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Die »Vermännlichung« der Frau

I. Einführung

2. Frauenbilder und Frauenemanzipation

2.1 Die »Vermännlichung« der Frau

»Wie in Amerika emanzipieren sich die Frauen, drin-gen in alle Berufsarten ein, wollen arbeiten, Geld verdienen, unabhängig leben.«16

Die konfrontative Kollision weiblicher und männlicher Rollenbilder wirkte entscheidend auf den Entstehungsprozess des Bildes der »modernen Frau« in den USA und der UdSSR ein. Artikel und Visuals, vor allem in den Illustrierten

15 Thébaud: Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, 36.

16 Ferrero, Guglielmo: Europas Amerikanisierung. In: DAZ Nr. 174 vom 15.04.1926, 1 f.

und Magazinen, stellten plakativ das Eindringen von Frauen in männliche Lebenswelten dar. Salopp gesagt, waren die männlichsten der männlichen Berufs- und Rollenbilder gerade gut genug, um deren scheinbar unaufhalt-same Eroberung durch die Frau publikumswirksam zu visualisieren und zu beschreiben. Besonders der Bruch eines bis heute kontrovers diskutierten17 geschlechtsbezogenen Tabus wurde in diesem Zusammenhang intensiv rezi-piert: die Ausbildung von Frauen an der Waffe sowie ihr Einsatz als Soldatin-nen. Im Folgenden soll versucht werden, die grundlegenden Analogien und Differenzierungen, die bezüglich dieses wichtigen Teilaspekts vorgenommen wurden, aufzuzeigen.

In der im Jahre 1921 noch unter dem Titel »Sowjetrußland im Bild« er-scheinenden späteren Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) zeigt sich deutlich, wie abhängig die Perspektive auf das Phänomen bewaffneter Frauen18 von der politischen Ausrichtung der Redaktion war. Die visuelle Darstellung der Waf-fenausbildung von Arbeiterinnen (Abb. 3) wurde mit einer Referenz versehen, die eine andauernde militärische Notsituation Sowjetrusslands postuliert und die daraus folgenden verteidigungspolitischen Maßnahmen erläutert:

»Durch die dauernden militärischen und kriegerischen Ueberfälle der imperiali-stischen Staaten war Sowjetrußland gezwungen, seine Arbeiter und Bauern in dem Gebrauch von Waffen auszubilden. Dank dieser Ausbildung […] konnten alle räube-rischen Ueberfälle der profitlüsternen Kapitalisten abgeschlagen und die Grenzen der ersten Arbeiter- und Bauernrepublik gesichert werden.«19

Der im Jahre 1921 im Inneren wie im Äußeren noch unentschiedene Über-lebenskampf Sowjetrusslands dient hier als Legitimation für die Soldaten-ausbildung. Bemerkenswerterweise findet sich im Text jedoch keinerlei In-formation zur weiblichen Beteiligung. Lediglich in Form der Fotografie und

17 Man betrachte die aktuellen, immer wieder aufflammenden Debatten in den USA und Europa, ob und unter welchen Bedingungen weibliche Soldatinnen in Kampftruppen eingesetzt werden sollten. Dazu repräsentativ: Fischer, Sebastian: Die neuen Front-Frauen.

URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/frauen-beim-us-militaer-gleichberechtigung-bei-kamptruppen-bis-2016-a-881944.html (am 25.3.2014). Spiegel Online GmbH, Ham-burg. Und Ders. / Sperber, Sandra: US-Armee: Frauen an die Front. URL: http://www.

spiegel.de/politik/ausland/us-armee-obama-will-frauen-in-kampfeinsaetze-schicken-a- 958709.html (am 01.04.2014). Spiegel Online GmbH, Hamburg.

