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Die Anknüpfungen der §§ 343, 344 FamFG

II. Untersuchung von seit Inkrafttreten des FamFG problematischen Punkten

1. Die Anknüpfungen der §§ 343, 344 FamFG

Für die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte war bis zum 01.09.2009 grundsätzlich allein das anwendbare Sachrecht maßgeblich. Seit dem Inkrafttreten des FamFG sind nunmehr erstmals auch im Bereich der Nach-lasssachen eigenständige Zuständigkeitsvoraussetzungen zu prüfen. Vor diesem

296 Bork/Jacoby/Schwab/Lähnig § 343, Rn. 4; Bahrenfuß/Schaal § 343, Rn. 17; Bassenge/Roth § 343, Rn. 3.

297 Selbstverständlich können jedoch auch in diesem Bereich Vorfragen eine Rolle spielen, die dann – allgemeinen Grundsätzen folgend – selbstständig anzuknüpfen sind, vgl. Bachmayer BWNotZ 2010, 146 (150 f.).

Hintergrund stünde zu vermuten, dass sich eine Vielzahl an neuen Problemen aus der Auslegung und dem Umgang mit den Anknüpfungskriterien der §§ 343, 344 FamFG ergibt.

a. Allgemeines

Im Allgemeinen bergen insbesondere die folgenden Aspekte zum Teil erhebli-che Komplikationen: Zunächst ist fraglich, welerhebli-che Rechtsordnung für die Be-stimmung der Anknüpfungskriterien maßgeblich ist. Ist dies geklärt, bleibt häu-fig das konkrete Verständnis der berufenen Rechtsordnung von den einzelnen Voraussetzungen umstritten. Wie sich bereits aus den bisherigen Ausführungen (A.II.2, 3. und B.I.3.c.) ergibt, sind beide Fragestellungen im vorliegend rele-vanten Bereich jedoch mit keinerlei (neuen) Schwierigkeiten verbunden. Die Bestimmung der Anknüpfungsmomente der §§ 343 f. FamFG richtet sich – all-gemeinen Grundsätzen folgend – in sämtlichen Konstellation nach der lex fori298. Die mithin nach deutschem Recht zu beantwortenden Folgefragen: Unter welchen Voraussetzungen ist von einem „Wohnsitz“ auszugehen? Was meint

„Aufenthalt“? etc., stellten sich in gleicher Weise bereits im Rahmen des § 73 FGG, so dass insofern auf eine über Jahrzehnte gewachsene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann299. Die hinsichtlich des Aufenthaltsbegriffs für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit vereinzelt vertretene teleologische Reduktion300 ist zu Recht auf allgemeine Ablehnung gestoßen301. Neue Probleme sind daher allenfalls hinsichtlich der Varianten der §§ 343, 344 FamFG zu er-warten, denen es an entsprechenden Vorgängerbestimmungen fehlt.

298 Savigny/Schäuble in: Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 1864; Bahrenfuß/Schaal § 343, Rn. 6; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff § 105, Rn. 4.

299 Vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Tschichoflos § 343, Rn. 1; Keidel/Zimmermann § 343, Rn. 1, 36;

Bumiller/Harders § 343, Rn. 1; Kroiß ZEV 2009, 493.

300 Schäuble, ZErb 2009, 200 (206).

301 Wittkowski, RNotZ 2010, 102 ff. (108); Bachmayer, BWNotZ 2010, 146; MK ZPO/J. Mayer § 343 FamFG, Rn. 15; Bumiller/Harders § 343, Rn. 6; a.A.: Savigny/Schäuble in: Haus-mann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 1864.

b. § 343 Abs. 3 FamFG

Die Belegenheitszuständigkeit nach § 343 Abs. 3 FamFG ist nicht mehr wie die Vorgängernorm des § 73 Abs. 3 S. 1 FGG auf den im Inland belegenen Nach-lass beschränkt, sondern eröffnet die Zuständigkeit deutscher NachNach-lassgerichte für sämtliche Nachlassgegenstände des Erblassers. Zur Begründung verweist der Gesetzgeber darauf, dass nach der mit § 105 FamFG vollzogenen Abkehr vom Gleichlaufgrundsatz eine Einschränkung schlicht nicht mehr erforderlich ist302. Die hiermit verbundene Zuständigkeitserweiterung ist für sich betrachtet zwar grundsätzlich unproblematisch, im Zusammenspiel mit der aus § 73 Abs. 3 S. 1 FGG übernommenen, nicht weiter eingeschränkten Anknüpfung an die Bele-genheit jedweder Nachlassgegenstände, dürfte sie allerdings zu Schwierigkeiten führen:

