustand der politischen Ordnung in Deutschland einordnen ließ und an Hand derer sich die öffentliche Selbstver-gewisserung als demokratische, moderne Gesellschaft vollzog. Angesichts sei-ner durch starke plebiszitäre Elemente breiten Teilhabemöglichkeiten brauchte das politische System Deutschlands den Vergleich mit dem amerikanischen Modell nicht zu scheuen. Bei einem Vergleich der politischen Kulturen fällt ein Unterschied zwischen Deutschland und den USA jedoch sofort ins Auge:32

30 Anon.: Parlamentarismus, 926.

31 Wiederholt wurden die Ausweitung der Stimmrechte der Afroamerikaner, eine höhere Vielfalt des Parteienspektrums und die Zurückdrängung des Einflusses des Großkapitals als Möglichkeiten zur Demokratisierung des amerikanischen Staatswesens aufgezeigt.

Siehe etwa Anon.: Die Demokratisierung des amerikanischen Staatswesens. In: FZT Nr. 644 vom 12.09.1922, 1 f.

32 Depkat definierte den Begriff der politischen Kultur unter Rückgriff auf Karl Rohe: »Unter

›politischer Kultur‹ soll hier die Gesamtheit aller Symbole, Wertideen und Praktiken ver-standen werden, die die Legitimität einer politischen Ordnung sowie die Autorität ihrer Amtsträger begründen dem politischen Handeln in dieser Ordnung Orientierung geben.

Ein zentrales Feld ›politischer Kultur‹ ist in diesem Zusammenhang der gesamte Bereich des Visuellen, denn Herrschaftsordnungen können nur dann Legitimität und Gültigkeit für sich beanspruchen, wenn sie sich der normativen, wertideellen Grundlagen bewusst sind, auf denen ihre Autorität und ihre regulativen Funktionen beruhen.« Depkat, Volker:

Von Georg II. zu George Washington: Überlegungen zur Visualisierung von Legitimität im Übergang von Monarchie zu Demokratie. In: Reitemeier, Arnd (Hg.): Kommunikation und Kulturtransfer im Zeitalter der Personalunion zwischen Großbritannien und Han-nover: to prove that Hanover and England are not entirely synonymous. Göttingen 2014, 57–78, hier 59; Rohe, Karl: Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung. In: Historische Zeitschrift, Nr. 250 (1990), 321–346.

Die visuelle Inszenierung und Legitimation der demokratischen Ordnung.

Diese wurde in Deutschland zwar an normativen Ideen,33 nicht aber an seinen personalen Institutionen wie dem Reichspräsidenten als Sinnperson der demo-kratisch-pluralistischen Wertearchitektur vorgenommen.

Die amerikanische Demokratie hauchte ihrer auf der Entzauberung der Aufklärung beruhenden politischen Ordnung durch das – auf Rousseau zu-rückgehende – symbolisch-mythologische Konzept der »Civil Religion« den eingebüßten Zauber wieder ein. Auch wenn im Vergleich dazu die Demokratie von Weimar nicht arm an zugkräftigen politischen Symbolen war: Politische Führung und demokratisch übertragene Macht wurden nicht vornehmlich auf die Personen wie etwa den Reichspräsidenten projiziert, sondern auf Abstrakta wie die neue Reichsverfassung,34 die für die breite Masse nicht ohne weiteres greifbar waren.

Die Politiker und damit die politische Ordnung der Weimarer Republik blieben ohne Gesicht,35 Versuche wirkungsvoller politischer Inszenierung ver-fingen nicht. Offenbar wird dies an der visuellen »Prachtentfaltung« des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert, die Zeitgenossen wie Nachgeborenen als deutlich ausbaufähig erscheint. Sie stellt sich als ungenutzte Chance symbo-lisch-politischer Kommunikation dar und verdeutlicht die erfolglose deutsche

»Suche nach symbolischer Repräsentation«.36

33 Wolfram Pyta hat mit Blick auf die mangelhaften Visualisierungsstrategien der demo-kratischen Ordnung der Weimarer Republik auf die essentielle Bedeutung der zentralen normativen Ideen von Institutionen demokratischer Systeme und deren offensive Visua-lisierung und Propagierung hingewiesen: »Firstly, democratic institutions – like all other institutions – can claim legitimacy only if possessing a normative idea of their own exis-tence. Institutions cannot be reduced to regulative and functional dimensions. Instead, the validity of institutions is conclusively guaranteed by normative ideas. Secondly, claims of legitimacy must be made visible, especially under the conditions of popular sovereignty.

The political system can only be stabilized if the normative system behind the institu-tional system is recognizable.« Pyta, Wolfram: Visualizing Democratic Legitimacy and Authority: The Case of the Weimar Republic. In: Depkat, Volker / Zwingenberger, Meike (Hg.): Visual Cultures in Transatlantic Perspectives. Heidelberg 2012, 69–83, hier 69.

34 Vgl. Buchner, Bernd: Politische Symbolik in der Weimarer Republik – wo bleibt die de-mokratische Tradition? In: Schultheiß, Michael / Roßberg, Julia (Hg.): Weimar und die Republik. Geburtsstunde eines demokratischen Deutschlands. Weimar 2009, 161–172, hier 165 f.

35 Thomas Mergel hat der Institution des Reichstages in die Gesellschaft hinein von »Poli-tikern ohne Gesicht« gesprochen und der Weimarer Demokratie »fehlende Bildlichkeit«

attestiert. Vgl. Mergel, Thomas: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik: Poli-tische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag. Düsseldorf 2002, 354 f.

36 Vgl. dazu Mühlhausen, Walter: Im Visier der Fotografen. Reichspräsident Friedrich Ebert im Bild. Heidelberg 2009, 10 f. Wolfram Pyta hat in seiner Hindenburg-Biografie ausgie-big herausgearbeitet, wie stark erstens die Sehnsucht der Deutschen nach personalisierten nationalen Symbolen bereits vor dem Ersten Weltkrieg war und wie Hindenburg sich