18 Mit dem Themenkomplex bewaffneter Frauen und deren gesellschaftlicher Rezeption be-fasste sich eine ganze Ausgabe der Zeitschrift WerkstattGeschichte unter dem Titel »Waf-fenschwestern«. Bettina Blum geht explizit auf die 1918/19 gleichzeitig fallenden Klassen- und Geschlechterschranken ein und beleuchtet am Beispiel weiblicher Polizistinnen das Phänomen der bewaffneten Frau. Ulrike Weckel und Dagmar Ellerbrock verweisen auf die gesteigerte Akzeptanz bewaffneter Frauen in existenziellen Bedrohungslagen, wozu Bürgerkrieg und die Systemwirren nach 1917 in Russland durchaus zählen. Vgl. Werk-stattGeschichte. Waffenschwestern. Nr. 64, November 2014.

19 Anon.: Freiheit und Proletarische Wehr. In: SIB, 1921, Nr. 5, 35 (Jahresausgabe).

der dazugehörigen Bildunterschrift (»Arbeiter und Arbeiterinnen üben sich im Gebrauch der Waffen.«)20 wird dieser Umstand deutlich. Dieses erste und in chronologischer Hinsicht frühe Beispiel gibt Anlass zu der Annahme, dass sich visuelle und textuelle Ebene qualitativ voneinander unterscheiden: Die textuelle Benennung (Sagbarkeit) bewegt sich bei diesem Beispiel in ihrer Ausdrucksfreiheit auf einer niedrigeren Ebene als die visuelle Darstellung (Zeigbarkeit). Im Visual werden Frauen als im Kollektiv eingereiht gezeigt;

eine Rollenunterscheidung wird demonstrativ unterlassen. Wie der männliche Teil der russischen Bevölkerung sind Frauen gleichermaßen Teil der – mit den Worten der Zeit gesprochen – entindividualisierten Masse, auf die sich der ganze sowjetische Gesellschaftsentwurf ideologisch stützt. Sie sind nicht mehr auf das individuelle, private Wirken in der sozialen Kleinsteinheit Familie beschränkt, sondern Teil des großen politischen und sozialen Neubeginns in Russland – und eben seiner Verteidigung.

Der Einsatz dieses Visuals und die Bildkomposition bieten Anhaltspunkte dazu, welche Wirkung beim Betrachter erzielt werden soll. Bezieht man Über-legungen über Qualität und Intentionalität medialer Inhalte21 auf dieses kon-krete Beispiel, ist hier eine Neuorganisation von Werten beabsichtigt. Diese

20 Ebd.

21 Zusammengefasst: Hubig, Christoph: Medialität / Medien. In: Sandkühler, Hans Jörg: En-zyklopädie Philosophie, Bd. 2 (I-P). Hamburg 2010, 1516–1522.

Abb. 3: Anon.: Freiheit und Proletarische Wehr. In: SIB, 1921, Nr. 5, 35. Frauen wurden visuell als zentrale Stütze der Verteidigung des Bolschewismus dargestellt.

fußt auf der Einheit der textovisuellen Darstellung mit ihrem beabsichtigten Ziel einerseits und der erwarteten Perzeption andererseits.22 Die Produzenten waren sich des Tabubruchs, der sich in der visuellen Darstellung von Frauen in Waffen manifestierte, nicht nur bewusst, sondern nutzten die dadurch generierte Aufmerksamkeit23 zur Verknüpfung der Textualisierung des pro-pagandistischen Topos vom politischen Überlebenskampf mit der Visualisie-rung der unterschiedslosen MobilisieVisualisie-rung – gerade auch der Frauen. Dadurch ergibt sich ein Legitimationszusammenhang von der Ideologie über das darauf basierende und zu verteidigende politische System bis hin zur Mobilisierung, welche letztlich, ideologisch wie auch praktisch begründet, alle Glieder der Gesellschaft einschließen müsse.

Die prominente Darstellung von Frauen im Vordergrund der Fotografie verdeutlicht deren zentrale Bedeutung für die Verteidigungslinie, die das rus-sische Proletariat und Bauerntum zum Schutze der neuen politischen Ord-nung zu bilden scheint. Der propagandistische Zweck der Aufnahme ist an mehreren Details zu erkennen: Die im 18. und 19. Jahrhundert zum taktischen Standardrepertoire zählende Formation »in Linie«, wie sie auf dem Foto zu sehen ist, war bereits seit langem veraltet. Sie verleiht allerdings als fest ge-schlossene, undurchdringliche Reihe der beabsichtigten Botschaft bestmög-lichen symbolischen Ausdruck.