Zimmermann weist darauf hin, dass § 343 Abs. 3 FamFG eine umfassende Zu-ständigkeit selbst dann begründet, wenn ein Ausländer lediglich eine Reiseta-sche in einem Hotel in Deutschland hinterlässt303. Auch wenn dieses Beispiel bewusst überspitzt formuliert ist, offenbart es ein nicht von der Hand zu weisen-des Problem. Während die unter Umständen äußerst schwache Anknüpfung weisen-des

§ 73 Abs. 3 S. 1 FGG an die im Bezirk eines Nachlassgerichts befindlichen Nachlassgegenstände angesichts der eingeschränkten Reichweite der Vorschrift und der ungleich geringeren Bedeutung der örtlichen Zuständigkeit (vgl. oben 2.

Kap. A.III.) noch vertretbar erschien, dürften die §§ 105, 343 Abs. 3 FamFG in einer Vielzahl von Fällen zu einer nicht gewollten internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte führen. Zwar sollten sich die betreffenden Konstel-lationen häufig unter Verweis auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis bzw. den nicht ausreichenden Inlandsbezug korrigieren lassen304, wie die insofern ver-gleichbaren Bemühungen um eine restriktive Anwendung des § 23 ZPO zeigen,

302 BT-Drs 16/6308, 277.

303 Zimmermann, ZEV 2009, 53 (55); ähnlich BeckOK BGB § 2369/Siegmann/Höger, Rn. 1, die einen in Karlsruhe hinterlassenen Schönfelder in den Blick nehmen.

304 Vgl. insofern selbst Zimmermann, ZEV 2009, 53 (57).

geht der Rückgriff auf die damit umschriebenen, letztlich nicht klar abgrenzba-ren Kriterien jedoch stets zu Lasten der Rechtssicherheit305.

c. § 344 Abs. 7 FamFG

Eine weitere problematische Neuerung enthält § 344 Abs. 7 FamFG. Da diese Vorschrift jedoch bereits im Rahmen der nach altem Recht als Annex zu § 2369 Abs. 1 BGB a.F. von der Rechtsprechung bejahten Annahmezuständigkeit be-handelt wurde, kann insofern nach oben verwiesen werden (B.I.3.b.aa.(3)(c)).

Geht man richtigerweise davon aus, dass § 344 Abs. 7 FamFG entsprechend der ausdrücklichen Anordnung des § 105 FamFG doppelfunktionalen Charakter hat306, so stellen sich verschiedene Folgefragen. Umstritten ist insbesondere, ob

§ 344 Abs. 7 FamFG auch auf die Entgegennahme der Anfechtungserklärung betreffend die Annahme der Erbschaft (§§ 1955 S. 1, Alt. 1, 1956 BGB) sowie die Anfechtungserklärung nach § 2308 Abs. 1 BGB anzuwenden ist und ob die Zuständigkeit lediglich die Aufnahme der angesprochenen Erklärungen zur Niederschrift oder auch deren Entgegennahme in öffentlich beurkundeter Form umfasst307.

2. Einschränkungen der internationalen Zuständigkeit

Wie bereits erläutert, wurden verschiedene Einschränkungen der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte bereits in der Zeit vor dem 01.09.2009 diskutiert (vgl. oben 3. Kap. B.III.5.). Nachdem die hiermit verbundenen Schwierigkeiten mit Inkrafttreten des FamFG jedoch erheblich an Bedeutung gewonnen haben, erscheint es gerechtfertigt, sie hier – im Rahmen der „neuen“

Probleme – zu behandeln.

305 Vgl. zu § 23 ZPO: BGH NJW 1991, 3092 ff.; 1996, 2096; NJW 1997, 324 f.; 2885 f.; Staudin-ger/Hausmann (2011) IntVertVerfR, Rn. 222 ff.; Zöller/Vollkommer § 23, Rn. 1;

Tho/Pu/Hüßtege § 23, Rn. 2; a.A.: Baumbach/Hartmann § 23, Rn. 16.

306 So auch MK ZPO/J.Mayer § 344 FamFG, Rn. 21.

307 Vgl. Bumiller/Harders § 344, Rn. 16; Bahrenfuß/von Miczewski § 344, Rn. 24.

a. Wesensfremde Tätigkeit

Unter der Geltung des von der Rechtsprechung statuierten Gleichlaufgrundsat-zes hatten deutsche Nachlassgerichte ausländisches Recht naturgemäß nur in den besprochenen Ausnahmekonstellationen anzuwenden. Entsprechend selten sahen sie sich mit Tätigkeiten konfrontiert, die dem deutschen Verfahrensrecht

„wesensfremd“ sind (vgl. oben 3. Kap. B.III.5.a.).

