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Räumlicher Anwendungsbereich

A. Überblick: die geplante EU-Verordnung zum Erbrecht

II. Aktuelle Entwicklung, Stand des Rechtsetzungsverfahrens

2. Räumlicher Anwendungsbereich

Bereits unter Geltung des EGV kam drei europäischen Mitgliedstaaten eine Sonderrolle zu. Während sich Dänemark generell nicht an Gesetzgebungsver-fahren auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit beteiligte, hatten sich Großbritannien und Irland eine sog. Opt-in-Möglichkeit ausbedungen424. Hieran hat sich auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Wesentlichen nichts geändert. Durch Art. 7 des Protokolls Nr. 22 ist Dänemark nun zwar fak-tisch ebenfalls die Möglichkeit eines Opt-in eingeräumt425. Bislang gibt es je-doch keinerlei Anzeichen dafür, dass hiervon Gebrauch gemacht werden könnte.

Auch Großbritannien und Irland haben angekündigt, sich nicht an der Verord-nung beteiligen zu wollen426. Geht man einmal davon aus, dass es sich hierbei nicht lediglich um ein politisches Taktieren zur Durchsetzung der eigenen nati-onalen Interessen handelt427, würde dies bedeuten, dass die vorgeschlagene Ver-ordnung lediglich in 24 der insgesamt 27 Mitgliedstaaten in Kraft tritt. Artikel 1 Abs. 2 ErbVO-E lautet dementsprechend:

423 Die Erbfolge nach der deutschen Höfeordnung bliebe also unberührt, Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (162 f.); Wagner, DNotZ 2010, 506 (516).

424 Protokoll Nr. 5 zum EUV/EGV, veröffentlicht im ABl EU 2002 Nr. C 325 vom 24.12.2002, 1 (33); Art. 3 des Protokolls Nr. 4 zum EUV/EGV, veröffentlicht im ABl EU 2002 Nr. C 325 vom 24.12.2002, 1 (33).

425 Art. 7 des Protokolls Nr. 22 zum Vertrag von Lissabon i.V.m. dem Anhang zu diesem Protokoll, veröffentlicht im ABl EU 2008 Nr. C 115 vom 09.05.2008, 201 (299).

426 Wagner, DNotZ 2010, 506 (511); Brand, DRiZ 2010, 131; Buschbaum/Kohler GPR 2010, 106 (107).

427 Dahingehende Befürchtungen äußern Buschbaum/Kohler GPR 2010, 106 (107, Fn. 20).

„In dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedstaat“ alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks [, des Vereinigten König-reichs und Irlands].“

Nachdem hier Bedeutung und Auswirkungen des so eingeleiteten Verordnungs-vorschlags untersucht werden sollen, muss diese Einschränkung in gleicher Weise für die vorliegende Darstellung gelten. „Mitgliedstaat“ oder „Unions-staat“ meint im Folgenden also – entsprechend dem Stand der Dinge bei Ab-schluss der Recherche – nicht Dänemark, nicht das Vereinigte Königreich und auch nicht Irland.

3. Loi uniforme Art. 25 ErbVO-E lautet:

„Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzu-wenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaates ist“.

Damit ist klargestellt, dass die europäischen Kollisionsnormen nicht nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch gegenüber Drittstaa-ten Geltung verlangen. Die Verordnung soll sog. loi uniforme werden428. Zwar wird mit Blick auf das Binnenmarktziel und das unionsrechtliche Subsi-diaritätsprinzip429 vereinzelt noch immer vertreten, die bereits angesprochene Rechtsetzungskompetenz der Union (Art. 81 Abs. 2 AEUV) decke eine solche

428 Dörner, ZEV 2005, 137 (138); Mansel, FS Ansay, 185 (195 f.); Com(2005) 65 final, 5.

429 Verschiedene mitgliedstaatliche Parlamente haben von dem in den Art. 6 und 7 des 2. Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (veröffent-licht im ABl EU 2004 Nr. C 310 vom 16.12.2004, 207) eingeführten „Frühwarnsystem“ Ge-brauch gemacht (vgl. hierzu: Uerpmann-Wittzack/Edenharter, EuR 2009, 313 ff.) und im Hin-blick auf einzelne Regelungsbereiche des Verordnungsvorschlags der Kommission eine Verlet-zung des Subsidiaritätsprinzips gerügt. Die Stellungnahmen der nationalen Parlamente sind im Internet abrufbar unter http://www.ipex. eu/ipex/cms/home/Documents/dossier_COD2 0090157/lang/fr, vgl. Buschbaum/Kohler GPR 2010, 106 (107).