Über den gesamten Untersuchungszeitraum und in allen untersuchten Pu-blikationen finden sich vergleichbare Referenzen. Gemäß ihrer Einstellung gegenüber der Ideologie der Bolschewiki zeigen diese unterschiedliche Be-wertungen des Dargestellten auf, ähneln sich aber in der fotografischen wie

22 Diese Verknüpfung des Mittels, hier die textovisuelle Darstellung bewaffneter Frauen, mit einem Ziel, hier die Betonung der Wichtigkeit des politischen Systems Sowjetruss-lands und die Entschlossenheit zu seiner Verteidigung, erfüllt die klassische Definition eines Mediums als sogenanntes »inneres Mittel« nach John Dewey (1859–1952): »dium bezeichnet vorrangig ein Vermittelndes […]. Doch nicht alle Mittel sind auch Me-dien. Es gibt zwei Arten von Mitteln. Die eine ist dem, was ausgeführt wird, äußerlich;

die andere wird in die erzeugten Ergebnisse aufgenommen und bleibt ihnen immanent […]. Doch mit dem Moment, das wir Medien nennen, beziehen wir uns auf Mittel, die mit dem Ziel verbunden sind.« Dewey, John: Kunst als Erfahrung. Frankfurt a. M.

1980, 229.

23 Das Moment der Aufmerksamkeit ist im speziellen Zusammenhang des Mediums Il-lustrierte Zeitung zu bewerten. Die Funktion von bildlichen Darstellungen in solchen Publikationsformen hat nicht nur die Informationsvermittlung zur Aufgabe, sondern zusätzlich auch die des Gewinnens von Aufmerksamkeit. Diese erweiterten Anforderun-gen lieAnforderun-gen in dem speziellen, mediumbedingten Leseverhalten begründet: »Readers of magazines […] may flick through the magazine, stopping every now and again to look at a picture or read a headline, and perhaps returning later to some of the articles which drew their attention […]. Yet in many pages composition does set up particular hierarchies of the movement of the hypothetical reader with and across their different elements.«

Kress / van Leeuwen: Reading Images, 204.

textlichen Zusammensetzung stark.24 Anstatt nun aber eine Reihung von immer gleichen, lediglich illustrierenden Beispielen vorzunehmen, ist eine vergleichende Betrachtung sinnführender. Der Abgleich mit Beispielen inner-halb der AIZ und, darauffolgend, aus weiteren Publikationen wird Analogien und Differenzierungen verdeutlichen.

Die Relevanz publizistisch-ideologischer Selbstverortung wird im Falle der AIZ besonders augenfällig, wenn man das Thema »Frau in Waffen« anhand vergleichbarer Beiträge zu den USA betrachtet. Diesbezügliche Visuals, die neben ihrer Bildunterschrift zunächst nicht weiter kontextualisiert sind, spre-chen eine eindeutige Sprache (Abb. 4).

In diesem prägnanten Beispiel aus dem Jahr 1927 werden amerikanische Frauen, genauer Studentinnen, ebenfalls bewaffnet und in quasimilitärischer Formation gezeigt. In der Flucht der Fotografie sind das politische System und die mahnende Geschichte der USA durch das Lincoln Memorial visuell integ-riert und so mit den Studentinnen im Vordergrund identifiziert. Nicht nur die Möglichkeit eines klassenkämpferischen Bürgerkriegs, in dem die militärische Macht des Präsidenten wie auch die Eliten stramm hinter den Interessen des Kapitals stünden, wird hier insinuiert. Die Explikation des Bürgerkriegs in der Bildunterschrift ergibt überdies Sinn, wenn man die AIZ als Anwalt der UdSSR im deutschen öffentlichen Diskurs versteht. Gemäß dieser Rolle suchte sie neben anderen »westlichen« Nationen auch die Vereinigten Staaten als ideologisches Konkurrenzmodell zu diskreditieren.