Infolge der zum 01.09.2009 Gesetz gewordenen Abkehr vom Grundsatz des Gleichlaufs zwischen Erbstatut und internationaler Zuständigkeit sind deutsche Nachlassgerichte nun ungleich häufiger mit der Anwendung ausländischen Erb-rechts befasst. Das vor allem aus dem Bereich der streitigen ErbErb-rechtsverfahren bekannte Problem des Umgangs mit solchen Konstruktionen und Verrichtungen, die dem deutschen Recht wesensfremd sind, hat in den Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit daher erheblich an Bedeutung gewonnen308. Der Streit insbesondere um die Kriterien und Rechtsfolgen der Wesensfremdheit wird sich wohl auch hier intensivieren309. Der Reformgesetzgeber scheint sich dessen bewusst gewesen zu sein. Wenn er die Grenze der Wesensfremdheit in der Gesetzesbegründung dennoch ausdrücklich bestätigt310, mag dies als Hin-weis dafür gelten, dass die hiermit verbundenen Schwierigkeiten als das „kleine-re Übel“ in Kauf zu nehmen sind.

b. Fehlende Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeit

Die Erweiterung der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte, die mit der Abkehr vom Gleichlaufgrundsatz einherging, dürfte dazu führen, dass sehr viel häufiger Entscheidungen getroffen und Verrichtungen vorge-nommen werden, die weltweite Geltung beanspruchen. Eine Beschränkung der

308 Vgl. Bassenge/Roth/Althammer § 105, Rn. 4; Roth, JZ 2009, 585 (591); Bumiller/Harders Vor

§§ 343, 344, Rn. 15; Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (186).

309 Zimmermann, FGPrax 2006, 189 (191); Berenbrok, 142, 148 ff.; Soergel/Schurig Art. 25 EGBGB, Rn. 58; Kropholler, 588.

Zuständigkeit auf das inländische Vermögen wie sie § 2369 Abs. 1 a.F. BGB vorsah, ist den §§ 105, 343 f. FamFG gerade nicht zu entnehmen. Grundsätzlich wäre daher davon auszugehen, dass die Zahl der Konstellationen, in denen der-artigen Entscheidungen und Verrichtungen die Anerkennung verweigert wird, deutlich ansteigt. Nachdem die Anerkennung jedoch regelmäßig mit dem in der Sache angewandten Erbrecht steht und fällt und die deutschen Nachlassgerichte in den neu eröffneten Zuständigkeitsbereichen häufig ausländisches Erbrecht anzuwenden haben311, sollte der beschriebene Effekt durch eine Steigerung der

„Anerkennungsrate“ zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Letztlich bedürfen diese Überlegungen vorliegend jedoch keiner weiteren Ver-tiefung. Auch nach der FGG-Reform wirkt sich die Frage nach der Anerken-nung einer Maßnahme im Ausland auf die hier zu untersuchende Entschei-dungszuständigkeit deutscher Nachlassgerichte grundsätzlich nicht aus. Denkbar ist allenfalls, dass ausnahmsweise das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ent-fällt. Voraussetzung hierfür ist aber, dass bereits bei der Einleitung des Verfah-rens sicher feststeht, dass die betreffende Maßnahme im Inland leerlaufen und im Ausland nicht anerkannt bzw. substituiert werden wird312.

c. Ausschließliche ausländische Zuständigkeit

Wie bereits zu den streitigen Erbrechtsverfahren erläutert, kann sich eine Ein-schränkung der innerstaatlichen Zuständigkeit stets nur aus dem eigenen Recht ergeben313. Die Ablehnung der Zuständigkeit deutscher Gerichte unmittelbar aus der nach fremdem Recht eröffneten ausschließlichen Zuständigkeit ausländi-scher Gerichte abzuleiten würde eine Überschreitung der Grenzen staatlicher

310 BT-Drs 16/6308, 221 f.; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff § 105, Rn. 4; Schaal, BWNotZ 2007, 154 (158); Zimmermann, FGPrax 2006, 189 (191).

311 Bei Anwendbarkeit deutschen Erbrechts war die deutsche internationale Zuständigkeit bereits vor der FGG-Reform eröffnet.