universelle Regelung nicht ab430. Die Kritiker selbst haben jedoch mittlerweile erkannt, dass ihre Einschätzung allenfalls noch als rechtspolitisches Postulat gelten kann, welches die Rechtswirklichkeit kaum mehr berühren dürfte431. Der EuGH hat 2005 entschieden, dass ein Binnenmarktsbezug nicht nur dann bestehen kann, wenn der konkrete Sachverhalt eine Verbindung zu mindestens zwei Mitgliedstaaten aufweist. Vielmehr diene auch die Vereinheitlichung der nationalen Kollisionsvorschriften als solche der Beseitigung von Hemmnissen für das Funktionieren des Binnenmarktes432. Auch wenn die betreffende Ent-scheidung zum EuGVÜ und damit gerade nicht zu der vormals in Art. 65 EGV verorteten unionsrechtlichen Ermächtigungsnorm erging, kam in den allgemein formulierten Ausführungen des Gerichts deutlich zum Ausdruck, dass der hier wie dort erforderliche Bezug zum europäischen Binnenmarkt einen unionsinter-nen Auslandsbezug nicht zwingend voraussetzt433. Dieser Beurteilung folgend differenzieren auch die beiden434 bereits in Kraft getretenen Verordnungen zum europäischen internationalen Privatrecht „Rom II“435 und „Rom I“436 nicht zwi-schen Binnenmarktsachverhalten und Drittstaatenkonstellationen437. Wenn aber selbst Art. 65 EGV eine hinreichende Rechtsetzungskompetenz für den Erlass

430 Kindler, IPRax 2010, 44 (48); Rauscher, Einf EG-ErbVO-E, Rn. 4.

431 Kindler bezeichnet seine eigene Forderung nach einer Beschränkung auf reine Binnenrechts-sachverhalte als „unrealistisch“, IPRax 2010, 44 (48).

432 EuGH Rs C-281/02, IPRax 2005, 244 ff.

433 Mansel, FS Ansay, 185 (195 ff.); Jayme/Kohler, IPRax 2005, 481 f.; a.A. wohl Kindler, IPRax 2010, 44 (48).

434 Die UnterhaltsVO verweist mit Blick auf das anwendbare Recht lediglich auf das Haager Proto-koll vom 23. November 2007 und kann daher in diesem Zusammenhang nicht herangezogen werden, Art. 15 UnterhaltsVO.

435 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), veröffentlicht im ABl EU 2007 Nr. L 199 vom 31.07.2007, 40 ff..

436 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), veröffentlicht im ABl EU 2008 Nr. L 177 vom 04.07.2008, 6 ff.

437 Der jeweilige Art. 2 der Verordnungen ist wortgleich mit Art. 25 des Vorschlags der Kommissi-on.

dieser universell anwendbaren Verordnungen zu begründen vermochte438, so muss dies erst recht für den seit dem 01.12.2009 maßgeblichen Art. 81 Abs. 2 AEUV gelten. Wie bereits dargestellt (III.), haben sich die Mitgliedstaaten in Lissabon – wohl auch als Reaktion auf die anhaltende Kritik bzw. die Zweifel an der Rechtsetzungskompetenz der EU – darauf verständigt, die Regelungen zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom Binnenmarktziel zu entkoppeln439. Der auf dieser Grundlage entstandene Art. 81 AEUV sollte in je-dem Fall geeignet sein, auch ein loi uniforme zu rechtfertigen440.

Unabhängig von der Frage nach der erforderlichen primärrechtlichen Kompe-tenz wird die geplante Einführung eines Unionsinstruments mit universeller Geltung nahezu einstimmig begrüßt441. Sie erspart den mitgliedstaatlichen Ge-richten nicht nur die schwierige Abgrenzung von Binnenmarkt- und Drittstaa-tenkonstellationen, sondern verhindert vor allem das Entstehen eines zweigleisi-gen und somit für den Rechtsanwender kaum zu handhabenden Kollisions-rechts442.