Die hier verfolgte Strategie des Absprechens und Zuschreibens von Legi-timität wird im Vergleich deutlich. Im vorhergehenden Beispiel wurde der Gegner im Überlebenskampf Sowjetrusslands externalisiert, also ausschließ-lich mit äußeren kapitalistischen Kräften identifiziert. Im Falle der USA wird hingegen ein gesamtgesellschaftlicher Konflikt ausgemacht und als

vermeint-24 Zusammenfassend wurden in der AIZ Frauen mit Waffe immer dann als legitim dar-gestellt, wenn sie diese in den Dienst der richtigen, sprich kommunistischen Ideologie stellten. Der nationalsozialistische ILB lehnte bewaffnete Frauen generell ab, unter der roten Fahne der Bolschewisten naturgemäß umso entschiedener. Gemäßigte Illustrierte wandten sich ebenfalls generell gegen Frauen in Waffen. Unter anderem: Anon.: Soldaten der Roten Armee (darunter auch weibliche) auf einem Platz in Moskau. In: Zeitbilder.

Beilage zur Vossischen Zeitung, 1921, Nr. 41, 2. Und: Anon.: Im Zeichen der Abrüstung!

In: ILB, 1926, Nr. 5, 2. Und: Anon.: Frauen im Krieg. In: AIZ, 1927, Nr. 30, 7. Und: Binz:

In’s Jahr der Abrüstung 1929. In: ILB, 1929, Nr. 1, 2–3. Und: Anon.: Rußland-Konflikt mit China. In: BIZ, 1929, Nr. 33, 1. Und: Feiler, Arthur: Die Diktatur des Bolschewismus. Aus dem Tagebuch einer russischen Reise. Der Druck der Diktatur und seine Folgen. In: FZT Nr. 723 vom 28.09.1929, 1 f. Und: Anon.: Aus der Sowjet-Republik. In: ILB, 1929, Nr. 49, 660 (Jahresausgabe). Und: Anon.: Verteidigt die Sowjetunion. In: AIZ, 1930, Nr. 31, 610 (Jahresausgabe). Und: Anon.: Mädchengarde in Sowjet-Rußland. In: RDM, 1931, Nr. 10, 1062 (Jahresausgabe). Und: Herrlich: Russische Bilderbogen. Die Armee. MIP, 1931, Nr. 51, 1606 (Jahresausgabe).

lich heraufziehender Bürgerkrieg internalisiert. Dadurch wird die Ausbildung amerikanischer Frauen an der Waffe auf mehreren Ebenen delegitimiert, so-wohl moralisch als auch völkerrechtlich.

Entgegen dem publizistischen Mainstream ging es der AIZ nicht um eine grundsätzliche Kritik am Einsatz bewaffneter Frauen. Entscheidend war viel-mehr die Frage nach der Art des Konfliktes beziehungsweise dem überge-ordneten Ziel des Kampfes. Darstellungen bewaffneter Frauen reihen sich in der AIZ in eine Kontinuitätslinie ein, die die propagandistische Beschwö-rung einer militärischen Bedrohung der UdSSR durch kapitalistische, zum Krieg gegen den Kommunismus rüstende Mächte zu einem weitertragenden Bedrohungs narrativ aufbaute.25 Damit ging auch das Werben um Verständnis für die massive Aufrüstung der Sowjets selbst einher.

25 Mit dieser Rüstungskritik steht die AIZ allerdings nicht alleine. Alle Tageszeitungen und Illustrierten befassten sich eingehend mit der massiven weltweiten Rüstungstätigkeit, insbesondere der der USA. Aus ihrer Sicht verletzte diese alle Selbstverpflichtungen der Siegermächte zur Abrüstung und diskreditierte darüber hinaus die im Versailler Vertrag niedergelegten Rüstungsbeschränkungen für Deutschland.