312 MK Sonnenberger Einl. IPR, Rn. 472; Staudinger/Dörner (2007) Art. 25 EGBGB, Rn. 853; der-selbe in IPRax 1994, 362 (364).

313 OLG Düsseldorf NJW 1969, 380; Stein/Jonas/Roth vor § 12, Rn. 50; MK ZPO/Patzina § 12, Rn.

97; speziell zu den §§ 105, 343 f. FamFG: MK ZPO/Rauscher § 106 FamFG, Rn. 4.

Gerichtsbarkeit bedeuten314. Damit ist zugleich erklärt, warum die beschriebene Fragestellung im Bereich der Nachlasssachen bis zum 01.09.2009 keine Rolle gespielt hat. Es wurde ausführlich dargelegt, dass der Gleichlaufgrundsatz der Rechtsprechung im Ergebnis die Entstehung jeglichen positiven Kompetenzkon-flikts verhinderte. Mit der Einordnung einer ausländischen Zuständigkeit als konkurrierend oder ausschließlich brauchte man sich daher nicht zu befassen (3.

Kap. B.III.5.c.).

Entsprechend verändert stellt sich die Rechtslage seit dem Inkrafttreten des FamFG dar. Nachdem § 106 FamFG ausdrücklich betont, dass die nach den §§

343 f., 105 FamFG begründeten Zuständigkeiten konkurrierender Natur sind, ist es sehr wohl denkbar, dass die hiernach aus Sicht der deutschen Rechtsordnung ebenfalls zuständigen Gerichte eines ausländischen Staates entsprechend dem für sie maßgeblichen Recht eine ausschließliche Zuständigkeit beanspruchen.

Fraglich ist, inwieweit diese Einschätzung dann auch innerstaatlich Beachtung findet, ob sich also nach autonomem deutschen Recht hieraus eine Einschrän-kung der eigenen Zuständigkeit ergibt. Zwar wurde dieser Aspekt für den Be-reich der Nachlasssachen – aus den vorstehend geschilderten Gründen – bislang kaum untersucht, letztlich treffen die aus anderen Rechtsmaterien bekannten Überlegungen jedoch auch hier zu. Nach wohl herrschender Meinung ist die ausschließliche Zuständigkeit ausländischer Gerichte hiernach nur dann zu ak-zeptieren, wenn bei entsprechend gelagerten Sachverhalten umgekehrt auch die ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben wäre315. Wie sich aus dem bereits zitierten § 106 FamFG unzweifelhaft ergibt, wurde dies für den Be-reich der Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch den Gesetzge-ber ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist damit auch die Einschränkung der kon-kurrierenden Zuständigkeit deutscher Gerichte durch eine im Ausland begründe-te ausschließliche Zuständigkeit316.

314 Letztlich folgt dies aus dem völkerrechtlich anerkannten Grundsatz der Gebietshoheit, vgl. hier-zu: Neuhaus, 399 f.; Hess, Staatsimmunität, 150; Heldrich, 78 ff.

315 Wieczorek/Schütze/Hausmann Vor § 12, Rn. 74; MK ZPO/Patzina § 12, Rn. 97; Matthies, 43;

a.A.: Stein/Jonas/Roth vor § 12, Rn. 47.

316 MK ZPO/Rauscher § 106 FamFG, Rn. 4.

d. Ausländische Rechtshängigkeit

Mit der Behandlung einer im Ausland reklamierten ausschließlichen Zuständig-keit verwandt ist die Frage nach dem Umgang mit einer zeitlich früher eingetre-tenen ausländischen Rechtshängigkeit.

Auch die hiermit angesprochenen Schwierigkeiten haben sich unter Geltung des Gleichlaufgrundsatzes nicht gestellt. Wo bereits ein positiver Kompetenzkon-flikt logisch ausgeschlossen ist, spielt es keine Rolle, welches Verfahren zuerst eingeleitet wurde und was dies für das jeweils andere Verfahren bedeutet.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat sich dies geändert. Wie im vorstehenden Gliederungspunkt dargelegt, ist es nach der Abkehr vom Grund-satz des Gleichlaufs zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Sachrecht ohne Weiteres denkbar, dass neben den deutschen Nachlassgerichten auch ausländische Stellen die eigene Zuständigkeit mit aus deutscher Sicht an-zuerkennender Begründung bejahen. Es gilt insofern das Spiegelbildprinzip des

§ 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG317. Deuten die doppelfunktionalen Zuständigkeits-vorschriften der §§ 343 f. FamFG sowohl ins In- als auch ins Ausland, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen einer zeitlich früher eingetretenen ausländi-schen Rechtshängigkeit jetzt also auch im Bereich der Nachlasssachen.