Abb. 4: Anon.: Aus Aller Welt. An der George Washington-Universität üben die Studen-tinnen zum Bürgerkrieg. In: AIZ, 1927, Nr. 18, 16. Die angebliche Einheit militärischer Macht, Kapitalismus und »reaktionärer Aggression« wird hier visuell auf den Punkt gebracht.

Die hier herausgestellte Differenzierung zeigt, dass die generell kontrovers diskutierte »Vermännlichung der Frau« ausnehmend gut zur Einflechtung ideologischer und auch realpolitischer Propaganda geeignet war. Immer dann, wenn der selbst empfundene politische Auftrag das Primat vor Beobachtung und Beschreibung hatte, zeigt sich der instrumentelle Charakter dieses The-mas besonders deutlich. Politisch gemäßigte Illustrierte argumentierten gene-rell gegen bewaffnete Frauen und deren befürchtete Vermännlichung, verzich-teten aber (weitgehend) auf ideologische Einordnungen.26 So steht hier denn auch weniger die politisch motivierte Kämpferin im Fokus der Betrachtung.

Die bewaffnete Frau wird als internationales, jedoch von politischen Systemen und Ideologien unabhängiges Zeitphänomen gedeutet.

Dies wird an einer doppelseitigen Bildreportage der Münchner Illustrier-ten Presse (MIP) deutlich, die sich in ihrer Ausrichtung auf ein bürgerliches Publikum zwar nicht als überparteilich, aber doch als unideologisch ver-stand (Abb. 5). Das bewusste Nebeneinanderstellen visueller »Belege« malt das Szenario einer weltweit um sich greifenden Militarisierung und Amazonisie-rung27 der Frau und übt generelle Zeitkritik.

In der Anordnung der Fotografien ist folglich keine Unterteilung nach politisch-ideologischen Aspekten zu erkennen. Englische Faschistinnen und Gesellschaftsdamen (rechts oben) stehen ohne erkennbaren Zusammenhang neben »zionistischen Schiffsoffizierinnen« (Mitte) und paradierenden sow-jetischen Frauenbataillonen samt Gasmaske (rechts unten). Auf der linken Hälfte der Doppelseite sind italienische Faschistinnen (oben), eine chinesische Offizierin (rechts), sowie die französische Forstmeisterin Herzogin d’Uzés dargestellt (links) – die beiden letztgenannten in militärischer Grundstellung.

Dazwischen hält die Vorsitzende des Schützenclubs der Universität von Kan-sas ein Gewehr im Anschlag.

Erkennbar wird das Bemühen der MIP-Redaktion, möglichst viele Beispiele für den behaupteten globalen Trend einer Militarisierung der Frau (in willkür-licher Auswahl) zu einem visuell eindrücklichen Tableau zusammenzustellen.

Darüber hinaus scheint hier jedoch keine (partei-) politische Agenda verfolgt zu werden. Der Text des Beitrags gibt allerdings Hinweise auf eine, dem

bür-26 Von kleinen Textteilen, über Fotos mit und ohne Bildunterschrift, bis hin zu mehrseitigen Artikeln, taucht das Schlagwort der Vermännlichung der Frau, vor allem auch im Zusam-menhang mit bewaffneten Frauen häufig auf. Unter anderem: Anon.: Nun aber genug!

Gegen die Vermännlichung der Frau. In: BIZ, 1925, Nr. 13, 4. Und: Anon.: Mitglieder eines New-Yorker Schwimmclubs beim Bogenschießen. Preisfrage: Wieviel Männer sind hier dabei? Ebd., 933. Und: Anon.: Die Frau als Soldat. In: RDM, 1928/29, Nr. 10, 1092 f.

(Jahresausgabe). Und: Anon.: Die andere Seite. Die Vermännlichung der Amerikanerin macht große Fortschritte. In: MIP, 1930, 740 f. (Jahresausgabe).

27 »Amazonisierung« will hier die gleichzeitige Politisierung, Militarisierung und Libera-lisierung (von männlicher Bevormundung) auf den Begriff bringen, wie sie das hier be-schriebene und kritisierte Frauenbild zeichnet.

gerlichen Publikum der MIP naheliegende, zeitkritische Fokussierung. Die generelle Ablehnung weiblicher Soldatinnen wird mit explizitem Verweis auf die hergebrachte Zuweisung der Aufgabe des Kampfes an den Mann vertreten:

»Es hängt mit der Vermännlichung der Frau in unseren Tagen zusammen, ja, es ist ein charakteristisches Merkmal dieser unserer Zeit, die der Frau dieselben Rechte und Pflichten zugesteht, wie den Männern, daß man sie sogar zu Soldaten macht. Diese Aufgabe war zu allen Zeiten ein rein männliches Reservatrecht. In vielen Staaten erhalten, wie unsere Bilder zeigen, die Frauen jetzt militärische Ausbildung. Wie weit sie sich für das Kriegshandwerk eignen, wird die Zukunft hoffentlich nicht zeigen.«28 In diesem kurzen Abschnitt wird die kontroverseste Form der Vermänn-lichung, die Militarisierung der Frau als abzulehnendes Zeitphänomen iden-tifiziert. Interessant erscheint hierbei, dass der Beitrag eine Fremdsteuerung der Frauen suggeriert: Die präsentierte visuelle Phalanx moderner Amazonen wird nicht etwa mit einem selbstgesteuerten Fortschritt zu gleichberechtigter, in diesem Falle sogar gleichverpflichteter staatsbürgerlicher Teilhabe konno-tiert, sondern weist Frauen einmal mehr die Rolle eines von Männern

kont-28 Anon. (W. F.): Amazonen von heute.

Abb. 5: Anon. (W. F.): Amazonen von heute. In: MIP, 1927, Nr. 33, 27. Durch ein foto-grafisches Panorama wird die weltweit voranschreitende Militarisierung der Frau suggeriert.

rollierten und auch weiterhin zu kontrollierenden Objekts zu. Die bewaffnete Frau als Soldatin stellt die heftigste Kollision traditioneller Frauenbilder mit männlich geprägten dar. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass das Konstrukt der »Amazone« dabei, auch in der langen historischen Perspektive, oftmals mit einer Sexualisierung des Frauen- und Kriegerinnenkörpers einherging.29 Weitaus weniger aufgeregt wurde das Aufkommen weiblicher Polizistinnen thematisiert.30 Hier stand im Gegensatz zur stark kritisierten Militarisierung der Frauen die Darstellung aus Interesse am Ungewöhnlichen im Vorder-grund. Dennoch lassen sich auch hier, wiederum im Falle der AIZ, Tendenzen zu einer ideologischen Einordnung ausmachen. Ein Auszug aus dem Begleit-text zu einer Bildreportage über Polizistinnen in Westeuropa und den USA legt als Grund für deren Aufstellung Interessen des Großkapitals respektive des Faschismus nahe:

»Die bürgerlich-kapitalistischen Länder entwickeln sich immer mehr zu Polizei-staaten. Da sich die Klassengegensätze zuspitzen, ist man bemüht den Macht- und Abwehrapparat der herrschenden Oberschicht auszubauen und zu erweitern. […]

Obwohl man erst in wenigen deutschen Städten wie in Dresden, usw. Straßenpolizi-stinnen kennt und gerne davon erzählt, dass die weibliche Polizei vor allem sozialen Zwecken dient, so zeigt doch die Entwicklung der ausländischen Frauenpolizei, wohin man mit dieser Erweiterung des Polizeiapparats eigentlich will. Die in allen bürgerli-chen Ländern fieberhaft organisierten faschistisbürgerli-chen Frauenorganisationen sind Re-servetruppen der Reaktion, die in der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Ar-beit eine Rolle spielen […]. Die ArAr-beiterschaft kann in der Eingliederung von Frauen in den Polizeidienst keinen Fortschritt sehen, sondern nur eine neue Methode um den bürgerlichen Staat gegen den Ansturm der proletarischen Klasse zu verteidigen.«31 Ansonsten findet sich kein flächendeckendes Bewusstsein dafür, dass es sich beim weltweit (einschließlich der UdSSR) quantitativ zunehmenden weib-lichen Polizeipersonal um ein Problem handeln könne. Vielmehr tendierte die Wahrnehmung von Polizistinnen zur sachlichen Feststellung einer zwar neuen, aber neutral bewerteten Entwicklung.32 Dennoch sind Darstellungen