Eine ausdrückliche Regelung der Problematik oder auch nur ein Hinweis in Form einer entsprechend anwendbaren Vorschrift, wie er für die streitige Ge-richtsbarkeit in § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO enthalten ist, existiert im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch nach Inkrafttreten des FamFG nicht. Insbeson-dere ist § 2 FamFG wie schon die Vorgängernorm des § 4 FGG auf die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht anwendbar318. Dessen ungeachtet war man sich jedoch bereits unter Geltung des FGG für andere Bereiche als den der

317 Bassenge/Roth/Althammer § 106, Rn. 1; Musielak/Borth, FamFG § 109, Rn. 3; MK ZPO/Rau-scher § 109 FamFG, Rn. 11.

318 MK ZPO/Pabst § 2 FamFG, Rn. 25; KG OLGZ 1970, 96 (105); Keidel FGG/Kahl § 4, Rn. 1.

Nachlasssachen einig, dass ein vor einem ausländischen Gericht anhängiges Verfahren auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu berücksichtigen ist, sofern davon ausgegangen werden kann, dass die bevorstehende ausländische Ent-scheidung anerkannt wird319. Zur Begründung wurde meist auf den „allgemei-nen Gesichtspunkt“ verwiesen, demzufolge „nicht mehrere Gerichte mit dersel-ben noch nicht erledigten Angelegenheit nedersel-beneinander befasst werden sol-len“320. Die Hintergründe dieses „allgemeinen Gesichtspunkts“ sind indes die-selben wie im Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit. Würde man in den betref-fenden Konstellationen ungeprüft ein Verfahren auch in Deutschland eröffnen, so bestünde die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, die den Rechtsfrie-den nachhaltig stören und die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung bzw. Umsetzung hindern könnten. Ein Konflikt, den es bereits aus Gründen der Prozessökonomie in einer möglichst frühen Phase des Verfahrens zu lösen gilt321.

Die vorstehenden Überlegungen und Argumente lassen sich durchgängig nicht nur auf die echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit322 übertragen323, sondern müssen auch im gesamten Bereich der Nachlassangelegenheiten gel-ten324. Es ist daher folgender Grundsatz zu formulieren: Die Rechtshängigkeit bzw. Anhängigkeit325 eines vor einem ausländischen Gericht laufenden Verfah-rens steht der Tätigkeit eines deutschen Nachlassgerichts entgegen, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu erwarten ist.

319 OLG München FamRZ 1993, 349 f.; OLG Hamburg, RzW 1959, 543; Geimer, Rn. 2730; Jansen

§ 31, Rn. 14; Keidel FGG/Zimmermann § 31, Rn. 25; vgl. KGJ 51, 1 (3); Habscheid, 175; Soer-gel/Kronke Art. 38 EGBGB Anh IV, Rn. 117.

320 Jansen § 31, Rn. 14; KGJ 51, 1 (3); OLG Hamburg RzW 1959, 543.

321 Vgl. BGH NJW 1986, 2195 (2196) m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Hausmann Vor § 12, Rn. 83;

MK ZPO/Patzina § 12, Rn. 76; Riezler, 452 ff.

322 Hierzu zählt beispielsweise das Verfahren zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB, Keidel/Sternal § 1, Rn. 34; Jansen Vor §§ 8-18, Rn. 54.

323 Vgl. Jansen § 31, Rn. 14; KG OLGZ 1967, 392 ff.; OLG München FamRZ 1993, 349 ff.

324 Vgl. bereits KG OLGZ 1967, 392 ff.

325 Bassenge/Roth Einl., Rn. 17; KG WuM 1991, 369 f.

Über die Wahrung dieses Grundsatzes hinaus lässt sich für den seit dem 01.09.09 im Bereich der Nachlasssachen wohl häufig relevanten Umgang mit ausländischer Rechtshängigkeit nur eines vorhersagen: Auch hier wird sich eine Vielzahl an Streitpunkten auftun326 – Was meint Rechts- bzw. Anhängigkeit im vorliegenden Zusammenhang? Nach welcher Rechtsordnung ist hierüber zu ent-scheiden? Welche Anforderungen sind an die Anerkennungsprognose zu stel-len? Was ist die konkrete Rechtsfolge des positiven Kompetenzkonflikts?