29 Vgl. dazu Hopfner, Carla: Die Actionheldin und ihre antiken Vorbilder, in: Keller, Jo-hannes / Kragl, Florian (Hg.): Heldinnen. 10. Pöchlarner Heldenliedgespräch 2008, Wien 2010, 33–54.

30 Vgl. unter anderem: Anon.: Frauen als Polizistinnen in Russland. In: DKM, 1929, Nr. 7, 10.

31 Anon.: Weibliche Polizei. In: AIZ, 1928, Nr. 9, 7.

32 Diese neutrale Haltung wird auch dadurch deutlich, dass weibliches Polizeipersonal auch des Öfteren zum Gegenstand der in der BIZ sehr beliebten alljährlichen Aprilscherze avancierte. Die Ungezwungenheit, mit der z. B. die angeblich kürzlich erfolgte Aufstel-lung einer Einheit Badeanzug tragender Strandpolizistinnen in Miami vermeldet wurde, vermittelt einen Eindruck von der eher schwach ausgeprägten gesellschaftlichen Spreng-kraft des Themas. Anon.: Die neue amerikanische Strandpolizei: Ordnungspolizistin im Seebad Miami (Florida). In: BIZ, 1925, Nr. 14, Titel.

von Polizistinnen angesichts der visuellen Egalisierung von Geschlechtsunter-schieden im Kontext staatlicher Ordnungsorgane keinesfalls zu vernachlässi-gen. Sie bilden eine wichtige Facette des sich neuformierenden Frauenbildes der Zeit. Die Aufweichung der konnotativen Verknüpfung von männlichem Rollenbild und dem Exekutivorgan Polizei erschafft Freiräume für die sich verändernde Wahrnehmung der Frau und ihrer gesellschaftlichen Sphäre.

Im Gegensatz zu weiblichem Polizeipersonal genoss die Pilotin als Er-scheinung der 1920er Jahre größere Aufmerksamkeit, insbesondere in den Illustrierten. Die ersten Bezugnahmen auf Frauen in der Fliegerei bezogen sich dabei zunächst auf Beispiele aus Deutschland.33 Deren Darstellung be-schränkte sich beinahe ausschließlich auf die visuelle Ebene. Der Eindruck, dass die gewissermaßen dekorative, auf optische Reize reduzierte oder auf den Sensationseffekt abzielende Funktion der Darstellung weiblicher Pilo-tinnen im Vordergrund steht, wird dadurch verstärkt, dass diese vor allem auf den Titelseiten der Illustrierten zu finden sind.34 An dieser Position fand sich in der Regel kein Inhalt, der später im Innenteil vertieft wurde oder die thematische Ausrichtung der jeweiligen Ausgabe bestimmte. Um die Bedeu-tung der visuellen Darstellung fliegerisch tätiger Frauen in einem größeren Zusammenhang zu bewerten, müssen einige Aspekte im Vergleich zwischen einzelnen Publikationen verdeutlicht werden.

Pilotinnen wurden meist selbstbewusst in voller Fliegermontur vor ihren Maschinen in Szene gesetzt. In den Redaktionen gemäßigt-liberaler Illustrier-ter überwog die Anerkennung dieses neuen Typs Frau. Der Blick in die Ferne,

Pilotinnen wurden meist selbstbewusst in voller Fliegermontur vor ihren Maschinen in Szene gesetzt. In den Redaktionen gemäßigt-liberaler Illustrier-ter überwog die Anerkennung dieses neuen Typs Frau. Der Blick in die Ferne,